Jakob Lorber

Großes Evangelium Johannes - Band 6

Ein Buch der Offenbarungen Jesu durch Jakob Lorber

Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre. Durch das Innere Wort empfangen von Jakob Lorber. Nach der Siebten Auflage.

Copyright © 2000 by Lorber-Verlag, Hindenburgstraße 5, D-74321 Bietigheim-Bissingen.

Inhaltsverzeichnis

Zum Gesamtverzeichnis

1. Johannes.05,01-13: Jesus heilt einen Kranken am Teiche Bethesda.

2. Johannes.05,14-27: Jesus zeugt von Sich und Seiner Mission als Messias.

3. Johannes.05,28-39: Jesus verweist auf seine Werke als Zeugnis.

4. Johannes.05,40-47: Uneinsichtigkeit und Verstocktheit der Tempeljuden.

5. Pharisäer in Bethanien.

6. Das Bekenntnis der Pharisäer.

7. Jesus mit den Seinen auf einem Hügel bei Bethanien.

8. Moses und Elias erscheinen auf Jesu Geheiß. Moses Anklage gegen die Tempelpriester.

9. Die Anklage des Elias gegen die Tempelpriester.

10. Selbstanklage der jüdischen Priester.

11. Die guten Vorsätze der neubekehrten Judenpriester.

12. Der nächtliche Gewittersturm.

13. Der neue Stern mit dem neuen Jerusalem. Bedingungen fürs ewige Leben.

14. Bekenntnis eines Judenpriesters.

15. Die Judenpriester werden Jesu Jünger.

16. Bekehrte Priester sagen sich vom Jerusalemer Tempel los.

17. Das selbstsüchtige Treiben der jüdischen Priester im Tempel.

18. Ein Evangelium des Frohsinns.

19. Die Reinigung von der Sünde.

20. Die Vergänglichkeit der Materie.

21. Jesus verwandelt Wasser in Wein. Die Arbeit im Weinberge Jesu.

22. Falsche Lehrer des Evangeliums.

23. Jesus und die Seinen in Bethlehem. Heilung und Versorgung vieler Kranker.

24. Die Heilungen Jesu in einem Orte bei Bethlehem.

25. Die Reise Jesu zu Kisjonah.

26. Philopolds philosophische Fragen an Jesus.

27. Jesus über die Reifeentwicklung des Menschen.

28. Jesus über Zeit und Raum.

29. Jesus über kosmische und göttliche Kraft.

30. Die Stärke des Lichtes aus Sonnen und Gott.

31. Die göttliche und die menschliche Wesenheit Jesu.

32. Das Geistige im Natürlichen.

33. Jesus über Himmel und Hölle.

34. Ein großer Fischfang durch Jesu Hilfe.

35. Judas Ischariot im Hause Kisjonahs.

36. Jesu Abfahrt von Kis und Ankunft beim Wirte des Lazarus.

37. Wiedersehen der 3 persischen Magier, Weisen und Sterndeuter mit Jesus.

38. Das Können und Wirken der drei persischen Magier, Weisen und Sterndeuter.

39. Ein guter Zweck heiligt nicht die schlechten Mittel.

40. Einfluß der Lichtgeister. Jesus am Galiläischen Meere.

41. Johannes.06,01-15: Jesu wunderbare Speisung der Fünftausend.

42. Johannes.06,16-21: Die Jünger fahren ohne Jesus über das Meer nach Kapernaum.

43. Johannes.06,22-35: Jesu Lehre als Brot des Lebens.

44. Johannes.06,36-58: Jesu Mission auf Erden. Was Fleisch und Blut Jesu bedeuten.

45. Johannes.06,59-64: Urteile des Volkes über die geheimnisvolle Rede Jesu.

46. Johannes.06,65-70: Eine Prüfung für die Jünger Jesu.

47. Johannes.06,71: Judas Ischariot.

48. In der Herberge des Wirtes von Kapernaum.

49. Jesu Duldsamkeit gegen Judas Ischariot.

50. Jesu Hilfe für reichen Fischzug. Die wohlschmeckenden Edelfische.

51. Vom rechten Fasten und Buße tun. Jesu Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner.

52. Von der Versuchung und den Schwächen. Übe das Denken!

53. Die Bestimmung der Geschöpfe.

54. Jesus über die Auferstehung des Fleisches.

55. Jesus über Krankheiten und frühzeitigen Tod.

56. Jesus über die Hauptursachen der Krankheiten.

57. Die Springflut.

58. Petrus und ein reicher Bürger von Kapernaum.

59. Jesus über das Wesen der Weltmenschen.

60. Gleichgültitgkeit von Kaufleuten auf geistigem Gebiet.

61. Jesus über Reinkarnation. Die Erde als Gotteskinderschule.

62. Auftauchen einer großen Seeschlange.

63. Jesus über den Grund der Menschwerdung Gottes.

64. Unglaube als Reifeanlass für eine neue Offenbarung. Vergleich zwischen den Menschen zu Noahs Zeiten und zur Zeit Jesu. Der geistige Zustand der Menschen.

65. Die jenseitige Führung der Seelen, die vor Jesus Menschen waren. Vom Himmelreich.

66. Der habsüchtige Oberste von Kapernaum.

67. Jesus über die Unsterblichkeit der Menschenseele.

68. Jesus über die Ursache der Todesfurcht.

69. Die göttliche Liebe, ihre Fürsorge und Weisheit.

70. Das durch Geistereinfluss eingesunkene Landstück.

71. Das Wesen der bösen Geister.

72. Geistereinflüsse bei natürlichen Vorgängen als Zulassungen der Vorsehung.

73. Jesus erweckt die ertrunkene Tochter eines Wirtes.

74. Ein Schiff der Pharisäer in Seenot.

75. Jesus über die rechte Betrachtung der Natur.

76. Jesus über die Ursachen des Verfalles der Menschen. Theokratie und Königtum. Endzeit und Gericht.

77. Jesus auf einem Berge bei Kapernaum.

78. Johannes.07,01 ff.;: Gespräch zwischen dem Wirt und dem Obersten über Jesus. Jesus im Norden von Galiäa.

79. Johannes.07,01: Jesu Abschied vom Herbergswirte zu Kapernaum. Das innere Wort als Geheimnis Gottes im Menschenherzen.

80. Jesu Besuch beim Wirte in Kana. Heilung des kranken Kindes. Ein Evangelium für stillende Mütter.

81. Jesus im Norden von Galiläa.

82. Die Jünger und der strenge Zöllner.

83. Jesus erweckt den verstorbenen Sohn des Zöllners.

84. Abfertigung der drei pfuschenden Ärzte.

85. Jesus über die Kunst des Lebens.

86. Jesus als Lehrer der Lebenskunst.

87. Jesus über die innere Entwicklung eines Geistesmenschen.

88. Jesus über die Voraussetzungen zur geistigen Vollendung. Das Wesen Gottes.

89. Gespräch zwischen Arzt und Wirt über Jesus.

90. Das Menschliche und das Göttliche in Jesus.

91. Ein Arzt erhält von Jesus die Kraft, durch Händeauflegen Kranke zu heilen.

92. Der Christ als Geschäftsmann. Vom Schutzzoll und Sklavenhalten. Das Verhalten zu den Götzenpriestern.

93. Jesu Besuch des heiligen Haines und die Vernichtung der Götzenstatuen.

94. Bitte des Priesters um Wiederherstellung der Götzenstatuen. Der heilige See.

95. Jesus beim Mahl im Hause des Zöllners Jored. Seine Lebenslehre.

96. Jesus über Astrologie.

97. Jesus heilt Kranke in einem Fischerdörfchen.

98. Gewandte Verteidigungsrede eines Heidenpriesters.

99. Joreds armes Fischerdörfchen wird von Jesus gesegnet.

100. Jesu Rückkehr nach Chotinodora.

101. Jesus erläutert die Visionen Daniels.

102. Die listigen Weiber der Heidenpriester.

103. Das gute Zeugnis der Priesterweiber über Jesus.

104. Die Zweifel der gelehrten Weiber am Jenseits.

105. Jesu Mißfallen an den hochmütigen, kritischen Priesterfrauen.

106. Ein Schriftgelehrter unterstützt die Ansichten der Priesterfrauen.

107. Kontakte ins Jenseits. Beweise über das Fortleben nach dem Tode.

108. Die atheistische Rede eines redegewandten Priesterweibes.

109. Meinungsaustausch zwischen dem Schriftgelehrten und dem Priesterweibe.

110. Rede des Schriftgelehrten über das Wesen Gottes.

111. Der Weg zur Gotteserkenntnis und Gottesliebe.

112. Der abergläubische Fischereimeister am Euphrat.

113. Die rechte Art reigiöser Belehrung.

114. Die Schlange als Vorbild der Klugheit.

115. Die Floßdiebe.

116. Die Floßbesitzer und Jesus.

117. Die Geschichte vom reichen Mann und seinen Arbeitern.

118. Die Schuld der Floßherren.

119. Die Ehrfurcht der Priesterfrauen vor Jesus.

120. Jesus erklärt die Mondwelt und das Wesen der Mondsucht.

121. Eigentümlichkeiten der auf der Erde inkarnierten Mondseelen.

122. Jesus warnt vor dem Rückfall ins Materielle. Das Wesen der Materie. Die Unendlichkeit Jesu.

123. Vom rechten Gebet und Gottesdienst.

124. Von der Bildung der Menschen.

125. Der Geist des Mentors der Priesterfráuen erscheint.

126. Die Bedeutung des Judenvolkes gegenüber den Heiden.

127. Jesus überwindet die Stromräuber.

128. Jesus in Samosata.

129. Die Heilung des fieberkranken Hauptmannssohnes.

130. Die Bekehrung der Götzenpriester.

131. Der römische Hauptmann findet seine Geschwister.

132. Klage des Hauptmanns über den Krieg im Tierreiche.

133. Von der Seelenlehre. Wesen und Zweck der Materie. Die freie, selbsttätige Entwicklung des Menschen zum Gotteskinde.

134. Erzählung des Hauptmanns von dem weisen Illyrier.

135. Die Persönlichkeit Gottes. Gottes Wille und des Menschen Wille. Die Kraft des Willens.

136. Der Schönheitssinn, eine Blüte der Wahrheit.

137. Der Besuch im Tempel der Weisheit.

138. Das Wundermahl im Hause des Obersten. Wesen und Wirkung der Liebe.

139. Jüdische Schacherer.

140. Jesu Rückreise nach Kapernaum. Der Riese und seine Predigt über die Juden.

141. Der mißglückte Überfall des Synagogenobersten.

142. Der Hauptmann wirbt den Riesen und seine Brüder für Rom an. Werke der Liebe sind das wahre Verdienst vor Gott.

143. Amt und Ehre. Alles ist Gnade; nur der gute Wille ist Verdienst. Vom Bewußtsein des eigenen Unwertes.

144. Die Abhängigkeit des menschlichen Wirkens von Gottes Gnade.

145. Die Vorwürfe und Zweifel der Jünger.

146. Johannes.07,02-13: Unzufriedene Jünger ziehen allein nach Jerusalem zum Laubhüttenfest; Jesus folgt heimlich nach.

147. Johannes.07,14-36: Jesus im Tempel. Der mißglückte Anschlag der Templer.

148. Jesu Einkehr bei Lazarus in Bethania.

149. Eine Voraussage Jesu über unsere jetzige Zeit. Die Notwendigkeit göttlicher Offenbarungen.

150. Echte und falsche Propheten und Offenbarungen.

151. Kennzeichen der Antichristen.

152. Die Vielfalt der Geschöpfe und ihr Zweck.

153. Voraussage Jesu vom Gericht über die Juden. Die Vergänglichkeit der Materie.

154. Die Notwendigkeit der Vergänglichkeit der Materie.

155. Selbstverschuldete und unverschuldete Krankheiten und Unglücke.

156. Eine bevorstehende Mondfinsternis.

157. Das Beschauen des Mondes durch die innere Sehe.

158. Die Folgen der Mondfinsternis. Wiedergeburt und Geistesgaben.

159. Die Erfahrungen der Jünger auf dem Fest in Jerusalem.

160. Die sieben Schutzhunde des Lazarus. Die Sternenwelten als Schulhäuser für Geister.

161. Die vorbildliche Tat als beste Lehre und Ermahnung. Wo Ernst und Drohung am Platze sind.

162. Ursachen und Zweck von Krankheiten und Leiden.

163. Das Schicksal der Selbstmörder. Lehre ohne gutes Beispiel ist nichts nütze. Glaube ohne Werke ist tot.

164. Haltung des Lazarus zum Tempel. Schädliche Folgen des Ärgers.

165. Geistereinflüsse und Willensfreiheit des Menschen. Die Bestimmung der Tierseelen.

166. Das Wesen der Meteore und Kometen.

167. Lazarus wird Besitzer einer Erdölquelle.

168. Lazarus und die Spione des Tempels.

169. Jesu Hinweis auf Seinen Kreuzestod.

170. Johannes.07,37-49: Jesus lehrt im Tempel.

171. Johannes.07,50-53: Die Pharisäer und Nikodemus. Jesus auf dem Ölberg. (Joh.08)

172. Johannes.08,01: Jesus und die Seinen in der Herberge des Lazarus auf dem Ölberg.

173. Jesu Betrachtungen beim Anblick Jerusalems. Vorhersage des Gerichtes über Jerusalem.

174. Voraussage und Kennzeichen des großen Gerichtes in unserer Endzeit.

175. Zweifel des Lazarus an der göttlichen Führung der Menschheit.

176. Matthäus.20,01-16: Lohn der Lehrer und Propheten (= Arbeiter im Weinberg). Zweck, Wesen und Wirkung der Offenbarungen.

177. Die Propheten als Träger der Offenbarung. Lichtglaube und Blindglaube.

178. Zweierlei Menschen auf Erden: Seelen von oben und Seelen von unten. Lehren und Zeichenwirken mit verschiedenen Wirkungen.

179. Der Antichrist. Entstehung und Kennzeichen wahrer und falscher Propheten.

180. Vom rechten Segen und Gebet.

181. Ankunft fremder Römer in der Herberge.

182. Gespräch der Führerin Magdalena mit den Römern über Jesus.

183. Der Römer fragt den Wirt und Lazarus nach dem Wundermanne Jesus.

184. Lazarus erzählt dem Römer von Jesus.

185. Die Heilung der besessenen Maria Magdalena durch Jesus.

186. Die Römer und Maria Magdalena ehren Jesus.

187. Über die Wirkung des Weines.

188. Der Wert des Denkens und des wahren Glaubens.

189. Ein Blick in die Wunder der Engelswelt vermittels des Zweiten Gesichtes. Der Unterschied zwischen Engeln und Menschen.

190. Die Verschiedenheit der Lebensaufgabe von Engeln und Menschen.

191. Vom Zweiten und vom Dritten Gesicht (Hellsehen).

192. Ein Besuch im Universum.

193. Die geistige Entsprechung der Tageszeiten. Wer dem Altare dient, soll auch vom Altare leben.

194. Jesus kennzeichnet die 30 Römer.

195. Die 30 Römer suchen Jesus.

196. Johannes.08,02: Jesus lehrt im Tempel. Die Urteile des zuhörenden Volkes.

197. Johannes.08,03-11: Jesus und die Ehebrecherin.

198. Johannes.08,12-29: Jesu Sendung durch den göttl. Vater; Licht der Welt.

199. Johannes.08,30-49: Jesus und Seine Gegner.

200. Johannes.08,50-59: Das Wesen Jesu.

201. Die Entlarvung des Verführers der Ehebrecherin.

202. Arbeiter besuchen Jesus auf dem Ölberg.

203. Der Grund des Unglaubens der Templer.

204. Die Erziehung der Menschheit zur Erkenntnis Gottes.

205. Die Willensfreiheit und die geistige Mission des Menschen auf Erden.

206. Über Sünde und Opfer.

207. Jesu Betrachtungen über Jerusalem und über die Endzeit der Erde. Das tausendjährige Reich und das Feuergericht.

208. Bericht des Lazarus über ungläubige Pharisäer.

209. Jesu Wunder in der Herberge.

210. Zweifel der Pharisäer über Jesus als Messias.

211. Wette zwischen Römer Agrikola und einem Pharisäer.

212. Agrikola deutet Weissagungen aus Jesaias.

213. Unwisseneit des Pharisäers betreffs der Sonne und der Sündflut.

214. Vom Buche Hiob und vom Tempel zu Jabusimbil.

215. Das Orakel zu Delphi. Vom Fortleben nach dem Tode.

216. Die sieben Bücher Mosis.

217. Vom Hohenlied Salomos.

218. Agrikola spricht über das Wesen der Seele.

219. Seele und Leib.

220. Weltentsagung und Reich Gottes.

221. Die göttliche Führung der Menschen.

222. Reine und unreine Speisen.

223. Wahre und falsche Sabbatfeier.

224. Gegenargumente des Pharisäers.

225. Geistereinflüsse und Kontakt mit dem Jenseits. Selbständigkeit und Willensfreiheit des Menschen.

226. Gottes Wesen und ewige Schaffensfreude. Die Verwandlung aller Materie in Geistiges. Das jenseitige Leben des Menschen.

227. Nicht Wissen, sondern die Liebestat macht selig. Von Fleiß und Sparsamkeit. Gerechter Reichtum.

228. Nächstenliebe. Gotteserkenntnis und Gottesliebe.

229. Gott-Vater, Gott-Sohn und Gott-Heiliger Geist. Dreieinigkeit Gottes.

230. Die Dreieinigkeit in Gott und Mensch.

231. Die Unendlichkeit und Allgegenwart Gottes in Jesus. Die Erscheinung bei der Taufe Jesu.

232. Das Wesen der Kometen.

233. Die Wichtigkeit der Erkenntnis.

234. Erfindungen und ihr Zweck.

235. Von den falschen Propheten.

236. Jesu geistige Allgegenwart. Die Ersten werden die Letzten sein! Warnung vor Eifersucht und Hochmut.

237. Himmel und Hölle.

238. Die Kämpfe in der Hölle.

239. Die zweite Schöpfung Gottes.

240. Das Verhältnis zwischen Hölle und Welt.

241. Lazarus will den Sündern helfen.

242. Drei Gleichnisse von der Barmherzigkeit Gottes. Das Geheimnis der Liebe.

243. Die Folgen der falschen Vorstellung vom Jenseits.

244. Vom Richten und Strafen

245. Der große Schöpfungsmensch im Universum

246. Die Erlösung des Weltenmenschen

247. Jesus als Heiland des großen Weltenmenschen. Die geistige Größe des Menschen.

248. Die Bewegung des Weltenmenschen und seiner Hülsengloben. Die Doppelsonnen.

1. Kapitel. Johannes.05,01-13: Jesus heilt einen Kranken am Teiche Bethesda.

1. Ich aber zog mit Meinen Jüngern an diesem Tage bis in die Nähe von Jerusalem, allwo wir in einer Mir und den Jüngern wohlbekannten Herberge die Nachtruhe nahmen. Der Wirt hatte eine große Freude an uns und erzählte uns viel von dem nunmaligen argen Treiben in Jerusalem und ließ uns ein recht gutes Abendmahl zurichten.

2. Ich aber sagte zu ihm: „Komme du morgen nur hinauf zum Tempel, und du wirst da sehen, was Ich mit den Pharisäern für ein Wesen haben werde! Morgen sollen sie es genau und ohne allen Vorbehalt erfahren, mit wem sie es in Mir zu tun haben!“

3. Dessen war unser Wirt sehr froh und brachte uns noch Brot und Wein zur Genüge. Er hatte zwar schon vieles von Mir gehört, aber auch er wußte noch nicht, wer Ich so ganz eigentlich sei, obwohl ihm Meine Jünger so einige Winke gaben, die er gut aufnahm. – Bald darauf begaben wir uns zur Ruhe.

4. Am Morgen des Sabbats zogen wir hinauf nach Jerusalem. (Joh.5,1) Warum denn hinauf? Weil die große Stadt und vor allem der Tempel auf einem ziemlich weitgedehnten, klippigen Bergrücken lag und nahe zuhöchst der Tempel mit seinen weiten Hallen, Ringmauern und Hochgärten. Daß uns der Wirt, dessen Haus in einem Tale stand, hinaufbegleitete, versteht sich von selbst.

5. Als wir in die Nähe des Tempels kamen, da mußten wir zuerst an dem Teiche Bethesda (Vedes da = er gibt Erweckung oder Genesung) vorübergehen, der zunächst bei dem Schafstalle des Tempels sich befand und ringsum fünf Hallen hatte. (Joh.5,2) In diesen Hallen lagen stets viele Kranke, wie Blinde, Lahme, Dürre und noch mit allerlei anderen Krankheiten Behaftete, und warteten, bis sich das Wasser bewegte. (Joh.5,3) Nach einer sehr alten Sage seit Melchisedeks Zeiten und nach dem festen Glauben, besonders des armen Volkes, fuhr ein Engel von Zeit zu Zeit vom Himmel herab und bewegte das Wasser. Die Menschen sahen zwar den Engel nicht und schlossen auf seine Gegenwart nur aus der eigentümlichen Bewegung des Wassers.

6. Die gelehrten Pharisäer glaubten selbst zwar nicht an die Niederfahrt des Engels, sondern hielten den Teich nur für eine besondere Heilquelle, sowie desgleichen auch die Römer und Griechen; aber sie verstanden es zu ihrem Vorteile dennoch, das Volk bei dem frommen, alten Glauben zu erhalten.

7. Wenn aber das Wasser sich bewegte – was etwa alle Wochen ein- bis zweimal der Fall war –, so hatte es wahrlich eine so außerordentliche Heilkraft, daß ein jeder mit was immer für einer Seuche Behaftete geheilt war, so er das Glück hatte, als der erste ins Wasser zu kommen. (Joh.5,4) Es versteht sich von selbst, daß da auch nur die reichen und wohlhabenden Kranken den Vorzug hatten, und daß die Armen, weil sie nichts zahlen konnten, oft viele Jahre da vergeblich warteten, bis irgendein etwas barmherzigerer Wärter einen solchen Armen zuerst ins Wasser tauchte, worauf er dann auch gesund wurde.

8. Der uns begleitende Wirt hielt sich darüber sehr auf und erklärte dieses Treiben für eine höchst schmutzig-ungerechte Sache. Er zeigte Mir auch einen sehr alten, armen Menschen, der bereits achtunddreißig volle Jahre da auf die Heilung warte (Joh.5,5); aber noch nie sei es einem schmutzigen Wärter eingefallen, ihn nach so vielen Jahren doch endlich einmal in das bewegte Teichwasser als ersten steigen zu lassen.

9. Mich erregte das offenbar sehr, und Ich sagte zum Wirt: „Obwohl heute ein Sabbat ist, so soll diesem Menschen dennoch sogleich geholfen werden!“

10. Da Ich zuerst Selbst wußte und auch von dem biedern Wirte vernommen hatte, wie es mit dem Menschen stand, da trat Ich sogleich hin zu ihm und sagte: „Willst du gesund werden?“ (Joh.5,6)

11. Da antwortete mit trauriger Miene der Kranke: „Bester Herr! Ich habe keinen Menschen, der mich zuerst in den Teich ließe, wenn das Wasser bewegt wird; und wenn ich selbst komme, so steigt ein anderer, der begünstigt ist, vor mir ins Wasser. (Joh.5,7) Wie möglich kann ich da gesund werden?!“

12. Darauf sagte Ich: „So stehe auf, nimm dein Bett und gehe hin, von wannen du gekommen bist!“ (Joh.5,8)

13. Und alsbald ward der Kranke gesund, hob sein mageres Bett auf und ging nach der Sitte hin zu einem Priester als Genesener, und das an einem Sabbat, an dem das Wasser nach vielen Erfahrungen nahezu gar nie bewegt ward. (Joh.5,9) Daher war es den Juden gleich auffallend, wie dieser Mensch an einem Sabbat gesund geworden war.

14. Sie (die Juden) hätten aber eben zu dem Gesundwerden nicht soviel gesagt; aber da er an einem Sabbat sein Bett trug, so war das bei ihnen schon ein großer Fehler, und sie sagten: „Es ist heute Sabbat, und es ziemet sich nicht, das Bett zu tragen!“ (Joh.5,10)

15. Er (der Geheilte) aber entgegnete ihnen: „Höret! Der mich gesund machte, der auch sagte zu mir: Nimm dein Bett, und gehe hin! (Joh.5,11) Der aber solch eine Macht hat und Der mir solch eine Wohltat erwies, dem gehorchte ich auch an diesem Sabbat! Denn volle achtunddreißig Jahre hindurch hat mir niemand solch eine Wohltat erwiesen wie jener Mensch! Warum sollte ich ihm dann nicht gehorchen auch an einem Sabbat?!“

16. Da fragten die Juden ihn: „Wer ist denn hernach jener Mensch, der zu dir sagte als heute an einem Sabbat: Nimm dein Bett, und gehe hin!?“ (Joh.5,12)

17. Der Gesundgemachte und Gefragte aber wußte nicht, wer Ich war und welchen Namen Ich führte. Er konnte auch nicht mit dem Finger nach Mir hindeuten, da Ich die Stelle schnell verließ des vielen Volkes wegen, das hier versammelt war. (Joh.5,13)

2. Kapitel. Johannes.05,14-27: Jesus zeugt von Sich und Seiner Mission als Messias.

1. Ich ging etwa nach einer Stunde Zeit mit den Jüngern in den Tempel, nachdem wir zuvor mit der Familie des Lazarus von Bethanien, mit der Ich schon von Meinem zwölften Jahre an bekannt war, und die Ich alljährlich bei unseren Wallfahrten nach Jerusalem zu besuchen pflegte, zusammentrafen und so manches besprachen über die Führung Meines Lehramtes. Die Familie wie auch unser bekannter Wirt geleiteten uns in den Tempel, und als wir in den Tempel kamen, da fand Ich den Geheilten, und der drängte sich, als er Mich ersah, zu Mir hin und fing von neuem an, zu loben und zu danken.

2. Ich sagte zu ihm: „Sieh zu, so du nun gesund geworden bist, daß du in der Folge nicht mehr sündigest, auf daß dir nicht noch etwas Ärgeres widerfahre!“ (Joh.5,14)

3. Er beteuerte das und erfuhr bei dieser Gelegenheit Meinen Namen, was eben ein leichtes war, da Mich viele von früheren Zeiten her kannten. Da verließ uns der Mensch und ging zu den scharfen Tempeljuden und verkündigte es ihnen, daß Ich, Jesus, es war, der ihn geheilt hatte. (Joh.5,15)

4. Da ergrimmten alsbald diese Tempeljuden, fingen an, Mich verfolgend, sich zu Mir hinzudrängen, um Mich sogleich zu ergreifen und zu töten, weil Ich solches – an einem so großen Sabbat noch dazu! – getan habe. (Joh.5,16)

5. Der Wirt ersah die grimmige Bewegung der ihm über alles verhaßten Juden und riet Mir, so schnell als möglich zu entweichen, ansonst Mir leicht etwas Übles begegnen könnte.

6. Ich aber vertröstete ihn und sagte: „Fürchte dich nicht; denn bevor Ich Selbst es nicht will, werden sie Mir nichts tun können! Aber Ich werde ihnen, sowie sie Mich zu fragen anfangen werden, eben erst ganz unverhohlen sagen, wer Ich bin, und da wirst du dann erst ihren Grimm sehen, vor dem sich aber nun niemand zu fürchten hat!“

7. Während Ich solches privatim zum Wirte geredet hatte, waren die Ergrimmten auch schon bei Mir und fuhren Mich an: „Warum tatest du solches an einem hohen Sabbat und hast ihn vor allem Volke geschändet? Hättest du das nicht morgen tun können, und dem Kranken wäre noch früh genug geholfen gewesen, und der hohe Sabbat wäre nicht geschändet worden?!“

8. Da sah Ich die Ergrimmten sehr ernst an und sagte ganz einfach zu ihnen: „Mein Vater (im Himmel) wirket bisher, und Ich wirke auch!“ (Joh.5,17)

9. Da ergrimmten die Tempeljuden noch mehr und trachteten Mich zu ergreifen und gleich zu töten; denn sie schrien zum Volke: „Nicht genug, daß er den hohen Sabbat geschändet hat, sondern er lästerte auch Gott, indem er Ihn seinen Vater nannte und sich Ihm ganz gleichstellte! Darum ergreifet und erwürget ihn sogleich!“ (Joh.5,18)

10. Da entstand ein förmlicher Tumult im Tempel, und es machten einige Miene, Mich zu ergreifen. Ich aber erregte Mich und gebot Ruhe.

11. Alsbald ward auch alles ruhig, und Ich sagte zu den ergrimmten Juden: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage es euch: Ich als der Sohn kann nichts von Mir Selbst aus tun – außer nur das, was Ich sehe den Vater tun! Was demnach Mein Vater tut, dasselbe tue auch Ich! (Joh.5,19) Der Vater aber hat den Sohn lieb und zeigt Ihm alles, was Er Selbst tut, und wird Ihm noch größere Werke zeigen, daß ihr selbst euch darob höchlichst verwundern werdet! (Joh.5,20) Denn gleich wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie lebendig, also macht auch der Sohn lebendig, welche Er will. (Joh.5,21) Ich sage es euch, ihr Blinden: Der Vater im Himmel richtet nun niemand; denn alles Gericht hat Er Mir, Seinem Sohne, übergeben (Joh.5,22), auf daß alle Menschen – Juden und Heiden – den Sohn ebenso ehren sollen, wie sie den Vater ehren. Wer aber den Sohn nicht ehrt, der ehrt auch den Vater nicht, der Ihn gesandt hat.“ (Joh.5,23)

12. Als Ich also redete, da war die größte Ruhe und die ergrimmten Juden schwiegen; denn Ich wollte es also.

13. Und Ich redete darum weiter und sagte: „Wahrlich, wahrlich, wer Mein Wort hört und glaubt wahrhaft an Den, der Mich zu euch Menschen auf diese Erde gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt seiner Seele nach nimmer in ein Gericht, das der Tod der Materie ist, sondern er ist durch solchen ernsten und lebendigen Glauben vom Tode zum wahren, ewigen Leben durchgedrungen! (Joh.5,24)

14. Und wieder sage Ich euch: Wahrlich, wahrlich, es kommt die Stunde und ist schon jetzt da, wo die Toten an Leib und Seele die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie gläubig hören werden, die werden dadurch auch leben ewiglich! (Joh.5,25) Denn wie der Vater das Leben hat in Sich Selbst, ebenalso hat Er auch dem Sohne gegeben von Ewigkeit her, das Leben zu haben in Sich Selbst. (Joh.5,26) Auch hat Er Ihm die Macht gegeben, das Gericht zu halten über alle Menschen, und das darum, weil der ewige Sohn Gottes nun für diese Zeit auch ein Menschensohn ist.“ (Joh.5,27)

3. Kapitel. Johannes.05,28-39: Jesus verweist auf seine Werke als Zeugnis.

1. Hier machten viele große Augen und fingen an, sich über solche Meine Worte sehr zu verwundern. Einige meinten, das sei eine Frevelei, die noch nie dagewesen sei.

2. Andere wieder sagten: „Nein, wahrlich, da muß etwas daran sein; denn so etwas hat noch nie ein Mensch von sich geredet!“

3. Ich aber sagte zu ihnen: „Denn es kommt die Stunde, in welcher alle, sogar die in den Gräbern sind (hier wurden die Heiden gemeint, was die Juden nicht verstanden), Meine Stimme hören werden und werden hervorgehen, die danach Gutes getan haben, zur wahren Auferstehung des Lebens, – die aber Übles getan haben, zur Auferstehung des Gerichtes, das da ist der wahre Tod der Seele.“ (Joh.5,29)

4. Da fingen wieder einige an zu murren, und andere wieder sagten: „Der Mensch hat sich übernommen und fängt nun ganz ordentlich zu faseln an! Er redet von sich ja gerade also, als so er und Gott ganz eins wären!? Wer hat je so etwas gehört?!“

5. Ich aber sagte: „Ihr irret euch sehr, so ihr über Mich also urteilet; denn Ich kann als Mensch auch nichts von Mir Selbst tun. Ich höre aber allzeit die Stimme des Vaters in Mir, und wie Ich sie höre, ebenso handle, rede und richte Ich, und Mein Gericht ist sodann recht, weil Ich nicht Meinen Menschenwillen, sondern nur den Meines Vaters erfülle, der Mich in diese Welt gesandt hat. (Joh.5,30) So Ich als Mensch von Mir Selbst zeugen würde, so wäre solch Mein Zeugnis unwahr (Joh.5,31); aber ein Anderer, den ihr nicht kennet und noch nie erkannt habt, ist es, der durch Meine Taten, die schon allbekannt sind, von Mir zeuget, und darum weiß Ich nur zu bestimmt, daß das Zeugnis, das Er Mir allzeit gab und gibt, vollwahr ist. (Joh.5,32)

6. Ihr schicktet hinaus zu Johannes dem Täufer und sahet, daß er von der Wahrheit zeugte. (Joh.5,33) Ich aber nehme, wie ihr sehet, kein Zeugnis von den Menschen; denn Ich zeuge von Mir Selbst vom Vater aus, und das tue Ich, damit ihr alle wahrhaft selig werden sollet. (Joh.5,34) Warum mag euch solches denn nicht gefallen?“

7. Da sagten einige: „So Johannes nach deinem Worte von der Wahrheit zeugte, so war sein Zeugnis ja ohnehin gut und genügend; wozu sollte uns nun noch dein sonderliches Zeugnis dienen?! Denn nach dem Zeugnisse des Johannes können wir ja ohnehin selig werden.“

8. Sagte Ich: „Johannes war wohl ein brennendes und hell scheinendes Licht; aber ihr ginget nur darum hinaus, weil ihr euch bei seinem Lichte nur so ein wenig fröhlich machen wolltet. (Joh.5,35) Ich aber habe ein größeres Zeugnis für Mich, als da war das Zeugnis des Johannes; denn die Werke, die Mir Mein Vater zu verrichten gegeben hat, daß nur Ich allein sie vollende, diese Werke also, die Ich allein tue vor aller Welt Augen, zeugen aller Wahrheit gemäß, daß Mich der Vater als Seinen Sohn zu euch gesandt hat. (Joh.5,36)

9. Und eben dieser Vater, der Mich nun zu euch gesandt hat, hat schon lange durch den Mund der Propheten von Mir gezeugt, obwohl keiner von euch je Seine Stimme gehört und Seine Gestalt gesehen hat. (Joh.5,37) Ihr habt zwar Sein Wort aus der Schrift der Propheten wohl vernommen; aber ihr habt es nicht in euch, weil ihr nun Dem nicht glaubet, den Er zu euch gesandt hat. (Joh.5,38)

10. Suchet es selbst in der Schrift, von der ihr meinet, daß euer ewiges Leben darin sei! Und sehet, gerade sie ist es, die hundert- und tausendfältig von Mir zeugt! (Joh.5,39)

11. „Was habt ihr wider Mich? Ist es denn nicht recht also, daß Ich ohne irgendein äußeres Ansehen zu euch komme, um euch nicht kleinmütig und verzagt und sehr furchtsam zu machen?! Hat Elias, als er eine Weissagung von Meiner Ankunft im Geiste, also auch geistig, erhielt, Jehova etwa im Sturmwinde oder im Feuer vorüberziehen sehen, als er in der Höhle verborgen war? Nein, in einem sanften Säuseln zog Jehova vorüber! Und sehet, das ist nun hier vor euren Augen! Warum wollet ihr es denn nicht glauben? Geben Mir denn nicht Meine Werke, die Ich unter tausend und abermals tausend Zeugen schon gewirkt habe, das wahrhafteste Zeugnis dafür? Hat denn je jemand auf der Welt solche Taten verübt?“

4. Kapitel. Johannes.05,40-47: Uneinsichtigkeit und Verstocktheit der Tempeljuden.

1. Sagten einige Juden: „Deine Taten sind wohl stark außergewöhnlich, aber du selbst hast doch nicht das entfernteste Ansehen dazu, und zudem wirken die Essäer ebendasselbe, obwohl sie unsere Feinde sind, aber dennoch den Juden angeben, daß der Messias aus ihnen hervorgehen werde.“

2. Sagte Ich: „Oh, Ich kenne euch nur zu gut! Ihr wisset nicht erst jetzt, sondern schon seit lange her, wie die Essäer ihre Wunderwerke wirken, und habt dagegen auch schon mit Recht geeifert und habt dem Volke die essäische Blindfechterei auch schon zu öfteren Malen mit gutem Erfolg gezeigt; denn auf derlei Künste und Kniffe versteht ihr euch ebensogut wie die Essäer, und das Ansehen Meiner Person ist gerade auch nicht das letzte unter euch. Also darin liegt es gar nicht, darum ihr Mich als das, was Ich allerwahrst bin, nicht anerkennen und annehmen wollt, – sondern ihr wollet, ganz einfach gesagt, nicht zu Mir kommen, daß ihr von Mir und aus mir das ewige Leben haben möchtet. (Joh.5,40)

3. Ich nehme freilich – irgendeines größeren und äußeren Ansehens wegen – nicht Ehre von den Menschen (Joh.5,41), da sie Mir ohnehin ewig nie eine größere geben können, als die in Mir wohnt; aber Ich kenne euch von einer ganz andern Seite! Eures Hochmutes, eurer Welt- und Selbstliebe wegen ist die Liebe Gottes schon lange nicht mehr in euch, – und darum nehmet ihr Mich nicht an!“ (Joh.5,42)

4. Sagten abermals einige Juden: „Das sind wohl recht feine und kluge Worte, aber sie beweisen noch lange nicht, daß nun auf einmal eben du der verheißene Messias bist! Du kannst, was wir allenfalls annehmen können, wenn wir wollen, ein Weissager in Seinem Namen sein, obwohl es geschrieben steht, daß aus Galiläa kein Prophet ersteht; aber von einem Messias wird bei dir wohl noch lange keine Rede sein! Haben wir recht oder nicht?“

5. Sagte Ich: „Mitnichten; aber Ich will euch allerwahrhaftigst sagen, wie sich die Sache verhält! Und so höret: Ich bin nicht als ein Weissager im Namen des kommenden Messias, sondern als Selbst der verheißene Messias im Namen Meines Vaters, mit dem Ich völlig eins bin, zu euch gekommen, wofür Mir die Werke und Taten, die Ich wirke, das wahrhaftigste Zeugnis geben, und ihr nehmet Mich dennoch nicht an! Wenn aber ein anderer mit großem Pomp kommen wird in seinem eigenen, höchst eigennützigen Namen, den werdet ihr sicher ohne Bedenken annehmen! (Joh.5,43) Aber wie könntet ihr Mir auch glauben, die ihr alle die Ehre voneinander nehmet und euch auch von aller Welt ehren lasset, aber jene bescheidene Ehre, die von Gott ist, nie gesucht habt und nun auch nicht suchet!“ (Joh.5,44)

6. Sagten die Juden: „Nun gut, – du sagst ganz frei heraus, daß der allmächtige Gott dein Vater ist! So wir denn nun unrecht tun, daß wir dir nicht glauben, da verklage uns bei deinem Vater, und es wird sich dann schon zeigen, was uns dafür begegnen wird!“

7. Sagte Ich: „Oh, meinet ja nicht, daß Ich euch bei Meinem Vater verklagen werde! Es ist ein anderer, der euch verklagen wird, und das ist Moses, auf den ihr hoffet, daß er zuvor noch einmal kommen wird mit Elias. (Joh.5,45) Und er ist auch gekommen, aber von euch ebensowenig erkannt worden wie nun Ich Selbst. (Notabene: Mosis Geist war in Zacharias und Elias' Geist in Johannes.)

8. Hättet ihr in eurem Weltsinne je an Moses geglaubt, so glaubtet ihr auch Mir; denn Moses hat von Mir gezeugt. (Joh.5,46) Da ihr aber seinen Schriften noch nie geglaubt habt, wie könnet ihr nun Meinen Worten glauben?!“ (Joh.5,47)

9. Sagten die Juden: „Wie kannst du sagen, daß wir, die wir auf seinem Stuhle sitzen, Moses nicht geglaubt hätten?“

10. Sagte Ich: „Was der Mensch glauben soll, das muß er zuvor wissen, Ich aber sage euch, daß ihr nur ums Geld Priester geworden seid und seit eurer Kindheit es nicht einmal der Mühe wert gefunden habt, Mosis Schriften durchzulesen. Warum auch; denn es ist euch ja ohne solche Mühe immer sehr gut gegangen! Wisset ihr, wer zu allen Zeiten euer Moses und eure Propheten waren? Ich sage es euch: Das war euer Bauch!“

11. Da machten die Judenpriester etwas verdutzte Gesichter, und einer sagte: „Wird uns denn nicht allwöchentlich die Schrift in der gewissen Tageszeit vorgelesen?! Wir besitzen nur fünf Exemplare und die Urschrift, die als Heiligtum außer dem Hohenpriester niemand anrühren darf, ohne mit dem Tode bestraft zu werden. Wie kannst du da sagen, wir wüßten nicht, was Moses und die Propheten niedergeschrieben haben?! Selbst können wir's freilich wohl nicht lesen, aber wir hören sie allzeit, wenn sie gelesen wird!“

12. Sagte Ich: „Mit den Ohren höret ihr wohl, so ihr mit euren vollen Bäuchen während des Lesens nicht einschlafet; aber mit dem Herzen habt ihr sie noch niemals angehört, weil dieses stets in aller Welt herum zerstreut ist mit seinen Begierden. Die Gebote beachtet ihr ohnehin nur zum Scheine vor den Augen der Welt, weil ihr in priesterlichen Gewändern einhergehet; für euch aber haltet ihr nichts darauf! Das sage Ich euch, dieweil Ich euch um vieles besser kenne als je jemand in der Welt.“

13. Hier fingen viele aus dem Volke, die das mit angehört hatten, ganz gewaltig an zu schmähen und über diese Judenpriester zu murren, und diese zogen sich alsbald in ihre Gemächer zurück. Ich aber ging mit den Meinen ebenfalls aus dem Tempel und begab Mich mit den Jüngern und dem Wirte zufolge der Einladung mit Lazarus nach Bethanien hin, das ein Flecken war, ungefähr fünfzehn Feldweges (nach jetzigem Maße nahezu an sieben viertel Stunden gemächlichen Schrittes) von Jerusalem entfernt. Daß wir dort überaus gut aufgenommen waren, versteht sich von selbst.

5. Kapitel. Pharisäer in Bethanien.

1. Ich aber konnte Mich allda diesmal nicht lange aufhalten, da aus Jerusalem stets zu viele angesehene Juden hinkamen, und darunter auch solche, die an Mich nicht glaubten. Ich nahm hier bloß auf drei Tage die freundliche Pflege an, lehrte aber nichts und tat auch nichts der ungläubigen Juden wegen.

2. Es sind wohl etliche zu Mir getreten und wollten Mich über so manches ausfragen, aber Ich sagte ganz einfach zu ihnen: „Hier ist kein Ort und keine Zeit! Was ihr aber da zu wissen nötig habt, das habe Ich allen im Tempel gesagt, und eines mehreren bedürfet ihr vorderhand nicht!“

3. Darauf kehrte Ich ihnen den Rücken und ging mit Lazarus und mit dem Wirte ins Freie, allwo wir viel über den Unfug der Templer und über ihr Gebaren mit dem Volke sprachen, und der sehr gläubig gewordene Wirt konnte Mich darob nicht genug loben, daß Ich diesen Tempelheuchlern so ganz unverhohlen die reinste Wahrheit ins Gesicht gesagt habe. Auch Lazarus, der schon lange wußte, wer hinter Mir steckt, war dessen auch überaus froh.

4. Als wir so unter verschiedenen Besprechungen unter uns im Freien umherwandelten, da kam zu uns der Jünger Johannes, Mein Liebling, und sagte: „Herr, was sollen wir nun machen? Die Juden, die Du früher im Hause so ganz kurz abgefertigt hast, und denen Du dann schnell den Rücken kehrtest, sind nun darob sehr aufgebracht, brüten Rache und sagen: ,O warte, wir werden dir deinen stolzen Messias bald austreiben!‘ Wir versuchten sie zu beschwichtigen, allein da ward es noch ärger, und sie drohten, sogleich um Wache nach Jerusalem zu schicken!“

5. Sagte Ich: „Gehe hin und sage es ihnen, daß Meine Zeit, von der Ich euch in Galiläa schon zu öfteren Malen geweissagt habe, noch nicht da sei; daher mögen sie immer die Wache holen lassen und bei solcher Gelegenheit noch mehr die Macht und Ehre des Sohnes Gottes kennenlernen! Gehe und richte ihnen das aus!“

6. Voll Freude lief Johannes zu den stolzen und übermütigen Juden hin und richtete das auch ganz wortgetreu aus. Diese aber entbrannten darauf vor Wut und schrien (die Juden): „Wir werden sehen, wie weit dieses Nazaräers Macht reicht!“

7. Darauf eilten bei zwanzig zur Tür hinaus, um die Wache von Jerusalem zu holen.

8. Ich aber wollte nicht, daß solches dem freundlichen Hause des Lazarus widerfahren möchte; daher ließ Ich die Wüteriche nur genau hundert Schritte vom Hause eilen und dann auf der Stelle ihrer Füße Glieder erstarren. Sie gaben sich nun alle Mühe, vom Flecke zu kommen; aber es war solches gegen Meinen Willen wohl sicher die reinste Unmöglichkeit. Da fingen sie an zu schreien und zu heulen und um Hilfe zu rufen. Da merkten das die Besseren, die schon im Tempel sich auf Meine Seite geneigt hatten, gingen hin und fragten sie, warum sie denn da nun stehenblieben und gar so jämmerlich um Hilfe schrieen.

9. Da riefen die Gebannten, mit den Zähnen knirschend: „Höret, wir sind an den Boden, da wir stehen, festgebannt, und unsere Beine sind plötzlich also fest geworden wie Erz! Welcher böse Geist hat uns das angetan? O helfet uns aus dieser allererbärmlichsten Not!“

10. Die Guten aber sagten: „Ihr habt den, der heute am Sabbat den Kranken heilte, einen Sabbatschänder und Gotteslästerer gescholten, was er nicht verdient hat! Wäret ihr nun aber nicht zu tausendmal größeren Sabbatschändern geworden, so ihr eures bösen Hochmutes wegen als Priester sogar selbst die Wache geholt hättet, auf daß sie Hand an diesen Unschuldigen legete und dadurch das allerehrbarste Haus des Lazarus in einen mißlichen Ruf brächte?! Wir Bürger und nicht Priester Jerusalems aber sagen es nun euch schlechten Priestern: Dafür hat euch hier wahrhaft Gottes Strafe sichtbar ereilt! Jetzt erst glauben wir fest, daß der erhabene Galiläer eben das ist, was er heute nur zu wahr im Tempel von sich ausgesagt hat! Der allein kann euch helfen als der Sohn Dessen, der euch hier gestraft hat, und sonst aber niemand in der ganzen Welt mehr! Den bittet, und bekehret euch einmal zum Guten und Wahren, ansonst ihr bis zum Jüngsten Tage gleich dem Weibe Lots hier stehenbleiben könnet!“

11. Diese Anrede wirkte, und die Gebannten schrien: „So bringet ihn her, und wir wollen ja tun, was er von uns verlangt!“

12. Da gingen die Bürger wieder zurück in des Lazarus Haus und trafen Mich noch daselbst und erzählten Mir schnell die ganze Begebenheit.

13. Ich aber sagte zu ihnen: „Diese, die Meinetwegen die Wache aus der Stadt holen wollten, sollen nun nur eine Weile selbst Wache stehen, und es wird ihnen für fernerhin der Sinn schon vergehen, ein künftiges Mal ihrem starren Hochmute auf eine ähnliche Weise zu frönen! Wir werden nun noch vor dem Untergange der Sonne ein stärkendes Mahl einnehmen und dann erst sehen, was mit den von Gott aus Gebannten geschehen kann. Denn der Mensch soll auch am Sabbat essen, wenn es ihn hungert, und nicht erst nach dem Untergange der Sonne; denn was hat wohl die Sonne mit dem Sabbat zu tun und was der Juden dummer Sabbat mit der Sonne?! Ist denn die Sonne an einem Sabbat besser und ehrbarer denn an irgendeinem andern Tage, da doch ein jeder Tag ein Tag des Herrn ist, nicht nur der Sabbat allein?! Gehen wir daher zu den Tischen und lassen wir uns dabei recht gut geschehen!“

14. Lazarus und seine beiden Schwestern waren darob völlig außer sich vor Freude, und es wurde auch sogleich reichlich aufgetragen, und wir fingen an zu essen und zu trinken und waren dabei voll guter Dinge.

15. Erst nach ein paar Stunden, als wir alle vollends gespeist waren, sagte Ich zum Lazarus: „Bruder, jetzt erst gehen wir zu den Gebannten hin und wollen sehen, was mit ihnen zu machen sein wird! Wahrlich, bei nur einiger Widerspenstigkeit sollen sie Mir bis morgen zum Aufgange hin dort stehenbleiben und dabei einsehen lernen, daß der Gottessohn nicht nötig hat, von den Menschen Zeugnis und Ehre zu nehmen! Und so wollen wir uns denn hin zu ihnen begeben!“

16. Wir standen auf von den Tischen und gingen hin zu ihnen.

6. Kapitel. Das Bekenntnis der Pharisäer.

1. Als sie Mich kommen sahen, da fingen sie alsbald zu schreien an (die Gebannten): „Herr, hilf uns aus unserer wunderbaren Not, und wir wollen an deinen Namen, wie an deine göttliche Sendung vollauf glauben! Wir haben uns versündigt an Gott, indem wir an Seinen Geheiligten die Hände legen wollten. Wir bekennen offen, daß wir in unserer großen Blindheit gesündigt haben; darum erlöse uns, o Herr, von diesem Übel!“

2. Sagte Ich: „Eure Worte klingen wohl gut; aber in euren Herzen klingt es anders!“

3. Da fragten die Gebannten: „Wie klingt es denn in unseren Herzen?“

4. Sagte Ich: „So ihr der Wahrheit nach bekennet, so soll euch geholfen sein, und zwar sogleich nach dem offenen und wahrhaftigen Bekenntnisse; so ihr aber leugnet, da sollet ihr harren bis morgen!“

5. Sagte einer: „Aber wie können wir wissen, was ein jeder von uns für sich denkt?“

6. Sagte Ich: „Da ist in euren Gedanken gar kein Unterschied! Redet darum, so ihr wollet!“

7. Hier fing einer an zu reden und sagte: „Herr, du weißt es, daß man in dieser Welt aus Klugheit gar oft anders reden muß, als man denkt! Denn reden kann man so und so, und die Gedanken sind dennoch verdeckt und, wie man sagt, zollfrei; aber so du auch in unseren Herzen die Gedanken liesest, da bleibt uns freilich wohl nichts übrig, als genau nach unseren Gedanken zu reden. Du wirst uns schon vergeben, daß wir dich in unseren Gedanken nur so für einen außerordentlichen Zauberer hielten und gegen dich auch die gröbsten Verwünschungen ausgestoßen haben, dieweil wir darauf hielten, daß du uns solches angetan habest; denn wir haben einmal vor zehn Jahren in der Tat in Damaskus einen indischen Zauberer gesehen, der nicht nur Menschen, sondern sogar Tiere an den Boden gebannt hat. Nun, bei so vielen Erfahrungen, die wir in unserem Leben schon durchgemacht haben, ist es wahrlich schwer, ein rechtes Wunder von einem falschen zu unterscheiden, und du mußt es uns darum schon ein wenig zugute halten, so wir aus so manchen Rücksichten dich nicht sogleich als das anerkennen, als was du dich bei uns im Tempel vorführtest.

8. Dazu steht es auch in der Schrift, daß man nur allein an einen Gott glauben und nicht irgend mehrere fremde Götter neben Ihm haben soll. Du stelltest dich uns aber als ein rechter und gleicher Gott mit dem alten Gotte dar, da du offen sagtest, daß du Sein Sohn seiest und ganz die gleiche Macht habest wie Er, und das Gericht noch darüber. Wer kann dir – als dem Anscheine nach nur ein Mensch, aus Galiläa auch noch, wo ohnehin mehr Heiden als Juden wohnen – auf ein noch so feines Wort gleich glauben, daß du wirklich der bist, als den du dich vorgeführt hast?! Wir vermochten das auch nicht trotz deines tüchtigen Zeichens, welches du dazu noch heute als an einem Festsabbat ausgeübt hast, das uns deine vorgegebene Göttlichkeit noch mehr in einen Verdacht ziehen mußte. Jetzt geht uns freilich ein anderes Licht auf, und es wird uns noch mehr aufgehen, so du uns nun hoffentlich von dieser großen Plage erlösen wirst. Wir bitten dich darum!“

9. Hier sagte Ich: „So seid denn frei!“

10. In dem Augenblicke wurden sie frei und konnten wieder gehen, und dankten Mir.

11. Ich aber sagte zu ihnen: „Ihr seid nun frei; aber das sage Ich euch und allen: daß von dem, was sich hier zugetragen hat, gegen niemand anders auch nur ein Wort verraten wird! Denn Ich wirke Zeichen, die jedermann sehen und wissen darf, aber auch solche, die nur für wenige Menschen taugen, und diese müssen vorderhand vor der Allgemeinheit verschwiegen bleiben. Das wichtige Warum kenne Ich. Dann aber dürft ihr heute nicht nach Jerusalem zurück; denn Ich will eben heute noch so manches verhandeln mit euch.

12. Denn Der einst auf Sinai dem Moses die Gesetze unter Blitz und Donner gab, und dessen Geist vor Adam über den Wassern schwebte, Der steht in dieser schlichten Person vor euch. Möget ihr es nun glauben oder nicht, die Folge wird das Licht geben! Gehen wir nun nach Hause, und ihr zwanzig, die ihr noch nüchtern seid, werdet zuvor ein stärkendes Mahl einnehmen!“

13. Hier wurden alle stumm und getrauten sich nicht, ein Wort miteinander zu tauschen.

14. Als wir aber ins Haus des Lazarus kamen, da sagte Petrus zu Mir: „Herr, das hast Du uns, Deinen beständigen Jüngern, noch nicht gesagt!“

15. Sagte Ich: „Mit Händen zu greifen schon oft genug; aber euer Verstand war bis jetzt noch stets zu kurz und wird noch eine Zeitlang sicher also verbleiben! – Aber nun beschäftiget euch mit etwas anderem; Ich habe mit den Juden noch so manches abzumachen!“

16. Damit waren die Jünger zufrieden und gingen ins Freie.

17. Die Speisen für die zwanzig aber standen schon auf dem Tische, nur war die Sonne noch nicht untergegangen; darum getrauten sie sich nichts anzurühren und blickten öfters nach der Sonne, ob sie noch nicht bald untergehen werde.

18. Ich aber sagte zu ihnen: „Höret! Wer ist denn mehr: die Sonne, der Sabbat oder Ich, der Ich in Meinem Geiste der Herr beider bin und schon von Ewigkeit her war?“

19. Da sagten sie: „Ja, so du im Ernste das bist, als was du dich uns vorführtest, so bist du sicherlich allerhöchst mehr als die Sonne und der Sabbat!“

20. Sagte Ich: „Setzet euch, und esset und trinket wohlgemut! – Einst hieß es: ,Gott kann niemand sehen und behalten das Leben; denn Gott ist ein alles verzehrend Feuer.‘ Nun aber könnet ihr Gott schauen und essen und trinken und dabei noch sogar das ewige Leben ernten!“

21. Da sagten sie: „Es wäre schon alles recht, wenn nur das Gesetz Mosis nicht wäre!“

22. Sagte Ich: „Wo Ich bin, da ist auch Moses und alle die andern Propheten; darum tut das, was der Herr will!“

23. Da saßen endlich alle zu Tische und aßen und tranken noch vor dem Untergange der Sonne. Und als sie gegessen und getrunken hatten, führte Ich sie alle auf einen kleinen Hügel hinter dem Hause des Lazarus, allwo wir so manches verhandelten, wovon die nächste Folge einiges dartun wird.

7. Kapitel. Jesus mit den Seinen auf einem Hügel bei Bethanien.

1. Als wir alle auf dem Hügel versammelt waren, der, wie bekanntgegeben, hinter dem Hause des Lazarus sich befand und auf seiner Höhe eine schöne Ebene hatte und mit vielen Ruhebänken wohl versehen war, da ließen wir uns bei der vollmondhellen Nacht nieder; und, obwohl wir unser aller zwar bei fünfundfünfzig Köpfe stark an der Zahl waren und doch völlig Raum zur Genüge hatten, so fingen dennoch einige Juden darüber zu wörteln an, daß man die Sitze nicht völlig der Rangordnung gemäß eingeteilt habe.

2. Lazarus aber bemerkte dagegen und sagte: „Meine Freunde! Nach dem, was wir gehört, gesehen und erfahren haben, gebührete der allererste Vorrang nur dem Einen unter uns, und Der hat Sich gerade den schlechtesten Platz ausgesucht! Wie mögen wir denn gar so vorrangsüchtig sein, da wir im Grunde als pur sterbliche Menschen vor Ihm doch gar nichts sind?!“

3. Diese Anrede des Lazarus als des allgemein geachteten Hausherrn machte eine gute Wirkung und beseitigte die lästige und völlig nichtige Wörtlerei.

4. Als sogestaltig alles zur Ruhe und zur Ordnung gebracht war, da sagte Ich: „Vor allem gebiete Ich euch hier, daß ihr das, was ihr nun hören und sehen werdet, strenge für immerdar bei euch behaltet, auf daß da niemand dadurch mit einem Willens- und Gewissenszwang genötigt werden soll, an Mich und Meine Sendung zu glauben, denn allein durch die dafür bestimmte neue Lehre und durch die durch Meine Weisheit dazu gewählten Zeichen.

5. Jeder innere, moralische Zwang ist schon an und für sich ein Gericht; denn was ein Mensch nicht annimmt und tut mit seinem freiesten Willen und aus seiner völlig selbstischen Erkenntnis und Überzeugung, das gereicht ihm nicht zum Leben, sondern nur zum Gerichte. Soll der Mensch ganz gut und voll des wahren, geistigen Lebens werden, so darf er dazu durch gar kein anderes Zwangsmittel genötigt werden als allein durch seinen eigenen, ganz freien und festen Willen.

6. Weder Gesetz noch Lohn oder Strafe dürfen ihn irgend dazu bestimmen, sondern allein sein freier Glaube, seine innere Überzeugung, sein reines Erkennen, dann seines Außenmenschen Gehorsam und sein freier Wille, der aus der reinen Liebe zu Gott und zu allem Guten und Wahren hervorgehen muß.

7. Ich sage es euch als eine allerlichteste Wahrheit darstellend: Ebenso leicht und eigentlich noch leichter hätte Ich in Menschengestalt, und zwar in der riesenhaftesten Größe, begleitet von zahllosen Engelscharen und unter Feuer, Blitz und Donner und Sturm, zur Erde Mich herablassen und mit Berge zertrümmernder Donnerstimme euch verkünden können das neue Wort der Gnade. Da wäre sicher keiner unter euch gewesen, der in sich nur den allergeringsten Zweifel hätte können emporkommen lassen. Denn der höchste Schreck und die höchste Angst hätten ihn augenblicklich derart geknebelt, daß er dabei nicht einmal eines allerbeschränktesten Gedankens fähig gewesen wäre. Würde aber jemandem das zu seiner innern, wahren Freiwerdung etwas genützt haben? Oh, mitnichten! Das wäre ein Gericht für jedes Menschen Seele gewesen und eine Gefangennehmung aller Gemüter, derart, daß sie ordentlich zu den härtesten Steinen geworden wären!

8. Sehet, darum bin Ich in dieser Niedrigkeit ganz unvermerkt in diese Welt gekommen, wie Ich Mich auch durch den Mund der Propheten also angekündigt habe, auf daß keines Menschen Herz gefangen würde und sie allein durch die segensreiche Macht der Wahrheit Meiner Worte und Lehren Mich liebend erkennen und dann ganz frei ihren Lebenswandel einrichten!

9. Meine Zeichen sollen nur zur Bekräftigung dessen dienen, daß Ich wirklich Der bin, als der Ich Mich den Menschen darstelle. Darum verwarne Ich euch noch einmal, von dem, was ihr in dieser Nacht alles hören und sehen werdet, ja niemandem etwas zu sagen, damit in seinem Gemüte ja keines Menschen Herz gefangen werde! Ihr selbst aber sollet euch davon auch nicht gefangennehmen lassen in euren Herzen, sondern euch allein leiten lassen durch Mein Wort und dessen Wahrheit.

10. Denn so ihr frei aus euch heraus allen Meinen Zeichen widersprechet und euch frei füget nach der Wahrheit Meiner Worte, so habet ihr dennoch das ewige Leben in euch und dessen vollste Freiheit; lasset ihr euch aber nur von den Zeichen bestimmen und achtet auf die Wahrheit Meiner Worte nicht, so seid ihr gefangen, stehet im Gerichte, seid nichts als pure Maschinenmenschen ohne inneres, wahres Geistesleben und somit tot, so wie ein Stein tot ist.

11. Damit ihr euch auch nun danach benehmen könnet in eurem Gemüte, habe Ich als der alleinige Herr und Meister alles Lebens und Seins euch allen solches zum voraus gesagt. Richtet euch danach, so werdet ihr leben!“

12. Diese Meine Rede hatte alle tief erschüttert, und es fing viele darob zu bangen an, was da nun alles kommen werde.

13. Ich aber sagte zu ihnen: „Ja, Meine lieben Kinder, wenn es euch darob schon jetzt bange wird und euch allerlei Furcht zu übermannen anfängt, da werde Ich vor euren Augen eben nicht gar zu viel tun können!“

14. Sagte Lazarus: „O Herr, mich banget es nicht und Deine Jünger auch nicht! Wem es aber nun bangen wird, nun, dem soll es nur bange werden, – es wird ihm das auch nicht schaden!“

15. Sagte Ich: „Nun wohl denn, so wollen wir denn hören und sehen!“

8. Kapitel. Moses und Elias erscheinen auf Jesu Geheiß. Moses Anklage gegen die Tempelpriester.

1. Hierauf wandte Ich Mich zu den Juden und sagte: „Ihr wolltet nicht glauben, daß Moses und Elias schon jüngst vor Mir da waren; darum sollen sie selbst wohlkenntlich hierher treten und euch selbst sagen, wessen Geistes Kinder ihr seid!“

2. Sogleich standen die beiden Propheten mitten unter uns und beugten sich zuerst tief vor Mir.

3. Und Elias sagte laut: „Vor Dir und Deinem Namen müssen sich beugen alle Knie und Herzen im Himmel, auf Erden und unter der Erde!“

4. Hierauf sprach Moses zu den Juden: „Ihr Frevler im Tempel Salomos, ihr Kinder der Schlange, welcher Teufel hat denn euch gezeugt, daß ihr sagen möget: Abraham sei euer Vater, und ihr säßet auf meinem und Aarons Stuhle?! So ihr aber schon euch im höchsten Grade unberufen darauf gesetzt habt, um darauf das von Gott mir gegebene Gesetz den Völkern zu verkünden, wie möget ihr denn nun den Allererhabensten nicht erkennen, der mir eben auf Sinai das Gesetz auf zwei steinernen Tafeln gegeben hat?!

5. Ihr saget, daß ich und dieser Bruder Elias hätten zuvor kommen sollen, – und sehet, wir beide waren da! Wer von euch aber hat uns erkannt und wer an uns geglaubt?! Und habt ihr uns nicht ganz dasselbe angetan, was ihr beinahe allen Propheten und Heiligen des Herrn angetan habt?! Was ist denn das hernach, so ihr argen Heuchler euch vor meinem Namen bis zur Erde niederbeuget und mich selbst aber verfolget und zuletzt zwischen dem Altare und dem Allerheiligsten erwürget? Redet und gebet Antwort!“

6. Da sagte einer mit bebender Stimme: „O – großer Prophet –, der, – der – da – erwürget worden ist –, der hieß ja nur Zacharias!“

7. Sprach Moses: „Du nun leibesalter Bösewicht warst aber Augen- und Ohrenzeuge, was ich da zu der Priesterversammlung, als Ich aus dem Allerheiligsten zurückkam, gesagt habe! Siehe, die Worte lauteten also: ,Höret, Brüder, Gott der Herr hat in Seiner großen Gnade und Erbarmung mir mein Inneres aufgetan, und Mosis Geist trat in mich, und nun ist meine Seele und Mosis Geist ein Mensch, der nun vor euch steht, wie er einst vor Pharao und auf Sinai vor Gott stand! Ich war der erste, der diesen Stuhl gestellt und auf Gottes Geheiß sich darauf gesetzt hat, – und nun sitze ich als von Gott also beschieden als der Letzte darauf; denn in Zukunft wird der Herr allein, der schon in dieser Welt wunderbarsterweise das Fleisch der Menschen angenommen hat, mit diesem Stuhle machen, was Er wird wollen nach Seinem nie erforschlichen Rate!‘ Da ergrimmtet ihr ob solcher meiner wahrsten Weissagung, risset mich vom Stuhle und erwürgtet meinen Leib. Ist es nicht also geschehen?“

8. Sagte ein anderer, ebenfalls schon alter Jude noch kleinlauter: „Ja – also war es – fürwahr –; aber – wer hätte da so etwas glauben können?!“

9. Sagte Moses: „Warum haben es denn etliche Fromme geglaubt, die ihr darum aus dem Tempel in ferne Lande unter die Heiden vertrieben habt, deren etliche noch am Leben des Fleisches sind und wider euch zeugen können?“

10. Sagte wieder ein anderer alter Jude: „Ja, das mag schon sein, – diese müssen dafür ein Gesicht gehabt haben; aber wir haben kein Gesicht jemals gehabt!“

11. Sagte Moses: „Oh, du redest falsch und belügst dich selbst! Denn solches ist im Geiste allen bis zum allergeringsten Tempelknechte sieben Male nacheinander klar und verständlich in hellen Träumen angezeigt worden, und ihr alle habt sie euch untereinander noch wochenlang in der Zeit, als ich stumm war, ausgelegt. Wie kannst du nun sagen, daß ihr kein Gesicht dafür gehabt habt?“

12. Sagte abermals derselbe Jude: „Ja – war denn der Traum auch ein Gesicht? Da seht nun, da seht nun! Ja, – wer hätte damals so etwas ahnen können!?“

13. Sagte Moses: „O ihr weltschlauen Weltfüchse, ihr wußtet recht wohl aus vielen Exempeln aus der Schrift, was die lichten Träume zu bedeuten haben! Zum Beispiel Jakobs Traum, Josephs Träume, des Pharao Traum und dergleichen noch gar viele, diese haben euch gar wohl ins Ohr geraunt, was eure siebenmaligen Visionen zu bedeuten haben; aber euer Weltsinn, euer priesterlicher Hochmut, eure Lust zum unbeschreiblichen Wohlleben und zum stinkendsten Müßiggange und zur Hurerei aller Art und Gattung haben euch geblendet und betäubt, und so habt ihr euch sehr gefürchtet, laut solcher meiner Weissagung alle eure gar so angenehmen irdischen Lebensvorteile zu verlieren, habt, anstatt euch in den Willen Gottes zu fügen, lieber alles gegen ihn aufgeboten und habt bis zur Stunde, bis zu diesem Augenblicke, völlige Meuterer gegen Gott gemacht. Wie gefällt euch, ihr Würmer des Staubes, diese allerhöchst wahre Geschichte?!

14. Sehet, der Herrliche und der Allerhöchste, dessen Antlitz ich, Moses, nie würdig sein kann anzuschauen, hat es euch Selbst im Tempel gesagt: ,Nicht Ich, sondern Moses, auf den ihr hoffet, wird euch beim Vater anklagen!‘ Und seht, es ist seit der Zeit noch lange kein Tag vergangen, und des allerhöchsten Herrn Voraussage gehet bereits in Erfüllung, und ich, Moses, im Namen des Herrn euer aller Hauptprophet, klage euch nun vor Seinem heiligsten Angesichte alles dessen an, dessen ihr euch in der allerhimmelschreiendsten Weise schuldig gemacht habt! Was könnt ihr nun zu eurer Rechtfertigung sagen?“

15. Hier fangen die total in die engste Enge getriebenen Juden vor lauter Furcht und Entsetzen ganz wie sprachlos bloß nur bebend zu stammeln an, ohne ein verständliches Wort mehr über ihre armseligen Lippen zu bringen.

16. Nur ein Jüngerer unter ihnen sagte mit sehr bebender Stimme: „Mein Gott und Herr, fängt denn heute schon das erschrecklichste Jüngste Gericht an?“

17. Sagte Moses: „Meine Anklage stehet jeden Augenblick in meiner Hand; der Zorn und die Rache aber liegt in der Hand des allmächtigsten Herrn! Euer jüngster Tag aber ist dem Endziele nun schon um ein bedeutendes näher gerückt; aber nun hängt alles von dem Herrn ganz allein ab. Redet nun, wie ihr das alles versteht!“

18. Sagte ein alter Jude, vor Angst mit den Zähnen klappernd: „O du großer Prophet Moses, sage es uns doch, ob wir etwa gar unrettbar in die Hölle kommen werden, und ob denn ein jeder Mensch seinen eigenen Jüngsten Tag hat!“

19. Sagte Moses: „Was die Hölle anbelangt, so brauchet ihr in eurer gegenwärtigen Lebensweise gar nicht zu fragen, ob ihr hineinkommen werdet; denn eure Denk- und Handlungsweise war ja schon seit lange her eine derartige, daß ihr bis jetzt in der Hölle waret, und ihr habt auch alles getan, was ihr (der Hölle) tauget. Ihr könnt daher nicht mehr in die Hölle kommen, weil ihr eigentlich schon darinnen seid.

20. Was aber den Jüngsten Tag betrifft, so werdet ihr nach der Ablegung eures Leibes in der andern Welt ebensogut einen jüngsten Tag haben, als ihr in dieser Welt auch einen letzten und ältesten haben werdet. Allein, solange ihr noch in dieser Welt lebet, könnet ihr, so ihr wollet, noch leicht aus der Hölle einen Ausweg finden; denn hier sitzet unter euch der große Führer und Erlöser, den höret, und handelt danach! – Ich habe geredet vor Dir, o Herr, und nun mag Elias an meine Stelle treten!“

9. Kapitel. Die Anklage des Elias gegen die Tempelpriester.

1. Sagte Ich: „Elia, du Vorbereiter und Ebner Meiner Wege! Was weißt du vorzubringen gegen diese Diener des Tempels?“

2. Sagte Elias: „Herr, Moses hat alles gesagt! Mit ihm hat der Tempel aufgehört, ein Gotteshaus zu sein; er ist nun nichts denn eine Räuber- und Mördergrube geworden. Ich habe diesen das am Jordan haarklein und sonnenhell gezeigt und mit richtiger Rechnung bewiesen. Als sie aber sahen, daß sie mir nichts von nur irgendeiner Haltbarkeit entgegenzustellen imstande waren, und als sie wohl merkten, daß sie auf die unwiderlegbarste Weise vor dem Volke verraten und waren angeklagt jeder möglichen Ungerechtigkeit gegen Dich, o Herr, und gegen das Volk, da lachten sie offen, erklärten mich für einen frommen Narren, den man wohl, um sich zu erheitern, ein paar Stunden lang anhören kann, bedrohten aber dennoch das Volk geheim, meine Lehre für etwas mehr als nur für eine lächerliche Raserei zu halten.

3. Heimlich aber wurden sie voll Grimmes, da sie wahrnahmen, daß das Volk mich denn doch für einen Propheten hielt und ehrte, Buße tat und sich taufen ließ. Diese argen Frevler im Heiligtume Gottes merkten nur zu bald, daß ihnen durch mich die Axt an die Wurzel gelegt war und dadurch ihrer schnöden Herrschaft Ende vor der Türe stehe. Da umringten sie den Herodes und bewiesen mit allerlei grundfalschen Gründen und schlechtesten Winkelzügen, wie seiner Herrschaft durch mich die größte Gefahr drohe. Herodes konnte das zwar nicht einsehen, da er in festen Kontrakten mit Rom stand, denen er stets pünktlich nachkam, und daher bei was immer für widrigen Vorkommnissen unbedingt sogar so als bedingt auf den römischen Schutz rechnen konnte. Allein, das half aber alles nichts; sie bestürmten den Herodes so lange, bis er mich gefangennahm.

4. Als ich einmal gefangen war, aber meine Jünger dennoch den freien Zutritt zu mir hatten, da konnten sie den Herodes nicht mehr belästigen; doch aber merkten sie, daß meine Lehre durch meine Jünger gewaltig fortwuchere. Da stieg ihr Groll und Grimm von Stunde zu Stunde, und sie steckten sich hinter die arge Mutter der schönen Herodias, daß diese, so ihr Herodes sich eine Gnade von ihm zu erbitten bei seinem gewöhnlichen Eide das Fürstenwort geben werde, nichts als mein Haupt begehren solle. Dafür aber werde die Mutter geheim zehntausend Pfunde Goldes aus dem Schatze des Tempels erhalten. Der schönen Herodias aber dünkte diese Forderung zu arg, weil sie wohl wußte, daß Herodes geheim mich liebte; aber es fuhr ein böser Geist in die Alte und enthüllte ihr, daß ich dem Herodes das unlautere Verhältnis nicht billige und ihn davon abbringen wolle. Das machte denn auch die Herodias arg gegen mich also, daß sie dann am Feste auf ein nochmaliges Zureden ihrer geheim bestochenen Mutter mein Haupt verlangte, was zwar den Herodes sehr betrübte, – aber dieweil er einmal den Eid geschworen hatte, so mußte er ihn auch halten, und ich ward denn auch im Gefängnisse enthauptet.

5. Als die Templer das erfuhren, da brach bei ihnen ein großer Jubel aus, und sie fingen gleich an, das Volk, das an mich glaubte, nach Möglichkeit zu verfolgen. – Das, o Herr, ist, mit Hinweglassung aller Dir ohnehin nur zu bekannten Nebenumstände, der ganz einfache Grundzug ihrer gänzlichen Verworfenheit, und ich klage sie dessen nun vor Dir an! Du allein aber bist der Herr von Ewigkeit; Du richte sie nach Deiner unendlichen Macht, Weisheit und Gerechtigkeit! Dein allein heiliger Wille geschehe!“

6. Hierauf sagte Ich: „Ja, also ist es! Es gab dabei zwar noch so manche anderen Umstände, deren Ich Selbst bei Gelegenheit erwähnt habe, wie davon auch andere Augen- und Ohrenzeugen gesprochen haben vor Meinem Angesichte; aber das ist der eigentliche, innerste Kern ihrer überhöllischen Bosheit! Aber nun sage Ich zu euch, ihr Meine getreuesten Propheten und nun Engel Meiner Himmel, und frage euch, ob ihr diesen großen Frevlern in Meinem Heiligtume vergeben könnet die große Unbill, die sie an euch begangen haben.“

7. Sagten beide: „Ja, Herr; denn Du allein bist ja unser aller Versöhnung! Nur wolle Du nach Deiner großen Barmherzigkeit sie erleuchten, auf daß sie einsehen mögen, wie groß ihr Arges ist!“

8. Hierauf verschwanden die beiden auf Meinen geheimen Wink, und wir waren wieder allein.

10. Kapitel. Selbstanklage der jüdischen Priester.

1. Es dauerte eine geraume Zeit, ehe sich jemand getraute, auch nur ein Wörtlein zu sprechen; denn die Erscheinung der beiden Propheten hatte alle tief ergriffen und die anwesenden Juden besonders tief erschüttert.

2. Nur der Wirt, der neben Mir auch ganz durch und durch ergriffen saß, sagte so halblaut zu Mir: „Herr, Herr, das zeigt mehr denn alles, daß Du in der höchsten Wahrheit das bist, als was Du Dich im Tempel vor dem ganzen Volke dargestellt hast!

3. Jetzt liegt es klar am Tage, daß die verheißene große Zeit der Zeiten herbeigekommen ist mit allen Gnaden, aber auch mit allen Gerichten aus den Himmeln. Oh, wenn ich doch nur würdig wäre, an den Gnaden einen kleinsten Teil zu nehmen!“

4. Sagte Ich: „Nicht nur einen kleinsten, sondern einen allergrößten Teil kannst du dir nehmen! Das kommt nur allein auf deinen Willen an, mit Freude und Lust zu wandeln nach Meiner Lehre, mit der du in Kürze vollauf vertraut werden wirst. – Aber nun wollen wir die Juden fragen, wie ihnen diese wahre Erscheinung gefallen hat!“

5. Hierauf wandte Ich Mich an die zwanzig Judenpriester und fragte sie, was sie zu dieser Erscheinung nun sagen.

6. Da erhob sich einer vom Sitze und fing an, also zu reden: „Daß die Erscheinung kein irgend hergezaubertes Blendwerk war, davon sind wir alle vollkommen überzeugt; denn eine pure Blenderscheinung, wie ich etliche einmal in Damaskus gesehen habe, hat keine Sprache und weiß nicht um die geheimsten Daten von Begebenheiten, die sich irgend vor kurz oder lang zugetragen haben. Aber weil die Erscheinung eben kein Blendwerk war, so hat sie auf uns alle sicher einen höchst unheilvollen Eindruck machen müssen, und das darum, weil wir daraus nur zu klar ersehen haben, daß wir ob unserer bösen Taten von Gott unmöglich je mehr eine Vergebung unserer zu großen Sünden zu erwarten haben.

7. Es ist wahrlich eine höchst schwere Sache, auf der Welt ein Mensch zu sein! Man ist allen Verlockungen der Welt und der Teufel ausgesetzt, zweier Feinde des menschlichen Lebens, von denen man den minder schädlichen wohl sieht, aber den zweiten, der den Menschen in die Welt hinein verlockt und mit aller Gewalt zieht, sieht niemand, und es kann sich daher auch sehr schwer jemand ihm zur Gegenwehr stellen.

8. Daß wir zu großen Sündern geworden sind, das sehen wir nun klar ein; aber wie wir so nach und nach dazu gekommen sind, das ist uns völlig unbegreiflich. Wir können nun nichts anderes sagen als: Herr, wenn es für uns in Dir noch eine Barmherzigkeit gibt, so erbarme Dich unser und richte uns wenigstens nicht zu hart!

9. Hätten wir damals das so eingesehen wie jetzt, so wäre Zacharias und nun später Johannes nicht also behandelt worden. Aber wir waren ja alle stockblind, von der Welt und vom Teufel geblendet, und so handelten wir denn auch rein nach unserer wahrlich echt teuflischen Blindheit und nach dessen ärgstem Willen.

10. Wie uns aber nun Moses und Elias ganz gerecht vor Dir, o Herr, angeklagt haben, so klagen wir denn nun vor Dir auch den Teufel, diesen ärgsten Feind der Menschen an, und Du wolle auch ihn vor Deinen Richterstuhl ziehen!“

11. Sagte Ich: „Was an euch des Teufels Anteil ist, das steht schon lange an seiner Rechnungstafel; aber Ich sage euch, daß es nun etliche im Tempel gibt, die schon lange den Teufel übertreffen und also mit der Menschheit handeln, daß sie darin von keinem Teufel übertroffen werden können.

12. Noch sage Ich euch, daß eben an den Verlockungen von seiten der Teufel lange nicht so viel liegt, als ihr in eurem törichten Glauben meinet! Der eigentliche Teufel ist der Mensch mit seinen Weltgelüsten selbst! Aus denen geht hervor die Selbstliebe – das ist ein Teufel –, die Sucht zum Wohlleben – ein zweiter Teufel –, die Ehrsucht, der Hochmut, die Herrschsucht, der Zorn, die Rache, der Neid, der Geiz, die Hoffart, die Hurerei und die Geringschätzung seines Nebenmenschen – das sind lauter Teufel, auf eigenem Grunde und Boden erzeugt! Darum sollet eben ihr keine so große Furcht vor dem Teufel haben und ihn auch nicht anklagen; aber euch selbst klaget in eurem Gewissen an, und bereuet es recht, und fasset den festen Entschluß, ganz andere Menschen zu werden, und werdet es dann auch!

13. Liebet Gott wahrhaft über alles und den armen Nächsten wie euch selbst, so werden euch auch eure vielen und großen Sünden vergeben werden! Denn so ein Mensch die Sünde nicht völlig verläßt, so kann sie ihm auch nicht erlassen werden. Denn die Sünde ist ja des Menschen eigenstes Werk, weil sie hervorgeht aus seinem Fleische und aus dem Willen seiner Seele.

14. Die guten Werke nach dem Willen und nach dem Worte Gottes sind und bleiben eigentlich, wenn der Mensch sie auch tut aus freier Selbstbestimmung, eine Gnade von oben, ein Verdienst des Geistes Gottes im Menschenherzen, und der Mensch wird dessen teilhaftig eben durch die Gnade Gottes. – Nun wisset ihr, wie die Sachen stehen. Ihr seid frei und könnet tun, was ihr wollet!“

11. Kapitel. Die guten Vorsätze der neubekehrten Judenpriester.

1. Sagte der Jude: „O Herr, verlasse nur Du uns in dieser Welt nimmer, – dann sind wir alle geborgen! Freilich, wohl zählt der Tempel noch bei siebenhundert, die uns gleichen; aber die sind noch um vieles verhärteter denn wir, – die mögen für sich sorgen, wie es ihnen ergehen wird! Wir werden aber schon morgen unsere Sachen nehmen und unseren Überfluß an die Armen verteilen. Dann ziehen wir ein anderes Gewand an und werden Dir nachfolgen, – und solltest Du uns auch mit Blitz und Donner zurücktreiben! Haben wir erst Deinen Willen vollends erkannt, dann werden wir auch als alte Juden zeigen, daß sich auch alte Bäume noch ganz gut biegen lassen. Wir haben nun gesehen, daß es außer Dir, o Herr, kein Heil und kein Leben geben kann; darum soll uns von Dir, o Herr, auch ewig nichts mehr abwendig machen!

2. Siehe, o Herr, wir waren im Grunde uranfänglich so grundböse nicht; denn wir suchten im Tempel nur die Urwahrheit, als wir uns demselben einverleiben ließen! Aber was gab es da? Nichts als tiefe Geheimnisse über Geheimnisse! Fragten wir jemand um ein Licht, so hieß es: ,Ihr braucht nichts denn allein den Glauben! Was euch der Tempel zum Glauben vorstellt, das glaubet ungezweifelt, und käme es euch noch so widersinnig, unvernünftig und unnatürlich vor; denn der Hohepriester hat allein den Schlüssel zu den Geheimnissen Gottes, und das genüge euch! Er allein opfert für euch und für das ganze Volk!‘ Nun, das waren so recht anziehende Worte, die aber leider durch die traurige Geschichte mit dem Hohenpriester Zacharias für unser Gemüt einen gar sehr bedeutenden Stoß erlitten haben; denn darauf sahen wir es bei uns erst so recht fest ein, daß an Moses, an allen Propheten und an der ganzen Schrift aber schon gar nichts sein könne. Denn wäre da irgend etwas daran, so könnten unsere Vorgesetzten unmöglich gar so gewissenlos handeln!

3. Da wir uns denn doch also überzeugt hatten, daß an der Schrift auf solche Weise nicht ein sterbenswahres Wörtlein hängt, da erst entzügelten denn auch wir alle unsere argen Leidenschaften und wurden im Grunde dann ärger denn eine ganze Legion der ärgsten Teufel. Denn diese weichen vor dem Namen des Allerhöchsten; wir aber wichen nicht, sondern wurden darauf noch erboster und boshafter. Siehe, Du allweisester, allgütigster und gerechtester Herr und Meister, da wir eigentlich denn doch nur zuallermeist durch unsere Vorgesetzten in diesen Zustand, in welchem wir uns nun befinden, versetzt worden sind durch ihre bösen Beispiele, so erhoffen wir von Dir um so mehr die Vergebung unserer Sünden, als wir alle nun den festesten Vorsatz gefaßt haben, alle Sünde zu verabscheuen und rein nach Deiner Lehre zu leben, – und sollte es selbst dies unser irdisches Leben kosten!“

4. Sagte Ich: „Gut denn; es sollen euch denn nun alle eure Sünden erlassen sein, – aber nur auf so lange, als keiner von euch je wieder eine Sünde begeht! So ihr aber im Ernste Mir als Jünger nachfolgen wollet, da machet es im Tempel klug, auf daß es die schlauen Füchse nicht merken, was ihr im Sinne habt! Denn Meine Zeit ist noch nicht da, in der Ich Mich der Sünden der Welt wegen will von den argen Füchsen verfolgen lassen; denn es muß auch noch das geschehen, auf daß ihr Maß voll werde. – Jetzt aber habet acht darauf, was da nun kommen wird, und nehmet es euch alle wohl zu Herzen!“

12. Kapitel. Der nächtliche Gewittersturm.

1. Hierauf erhob sich ein großer und starker Wind, und im Osten stiegen schwere und wie glühend aussehende Wolken auf. Diese Erscheinung fiel allen um so mehr auf, als sie hier zu den großen Seltenheiten gehörte. Man sah nun auch schon eine Menge Blitze in dem schweren Gewölke hin und her und auf und ab fahren und vernahm auch ein fernes, aber gewaltiges Rollen des Donners.

2. Da wurde allen ein wenig ängstlich zumute, und Lazarus sagte zu Mir: „Herr, siehe das starke Gewitter! Es scheint die Richtung gerade gegen uns her nehmen zu wollen! Wie wäre es denn, so wir etwa doch lieber ins Haus gingen; denn solche Nachtgewitter sind oft sehr böse!“

3. Sagte Ich: „Sei ruhig, Lazarus; denn dies Gewitter käme ohne Meinen Willen nicht! Warum Ich es aber kommen lasse, das wirst du nachher schon erfahren.“

4. Auf das ward Lazarus ruhig; aber die Juden, als das Gewitter stets näher und näher kam, fingen an, zaghaft zu werden und heimlich die Jünger zu fragen, ob Ich Mich denn vor dem starken, schnell herannahenden Gewitter wohl nicht scheuete.

5. Die Jünger aber sagten: „Er ist auch ein Herr über die Stürme und Gewitter, und alle Elemente müssen gehorchen Seinem Willen; darum brauchen wir uns in Seiner Gegenwart vor keinem Gewitter zu fürchten.“

6. Die Juden nahmen diesen Trost gut auf und wurden ruhiger. Aber die zwanzig Judenpriester wurden ganz entsetzlich unruhig und voll Furcht, besonders als ein Blitz mit großem Gekrache dem andern in jedem Augenblicke folgte. Sie erhoben sich von ihren Sitzen, traten zu Mir hin und sagten: „Herr, dem alle Dinge möglich sind, gebiete doch dem argen Gewitter, sonst gehen wir alle übel zugrunde; denn das ist ein böses Gewitter! Wir haben in unserem ganzen Leben nur drei solche erlebt, und da sind an einem gleichen Spätabende viele Menschen und Tiere dabei ums Leben gekommen. Es hat damals, so wie jetzt, Blitze und Donnerkeile geregnet, und wer getroffen ward, der war auch schon ein Kind des Todes. Nur die, die sich in die gut gebauten Häuser flüchteten, blieben am Leben. Besonders heftig war das große Gewitter vor zwanzig Jahren in Damaskus. Wer da im Freien war, der kam schwerlich mit dem Leben davon. Darum wäre es auch vielleicht hier besser, so wir uns dennoch ins Haus begäben; denn hier kann es uns allen gar sehr übel ergehen, so das böse Gewitter über uns zu stehen kommen wird. Auch der Wind wird nun schon so heftig, daß man ihn wohl kaum mehr ertragen kann!“

7. Sagte Ich: „Lasset das, denn auch in diesem Gewitter sollet ihr die Kraft und Macht Gottes im Menschensohne kennenlernen!“

8. Als Ich solches kaum ausgesprochen hatte, da stand das Gewitter, weithin nach allen Seiten ausgedehnt, gerade über uns, und tausend Blitze entfuhren in jedem Augenblick dem schweren Gewölk. Mehrere schlugen ringsherum mit großem Gekrache in den Hügel.

9. Da fingen die Juden ganz gewaltig zu schreien an: „O Herr, hilf uns, sonst sind wir alle verloren!“

10. Ich aber sagte: „Hat denn jemanden schon ein Blitz getroffen, daß ihr gar so schreiet?! Die bei Mir sind, denen droht keine Gefahr. Lernet aber nun die Macht des Vaters im Sohne kennen; denn dieses Gewitter ist auch ein Gericht und stehet in Meiner Macht! Ich habe es hervorgerufen und kann es auch wieder vergehen lassen, wann und wie Ich es will. Für euch, ihr zwanzig Priester, aber ist es ein Symbol eures Gemütes; denn geradeso hat es vor kaum noch drei Stunden in euren Herzen ausgesehen und ärger noch, als es jetzt da über uns aussieht.

11. Doch – glaubet es Mir – ist es Mir ein leichteres, diesem Gewitter zu gebieten, daß es verstumme samt dem starken Sturmwinde, als zu gebieten eurem Herzen mit seinen bösen Leidenschaften! Da hat es viel Redens und großer Zeichen benötigt, um eures innern Ungewitters Meister zu werden; bei diesem losen und heftigsten Gewitter bedarf es bloß eines Wortes, und es wird nicht mehr da sein!

12. Aber wie nach der Vertreibung eures innern bösesten Ungewitters euch Meine Gnade zu leuchten begann, so soll auch hier nach der Vertreibung dieses bösen Ungewitters dasselbe symbolisch am Firmamente ersichtlich werden. Sehet, es ist bereits eine große Anzahl Blitze dem schweren und weithin ausgebreiteten Gewölk entfahren, aber es hat solche Anzahl noch lange nicht die Zahl eurer Sünden erreicht! Hieraus könnet ihr nun wieder ersehen, wie ihr beschaffen waret! Ich müßte das Gewitter noch eine volle Stunde währen lassen, um die Anzahl der Blitze mit der Zahl eurer Sünden auszufüllen; aber es hätte solches für euer Inneres weiter keinen Wert, und so lassen wir denn dies euch alle nun schon sehr beängstigende Gewitter vergehen! Und so gebiete Ich dir, du Ungetüm, daß du dich auflösest und vergehest! Amen.“

13. Im Augenblick verstummte das Gewitter samt dem Sturmwind, das Gewölk verrann, die Sterne erglänzten in ihrer alten Pracht und Majestät, und gerade über uns leuchtete ein großer Stern, der allen fremd war.

13. Kapitel. Der neue Stern mit dem neuen Jerusalem. Bedingungen fürs ewige Leben.

1. Da fragte Lazarus: „Herr, es ist das ein fremder Stern, den ich zuvor noch niemals gesehen habe! Was ist das für ein Stern, und was hat er zu bedeuten?“

2. Sagte Ich: „Sei du nur ruhig; denn ihr alle werdet diesen Stern bald näher kennenlernen!“

3. Hierauf öffnete Ich allen Anwesenden auf einige Augenblicke die innere Sehe, und der Stern ward zu einer Welt voll Lichtes, und in seiner Mitte stand ein neues Jerusalem, das zwölf Tore hatte, und die Ringmauern im Viereck waren aus ebenso vielen Gattungen von Edelsteinen erbaut, als wie viele Tore die Stadt hatte. Durch alle Tore gingen Engel aus und ein; auch zeigten sich abermals Moses und Elias und viele andere Propheten. Da staunten die Juden darob über alle Maßen und fingen an, Mich zu loben und zu preisen, dieweil Ich ihnen so große Gnaden erwiesen und gezeigt habe. Ich aber rief sie wieder in ihren natürlichen Zustand zurück, und sie sahen wieder nur den hellen Stern, der sich nach und nach, stets kleiner werdend, gänzlich verlor.

4. Als sonach die ganze Szene zu Ende war, da fragten Mich beinahe alle auf einmal, was wohl das gewesen wäre.

5. Sagte Ich: „Da war zu sehen diese Meine neue Lehre, die Ich euch aus den Himmeln gebe! Sie ist das wahre, neue Jerusalem aus den Himmeln; denn das alte, irdische ist nichts nütze mehr. Die zwölf Tore bezeichnen die wahren zwölf Stämme Israels, und die zwölf Edelsteingattungen der Ringmauern bezeichnen die zehn Gesetze Mosis, und die obersten zwei Reihen als Diamant und Rubin bezeichnen Meine zwei Gebote der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten. Die Engel, die bei den Toren aus und ein gingen, bezeichneten die vielen Wahrheiten, die den Menschen offenbar werden durch die getreue Beachtung Meiner Lehre. Die aus der Stadt Wandelnden zeigten an die große Weisheit dieser Meiner Lehre, und die vielen in die Stadt Wandelnden bezeichneten, wie die Menschen diese Meine Lehre als pur Liebe auch in ihre Herzen sollen eingehen lassen und danach handeln, so werden sie dadurch zur wahren Wiedergeburt im Geiste gelangen und dadurch in alle Wahrheit und Weisheit geleitet werden.

6. Das ist die Bedeutung dieser Erscheinung, und das ist denn auch die wahre Gnadensonne für jeden, der Mein Wort hört und danach lebt, und in dieser werden auch alle, die an Mich glauben und glauben werden, für ewig bei Mir sein und wohnen und mit Mir leiten und führen alles, was da geschaffen ist im ewigen Raume.

7. Dieses verstehet ihr jetzt zwar noch nicht und könnet es auch nicht verstehen; aber so ihr bleibet im Glauben an Mich und tut nach dieser Meiner Lehre, so werdet ihr in eurer Glaubens- und Liebereife getauft werden vom Heiligen Geiste, den Ich allen senden werde, die lebendig an Mich glauben und an Den, der Mich aus Sich im Fleische als einen Menschensohn in diese Welt gesandt hat; denn das ist das eigentliche wahre, ewige Leben, daß ihr an Mich als an den wahrhaftigen Sohn des Vaters im Himmel glaubet und lebet nach Seiner Lehre.

8. So aber der Geist, von dem Ich nun zu euch geredet habe, zu euch kommen und euch durchdringen wird, dann werdet ihr aus euch selbst alles begreifen, was ihr nun alles sehet und höret, aber nun in eurer puren Naturmäßigkeit nicht begreifen könnet; denn das Fleisch kann den Geist nicht fassen und ist in sich ohnehin tot und hat kein anderes Leben als allein nur das zeitweilige Mitleben aus der Lebenskraft der Seele, die mit dem Geiste verwandt ist und ihm ganz ähnlich und eins mit ihm werden kann, so sie sich von der Welt ganz abwendet und ihre Sinne allein dem Innersten, Geistigen zuwendet nach der Ordnung und Weise, wie es euch zeigt Meine Lehre und Mein höchsteigenes Beispiel.

9. Darum suche ein jeder von euch, seine Seele durch ihre eigene Kraft zu retten; denn so sie ins Gericht kommt, wird sie sich dann wohl retten können ohne Mittel dazu, so sie hier mit so vielen Mitteln, die ihr zu Gebote stehen, sich nicht retten kann, ohne zu bedenken, daß sie sich selbst ein unschätzbares Gut sein sollte, das, so es verlorengeht, aus sich mit nichts wieder erkauft oder erworben werden kann?!

10. Jeder suche daher vor allem zu retten seine Seele! Denn Ich sage es allen, daß es jenseits also sein wird: Wer da hat die Liebe, die Wahrheit und also die rechte Ordnung Gottes in sich, dem wird dort alsogleich noch gar vieles hinzugegeben werden; wer aber das nicht hat oder viel zuwenig hat, dem wird auch noch das, was er allenfalls noch hat, genommen werden, auf daß er dann gar nichts habe und nackt, mittellos und somit ohne Hilfe dastehe. Wer wird sich da seiner erbarmen und für ihn geben eine Löse?! Wahrlich, sage Ich euch: Hier zählt eine Stunde mehr denn dort tausend Jahre! – Diese Worte schreibet euch tief ins Herz; aber vorderhand behalte sie ein jeder bei sich!“

14. Kapitel. Bekenntnis eines Judenpriesters.

1. Sagte ein Jude aus dem Priesterstande: „O Herr, Du bist allzeit wunderbar, voll Liebe, Erbarmung, Gerechtigkeit und Weisheit, und was Du sagst oder auch nur bloß denkst, das ist schon unwiderruflich für ewig eine vollbrachte Tat, und es kann darum ein Mensch schwer mit Dir reden! Aber dessenungeachtet will ich denn doch der Brüder wegen ein Wort mit Dir reden; wolle mich also gnädigst anhören! Siehe, o Herr, wer den Weg genau kennt, der zu einem erwiesen sicheren Ziele führt, das dem Wanderer auch erwiesen den größten Lebensvorteil geben kann und muß, so er nur das Ziel erreicht, der wird auch ganz sicher nichts anderes tun, als auf dem wohlbekannten Wege das Ziel verfolgen und auch sicher erreichen; nur ein ganz blinder Narr könnte daneben aus purster Dummheit und gänzlicher Unkunde einen andern Weg einschlagen.

2. Nun, wir kennen jetzt den Weg und das Ziel und können darum denn auch leicht aller Welt und ihren Lockungen den Rücken zukehren und als wahre Helden über Dornen und Schlangen sogar auf diesem Wege das wahre und sichere Lebensziel verfolgen; selbst gegen ein Heer von Teufeln würden wir nun kämpfen und unaufhaltsam dem Ziele nachstreben! Ja, wir alle haben es nun leicht; denn wir haben es nicht nur gehört, sondern auch gesehen und mit allen unseren Sinnen empfunden, daß es also ist und ewiglich nicht anders sein kann. Aber wie viele sind unser hier, denen von Dir diese unbegreifliche Gnade zuteil ward?!

3. Was ist aber mit den zahllos vielen anderen Menschen, die seit Adam überall zerstreut auf dieser Erde ungemessen weitem Boden in aller Geistesfinsternis gelebt haben, jetzt leben und noch leben werden? Wer wird denen die Augen öffnen, und wer ihre Seelen jenseits erlösen? Selbst wir Juden und – sage – Priester als Lehrer und Führer des Volkes haben wohl Moses und die Propheten; aber was nützten sie uns? Wo lagen die Beweise, daß sie wirklich einmal da waren? Bloß nur im blinden Glauben! Denn die gewissenhaftest Frommen starben vor unseren Augen nicht selten eines gar bittern und schmählichen Todes, und nie kam jemandes noch so fromm Verstorbenen Seele zurück und gab uns über das Jenseits irgendeinen Aufschluß. Alles, was wir davon wußten, war nur eine dunkle, unverständige und mit den besseren Grundsätzen der Vernunft ganz entsetzlich kontrastierende Mythe, mit der man halbwegs nur den ungebildetsten Pöbel noch im Zaume halten konnte.

4. Was Wunder, daß wir und gar viele mit den griechischen Weisen Bekanntschaft machten und dann zwar das Judentum predigten, selbst aber als Epikureer lebten! Denn der Mensch hat einmal einen unverlöschbaren Trieb nach einer Seligkeit und wenigstens halbwegigen Zufriedenheit; von einer ewigen, jenseitigen konnten wir uns auf keine Art und Weise nur irgendeine noch so geringe Wahrscheinlichkeit verschaffen und noch weniger irgendeinen sichern und haltbaren Beweis. Wir waren gesunde und rüstige Leute, die Welt lag evident mit allen ihren Freuden und Üppigkeiten vor uns; es ist da ja augenscheinlich, daß wir da nicht Säumens machten, danach zu gieren und zu greifen! Denn warum sollten wir uns für unsere Mühe, das Volk mit allen Mitteln in den blinden Glauben an Gott und Unsterblichkeit ordentlich hineinzulügen und -zubetrügen, nicht auch eine Seligkeit bereiten, da wir für die jenseitige doch, wie schon gesagt, nirgends einen Beweis ausfindig machen konnten?!

5. Siehe, o Herr, das war unsere Geheimlehre für uns, nahe ganz ähnlich der der Essäer, obwohl wir aus bekannten Gründen keine Gemeinschaft mit ihnen unterhielten! Wir verfolgten auch die Sadduzäer wegen ihres Zynismus, aber nicht um unser selbst willen, sondern des gläubigen Volkes wegen; denn wäre das Volk zur Sekte der Sadduzäer übergegangen, so hätte dann unsere irdische Glückseligkeit bald ihr Ende erreicht. Jetzt aber, da wir endlich einmal die überzeugendsten Beweise über das Jenseits durch Deine pure Gnade erhalten haben, da ist uns freilich alles Irdische nun zu einem wahren Ekel geworden! Aber was geschieht mit den andern, die diese Gnade nicht hatten und auch schwerlich je haben werden?“

6. Sagte Ich: „Darum habt ihr euch nicht zu kümmern! Sorget ihr vorderhand nur für euch, für alle andern wird noch hinreichend gesorgt werden! Wer dann, euch gleich, will, der wird so wie ihr gerettet sein; wer aber dann nicht wollen wird, der wird es sich selbst zuschreiben müssen, so er verlorengeht.

7. Denn eine jede Seele wird auch jenseits fortleben ganz aus ihrer Liebe und aus ihrem Glauben und daraus nach der vollen Freiheit ihres Willens. Ist die Liebe rein und gut, so wird auch ihr jenseitiges Leben ein reines, gutes und seliges sein; ist aber ihre Liebe schlecht und unrein und für keinen Nebenmenschen eine Seligkeit bereitend, so wird auch ihr jenseitiges Leben ein unreines, schlechtes und seligkeitsloses sein.

8. Einer Seele aber ihre Liebe nehmen und ihr eine andere geben, hieße sie vernichten und an ihrer Stelle eine ganz andere Seele schaffen. Das aber wäre wider die ewige, göttliche Ordnung; denn was Gott einmal ins Dasein gerufen hat, das kann nicht mehr vergehen, sondern nur stets in ein Edleres und Besseres übergehen. Es wird demnach auch jenseits für solche verlorenen Seelen gesorgt werden; aber das sage Ich, wie Ich schon früher gesagt habe: Hier ist eine Stunde besser denn dort tausend Jahre!

9. Allein darum geschieht keiner Seele ein Unrecht; denn so man einer Seele ihre Liebe und ihren Willen unbeschadet beläßt und sie nur insoweit von den andern abscheidet, daß sie den Guten nicht schaden kann, übrigens aber in ihrer ihr ganz entsprechenden Geisterweltsphäre tun kann, was sie will ihrer Lebensliebe und Intelligenz zufolge, so tut man da sicher keiner Seele ein auch nur scheinbares Unrecht.

10. So wie ihr nun bisher gelebt habt, so leben auch alle bösen Teufelsseelen in der Hölle, deren arges Feuer eben ihre böse, nie zu sättigende Selbstliebe und Herrschsucht ist, und ihr saget es selbst, daß es euch dabei ganz gut ergangen ist. Aber dennoch nagte an jedem Tage mehr und mehr der Wurm des Todes in euch und verbitterte euch unsäglich das Dasein! Was hattet ihr dann von eurem Wohlleben?!

11. Und so wird es jenseits vielen gar lange gehen, woran aber nur sie allein schuld sind. Denn sie werden dort nicht einmal, sondern gar oftmals die Schrecken des Todes zu erdulden haben, was aber auch sein muß; denn ohne diesen wäre jede solche Seele wahrlich für ewig ganz verloren.

12. Für heute wisset ihr genug, und da es nun bald um die Mitternacht ist, so wollen wir denn nun ins Haus gehen und dort Ruhe nehmen. Was der morgige Tag alles bringen wird, das werden wir sehen, und so gehen wir!“

13. Hier verließen wir alle den Hügel und begaben uns ins Haus, wo schon für unsere Ruhe bestens gesorgt war. Die Juden aber hatten ein eigenes, großes Gemach. Da saßen sie um die Tische und besprachen sich beinahe die ganze Nacht, was sie tun wollten, um vom Tempel los zu werden. Das sicherste Mittel fanden sie im Sich-Auskaufen. Dann ward Ruhe auch bei ihnen.

15. Kapitel. Die Judenpriester werden Jesu Jünger.

1. Am Morgen noch vor dem Aufgange waren wir, das heißt Ich, die Jünger, unser Wirt und Lazarus mit dem ganzen Hause schon auf den Füßen. Des Lazarus Schwester Martha war mit ihren Helferinnen schon auf das emsigste beschäftigt, um uns ein reichliches und gutes Morgenmahl zu bereiten; Maria aber ging mit uns ins Freie und war nur Aug und Ohr wie immer, um von Mir etwas für ihr Herz und ihre Seele zu erbeuten.

2. Als wir schon bei einer Stunde lang im Freien umhergewandelt waren, da wurden erst die Juden wach, wuschen sich nach ihrer Sitte und fragten dann eiligst, ob Ich noch schliefe.

3. Martha aber sagte: „Oh, der Herr ist schon vor einer Stunde mit Seinen Jüngern, mit meinem Bruder, meiner Schwester und dem Wirte hinaus ins Freie gegangen und wird wahrscheinlich bald wieder zurückkehren, weil das Morgenmahl auch bald bereitet sein wird!“

4. Sagte ein Priester: „Wohin hat Er Sich gewendet, auf daß wir Ihm nacheileten und Ihm die Nachricht brächten von dem bereiteten Morgenmahle?“

5. Sagte Martha: „Oh, dessen hat's beim Herrn wohl nicht vonnöten; denn Er weiß es um den Augenblick, in welchem das Morgenmahl bereitet sein wird!“

6. Als die Juden solches vernahmen, fragte einer von ihnen die Martha, sagend: „Also mußt du Ihn wohl schon länger kennen, weil du mit Seinen unverkennbar göttlichen Eigenschaften schon so sehr vertraut bist?“

7. Sagte Martha: „Ich kenne Ihn wohl seit einer geraumen Zeit; aber es ist eben nicht sehr löblich von euch, daß ihr Ihn bis jetzt noch nicht erkannt habt!“

8. Sagten die Juden: „Jawohl, jawohl, dieser dein Vorwurf trifft uns ganz gerecht, und wir bedauern es nun selbst, daß wir in unserem Weltgetümmel uns noch nie näher nach Ihm erkundigt haben, obwohl wir schon so manches von Seinem Treiben aus Galiläa erfahren haben. Auch kommt es uns vor, daß Er auch am Osterfeste hier in Jerusalem war und merkwürdigermaßen alle Käufer und Verkäufer aus dem Tempel trieb und den Wechslern und Krämern ihre Buden umstieß!“

9. Sagte Martha: „Ja, ja, Er ist Derselbe, aber damals waren eure Augen noch sehr geblendet und eure Ohren und Herzen verstopft; darum habt ihr Ihn nicht erkannt!“

10. Sagten die Juden: „Jawohl, jawohl, du hast recht; aber da wir Ihn nun erkannt haben, so werden wenigstens wir zwanzig gar nicht mehr von Seiner Seite weichen, und wir haben uns fest vorgenommen, in anderen Kleidern als Jünger mit Ihm zu ziehen, auf daß uns die Templer und andere überall zerstreute Judenpriester, Pharisäer und Schriftgelehrte nicht vorwerfen können, als hätten auch wir Tempelpriester uns von Ihm als einem Neusektenstifter und Volksverführer verleiten lassen. Wir wollen hernach gleich nach Jerusalem ziehen und uns auskaufen zu einer vorgeschützten Reise nach Persien und Indien, was uns gerne und nur zu gerne gewährt werden wird. Haben wir das in wenigen Stunden abgemacht, dann kommen wir noch heute wieder und werden Ihm als Seine Schüler auf unsere Unkosten überallhin nachfolgen.“

11. Sagte Martha: „Das ist von euch ein ganz löblicher Entschluß und wird euch Seine Segnungen bringen! Aber sehet nur hinaus; Er kommt schon, dieweil ich völlig fertig bin mit der Bereitung des Mahles, und wir wollen Ihn mit der Ihm allein gebührenden höchsten Achtung und Liebe empfangen, Ihm noch einmal aus dem tiefsten Grunde unserer Herzen danken für die gestrigen großen Tröstungen, die Er uns bereitet hat, und wollen Ihn dann bitten, daß Er gnädigst dieses Morgenmahl segnen und mit uns verzehren möchte!“

12. Während Martha noch also mit den Juden sprach, die sie ganz andächtig anhörten, trat Ich schon ins Zimmer ein und sagte: „Meine liebe Martha, dessen hat es mit dem Munde nicht vonnöten; wer es in seinem Herzen tut, der tut wohl und gut daran. Der Lippengruß kann dann da schon ganz füglich unterbleiben; denn Ich sehe nur allein auf das Herz und seine inneren Gedanken. Aber es haben bei dir schon auch deine Worte einen rechten Wert vor Mir, weil sie ganz genau aus deinem Herzen kommen.“

13. Darüber war die Martha sehr beruhigt und wurde voll Fröhlichkeit.

14. Ich aber wandte Mich zu den Juden und sagte zu ihnen: „Ihr wollt also im Ernste Meine Jünger werden?“

15. Sagten nun gar alle, auch die Nichtpriester, die da nur ganz wohlhabende Bürger Jerusalems waren: „Ja, Herr, so Du uns nur für würdig hältst, Deine Jünger sein zu dürfen! Wir wollen sogar alles aufbieten, um desto ruhiger und sicherer auf allen Deinen Wegen und Stegen Dir, o Herr, folgen zu können!“

16. Sagte Ich: „Da tut ihr wohl daran; aber eines muß Ich euch bemerken, und das besteht darin: Seht, die Vögel der Luft haben ihre Nester und die Füchse ihre Löcher, aber Ich, als purer Menschensohn Meinem Leibe nach, besitze nicht einmal einen Stein, den Ich mir als Mein irdisches Eigentum unter Mein Haupt legen könnte!“

17. Sagten die Juden: „Darum ist dennoch der Himmel und die ganze Erde Dein Eigentum! Für diese Welt aber haben schon wir für Dich, für Deine Jünger und für uns genug auf zehn und noch mehrere Jahre! Laß uns nur mit Dir ziehen und vernehmen Deine Worte des Lebens, um alles andere werden wir uns nach Deinem Willen überall sorgen und kümmern!“

18. Sagte Ich: „Nun wohl denn, so gehet nach dem Mahle nach Hause, und bestellet eure Sachen gut! Dann kommet wieder, und Ich werde euch dann sagen, was wir dann tun und unternehmen werden! Nun aber zum Mahle!“

19. Darauf setzten sich alle zu den Tischen, sprachen ihre Danksagung und aßen und tranken dann gleich Mir.

16. Kapitel. Bekehrte Priester sagen sich vom Jerusalemer Tempel los.

1. Als das Mahl verzehrt war, dankten alle wieder, und die Juden begaben sich dann nach Jerusalem. Die Templer samt dem Hohenpriester machten anfangs freilich große Augen, als die zwanzig schon sehr bejahrten Priester vorgaben, nun eine weite Reise machen zu wollen; aber weil diese ihnen dafür viel Goldes und Silbers hinterließen, so willigten sie endlich doch ein und wünschten ihnen viel Glück auf die Reise. Die zwanzig empfahlen sich schnell und verliefen sich in der großen Stadt, daß man ihnen nicht so leicht nachspionieren konnte, welchen Weg sie eigentlich einschlugen. Sie kannten aber außerhalb der Stadt einen Griechen, der griechische Kleider stets in großem Vorrate hielt und damit Handel trieb. Zu dem gingen sie hin, kauften ihm griechische Kleider ab und ließen die ihrigen dort, was den Griechen sehr wundernahm, darum er sie aus Neugier denn doch ganz bedächtig zu fragen anfing, was denn diese Verkleidung etwa wohl zu bedeuten hätte.

2. Sie aber sagten (die Priester): „Freund, in diesen Kleidern läßt sich besser allerlei Handel treiben, und da dem Tempel nun von Jahr zu Jahr die früheren Einkünfte ausbleiben, so muß nun ein kluger Handel mit den auswärtigen Heidenvölkern das ersetzen.“

3. Mit dieser Erklärung war unser Grieche ganz zufrieden, bekam sein Geld und dazu noch die ganz guten und teuren Priesterkleider, war damit ganz vollkommen zufrieden und sagte darauf kein Wort mehr. Nur haben ihm die zwanzig streng aufgetragen, davon gegen niemand je eine Erwähnung zu machen, da er dadurch in große Unannehmlichkeiten geraten könnte. Und der Grieche schwieg dann auch wie eine Mauer.

4. Die zwanzig aber begaben sich auf einem bedeutenden Umwege als Griechen wieder zu uns hin und kamen nachmittags bei uns an, etwa zwei Stunden nach dem Mittage. Als sie bei uns ankamen, als wir noch am Tische saßen und noch kaum unser Mittagsmahl verzehrt hatten, da wunderten sich Lazarus, der Wirt und auch Meine Jünger darüber, wie diese ihr Geschäft doch so bald abgemacht hatten.

5. Da sagte einer aus ihrer Mitte: „Ja, hochliebe Freunde, ums Geld geht bei uns alles sehr schnell; aber ohne Geld oder um zuwenig Geld heißt es warten, und das auf einer sehr langen Bank, und nachher geschieht dann auch blutwenig! Aber wir ließen hübsch viel Gold und Silber zurück, und unser Geschäft war darum auch leicht und bald abgemacht. Der Tempel trägt jetzt bei weitem nicht mehr das, was er einstens getragen hat, als die Samariter, die Sadduzäer und nun auch schon ein großer Teil der Essäer, die man im Anfange gar nicht beachtet hatte, von uns noch nicht getrennt waren, und so sind die Haupttempler nun schon recht froh, wenn sich von Zeit zu Zeit ihre inneren Kostgeher vermindern.

6. Wir kamen darum so ganz leicht durch; aber wir dachten wohl auch sehr daran, der Herr, der uns gestern unsere Bande wieder löste, werde uns nach Seinem heiligen Willen wohl behilflich sein, daß wir unser Vorhaben so anstandslos als möglich durchführen könnten. Und sehet, es ging gerade also, wie wir uns dachten, und daher auch unseren innersten Dank Dir, o Herr! Aber wo harren denn noch unsere Bürger? Es waren ihrer doch auch bei zwölf oder dreizehn! Können die bei ihren Familien denn nicht wenigstens so leicht abkommen, wie wir mit den Templern abgekommen sind?“

7. Sagte Ich: „So leicht nicht, dieweil sie Familienväter sind! Aber sie werden nicht lange auf sich warten lassen; denn es sind das wahre Ehrenmänner von Jerusalem, wie es deren wenige gibt. Aber nun setzet euch zu uns, und esset und trinket nun als Griechen, und seid heitern und fröhlichen Mutes!“

8. Da dankten die zwanzig Pseudogriechen, saßen zum Tische, allda wir saßen, und fingen mit aller Lust zu essen und zu trinken an und erzählten uns viele heitere Dinge aus dem gegenwärtigen Zustande des Tempels, von der neuen und falschen Bundeslade, weil die alte merkwürdigermaßen seit dem grausamen Tode des damaligen Hohen- und Oberpriesters Zacharias ihre ganz wunderbare Kraft gänzlich verloren habe. Die neue aber sei darum nun schon beinahe dreißig Jahre alt, und es sei mit ihr in diesem Zeitraume gar kein Wunder mehr verrichtet worden, und dennoch bete das dumme Volk die neue für die alte an.

9. Es ward auch viel über offenbare Aufhebung der Mosaischen Satzungen und An-ihre-Stelle-Setzung von neuen, allerwidersinnigsten Gesetzen, Strafen und Bußen geredet, und wie sich statt der früheren, wahren Wunder Gottes nun die indischen, persischen und ägyptischen breitmachten, aber mit wenig Glück, weil überall verkappte Essäer sie dem Volke dann bei Gelegenheit wieder auf eine ganz natürliche Art so erklärten, daß es selbst der dümmste Mensch am Ende ordentlich mit Händen greifen müsse, daß das ganze Wunder nichts als ein sogar plump und ungeschickt ausgeführter Betrug sei. Die Folge davon sei, daß der Tempel in seinem Ansehen von Tag zu Tag tiefer heruntersinke, was sie selbst nur zu gut gemerkt hätten. Denn was komme da heraus? Heute werde von einem Oberpriester ein einverstandener, gut bezahlter Blinder, der aber sonst so gut sieht wie unsereiner, vor dem Volke sehend gemacht, – in ein paar Tagen wirkten die Buben auf den Gassen und Straßen zu Dutzenden solche Wunder.

10. Sie hätten darum im Hohen Rate des Tempels das Petitum (Antrag) gestellt, daß man wegen der steten Profanation solcher Verrichtungen mit eben solchen Verrichtungen einen längeren Einhalt tun solle; denn dafür ließe sich ja doch irgendein vernünftiger und glaubbarer Grund ermitteln. Aber das sei alles zu tauben Ohren gesprochen worden. Wunder gewirkt müsse sein, wenigstens des gemeinen Volkes wegen, – dann aber schon oft im Tempel ausgelacht werden auch dazu! Was nütze da ein priesterliches Ansehen, eine ernste Miene und der falsche Aaronsstab, wenn das Wunderwerk an und für sich so dumm sei, daß das schon die gemeinsten Gassenbuben zu belachen anfangen?!

11. Und so in dieser Weise erzählten unsere Griechen noch so manches, worüber sich Lazarus, seine beiden Schwestern und mitunter sogar unser Wirt, der auf den Tempel schon lange nichts mehr hielt, zu wundern anfingen, und Lazarus, der noch so manche Stücke auf den Tempel hielt, sagte: „Nein, das hätte ich vom Tempel nicht geglaubt! Denn ich muß es offen gestehen, ich habe den Tempel noch stets als ein echter Jude besucht, und so eben nicht selten mich die Tempelherren besuchten, so konnte ich ihren guten Reden und Lehren gerade nichts anhaben und gestand mir selbst gegenüber oft, daß es sehr wünschenswert wäre, so die Menschen nach solchen Lehren lebten.

12. Aber nun bekommt die Sache ein ganz anderes Gesicht! Was nützen da Wort und Lehre, wenn sie eine pure Heuchelei sind und der fromm scheinende Lehrer bei sich selbst ein verächtlicher Halunke ist?! Solche Lehrer kommen mir gerade so vor wie nach einer guten, alten Fabel die Wölfe in Schafspelzen, die, weil sie die schnellbeinigen Schafe als offene Wölfe nur mühsam erhaschen konnten, sich dann mit Schafspelzen bekleideten, um mit weniger Mühe sie zu erhaschen und zu zerreißen. Na, das werde ich mir wenigstens geheim sehr zum guten Merkzeichen machen! – Was sagst denn Du, o Herr, dazu?“

17. Kapitel. Das selbstsüchtige Treiben der jüdischen Priester im Tempel.

1. Sagte Ich: „Meinst denn du, diese haben uns etwas Neues gesagt?! Oh, mitnichten! Das ist Mir schon sogar als einem Menschensohne sehr lange bekannt! Erinnerst du dich noch an Mein zwölftes Jahr, wo Ich als Knabe drei Tage hindurch mit den Pharisäern und Schriftgelehrten und Ältesten verkehrte?! Siehe, schon damals sah es im Tempel geradeso aus wie jetzt, und schon früher auch; aber es waren doch wenigstens einige würdige und wahrhaftige Nachfolger Mosis und Aarons wirklich aus dem Stamme Levi auf dem Stuhle Mosis und seines Bruders Aaron. Zacharias aber war der letzte, und jetzt sind im Tempel gleich schon alle Stämme vertreten, da sich ein jeder darin ein Amt nach Belieben ums Geld erkaufen kann.

2. Kurz und gut, Mein Haus – wie der Prophet sagt – haben sie zu einer Mördergrube gemacht, und daher ist darin kein Heil mehr zu suchen! Aber dennoch sage Ich euch allen: Die Lehren derer, die auf dem Stuhle Mosis und Aarons sitzen, wenn sie Gottes Wort predigen, möget ihr noch immer anhören; aber auf ihre argen Werke sehet nicht, und machet sie ihnen noch weniger nach, denn diese sind ein allerabscheulichster Betrug!

3. Daß sie aber nun so sind, wie sie sind, das ist das Gericht Gottes über sie, dieweil sie von Ihm abgewichen sind und sich gewendet haben zum Mammon, der nun ihr Gott ist. Wer weiß es nicht, daß früher die Erstlinge aus jeder Ehe im Tempel als Opfer Gott dem Herrn bis zu ihrem vierzehnten Jahre frei und bestens erzogen worden sind, und daß solche Erstlinge gar oft sichtbar von den Engeln des Himmels bedient und belehrt worden sind?“

4. Sagen alle: „Ja, das ist eine buchstäbliche Wahrheit!“

5. Rede Ich weiter: „Wo geschieht so etwas jetzt?“

6. Sagte ein Jude: „O ja, das geschieht jetzt auch noch, aber freilich auf eine ganz andere Art! Anstatt der Erstlinge als Opfer für Gott den Herrn nimmt der Tempel lieber das Geld; wer aber kein Geld hat, der kann den Erstling entweder selbst behalten ohne allen Anstand, und es werden um ein paar Groschen zum künftigen Wohle desselben etliche Gebete in den Gotteskasten hineingemurmelt, oder, wenn die Eltern des Erstlings sich als noch echtgläubige Juden auf die alte Satzung versteifen, so wird der Erstling wohl angenommen mit der vorgeschriebenen Zeremonie, aber sodann gleich irgendeiner Hebamme um ein geringes Geld übergeben. Wenn das Kind am Leben bleibt, so wird es dann als ein Dienstbote an irgendeinen Landmann ordentlich veräußert, wo es dann aufwächst ohne Lehre und Unterricht wie ein Tier, und verlangen es die Eltern dann nach dem zurückgelegten vierzehnten Jahre zurück, so wundern sie sich dann freilich nicht wenig, daß ihr Erstling im Tempel so wenig Gnade gefunden hat, und haben dann erst ihre rechte Not mit ihm.

7. Darum geben die Armen nun ihre Erstlinge auch gar nicht mehr in den Tempel, sondern halten sich lieber an die neue Satzung, von der wir früher geredet haben. Bei den Reichen ist es freilich anders; die werden wohl im Tempel, natürlich ums Geld, ganz ordentlich gepflegt und mit der Zeit auch zuweilen von Pseudoengeln besucht, bedient und auch mit einigen auswendig gelernten Schrifttexten unterwiesen, die aber die Engel ebensowenig verstehen wie ihre frommen Zöglinge.“

8. Sagte Ich: „Nun ist's aber auch schon ganz gut mit diesen leider nur zu wahren Kundgaben; denn es kommen nun unsere Bürgerjuden, und wir wollen sie nicht über die Maßen ärgern. Sie wissen zwar auch manches, aber das alles natürlich nicht, und so wollen wir sie zum voraus nicht zu tief in die inneren, bösen Geheimnisse einweihen. Auch ihr alle redet nicht viel davon; denn sonst könntet ihr euch in große diesirdische Verlegenheiten stürzen, die dann auch eurer Seele Schaden bringen könnten! Denket vielmehr: ,Wir sind in unseren Herzen frei und haben das rechte Licht und den rechten Weg zum Leben gefunden!‘ Solange aber Ich sie noch dulde, damit ihr böses Maß voll werde, so lange duldet auch ihr sie, und haltet euch an ihre guten Lehren; von den schlechten aber wendet Augen und Ohren ab! Und nun genug von diesem Kapitel; denn unsere Bürger stehen schon an der Flur und haben auch noch nichts gegessen; darum sollen sie auch hier etwas zu essen und zu trinken bekommen.“

18. Kapitel. Ein Evangelium des Frohsinns.

1. Darauf eilten Martha und auch Maria sogleich in die Speisekammer, brachten Brot und Wein und gebratenes Hammelfleisch und setzten alles auf einen Nebentisch, weil an dem unsrigen kein Platz mehr war.

2. Als die Bürger mit großer Ehrfurcht zu uns ins Zimmer traten, da sagte Ich gleich ganz freundlich zu ihnen: „Lasset nun eure zu große Ehrfurcht fahren! Ihr seid hungrig und durstig, darum esset und trinket frohen Mutes! Sind doch die Kinder der Nacht, des Gerichtes und des Todes fröhlich bei ihren Schmäusen, – warum sollen da die Kinder des Lichtes und des Lebens in Gegenwart ihres himmlischen Vaters es nicht sein?! Denn Ich sage es euch: Wo Ich bin, da ist auch der Vater. Also seid alle fröhlich und heiter, und esset und trinket!“

3. Da dankten die Bürger, setzten sich und fingen an, recht wacker zu essen und zu trinken, und erzählten uns, wie sie sich auf eine Zeit von etlichen Monden von ihren Angehörigen ganz gut davongemacht hätten. Ich belobte sie darum und empfahl ihnen den rechten Mut und die rechte Ausharrung, ohnedem sie Mir mit wenig Erfolg nachfolgen würden. Sie versprachen das und hielten auch ihr Versprechen, wie es sich später einmal schon noch zeigen wird.

4. Während dieser Besprechung mit den Bürgern Jerusalems aber bemerkte heimlich die Martha dem Lazarus, sagend: „Du, Bruder, stelle dir vor: schon wieder ein Wunder! Wir haben gestern und heute für so viele Menschen doch hübsch was verbraucht, und siehe, es fehlt in unserer großen Speisekammer nicht nur nichts, sondern es ist nun von allem zehnmal mehr da, und in unserem großen und kleineren Weinkeller sind alle Schläuche voll Weines! Das kann niemand anders als nur allein der Herr in Seiner zu großen Güte und Liebe uns getan haben, und so hat Er nicht von uns Speise und Trank genommen, sondern wir alle speisten nur an Seinem Tische!“

5. Da ward Lazarus ordentlich verlegen und wußte nicht, was er darauf hätte erwidern sollen.

6. Ich aber merkte seine Verlegenheit und sagte auch ganz leise zu ihm: „Mache dir nur nichts daraus; denn siehe, wir wollen uns nahe den halben Winter so hübsch im stillen in dieser Gegend aufhalten, und da werden wir noch oft deine Gäste sein und bald wieder Gäste dieses Meines Wirtes! Es wird in dieser Winterszeit gar viele Kranke in diesen Gegenden um Jerusalem geben, und die werde Ich bei dieser Gelegenheit heilen, auf daß sie erfahren sollen, daß nun der gekommene Messias ihnen geholfen hat, und sie werden an Seinen Namen glauben.

7. Nach dem halben Winter werde Ich auf eine kurze Zeit den biedern Galiläer Kisjonah besuchen, darauf einige Tage vor dem Osterfeste wieder hierherkommen, aber noch vor dem Feste wieder nach Galiläa abgehen. Siehe, wir werden uns sonach recht lange bei dir aufhalten und auch recht viel brauchen; und darum segnete Ich also sehr deine Speisekammern und Weinkeller! Seid aber stille und saget niemandem etwas davon!“

8. Lazarus dankte Mir im stillen und beruhigte darauf seine Schwestern; und diese, als sie das vernahmen, wurden so sehr voll Freude, daß sie beinahe zu weinen anfingen und auf eine kurze Zeit ins Freie zu gehen genötigt waren, um sich da so recht ihrer Freudentränen entledigen zu können, ohne von jemandem bemerkt zu werden. Darauf kamen sie wieder zu uns und freuten sich mit uns. Als die Bürger sich denn auch gesättigt hatten, da dankten sie und erhoben sich von ihren Plätzen.

9. Ich aber sagte zu ihnen: „So ihr sonst nichts zu tun habt, da bleibet sitzen, und wir wollen miteinander fröhlich sein; zum zeitweiligen Traurigsein wird die Zeit noch früh genug kommen!

10. Meine Jünger dürfen keine Kopfhänger sein und nicht mit gleisnerischen und Frömmigkeit heuchelnden Gesichtern einhergehen, auf daß die Menschen glauben sollen, sie beträten nur noch mit den Füßen der Erde Boden, mit dem ganzen andern Leibe aber steckten sie schon ganz in den Himmeln und seien ganz erfüllt von dem Geiste Gottes, – sondern ihr müßt vor jedermann mit offenem und heiterem Gesichte einhergehen, damit ein jeder Mensch ein gutes Vertrauen zu euch fassen kann, und ihr werdet also viel des Segens aus den Himmeln unter den Menschen verbreiten.

11. Sehet, in Mir wohnt alle Fülle des wahrhaftigsten Geistes Gottes, und ihr habt Mich noch nie mit hängendem Kopfe und frömmelnden Augen einhergehen sehen, sondern Ich gehe offenen und ganz natürlichen Gesichtes einher, und Mein Weg ist stets ein gerader, und Ich bin mit Ehrlichen und Heiteren freundlich und heiter, und die Trauernden und Ängstlichen mache Ich fröhlich und mutig, und ihr müsset als Meine Jünger nach eurem höchst freien Willen ganz dasselbe sein!

12. Darum sage Ich euch allen noch einmal, daß ihr ganz freien Geistes sein und fröhlich und heiter durch die Welt gehen sollet, ohne an ihr zu hängen. Denn wie Ich Selbst nur darum in die Welt gekommen bin, um allen Menschen eine fröhliche und höchst beseligende Kunde aus den höchsten Himmeln zu überbringen, die jedermann den höchsten Trost derart geben muß, daß sogar ein größter Martertod ihn nicht unheiter stimmen wird – weil er es sieht und sehen muß, daß es für ihn keinen Tod mehr gibt und geben kann, und daß für ihn in Meinem ewigen Reiche weder diese Erde noch der ganze sichtbare Himmel je mehr verloren gehen kann, sondern daß er noch dazu eine große Herrschaft über gar vieles überkommen wird –, also werde auch Ich euch, wenn ihr tüchtig werdet im Geiste und in der Kraft Meiner Lehre, hinaussenden in Meinem Namen, allen Völkern der Erde zu überbringen diese frohe Kunde aus den Himmeln.

13. Wer wird aber eine so überfrohe Kunde mit einem traurigen, zaghaften, furchtsamen, ängstlichen und kopfhängerischen Gesichte überbringen wollen oder können? Daher weg für immer mit allem dem, und weg mit der übertriebenen Ehrfurcht selbst vor Mir; denn mit all dem würdet ihr nie fähig sein, zu etwas Großem berufen und erwählt zu werden, und noch weniger, etwas Wichtigstes und Größtes zu vollführen!

14. So ihr Mich liebet aus dem Grunde eurer Herzen, so genügt Mir das vollkommen; alles, was darüber ist, ist dumm, ist zu nichts nütze und macht aus dem Menschen, der Mein Ebenmaß ist, eine feige und zu nichts Großem brauchbare und taugliche Kreatur.“

19. Kapitel. Die Reinigung von der Sünde.

1. Sagte ein Bürger: „O Herr, das wäre also wohl schon alles recht, wenn wir nur in unserem ganzen Leben nie gesündigt hätten! Die Sünden brennen uns nun in unseren Herzen vor Dir, der Du unsere Herzen und Nieren durchschauest und heilig bist durch und durch, und wir sind aber gerade das Gegenteil! Daher ist es für uns schwer, nun so ganz heiter und fröhlich zu sein!“

2. Sage Ich: „Glaubt ihr denn, daß Ich das früher nicht gewußt habe, als Ich euch angenommen habe?! Ich aber habe euch eure Sünden vollkommen erlassen, dieweil ihr euch selbst von aller Sünde abgewendet habt und hinfort nimmer sündigen wollet und auch sicher nicht werdet, und so seid ihr keine Sünder mehr, sondern nun vollkommen frei von aller Sünde, und so meine Ich, daß ihr desto mehr Grund haben solltet, aus ganzem Herzen fröhlich zu sein!“

3. Sagte einer von den Bürgern: „Herr, was ist denn mit den Sündenflecken an der Seele? Denn wir haben gehört, daß, so jemand einmal gesündigt hat und ihm bei seiner Besserung durch Bußwerke die Sünde auch erlassen ward, an seiner Seele noch immer ein schwarzer Fleck haften bleibt, durch den sie gebrandmarkt wird dahin, daß ihr dann ob des Fleckes jede ganz reine Seele im andern Leben ausweicht und keine Gemeinschaft mit ihr pflegt, und daß eine solche befleckte Seele so lange nicht zur Anschauung Gottes gelangen kann, bis sie den Fleck im schlimmen Hadesfeuer (Scheol) ganz verloren hat.“

4. Sagte Ich: „Ja, ja, der Fleck bleibt so lange an der Seele, bis der Mensch der Sünde völlig entsagt hat! Wer aber der Sünde vollernstlich darum entsagt hat, weil sie böse ist und den Menschen verdirbt und von Gott und von allem Guten und Wahren abwendet, der hat auch gar keinen Fleck mehr an seiner Seele und hat Scheols schlimmes Feuer gar nicht mehr zu fürchten. So ihr aber vor euren Seelensündenflecken so einen Respekt habt, wie möglich konntet ihr denn Mich anschauen, da ihr doch nun auch wisset, wer hinter Mir und eigentlich in Mir ist?! Sehet darum, wie schwach und albern ihr noch seid!

5. Ich sage es euch: So ihr Meine Jünger sein wollet, da müsset ihr euren alten Menschen ganz ausziehen wie ein altes Kleid und einen ganz neuen anziehen; denn Ich und die überaus zerlumpten und verrosteten Tempellehren dieser Zeit taugen durchaus nicht mehr füreinander. Dieses beachtet, und seid vernünftig, edel, heiter und voll guten Mutes!“

6. Diese Meine für sie sehr tröstliche Belehrung hatte auf unsere Bürger eine gute Wirkung gemacht, und sie griffen nun wacker zum Weine, wurden bald recht heiter und fingen auch bald eine Menge ganz heiterer Geschichten zu erzählen, und die Griechen fingen an, ihnen zu sekundieren, und so verging bis zum Untergange die Zeit.

7. Lazarus bekam bei dieser Gelegenheit auch so manches zu hören, was ihm einen ordentlichen Stoß versetzte, so daß er alle Achtung vor dem Tempel verlor und zu Mir im stillen sagte: „Herr, nun bin ich ganz vom Grunde aus geheilt, und meine Tempelbesuche werden stets seltener werden!“

8. Sagte Ich: „Da wirst du sehr recht tun; aber tue das mehr im Herzen denn mit der äußeren Tat, auf daß du dir bei den Füchsen keinen argen Verdacht an den Hals ziehest, dieweil du im Tempel bis jetzt noch in einem großen Ansehen stehst! Ein plötzliches Sichzurückziehen würde weder dir noch Meiner Sache zu irgendeinem Vorteile dienen, und Ich sehe ja nur auf den inneren Menschen; denn der äußere ist nichts nütze.“

20. Kapitel. Die Vergänglichkeit der Materie.

1. (Der Herr:) „Nun aber bringe du Mir einen Stein, so groß und so hart du irgendeinen hast und hereinbringen kannst, und Ich werde euch allen dann etwas zeigen!“

2. Hierauf erhob sich Lazarus schnell vom Sitze und brachte bald einen bei zehn Pfund schweren und sehr harten Quarzstein herein und legte ihn vor Mich hin auf den Tisch und sagte: „Herr, da ist ein äußerst harter Stein!“

3. Da sagte Ich: „Der ist ganz recht, weil er ebenso hart ist wie die Herzen der Templer zu Jerusalem und die alten Mauern des Tempels; den kann Ich nun ganz gut gebrauchen!“

4. Alle waren nun voll der gespanntesten Aufmerksamkeit, was Ich mit dem Steine machen werde.

5. Ich aber sagte: „Höret! Wir sind heute als am Nachsabbat recht heiter und fröhlich beisammen, und warum sollten wir es auch nicht sein?! Denn ihr habt Mich begriffen und erkannt, wennschon mit mancher Mühe und Opferbringung, und so habe denn auch Ich euch anerkannt! Ihr seid alles Gerichtes dadurch losgeworden, dieweil ihr euch selbst zum allein Wahren und Guten gerichtet habt durch euren schließlich ganz freien Willen. Und so kann Ich euch nun weiter, ganz unbeschadet eurer freien Erkenntnis und eures freien Willens, hier ein Zeichen Meiner inneren Göttlichkeit wohl schon geben, und so habt denn nun auf alles gar wohl acht! Was meinet ihr wohl, was da leichter wäre: entweder diesen Stein bloß durch Meinen Willen in einem Augenblicke zunichte zu machen – oder den Tempel samt allem, tot und lebend, was immer darin ist, auf dieselbe Weise zu vernichten? Prüfet noch zuvor den Stein, auf daß da niemand sage, er sei schon irgend zuvor dafür vorgerichtet worden!“

6. Da sagten alle: „O Herr, das tut hier nicht not; denn diesen Stein kennen wir schon lange! Er ist aus dem Flusse Jordan von einem Fischer wegen seiner schönen, runden Form hierher gebracht worden.“

7. Sagte Ich: „Nun gut; saget denn, was für Mich da leichter wäre: diesen Stein – oder den Tempel zu vernichten!“

8. Sagte einer von den – nun Griechen: „Herr, wir meinen, daß Dir das ziemlich einerlei sein dürfte; denn uns kommt eines wie das andere für eine pur menschliche Kraft gleich unmöglich vor! Wir haben zwar zu verschiedenen Malen von ägyptischen Magiern auch Steine verschwinden machen sehen; aber da wurden wir bald inne, wie die Sache vor sich ging, als wir dieselben Steine darauf wieder zu sehen bekamen, und es dauerte auch gar nicht lange, daß wir ganz dasselbe mit vielem Geschicke nachmachten und uns dann, uns selbst gegenseitig auslachend, fragten, wie es nur möglich war, daß wir anfangs selbst daran glaubten, daß das ein wahres Wunder sei.

9. Aber das hier ist etwas ganz himmelhoch anderes! Das ist ein wirklicher Stein und ein härtester, der nur immer irgend bei uns vorkommt. Die Griechen verstehen zwar die Kunst, diesen Stein im Feuer zu schmelzen und das kostbare Glas daraus zu bereiten, was vor ihnen zu den Zeiten der ersten Pharaonen schon die Phönizier verstanden haben sollen, – aber da wird aus dem Steine nur eine veränderte Materie. Aber solchen Stein bloß durch den puren Willen gänzlich zu vernichten, dazu gehört eine göttliche Kraft, von der wir schwachen Menschen uns nie einen wahren und klaren Begriff werden zu machen imstande sein!“

10. Sagte Ich: „Also – gut! Gebet nun alle wohl acht, daß Ich den Stein nicht anrühre, sondern bloß zu ihm sage: Werde zunichte, du altes Gericht!“

11. Als Ich solches ausgesprochen hatte, da war in demselben Augenblick von dem Steine keine Spur mehr vorhanden.

12. Da schlugen alle die Hände über den Köpfen zusammen und schrien förmlich: „Ja, ja, das kann nur einer rein göttlichen Kraft möglich sein! So etwas ist noch nie erhört worden!“

13. Sagte Ich: „So, wie nun dieser Stein bloß durch Meinen Willen aufgelöst wurde in seine Urelemente, ebenso könnte Ich es mit dem Tempel, mit allen Bergen, mit der Erde, mit Sonne und Mond und mit allen Sternen tun und sie auflösen in ihr ursprüngliches, förmliches Nichts, das heißt in pure Gedanken Gottes, die so lange auch keine Realität haben, bis sie nicht durch die Liebe und durch den allmächtigen Willen Gottes ihre reelle Form und Feste bekommen. Aber in Gott herrscht nicht das Prinzip des Zerstörens und Vernichtens, sondern in Seiner ewigen Ordnung steht die Erhaltung aller einmal erschaffenen Dinge, aber freilich nicht im beständigen Gerichte der Materie, sondern ungerichtet frei im Geiste und Leben, aus welchem Grunde auch keine Materie in dieser Gerichtswelt eine Beständigkeit hat und haben darf, sondern alles nur eine gewisse Zeit hindurch dauert, dann sich allmählich auflöst und nach der Ordnung ins Geistige, Beständige und Unvergängliche übergeht.

14. Die Materie ist ein Grab des Gerichtes und des zeitweiligen Todes, und die toten Geister in diesen Gräbern müssen auch Meine Stimme hören und gehorchen Meinem Willen, wie ihr es nun erfahren habt. Und so wie dieser Stein nun plötzlich aufgelöst worden ist, dasselbe wird nach und nach mit der ganzen Erde geschehen, und es wird dann aus ihr hervorgehen eine neue, geistige und unvergängliche Erde voll Leben und Seligkeit für ihre geistigen Bewohner, und kein Gericht und kein Tod wird herrschen auf ihren himmlischen Gefilden; denn sie wird hervorgehen aus dem Leben aller, die aus ihr hervorgegangen und auf ihr geboren worden sind.“

15. Ihr habt nun gesehen die Macht des göttlichen Willens in Mir, und Jerusalem und der Tempel hätten es lange verdient, daß Ich mit ihm das täte, was Ich nun mit dem Steine getan habe. Aber nein, er soll sein und walten bis zu seiner Zeit. Durch sein Walten wird er sich selbst zerstören, aber nicht also, wie Ich nun diesen Stein zerstört habe, der dadurch von seinem alten Gerichte nur in ein freieres, seelengeistig freies spezifikales Sein übergegangen ist, sondern wie sich ein Selbstmörder zerstört, dessen Seele dann dadurch in ein noch härteres Gericht und in einen vielfachen Tod übergeht. Darum lassen wir sie bis zu ihrer Vollmaßzeit, auf daß sie dereinst nicht sagen können: ,Ihr habt uns keine Kunde gegeben und habt uns dennoch zerstört!‘ – Begreifet ihr nun dieses Zeichen, das Ich nun vor euren Augen gewirket habe?“

16. Sagten die Griechen: „Herr, das ist ein sehr vielsagendes Zeichen, das wir teilweise wohl begreifen, – aber es vom Grunde aus zu durchschauen, das ist nur Dir allein möglich; uns aber wird es vielleicht erst jenseits durch Deine Gnade möglich werden! Wahrlich, das war ein Zeichen höchst ernster Art und enthält in sich eine unendlich große Bedeutung, so klein es im Anfange auch aussah! – Aber da Du, o Herr, heute gerade schon so gut aufgelegt zu sein scheinst, so möchten wir Dich ja nicht etwa versuchsweise, sondern also nur freundlichst bitten, uns zu sagen, wie Du es denn machst, um so gewisserart aus nichts etwas ins Dasein zu rufen.“

21. Kapitel. Jesus verwandelt Wasser in Wein. Die Arbeit im Weinberge Jesu.

1. Sagte Ich: „Ihr möchtet euch wohl so an Meinen Wunderzeichen ergötzen?! Aber sehet, Ich bin nicht wie irgendein Magier, der seine falschen Zeichen und Wunder zustande bringt, daß sich darüber die blinden und dummen Weltmenschen wundern und sich daran höchlich ergötzen, sondern Ich wirke Meine Zeichen nur dem Willen Dessen gemäß, der Mich als einen Menschen mit Fleisch und Blut in diese Welt gesandt hat und nun auch in Mir wohnt; und so Ich denn ein Zeichen wirke, so muß es zur tiefen inneren, geistigen Belehrung der Seele dienen und daneben aber zu allerlei Gutem dem Menschen frommen! Aber das von euch zwar in keiner unreinen Absicht gewünschte Zeichen hat hier keinen rechten Zweck, keinen Nutzen und kein Frommen, und es ist darum besser, so Ich es nicht wirke; denn das könnet ihr euch nun schon auch so vorstellen, daß bei Gott alle Dinge möglich sind.“

2. Sagte derselbe Judgrieche: „Herr, Du mußt uns schon unsere noch große Blindheit vergeben, derzufolge allein wir es nur wagen konnten, Dich noch um ein Zeichen anzureden! O Herr, vergib uns unsere zu vorlaute Dreistigkeit!“

3. Sagte Ich: „Nein, nein, Meine Freunde! Euer Verlangen war in der ganz natürlichen Ordnung; denn Der etwas ganz ins materielle Nichts befördern kann, Der muß auch das Gegenteil bewerkstelligen können! Also habt ihr es euch gedacht und genau also auch ausgesprochen, und das war ja gut und recht! Es wäre das nur dann nicht recht gewesen, wenn ihr anders gedacht und anders geredet hättet. Daß aber das verlangte Zeichen schnell auf das bereits gewirkte nicht völlig in der Ordnung gewesen wäre, das konntet ja ihr nicht wissen, sondern nur Ich allein! Und so habt ihr durch euren Wunsch durchaus keinen Fehler begangen, aber auch Ich nicht, daß Ich eurem Wunsche nicht sogleich nachgekommen bin. Aber da ihr nun von eurem Verlangen in euren Herzen völlig abgegangen seid und dennoch auch ohne ein Zeichen glaubet, daß Ich auch ein Gegenzeichen bewirken kann, so will Ich denn nun erst auch ein solches bewerkstelligen! – Sehet nach, ob ihr in euren Krügen noch Wein habet!“

4. Sie sahen nach, und sieh, die Krüge waren leer.

5. Da sagte der Sprecher: „Herr, sie sind alle leer!“

6. Und Ich sagte: „Nun, so sollen sie alsogleich alle voll sein!“

7. Und sieh, alle Krüge waren bis oben voll des besten Weines!

8. Da staunten die Judgriechen und sagten: „Da sehet an die Wunderkraft des Herrn! Kaum das Wort ausgesprochen, und schon stehen die Krüge alle voll des köstlichst duftenden Weines! O möchten wir durch Deine Lebensworte doch auch so voll Deines Lichtes und Deiner Gnade werden! O Herr, habe Geduld mit unserer großen Schwäche!“

9. Sagte Ich: „Das kann und darf Ich mit dem Menschen nicht also wie mit diesen Weinkrügen tun; denn das steht allein bei eurem Eifer und eurem eigenen freien Willen. Aber an Meiner Hilfe sollet ihr keinen Mangel haben. Soviel ihr selbst vermöget nach dem Maße eurer Kraft, soviel müsset ihr auch selbst tun; was darüber ist, das wird dann schon Meine Sache sein. Denn wahrlich, sage Ich euch: Um was ihr den Vater in Meinem Namen und in Meiner euch bekannten Ordnung bitten werdet, das wird euch auch gegeben werden in dem Maße, wie es euren Seelen frommen kann. Jetzt aber trinket, da es bereits wieder Abend geworden ist!“

10. Die Judgriechen hoben nun die Krüge auf, dankten und sagten: „Auf ein allgemeines Gedeihen des großen Glückes, das wir gestern gefunden haben, für alle Juden und alle Völker der Erde! Dein Wort, Deine Lehre und Deine Gnade möge sie alle also durchdringen, wie unsere Eingeweide und Glieder dieser köstlichste, geistigste und süßeste, ganz frei und neu geschaffene Wein durchdringen und beleben wird! Herr, Dein Wille geschehe!“

11. Hierauf sagten alle Amen, und Ich erhob Mich vom Sitze und sagte: „Das war ein wahrer und guter Wunsch; darum trinken wir alle von dieser Gottesgabe auf das sichere Gedeihen dieses Wunsches, und auch Ich sage dazu Mein Amen! Es wird zwar noch sehr viele Mühe und Arbeit geben; denn der Weingarten Gottes ist groß und hat jetzt noch wenig Reben. Darum heißt es graben und neue edle Reben setzen ohne Ruhe und Rast, damit der Weinberg voll edler und fruchtbarer Reben werde, dann wird die große Ernte uns den tausendfachen Lohn für unsere Mühe und Arbeit geben!

12. Wir werden bei dieser Arbeit wahrlich viel Ungemach aller Art zu bestehen haben, wir werden noch auf das äußerste von groß und klein verfolgt, verachtet und verspottet werden; aber da wir wohl wissen, was wir haben, und was wir geben, so werden wir die blinde Bosheit der Welt auch leicht in aller Geduld, Demut und Sanftmut ertragen. Denn der Vater will es also, daß die Seinen in dieser Welt so recht bis auf das äußerste sollen zuvor gedemütigt werden, ehe sie erhoben werden zu der unvergänglichen Ehre, die ihnen ewig niemand mehr nehmen wird.

13. Auch dieser Mein Fleischmensch wird davon nicht ausgenommen sein, wie Ich solches Meinen Jüngern schon zum voraus gesagt und gezeigt habe. Aber alles dessen ungeachtet werden wir den großen Zweck doch sicher erreichen und siegen über alles Gericht, Tod und Hölle. Und ist dieser Sieg erfochten, dann werden die lange versperrten Pforten der Himmel den neuen Kindern Gottes für ewig geöffnet werden, und der Sieg wird bleiben für immerdar.

14. Wohl werden die Widersacher auch noch in allerlei Gestalt und Form fortwuchern, und es wird unter dem Weizen auch das Unkraut gedeihen, und im Weinberge werden sich Wildlinge ansetzen und fortwuchern, aber stets nur bis zu einer gewissen Zeit; dann werden sie aber ausgeschieden und ins Feuer des Gerichtes geworfen werden, wo es dann viel Heulens und Zähneklapperns geben wird.“

15. Da fragten einige: „Herr, was wolltest Du denn damit sagen?“

16. Ich aber sagte: „Wie Mosis reine Lehre mit der Zeit verunreinigt ward durch die Habsucht der Menschen und durch ihren Weltsinn, also wird es auch mit dieser Meiner reinsten Lehre gehen. Sie, die Weltmenschen, werden wieder Tempel bauen und werden sie zur Gewinnung von Geld und anderen irdischen Gütern benützen und werden dabei die Gewinnung Meines Reiches gar nicht achten. Sie werden einhergehen stolzer denn die größten Fürsten und Könige der Erde, in Gold und Edelsteine gehüllt. – Sehet, das wird sein das Unkraut unter dem Weizen und die Wildlinge in Meinem Weinberge!“

22. Kapitel. Falsche Lehrer des Evangeliums.

1. Fragten die Jünger nun: „Herr, wie wird das möglich sein? Denn wir werden es geben, wie wir es empfangen haben, und die es von uns empfangen werden, die werden es nicht verunreinigen. Dazu wird Deine Gotteshilfe aus den Himmeln ja doch das meiste vermögen!“

2. Sage Ich: „Das verstehet ihr jetzt noch nicht! Es gibt in der Erde, auf der Erde und in der Luft ungegorene böse Geister, die stets darauf ausgehen, sich des Menschen Fleisches zu bemächtigen. Sie sind notwendige Ausgeburten des alten Gerichtes der Erde, suchen ihresgleichen unter den Kindern dieser Welt und beschleichen ihre Sinne. Das tut den Kindern dieser Welt wohl, und sie folgen den geheimen Lockungen solcher Geister.

3. Solche Kinder der Welt aber ergreifen dann alles, was irgend in der Welt Aufsehen macht. Da sie aber den wahren Geist nicht haben, weil sie eben Kinder dieser Welt sind, so richten sie sich das, wodurch sie viele irdische Güter zu gewinnen wähnen, nach ihrer geistigen Blindheit und nach ihrer Weltklugheit ein, alles mit äußerem Pomp und äußerer Würde und Majestät und verlocken dann viele, auch bessere Geister, zu sich.

4. Und siehe, das ist dann schon eine große und grobe Verunreinigung einer noch so reinen Lehre! Und weil die reine Lehre nur höchst geringe irdische Vorteile bietet, sondern nur geistige, die unreine aber nebst den vorgeschützten geistigen Gütern hauptsächlich große irdische Vorteile ihren Bekennern in sichere Aussicht stellt, da könnet ihr es dann schon so halbwegs begreifen, wie da mit der Zeit eine Verunreinigung in die reinste Lehre kommen kann.

5. Darum seid auf eurer Hut! Denn es werden mit der Zeit noch bei eurer irdischen Gegenwart viele falsche Propheten und Lehrer aufstehen und mit großem und keckem Geschrei sagen: ,Sehet, hier ist Christus (Wahrheit aus Gott) und dort ist Er!‘ und werden sogar nach Art der Essäer große Zeichen tun, mitunter derart, daß sie, so Ich es zuließe, sogar euch auserwählte erste Jünger berücken könnten. Aber höret sie ja nicht an, sondern strafet sie durch Meinen Namen ihrer Lüge wegen, und verweiset sie zur Demut und zur Annahme der Wahrheit aus Gott, so werdet ihr und eure rechten Jünger eines reinen Weges wandeln!

6. Die Zeichen, an denen ihr sie ganz leicht erkennen werdet, aber sind Großsprecherei, große und grobe Anmaßung von göttlichen Kräften, die sie nie hatten und auf dieser Welt nie haben werden, dann großer Glanz, große Pracht, ein mystischer Pomp wie bei den Heiden und die möglich größte Herrschsucht, wie auch eine nimmer zu sättigende Gier nach den größten Schätzen und Gütern dieser Welt. An diesen doch so hübsch handgreiflichen Merkmalen werden sie hoffentlich eben nicht schwer zu erkennen sein.“

7. Sagten alle samt den Jüngern: „Oh, da werden wir sie wohl erkennen, solange wir auf der Welt sein werden; dann aber mögen sie unsere Nachjünger selbst auf die gleiche Weise beurteilen und wohl erkennen, und Du wirst Deine wahren Jünger nicht verlassen!“

8. Sagte Ich: „Ich werde im Geiste bleiben bei ihnen bis ans Ende dieser Welt! Für heute aber genügt es an Zeichen und Lehren.

9. Von jetzt an werde Ich außer den Heilungen der Kranken keine anderen Zeichen wirken den ganzen Winter hindurch und keine Lehren geben; denn jetzt habt ihr an den bereits empfangenen zur Genüge. So ihr für euch irgend etwas nicht verstehet, so bin Ich bei euch. Ihr, Meine Jünger, aber unterweiset in dieser Zeit gelegentlich diese neuen Jünger!

10. Morgen und die andern Tage bis zum Sabbat hin werden wir uns hier in diesem Hause ausruhen; aber am Sabbat werden wir gen Bethlehem gehen und dort mehrere Kranke heilen. Dann werden wir einige Tage bei unserem Wirte zubringen und dann auch bei Meinem Lazarus, und so wechselweise bis zum halben Winter. Dann besuchen wir den Kisjonah und kommen vor dem Osterfeste wieder hierher. Sodann erst werden wir mit vielen Begleitern und neuen Jüngern wieder nach Galiläa ziehen, allwo Ich wieder neu zu lehren und zu wirken anfangen werde.

11. Jetzt aber bringet Lichter, und wir wollen bei Brot und Wein fröhlich sein und wollen auch an diesen Tischen sogleich die Nachtruhe nehmen!“

12. Dieser Antrag war allen recht, niemand aber verspürte irgendeinen Schlaf, und so wurde nahe über die Mitternacht hinaus von allerlei gesprochen, was aber keinen öffentlichen Wert für die allgemeine Menschheit hat und haben kann; denn Ich Selbst habe oft mit Menschen, die Mir lieb waren, so manches besprochen und habe ihnen Rat in allerlei häuslichen Dingen gegeben, die natürlich nicht ins Evangelium gehören, was auch Meine Jünger taten, und was sie bei den Menschen oft sehr angesehen und beliebt machte. Denn auch das ist Nächstenliebe, daß man den bedrängten und unkundigen Menschen in allerlei guten und nützlichen Dingen mit gutem Rate beisteht.

13. Am Morgen waren wir schon eine halbe Stunde vor dem Aufgange auf den Füßen. Es ward bald ein kleines Morgenmahl eingenommen, und nach demselben ward ins Freie gegangen und da über verschiedenes gesprochen. Und so ging es bis zum Sabbat.

14. Wir besuchten auch mehrere Nachbarn des Lazarus, die eine große Freude hatten, Mich zu sehen und zu sprechen; aber unter diesen Nachbarn fanden wir auch nicht einen, der da ein Freund des Tempels gewesen wäre.

15. Die zwanzig Judgriechen wurden aber nicht erkannt, obwohl sie viel von des Tempels Umtrieben sprachen und sich dadurch bei den Nachbarn sehr beliebt machten.

23. Kapitel. Jesus und die Seinen in Bethlehem. Heilung und Versorgung vieler Kranker.

1. Am Sabbat frühmorgens aber brachen wir auf und zogen nach Bethlehem. Es war dort ein Fest, und da gab es eine große Menge armer, bresthafter und mit allerlei Übeln behafteter Menschen, die außerhalb der Tore der Stadt umherlagen und um ein Almosen baten.

2. Da sprach Lazarus, der mit uns gezogen war: „Herr, da sieh hin, diese Menge Armer! Und wie elend diese Menschen doch aussehen!“

3. Da sagte Ich: „Da sind viele darunter, die von den Pharisäern in dieses Elend und in diese Armut gestürzt wurden; dafür aber dürfen sie nun betteln. Strafen, Traurigkeit, Ärger und heimlicher Zorn und Grimm haben sie endlich auch zu solchen Krüppeln gemacht. Ich aber bin eben darum nun hierher gekommen, um ihnen leiblich zu helfen, damit sie sich in der Folge doch ihr Brot mit ihren Händen verdienen können.“

4. Da baten uns einige um ein Almosen.

5. Ich aber sagte zu ihnen: „Möchtet ihr euch nicht lieber mit euren Händen euer Brot verdienen, als hier so elend betteln?“

6. Da sagten alle: „O Herr, wer du auch sein magst, um tausend Male lieber, so wir, wie einst, gesund wären! Aber da sieh unsere Füße und Hände an, und urteile selbst, ob wir möglicherweise einer Arbeit fähig sind!“

7. Sagte Ich: „Ja, das sehe Ich wohl; Ich wollte aber damit nur fragen, ob ihr nicht lieber vollkommen gesund werden möchtet und dann lieber arbeiten, denn hier so elend betteln!“

8. Da sagten alle: „O Mensch, wenn das möglich wäre, da stünden wir sogleich auf und zögen von dannen und suchten uns Arbeit und Brot!“

9. Sagte Ich: „Aber wisset, es ist heute Sabbat, und da wird es etwa wohl nicht so recht geziemend sein, euch von euren vielen alten Übeln zu heilen!“

10. Sagten die Armen: „Herr, wir sind gut unterrichtete Juden, – aber wir wissen nichts davon, daß Moses noch irgendein Prophet es je verboten hätten, am Sabbat ein gutes Werk zu tun! Wenn man am Sabbat sogar einem kranken Tiere beistehen darf, ohne dadurch den Sabbat entheiligt zu haben, warum sollte man denn da einem Menschen nicht helfen dürfen, so ihm noch zu helfen ist?! Und warum rennen die Pharisäer, wenn sie zugleich Ärzte sind, auch an den Sabbaten zu den reichen Kranken?! Die sollten doch zunächst wissen, ob sie dadurch den Sabbat entheiligen oder nicht!“

11. Da sagte Ich zu ihnen: „Eure Antwort ist ganz gut, und nun will Ich und sage: Werdet alle völlig gesund!“

12. Da erblickten sie ihre verkrüppelten Glieder wieder ganz gerade und gesund, und einer darunter, dem seine rechte Hand vom Ellbogen an fehlte, bekam auch diese Hand wieder. Das war den Geheilten denn doch etwas zu wunderbar stark. Es fragte darum einer, wer Ich denn sei, daß Mein Wort solches vermöge, was keines Arztes Kunst mehr vermöchte.

13. Da sagte Ich: „Das werdet ihr schon noch einmal erfahren, – für jetzt aber erhebet euch, und gehet und suchet Arbeit und Brot!“

14. Da sagte Lazarus zu ihnen: „Wenn ihr sonst keine Arbeit findet, da ziehet nur nach Bethanien hin; der Herr des großen Gutes hat Arbeit für Hunderte!“

15. Da erhoben sich alle, dankten und zogen hin.

16. Dasselbe Zeichen der Heilung wurde noch an den andern sechs Toren der Stadt ausgeübt; denn die alte Stadt Davids hatte sieben Tore, davon drei große und vier kleine. Beim letzten großen Tore aber wurden wir von drei vorüberziehenden Pharisäern angehalten und beanstandet, daß sich solches nicht zu tun gezieme an einem Sabbat.

17. Aber die Geheilten erhoben sich schnell und sagten zu ihnen mit sehr drohender Miene: „Zehn Jahre hindurch lagerten wir Elenden vor den Toren, und noch nie hat einer von euch uns gefragt, was uns fehle, und noch weniger hat uns je einer von euch ein Almosen gegeben, – und ihr wollt nun diesen wahren Wunderheiland beanstanden darum, daß er uns unsere geraden und sogar teilweise fehlenden Glieder wiedergab?!

18. Hat denn Moses nicht sogar geboten, auch am Sabbat sogar einem kranken Vieh Hilfe zu leisten?! Um wieviel mehr wird es dann erst geboten sein, am Sabbat einem leidenden Menschen zu helfen?! Jetzt seht, daß ihr weiterkommt – sonst werden wir euch den Moses besser verstehen und begreifen lehren!“

19. Hier sahen die drei, daß es eben nicht sehr rätlich wäre, mit den Geheilten sich in einen weiteren Wortwechsel einzulassen, und sie machten sich schnell davon. Die Geheilten aber dankten und entfernten sich dann schnell auch nach Bethanien hin, nachdem sie Lazarus zuvor beteilt hatte. Und so bekam Lazarus, dem es bei seinen sehr ausgedehnten Besitzungen schon lange an Arbeitern fehlte, auch bei hundertzwanzig Arbeiter, die er alle gar gut verwenden konnte, und mit denen er nicht in der Gefahr war, daß sie ihm, wie es schon oft der Fall war, von den Templern abgelockt werden möchten.

20. Wir entfernten uns aber auch schnell und zogen in einen andern Ort, der von Bethlehem bei zwei Stunden entfernt lag und zumeist von Griechen und Römern bewohnt war. Wir suchten uns da eine gute Herberge und traten ein.

24. Kapitel. Die Heilungen Jesu in einem Orte bei Bethlehem.

1. Der Hauswirt, ein biederer Römer, der auch recht gut hebräisch sprach, sagte: „Ja, meine lieben Gäste, euer zahlreicher Besuch freut mich gewiß sehr, aber es ist in dieser, meiner großen und mit allem reichlichst versehenen Herberge ein wahres MALUM OMEN eingetreten. Es liegen nämlich mein braves und in der Küchenwirtschaft sehr bewandertes Weib und auch meine zwei ältesten ebenso brauchbaren Töchter schon acht Tage hindurch an einem bösen Fieber danieder. Weder griechische noch jüdische Ärzte können ihnen helfen, und so sieht es nun in meiner Küche sehr schlimm aus. Brot und Wein habe ich wohl, aber mit anderen Speisen sieht es nun sogar für mich selbst sehr mager aus!“

2. Sagte Lazarus, der den Wirt seit langem kannte: „Mache dir aus diesem deinem Hausübel nichts daraus; deinem Hause ist nun ein Großheil widerfahren! Siehe, der große Wunderheiland ist hier unter uns, von dem du aus Galiläa durch Reisende vieles wirst erfahren haben! Den bitte, und mit deinen Kranken wird's auf der Stelle besser sein!“

3. Fragte der Wirt: „Welcher ist es? Ich habe Unaussprechliches von ihm schon mehrere Male vernommen!“

4. Lazarus sagte: „Dieser da fest an meiner Seite ist es!“

5. Als der Wirt solches von Lazarus vernahm, da fiel er förmlich vor Mir nieder und bat Mich, seinen drei Kranken zu helfen; denn er glaubte fest, was ihm Lazarus anzeigte.

6. Ich aber sagte zu ihm: „Stehe auf und gehe hin; denn mit deinen Kranken geht es schon völlig besser, und sie mögen uns nur ein gutes Mahl bereiten!“

7. Da erhob sich der Wirt eilig und eilte zu den Kranken, und diese sagten zu ihm ganz heiter: „Siehe, wir sind plötzlich so gesund geworden, daß wir eigentlich noch nie gesünder waren! So du willst, so stehen wir auf und besorgen die Küche!“

8. Sagte der Wirt: „Tut das; denn ich weiß es, daß ihr völlig gesund seid! Das Weitere werdet ihr erfahren!“

9. Die Weiber aber fragten dennoch den Wirt, daß er ihnen nur kurz sage, wer der große Wohltäter wäre, daß sie zu ihm gingen und ihm zum voraus den schuldigsten Dank abstatteten.

10. Der Wirt aber sagte, er sei mit etlichen fünfzig Gästen angekommen, und sie alle möchten vor allem ein gutes Mittagsmahl. Es sei nahezu die fünfte Stunde nach dem Mittage, und er könne ihnen nichts geben denn Brot, Wein und Salz. Daher sollten sie ihre Dankbarkeit an den großen Wohltäter vor allem in der Küche ausrichten, für das andere wäre auch nach dem Mahle noch Zeit zur Genüge.

11. Diese Rede wirkte, und die Köchinnen waren in Windesschnelle in der Küche, und die vielen Dienstleute mußten sich gleich nach allen Ecken hin tummeln und den dreien beim Abkochen nach allen Kräften behilflich sein. Darauf kam der Wirt ganz frohen Mutes in das große Gastzimmer und dankte Mir mit Tränen in den Augen für diese ihm erwiesene große Gnade, wie er sich ausdrückte.

12. Ich aber sagte zu ihm: „Mache kein Aufhebens davon; dir ist geholfen, und eines Weiteren bedarf es nicht!“

13. Sagte der Wirt: „O Meister und Freund, da bedarf es noch sehr eines Weiteren! Erstens bin ich dein offenbarster großer Schuldner, und zweitens muß ich nun offen bekennen, daß ich dich für mehr halte denn für einen puren Menschen! Und da wäre es wohl sehr in der guten Ordnung, solch einem wahrsten Gottmenschen ein Opfer zu bringen!“

14. Sagte Ich: „Lasse das alles gut sein! Ich bin jetzt nur ein Mensch wie ein anderer mit Fleisch und Blut; ein Weiteres wirst du schon noch früh genug erfahren! Jetzt aber sei heiter und fröhlich, so wie wir alle es sind!“

15. Das freute den Wirt sehr, und er nahm Krüge und brachte uns gleich den allerbesten Wein aus seinem Keller, den er sonst nur den höchsten Römern, wenn sie diese Gegend bereisten – was eben an dieser Hauptheeresstraße nichts Seltenes war –, vorzusetzen pflegte.

16. Unser Judas griff gleich nach einem Kruge und leerte ihn mit starken Zügen nahe bis auf den Boden. Das bemerkten die andern Jünger und fragten ihn, wem denn unter ihnen der Vorrang gebühre, den ersten Trunk von dem besten Weine des Wirtes zu machen.

17. Da erwiderte er (Judas Ischariot): „Es hat mich sehr gedürstet, und der Vorwein war mir zu gering; so es aber nicht recht ist, so wird es mir schon Der verweisen, und ihr habt mir nichts darum vorzuwerfen!“

18. Ich aber sah Mich um und sagte zu den Jüngern: „Lasset ihn; denn den zu bessern, hieße mit aller Gewalt einen Mohren weiß waschen!“

19. Als Judas solches vernahm, da schämte er sich, ging hinaus und verlief sich irgendwohin, so daß wir ihn dann drei Tage lang nicht zu Gesichte bekamen. Er suchte sich aber eine andere Herberge aus, in der er um sein Geld zehrte; denn er wußte sich auf den Reisen heimlich immer irgend ein Geld zu verdienen.

20. Es waren aber alle froh, daß er sich entfernt hatte, und wir brachten bei dem Wirte unter guter Bewirtung noch volle acht Tage zu, und Ich heilte in diesem Orte noch mehrere Kranke.

21. Als aber bald nachher der Zudrang von Menschen zu stark wurde, da machten wir uns frühmorgens auf den Weg und zogen in eine andere Gegend, wo wir desgleichen wieder gut aufgenommen wurden und die Kranken heilten. Da mußten auch, mit Ausnahme des Judas, die Jünger den Kranken die Hände auflegen, und es ward besser mit allen, denen die Jünger die Hände auflegten. Ich Selbst aber tat da wenig Zeichen, sondern unterhielt Mich mit dem noch immer mit uns ziehenden Lazarus und mit dem andern Wirte.

22. Mittlerweile kamen wir wieder nach Bethanien zu Lazarus und zu unserem Wirte. Und beide, obwohl sie bei vier Wochen lang mit Mir umhergezogen, fanden zu Hause alles in der schönsten Ordnung. Bei dem Wirte brachten wir wieder bei acht Tage zu, und darauf wieder beim Lazarus, der eine große Freude hatte an seinen zu Bethlehem aufgenommenen Arbeitern, denen in seinem Dienste nichts abging.

23. Als Mich die Geheilten ersahen, fielen sie vor Dank förmlich vor Mir auf die Knie nieder und wollten Mich ordentlich anbeten; denn sie hätten es schon durch Martha und Maria erfahren, wer Ich so ganz eigentlich wäre.

24. Ich aber sagte zu ihnen: „Schweiget vorderhand! Es wird jüngst schon noch eine Zeit kommen, wo auch ihr werdet reden können!“

25. Da erhoben sie sich bald, versprachen zu schweigen und gingen sofort an ihre ihnen zugewiesenen Arbeiten.

25. Kapitel. Die Reise Jesu zu Kisjonah.

1. Wohl aber hatte uns die Martha erzählt, wie schon unter der Zeit mehrere Templer zu ihr gekommen wären und sich sehr angelegentlich erkundigt hätten, wo denn Lazarus hingereist sei, und woher nun auf einmal die vielen braven Arbeiter gekommen seien. Da habe sie ihnen erwidert, Lazarus, der Bruder, sei wichtiger Geschäfte halber vielleicht gar nach Ägypten verreist und habe bald nach seiner Abreise irgendwo diese notwendigen Arbeiter gedungen und sie nach Bethania gesandt.

2. Ein Pharisäer aber habe sie gefragt und gesagt: „Kannst du uns nicht zwanzig dieser Arbeiter überlassen?“

3. Martha aber sagte: „Redet selbst mit ihnen, – denn ich weiß gar nicht, ob sie Juden, Griechen oder Römer sind; denn sie reden untereinander allerlei Zungen!“

4. Da ging der Pharisäer bald hinaus und fing mit einigen der Arbeiter zu unterhandeln an. Aber diese schienen ihn zu kennen und sagten, daß sie erstens nicht mehr Juden seien, und so sie es wären, da dürfte er versichert sein, daß sie keinem Pharisäer mehr dienen würden.

5. Da seien die Templer heimgezogen, und es wäre seit der Zeit noch keiner wieder in Bethanien gewesen; sie würden wahrscheinlich des Bruders Rückkunft abwarten.

6. Da fragte Mich Lazarus, was da in dem Falle zu machen wäre.

7. Und Ich sagte zu ihm: „Tue, was deine Schwester tat! Sie werden mit den Arbeitern nichts ausrichten, und dir können sie darum keine Schuld geben.“

8. Und so war es auch gut, und Lazarus hatte dann mehr Ruhe in seinem Haushalte.

9. Wir aber blieben, da es schon ziemlich winterlich geworden war und Ich wenige Kranke mehr zu heilen hatte, wie gesagt, nun so bis Mitte Winter noch wechselweise bald bei Lazarus und bald wieder bei unserem Wirte, in welcher Zeit die neuen Jünger von den alten Jüngern die ganze neue Lehre mit vieler Liebe und festem Glauben annahmen und sogar die neue Taufe verlangten.

10. Aber Ich sagte zu ihnen: „Es genügt vorderhand, daß ihr die Taufe der Wahrheit angenommen habt; wenn aber, so ihr bei der Lehre verbleibet und nach derselben lebet und handelt, die wahre, lebendige Taufe über euch kommen wird, da werdet ihr auch die Taufe des Johannes nehmen können. Es wird aber jüngst eine Zeit kommen, in der viele eher die wahre Lebensfeuertaufe des Heiligen Geistes erhalten werden denn die Taufe mit dem Wasser.“

11. Damit waren die neuen Jünger ganz zufrieden.

12. Um die bestimmte Zeit an einem Montage aber verließen wir mit Segen Bethanien und unseren Wirt und zogen ganz wohlgemut hinauf gegen das Galiläische Meer. Allda trafen wir ein gutes Schiff und dingten es nach Kis. Da es aber schon Abend war, so getrauten sich die Schiffer nicht, in der Nacht über das Meer zu fahren, da sie vorgaben, daß um diese Zeit gen Mitternacht hin das Meer sehr stürmisch werde.

13. Aber die Jünger sagten: „Ihr seid doch aus Genezareth – und kennet die Macht des Herrn Jesus aus Nazareth nicht?“

14. Sagten die Schiffer: „Was? Jesus aus Nazareth ist hier?“

15. Und Ich sagte: „Ja, Ich bin es!“

16. Da sagten die Schiffer: „Ja, wenn Du es bist, dann mögen die Wogen zu den Wolken hinansteigen, so fahren wir noch! Besteiget nur das geräumige Schiff; denn es hat guten und sicheren Raum für zweihundert Menschen!“

17. Wir bestiegen nun das Schiff und fuhren bei einem guten Wind ab, und obwohl gegen Kis hin die Wogen hochgingen, so achteten ihrer die Schiffer doch nicht, und wir erreichten bei mäßigem Mondlichte dennoch ganz gut die ruhige Bucht von Kis.

18. Als wir in den Hafen des Kisjonah einliefen, da waren sofort seine Diener und Zöllner bei der Hand und befragten uns emsig und amtlich, was uns hierher gebracht hätte, was wir hier machten und wohin unsere Reise ginge, und ob wir mautbar seien.

19. Ich aber sagte: „Heißet Mir den Kisjonah her, und dann werdet ihr es gleich erfahren, was wir hier zu machen haben!“

20. Sogleich wurde Kisjonah geholt.

21. Er kam alsbald, mit Fackeln beleuchtet, ans Ufer, und als er Meiner ansichtig ward, da schrie er völlig vor Freuden (Kisjonah): „O Herr, wie würdigest du mich sündigen Menschen, noch in so später Nacht zu mir zu kommen?! Oh, so sei mir mit allen, die mit Dir sind, tausendmal willkommen! Kommet alle herein in mein großes Haus, auch ihr Schiffer; denn heute werdet ihr nicht weiterfahren! Ich will euch mit allem und dem Besten bedienen! Oh, diese höchste Freude, die mir nun so unerwartet zuteil ward, ist geradezu unbeschreiblich! O kommet, kommet, kommet!“

22. Wir stiegen rasch aus dem Schiffe ans Ufer und gingen sogleich in Kisjonahs Haus, in dessen großem Zimmer es recht warm war, da es durch vier gute Kamine, in denen ein reges Feuer loderte, ganz wohl erwärmt war. Das ganze Haus ward gleich in eine volle Tätigkeit versetzt, und ehe eine halbe Stunde verging, waren schon eine Menge bestbereiteter Edelfische auf den Tischen und des Brotes und des Weines bester Sorte in Hülle und Fülle, was uns allen sehr gut zustatten kam; denn wir hatten von Lazarus' Hause an seit frühmorgens nichts gegessen und getrunken.

23. Ich Selbst fühlte nach einer so langen Reise das Bedürfnis nach einer Leibesstärkung auf einem natürlichen Wege, und um so mehr die Jünger, und diese ward uns hier im reichsten Maße zuteil. Wir aßen und tranken ganz wohlgemut, und nahe die ganze Nacht wurde viel erzählt von unseren Reisen und Begebenheiten, was alles den Kisjonah und seine Familie im höchsten Grade interessierte, und worüber er sein Lob und seine Verwunderung nicht genug aussprechen konnte. Nur bedauerte er, daß Maria, die nahezu den ganzen Sommer bei ihm zugebracht hatte, nun auf einige Tage nach Nazareth verreist sei, aber bald wieder zurückkehren werde. Sie habe aber dennoch vieles gehört von Meinen Reisen und Taten und könne nicht begreifen, wie sie von Gott einer solchen Gnade wert sei. Sie wisse wohl um alle die wunderbaren Vorgänge; aber daß denen das folgen würde, davon konnte sie sich vorher keine so recht klare Vorstellung machen.

24. Und so erzählte uns Kisjonah noch so manches aus dem Leben und Verhalten Mariens in Meiner Abwesenheit, wie auch von den zwei Söhnen Josephs, nämlich von Joel und Joses, die daheimblieben und das Werk Josephs fortführten. Allein solches alles hier wiederzugeben, wäre nutzlos, und so sei es unterlassen.

25. Wir gingen auch in dieser Nacht in kein eigentliches Ruhebett, sondern blieben auf den weichen Kanapees sitzen und ruhten uns im warmen Gemache ganz wohl aus, und das um so mehr, da wir unserer Ruhe über die Morgenstunde pflegten. Wir nahmen darum auch kein Morgenmahl zu uns; dafür aber war das Mittagsmahl desto ergiebiger, zu dem auch unser bekannter Philopold aus Kane an der Grenze Samarias geladen ward und noch einige andere Freunde von Mir und von Kisjonah.

26. Nun, auch das ist alles Nebensache; aber weil dabei eine Haupterörterung über Gottes Geisturwesen im Gegensatze zu aller Kreatur, über Zeit und Raum, Unendlichkeit und Ewigkeit, über Gottes Dasein und Sein und über das Dasein und Sein aller Kreatur in Zeit und Raum, von Philopold angeregt, von Mir ganz klar erfolgte, die bis in die späte Nacht dauerte und sogestaltig das Mittags- und Abendmahl vereinte, so kann diese Erörterung hier wohl angeschlossen werden, weil sie jedem Denker einen vollkommenen Aufschluß über das materielle und geistige Sein des Menschen und über das reinst-geistige Ursein Gottes gibt und geben muß.

26. Kapitel. Philopolds philosophische Fragen an Jesus.

1. Unser Philopold, der Mich auch mit Kisjonah beim alten Markus besuchte, hatte zwar über diesen Gegenstand gar manches und vieles vernommen und glaubte auch, daß es also sich verhalte; aber er war einmal ein Weltweiser, zwar bester und reinster Art, und begnügte sich darum nicht mit dem puren Glauben allein, sondern er wollte das auch wie einen mathematischen Grundsatz erwiesen haben.

2. Er legte darum seine Erkenntnismängel an den Tag und sagte gleich nach dem Mittagsmahle (Philopold): „Herr, alles, was ich erfahren, gesehen und gehört habe, glaube ich fest; aber gründlich einzusehen und zu begreifen vermag ich bei aller Schärfe meiner Denkkraft das wenigste, und das beklemmt oft gar sehr meine Seele! Ich habe mir daher fest vorgenommen, mit Dir Selbst bei einer glücklichen Zusammenkunft, die soeben erfolgt ist, darüber näher zu reden, und so es Dir eben nicht unangenehm wäre, da möchte ich mich eben jetzt von Dir näher und begreiflicher belehren lassen.“

3. Sagte Ich: „Ich habe euch wohl allen verheißen, jüngst Meinen Geist zu senden und ihn über euch auszugießen, der euch dann in alle Wahrheit und Weisheit leiten wird, und sagte auch, daß ihr euch bis dahin gedulden sollet; aber einem redlichen Bestreben wie dem deinigen will Ich auch also mit Meinem Munde helfen, und das jetzt in dieser Winterszeit um so eher, da Ich sie der Winterruhe wegen versprochenermaßen ohnehin bis nahe gegen die Osterfeste allhier zubringen will und werde, und so kannst du deine Zweifel schon auftischen, und was sich heute nicht alles erörtern lassen wird, dafür werden wir schon der Zeit in Menge finden. Nach beendetem Mahle, da wir ohnehin wieder am Tische sitzen bleiben, kannst du dein Anliegen schon anbringen.

4. Morgen, so Meine Jünger es selbst wollen, können sie auf einige Tage zu ihren Familien heimkehren; die aber keine Familie haben, die bleiben hier, vor allem Johannes und Matthäus, denn die haben hier noch manches ins reine zu schreiben.“

5. Hier fragte auch Judas, ob er auch gehen oder bleiben solle.

6. Sagte Ich: „Du hast ja den größten Besitz unter allen Jüngern, hast Weib und Kinder und mehrere Diener; daher hast du auch am nötigsten, nach Hause zu gehen, und kannst erst gegen Ostern, so du willst, wiederkehren!“

7. Mit diesem Bescheide war zwar Judas nicht gar absonderlich zufrieden; da ihn aber niemand bleiben hieß, so fügte er sich des andern Tages dennoch Meinem Ausspruche. Die andern Jünger gingen zwar auch, aber sie kamen alle in etlichen Tagen wieder und blieben dann mit wenigen Unterbrechungen bei Mir.

8. Kisjonah brachte nach der Mahlzeit noch einen Extrawein, den er ,Noahs Liebling‘ nannte, und kredenzte ihn herum. Der begeisterte den Philopold sehr, und er fing mit seinen Skrupeln bald an auszupacken, – aber alles in der besten und bescheidensten Ordnung.

9. Was sagte er denn eigentlich, und um was fragte er? Hier folgte eine Frage um die andere!

10. „Herr“, sagte er (Philopold), „wenn ich nach Deinen Lehren beim alten Markus so recht nachdenke, so sind Zeit und Raum wie hier auf Erden durch gewisse Perioden und Fakta und in den Formen, die im Raume vorkommen, begrenzt und meßbar; aber an und für sich sind sie ewig und unendlich, was im Grunde ein und dasselbe ist.

11. So aber Zeit und Raum das sind, so verstehe ich die Schriften der alten Gottesgelehrten und Weisen durchaus nicht, die da fest behaupten und sagen: Gott als das Ursein alles Seins und Daseins befinde sich außer Zeit und außer Raum.

12. Wie ist das möglich bei einer ewigen Zeitendauer, die ohne Anfang und Ende ist, und bei der Existenz eines unendlichen Raumes, der auch nirgends einen Anfang und nirgends ein Ende hat?

13. Wenn demnach aber Gott für sich gänzlich außer Zeit und Raum besteht, so kann sich selbst die reinste menschliche Vernunft unmöglich von Gott einen anderen Begriff machen als: Entweder gibt es gar keinen Gott, weil es außer der ewigen Zeit und außer dem ewig-unendlichen Raume unmöglich etwas geben kann, oder Gott besteht so wie wir alle in der Zeit und im Raume, und die alten Gottesweisen haben mit ihren Definitionen den größten Wahnsinn niedergeschrieben.

14. Zu dieser meiner Behauptung dienst mir sogar nun Du; denn, daß in Dir eine Fülle der Gottheit wohnt, das kann niemand leugnen, der Dich reden gehört und wirken gesehen hat. Welcher Gottesweise aber kann nun von Dir behaupten, daß Du nicht mit uns in Zeit und Raum seiest?!

15. Und behauptet er das, so bist Du Selbst damit vollkommen entgöttlicht! Du bist dann kein Gott mehr, sondern nur ein höchst seltener Mensch, der durch Geburt, Genius, außergewöhnliches Talent, Übung in der Festung des Willens und am Ende auch durch Erlernung von allerlei geheimen Künsten und Wissenschaften es dahin gebracht hat, daß Dich notwendig die Menschen von echtem Schrot und Korn für einen Gott ansehen müssen.

16. Aber Deine Eigenschaften, besonders in Deinem Wirken, sind dennoch von einer solchen Art, daß man zu ihrem Besitze nahe unmöglich durch obige Voraussetzungen gelangen kann. Und somit möchte ich denn nun aus Deinem Munde vernehmen, was da Rechtens ist.“

27. Kapitel. Jesus über die Reifeentwicklung des Menschen.

1. Sagte Ich: „Du hast deine Frage gut und die Sache ganz richtig und wahr gestellt, insoweit ein fein denkender Mensch so etwas nur immer stellen kann; aber dennoch sage Ich dir, daß die alten Weisen ebenso und noch mehr recht haben denn du!

2. Glaubst denn du nicht, daß man in Zeit und Raum und auch zugleich ohne Zeit und Raum sein und ganz vollkommenst bestehen kann?“

3. Sagt Philopold: „Ja, glauben kann man das schon, besonders so man es aus Deinem Munde vernimmt! Aber ich habe das ja schon gleich beim Eingange meiner Vorfrage und Bitte gesagt, daß alles von Dir Gesagte und auch Gezeigte bei mir gar keinen Anstand findet; es handelt sich hier pur ums Begreifen. Denn ein purer, sogenannter frommer Glaube kommt mir wie eine Verhöhnung aller menschlichen Vernunft, alles Verstandes und alles Denkens vor, die doch auch sicher von Gott dem Menschen gegeben wurden als ein geistiges Licht, durch das allein er sich, alle die Dinge außer sich und endlich sogar Gott erkennen kann.

4. Und so bin ich der ganz festen Meinung, daß es einem reellen Menschen nicht genügen soll, bloß nur blindhin zu glauben, was ihm irgendein Weiser oder sonstiger außerordentlich befähigter und faktisch in allen Sphären und Dingen wohlkundiger Mensch gesagt hat, sondern er soll dabei auch, und zwar am allermeisten, um ein rechtes Verständnis des in seinen Glauben Aufgenommenen sich emsigst erkundigen.“

5. Sage Ich: „Da hast du wieder ganz vollkommen recht; nur hat es dabei noch so manchen Haken, der da auch sehr in die volle Berücksichtigung zu ziehen ist!

6. Siehe, zu allem in dieser Welt und sogar auch in der Geisterwelt gehört eine gewisse Reife und zu der Reife eine gewisse Zeit!

7. Sieh dir einen Apfelbaum oder eine Rebe im Winter an! Wo ist da die reife, süße Frucht?! Aber es kommt dann das Frühjahr, – das Licht und die Wärme der Sonne werden ergiebiger, die Knospen werden voller und saftiger, darauf merkst du bald zarte Triebe und endlich Blätter und Blüten. Nach kurzer Zeit fallen die Blüten als weiterhin zur Erreichung des höheren Zweckes gar nicht mehr nötig ab, und du kannst bald darauf den Ansatz der werdenden Frucht schon bemerken.

8. ,Was ist denn das für ein Vergleich?!‘, fragst du nun in dir. Siehe, Knospen, ihr Saftigerwerden, ihre ersten Triebe, Blätter, Blüten und die ersten Fruchtansätze entsprechen alle dem kindlichen, frommen Glauben des Menschen; aber von einer Reife kann da noch keine Rede sein. Denn Gott ist die höchste Ordnung Selbst, und was da irgend in aller Welt geschieht, das muß seine Zeit haben, welche da entspricht der göttlichen Ordnung.

9. Das Kind lallt zuerst; aus dem Lallen kommt nach und nach die Sprache. Ist die Sprache etwas gebildeter, so fängt man an, dem Kinde etwas vorzusagen, und es merkt sich bald die kurzen Sprüche. Und was man ihm ferner sagt, das glaubt es nahezu unbedingt; es fragt noch um kein Wie und Warum. Auf der Basis des frommen Glaubens erlernt es dann bis zum Schlusse des Jünglingsalters eine Menge und fängt in diesem Alter schon oft recht scharf zu denken an und den Grund von so manchem Gelernten und Innegehabten zu suchen; aber es hat noch zuwenig der vollen inneren Lebenswärme in sich und gleicht da völlig dem ersten Fruchtansatze.

10. Wenn aber dann im vollen Sommer die volle Kraft des Lichtes und der Wärme aus der Sonne kommt, so kommt auch der erste Fruchtansatz zur innerem, allbelebenden Wärme. Diese dehnt dann die junge Frucht stets mehr und mehr aus und verkocht die in die neue Frucht strömenden Säfte. Dadurch wird die Frucht größer und voller der stets reineren Säfte. Da kann dann auch das Licht stets mehr und mehr die Frucht durchdringen, und so erfolgt dann erst die Reife der Frucht.

11. Und sieh, also geht es auch beim Menschen! Bevor seine innere Liebelebenswärme nicht den möglichst vollsten Grad erreicht hat und das Licht dieser Wärme ihn nicht ordentlich durch und durch durchdringt, da wird er trotz der besten äußeren Erklärung die inneren, geistigen Wahrheiten schwer oder am Ende gar nicht verstehen; wenn er aber durch die innere zunehmende Lebenswärme und von ihrem Lichte wie eine reife Traube recht durchdrungen wird, dann ist er reif und hat die beste Erklärung aller seiner früheren Zweifel schon in sich.

12. Aber da du dich schon so ziemlich der Reife näherst, so kann man dir schon aus der großen Gnadensonne, von der alle Himmel und ihre Bewohner, wie auch alle materiellen Welten und was in ihnen, auf ihnen und über ihnen ist, lebt und atmet, ihr Leben und Dasein haben, ein wenig mehr Licht und Wärme zukommen lassen. Und so gib denn acht!“

28. Kapitel. Jesus über Zeit und Raum.

1. (Der Herr:) „Sieh, du warst von Mir vor einem halben Jahre deiner Seele nach in einen Zustand versetzt, vermöge dessen du in eine von hier äußerst entfernte Sonnenerdwelt versetzt worden bist, wie Ich solche Zeichen nachher auch bei anderen Gelegenheiten und Orten gewirkt habe, was alle Meine Jünger hier treulichst bezeugen können. Dann warst du beim Markus selbst schon zugegen, als der Engel die kostbare Leuchtkugel aus der sehr fernen Mitte von Afrika holte.

2. Siehe, so ein Pfeil in seiner größten Schnelle von dieser Erde abginge, so hast du als ein Hauptrechner gar keine so große Ziffer, durch die die Zahl der Erdenjahre bezeichnet werden könnte, die dazu erforderlich wären, damit der Pfeil jene Sonnenerdwelt erreicht, – und dein Übergang war hier und dort eins! Also hast du da mit dem irdischen Raume nichts zu tun gehabt und warst sonach deiner lebendigen Seele nach ganz sicher außer Zeit und Raum!

3. Von Markus weg nach Afrika hättest du auf einem gut gebahnten Wege sogar über zwei volle Jahre zu gehen nötig bis dahin, von wo der Engel den Leuchtstein geholt hat. Bei ihm war hin und zurück völlig eins. Konnte da für ihn Zeit und Raum etwas sein?!

4. Und weiter! Denke dir eine noch so schnelle Bewegung eines irdischen Gegenstandes, der zum Beispiel die Entfernung von dieser Erde bis zu der gewissen Sonnenerdwelt in einem Augenblicke zurücklegt, so könnte ein Geist in ein und demselben Augenblick eine tausend Male größere Entfernung für dich zahllose Male durchmachen; Ich sage zahllose Male, weil du für eine große Vielheit des Hinbewegens und Zurückkehrens keine so große Zahl kennst.

5. Aus dem aber geht hervor, daß selbst die größte diesirdische Bewegungsschnelligkeit mit der geistigen ewig in kein Verhältnis treten kann. Daher ist das Irdisch-Materielle ein Eigenes und alles Geistige wieder ein ganz Eigenes. Beide haben nur entsprechungsweise Beziehungen zueinander, aber der Wesenheit nach sind sie endlos weit voneinander unterschieden.

6. Wie du aber solchen Unterschied zwischen allem Irdischen und Geistigen nun sicher klar wirst wahrgenommen haben, so besteht derselbe und gleiche Unterschied zwischen allem, was sich dir diesirdisch als begreifbar, fühlbar, hörbar und beschaulich darstellt.

7. In Hinsicht der den Raum nicht beachtenden geistigen Bewegung kann Ich dir noch die Schnelle des Gedankenfluges deiner Seele als ein gutes Beispiel dartun. Siehe, du denkst dir nun Rom, wo du schon warst, und dessen Entfernung von hier du wohl kennst, wie auch die Gestalt dieser großen Heidenstadt! Mit dem Gedanken bist du auf eins schon in Rom und siehst gewisserart die Stadt, ihre Plätze, Gassen und Straßen und Umgebungen. Also, dein Gedanke hat sonach bis nach Rom hin auch keiner Zeit bedurft, weil der Raum für ihn gleich Null war!

8. Aus dem kannst du abermals den sicheren Schluß ziehen, daß deine Seele, als ein geistiges Wesen, samt ihrer Tätigkeit sich auch außer Zeit und Raum befindet, und du kannst dich mit deinem Gedanken auch in der gleichen Schnelle in den dir bekannten Stern hin versetzen und wieder hierher zurück, und du wirst auch nicht mehr Zeit zum Durchfluge solch eines ungeheuer weiten Raumes bedürfen.

9. Da wirst du denn doch einsehen, daß es für den reinen Geist weder eine Zeit noch einen Raum geben kann!

10. Der Geist Gottes und alle Engel bestehen freilich auch im unendlichen Raume und dauern fort und fort durch alle ewigen Zeitenläufe; denn ohne Solchen gäbe es keine Kreatur, gäbe es auch keinen irdischen Raum, noch eine irdische Zeit. Aber diese rein geistigen Mächte und höchsten Intelligenzen stehen in allem endlos weit über Zeit und Raum.“

29. Kapitel. Jesus über kosmische und göttliche Kraft.

1. (Der Herr:) „Nun nehmen wir noch das Maß einer rein geistigen Kraft gegen das Maß der größten irdischen Kraft in die Betrachtung. Was wird sich wohl da ergeben? Siehe, es gibt im unendlichen Weltenraume so ungeheuer große Sonnenweltkörper, gegen deren Größe im guten Verhältnisse diese ganze, große Erde sich geradeso verhielte wie die Größe eines kleinsten Sandkörnchens gegen die Größe der ganzen Erde! Siehe, wenn hier über die Sandsteppen ein Wind weht, so hebt er solchen Sand schon in die Höhe und führt ihn mit großer Leichtigkeit fort, und ein Orkan desto leichter in großen Massen! Nun denke dir aber einen verhältnismäßig starken Wind auf jenem großen Sonnenweltkörper! Der würde doch offenbar mit solchen Erden, wie diese da ist, ein ganz gleiches Spiel treiben! ,Ja‘, würdest du in deiner Weltweisheit sagen, ,wenn dort so mächtige Winde wehen, da sollte man davon ja bis zur Erde herab etwas verspüren!‘ Und Ich sage es dir, daß dies sogar nicht selten der Fall ist, und auch noch um sehr vieles weiter!

2. Du wirst schon die fliegenden Sterne gesehen haben. Manche von ihnen sind nicht selten so groß, daß man sie eine kleine Erdenwelt nennen könnte. Das ist mehrfach durch unterirdische Sturmausbrüche von den Sonnenweltkörpern in den weiten Ätherraum hinausgewehter Weltenstaub, der nach und nach infolge der starken Anziehungskraft eines solchen Sonnenweltkörpers wieder dahin zurückfällt, von wo er hinweggeweht worden ist, wenn er nicht etwa einem andern Weltkörper zu nahe gekommen ist und von diesem angezogen wurde, was jedoch seltener der Fall ist.

3. Du ersiehst da die ungeheure Potenzierung der diesweltlichen, im endlosen Raume waltenden sogenannten Naturkräfte; du kannst aber nun diese und noch andere dir bekannten Naturkräfte ohne Aufhören noch tausend und tausendmal tausend Jahre hindurch potenzieren, so wird die von dir gefundene letzthöchste Kraftpotenz gegen die göttliche Allkraft dennoch stets in einem solchen Verhältnisse stehen wie ein bares Nichts zu etwas Wirklichem oder wie eine Lüge zur Wahrheit.

4. Wie aber jede noch so allerhöchst potenzierte Naturkraft zu der göttlichen in gar keinem Verhältnisse steht, ebenso steht sie auch zu der Kraft jedes reinen Engelsgeistes.

5. Da aber sonach im Raume und in der Zeit nimmer eine Kraft besteht, die sich auch nur mit der Kraft eines Engels messen könnte, so muß sie als geistige Kraft auch außer oder über allem Raum und über aller Zeit stehen, obschon als eigentümlich in sich abgeschlossen selbständig im Raume und in der Zeit seiend, aber von den beiden überall frei und unabhängig und mit diesen nur durch eine innere und lebendige Entsprechung alles leitend in Verbindung stehend.

6. Um das unendlich Überwiegende der göttlich-geistigen Kraft über alle noch so großen Naturkräfte noch klarer zu zeigen, so brauche Ich dir bloß das zu sagen: Wenn alle die größten diesirdischen Kräfte durch die weiten Schöpfungsräume wüteten Myriaden und Äonen von Erdenjahren lang, so würden sie in der ganzen Schöpfung wider die Kraft des Gotteswillens auch nicht ein Atom zu vernichten imstande sein; aber mit der göttlichen Zulassung vermöchte das ein Engelsgeist in einem Augenblicke derart, daß er nur wollen dürfte, so wäre schon der ganze endlose Raum aller materiellen Kreatur völlig bar, und keine Sonne und keine Erde bestünde mehr im selben.

7. Sage Mir, Philopold, ob du nun schon so ein wenig einzusehen anfängst, wie Gott und alles Himmlische und Reingeistige völlig außer Zeit und Raum enthalten ist und also für sich bestehend da ist und da sein muß, weil ohne das ewig keine materielle Kreatur hätte entstehen können!“

30. Kapitel. Die Stärke des Lichtes aus Sonnen und Gott.

1. Sagt Philopold: „Herr, es fängt in mir nun wohl schon so zu dämmern an; aber mir fängt es vor Deiner zu ungeheuren Weisheit auch schon ordentlich zu schwindeln an! Dennoch bitte ich Dich aber, daß Du also fortfahren wollest!“

2. Sage Ich: „Das werde Ich schon tun; aber nimm dich nur zusammen, daß du es auch fassest und es dir ordentlich in deine Seele einprägst!

3. Gehen wir nun auf das Licht über! Siehe das Licht dieser helleuchtenden, reinen Naphthalampe an! Es beleuchtet dieses große Zimmer derart zur Genüge, daß wir alle uns recht gut zu sehen und wohl zu erkennen vermögen. Was deucht dich: Würden hundert solche hellbrennende Lampen nicht auch ein hundertfach stärkeres Licht im Zimmer verbreiten? Du sagst: ,Allerdings; denn man kann sich davon bei großen Festbeleuchtungen mehr denn zur Genüge überzeugen!‘ Gut, sage Ich; denke dir aber nun tausendmal tausend solcher Lichter irgendwo auf einem freien Berge! Würden sie gemeinschaftlich nicht eine recht große Gegend recht hell erleuchten? Ganz sicher! Aber obwohl sie eine Gegend weithin erleuchten würden, so wären sie aber dennoch nicht im geringsten zu vergleichen mit dem Lichte des Vollmondes, der, obwohl er dem Auge eben nicht zu groß erscheint, dennoch auf einmal die halbe Erde noch ganz gut erleuchtet. Was ist aber das Licht des Mondes dann gegen das Licht der Sonne?!

4. Nun denke dir aber das ganze Firmament mit dem Sonnenlichte überzogen! Würde da ein Sterblicher imstande sein, auch nur einen Moment so ein mächtigstes Licht zu ertragen, augenblicklich gleich einem Tropfen Wassers auf glühendem Erze zerstört und aufgelöst zu werden? Ich sage es dir: Die Wirkung des Lichtes und seiner unbeschreibbaren Hitze wäre da schon so groß, daß es selbst dieser ganzen Erde in wenigen Augenblicken nicht besser erginge, und vielen Hunderttausend solcher Erden auch nicht!

5. Siehst du da den ungeheuer großen Unterschied zwischen diesem Lampenlichte und einem so sehr ausgedehnten Sonnenlichte?!

6. Aber es gibt im weiten Schöpfungsraume Urzentralsonnen, die Myriaden Male größer sind denn unsere Tagessonne, obwohl unsere Sonne auch gut um tausendmal tausend Male größer ist denn diese ganze Erde. Solche Urzentralsonnen haben im Verhältnis dann auch ein ebenso vielfach größeres und stärkeres Licht, in dessen größerer Nähe dann solche Sonnen, wie da die unsrige ist, auch dem Wassertropfen auf glühendstem Erze gleich in einem Momente aufgelöst würden.

7. Nun potenziere du diese irdische Lichtstärke, so weit du willst, nahe ins Endlose hin, und du wirst mit all solchem potenzierten Lichte der Raumes- und Zeitsonnen im Vergleiche mit dem Gotteslicht dasselbe Verhältnis finden, welches du gefunden hast bei der Bewegung und Kraft.

8. Und da das Gotteslicht im Raume und in der Zeit ewig nie erreicht werden kann, so folgt daraus klar, daß das rein geistige Licht Gottes, so wie dessen nie meßbare Liebelebenswärme, aus dem Lichte hervorgehend, nicht in Zeit und Raum, sondern außer diesen zweien allein nur enthalten sein kann.

9. Daß aber dennoch eine lebenswahre und stets wirkende Entsprechung besteht zwischen dem Urlichte Gottes und dem nur partial geschaffenen Lichte der Sonne, kannst du aus dem leicht ersehen, daß auch das Licht der Sonne die belebende Kraft für die Kreatur auf den Weltkörpern und Erden hat, wovon dich jedes Frühjahr hinreichend überzeugen kann. – Kennst du dich nun schon besser aus, wie und auf welche notwendige Weise alles Reingeistige außer Zeit und Raum enthalten ist und sein muß?“

31. Kapitel. Die göttliche und die menschliche Wesenheit Jesu.

1. Sagte Philopold: „Das Beispiel mit dem Lichte hat mir in dieser Sache sehr viel Licht verschafft; aber es bleibt dennoch so manches im Hintergrunde noch stark umhüllt, und zu dem stark Umhüllten gehört vor allem Deine jetzige allervollendetst göttliche Gegenwart, von der ich augenscheinlichst nun nichts anderes sagen kann als: So Du vor Deiner Menschwerdung irgendwo in einem höchsten, außerzeitlichen und außerräumlichen Himmel mit Deinen reinen Engeln als Jehova gewohnt hast, so muß dieser Himmel nun Deiner gewisserart menschlich-persönlichen Gegenwart ledig sein, indem Du nun ganz in Zeit und Raum unter uns wohnst! Wie kannst Du nun in Zeit und Raum, aber als Gott auch zugleich außer Zeit und Raum bestehen? Herr, das ist für meinen Verstand noch eine ungeheure Kluft, über die ich mich selbst nicht hinüberzuschwingen vermag; darum bitte ich Dich auch darüber um ein rechtes Licht!“

2. Sagte Ich: „Dieweil du ein echter Weltweiser nach Plato, Sokrates und Aristoteles bist, so muß Ich schon auch zum Teil nach ihrer Weise mit dir reden, damit du Mich leichter verstehst.

3. Sieh, zwischen ,von Ewigkeit her‘, ,früher‘ und ,jetzt‘ ist eigentlich in Meinem Bestehen, wie in Meinem Sein und Dasein gar kein Unterschied, was Mein rein göttliches Ich betrifft! Und wäre es nicht also, wahrlich, da hätte Ich in diesem Menschenleibe keine Macht und Gewalt über die gesamte materielle Naturschöpfung; denn alle Kreatur samt ihrer Zeit und ihrem Raume verhält sich nur subjektiv zu Mir, ihrem Objekte; da alles aus mir ist und nicht Ich aus dem allem.

4. Darum bin Ich stets das alleinige Vorangehende und Voranliegende, also das ewige Objekt, und kann nie und nirgend je Mich irgend der Kreatur gegenüber in ein subjektives Verhältnis stellen.

5. Jedoch, da eben alles aus Mir ist und Ich durch Meinen Willen in allem das Inwendigste bin als das alles erhaltende, führende, leitende, ordnende und belebende Prinzip, so bin Ich der Macht Meines Willens und Meiner Weisheit nach auch ein Subjekt und bin sonach das Alpha und das Omega oder der Anfang und das Ende, wie auch das Erste und Letzte in aller Kreatur, und infolge solcher Meiner zugleich objektiven und in allem auch subjektiven Eigenschaft kann Ich hier unter euch ganz wohl als Mensch nach der Macht Meines Willens und Meiner Weisheit bestehen und dennoch dabei das ewige, allein lebendige und schaffende Objekt aller Kreatur gegenüber sein.

6. Als nunmaliges, fleischmenschengestaltliches Subjekt aber bin Ich Selbst minder und untertan dem eigenen ewigen Objekte in Mir, obwohl eben durch Meine strenge Untertänigkeit eigentlichst völlig eins mit dem ewigen Objekte; denn ohne solche strengste Subjektivität dieser Meiner nun äußeren Persönlichkeit wäre eine solche innigste Einigung nie möglich.

7. Und das bewirkt Meine unmeßbare Liebe zum Objekte und Seine gleich unmeßbare Liebe zu Mir, und also bin Ich und der Vater eine Liebe, eine Weisheit, ein Wille, ein Leben und eine Macht, außer der es in der ganzen ewigen Unendlichkeit keine mehr gibt und geben kann.

8. Ich bin daher hier ebenso in Zeit und Raum, wie auch außer Zeit und Raum gegenwärtig.

9. Daß Ich nun mit euch in Zeit und Raum bestehe, das sehet ihr; daß Ich aber zugleich Meinem Innern nach auch außer Zeit und Raum bestehe, das lehren euch Meine Werke, die Ich nicht zu wirken vermöchte, so Ich Mich auch mit Meinem Göttlichen nun in Zeit und Raum befände. Denn das Zeitliche und das Räumliche ist und bleibt ewig fort und fort begrenzt, ist somit nicht vollkommen und vollendet; nur das Außerzeitliche und Außerräumliche ist in allem unbegrenzt, somit vollkommen und vollendet. Daß es aber also ist und nie möglich anders sein kann, will Ich dir das Gesagte noch durch mehrere Beispiele erläutern, und so habe denn wohl acht darauf!“

32. Kapitel. Das Geistige im Natürlichen.

1. (Der Herr:) „Siehe, da ist ein Weizenkorn in seiner ganzen Einheit und Einfachheit! Seine Bestimmung ist offenbar eine zweifache. Erstens dient es als Nahrung dem Menschen, und zweitens ist es als Samenkorn sich selbst dienend zu seiner eigenen Fortpflanzung und Vermehrung. Als Nahrung teilt es dem menschlichen Leibe und durch ihn dann auch dem formell substantiellen Leibe der Seele seine vielfachen Spezifika mit und vegetiert sogestaltig in ein höheres und freieres Sein hinüber. Wie dieses ist und geschieht, das werdet ihr erst in eurer Wiedergeburt im Geiste genauest erfahren, wenn hier auch nicht ganz vollkommenst – weil unter dem Einflusse dieser Sonne nichts völlig Vollkommenes existieren kann und jedes Wissen und Erkennen mehr oder weniger ein Stückwerk ist –, aber desto vollkommener dann jenseits, wo auch ihr euch eurem Geiste nach außer dem Einflusse der Zeit und des Raumes befinden werdet und euer Schauen, Erkennen und Wissen kein Stückwerk mehr sein wird.

2. Aber wir wollen hier dieses Weizenkorn bloß als Samenkorn ein wenig näher in Augenschein nehmen und daraus ersehen, wie das Göttlich-Geistige, wenn gewisserart auch subjektiv scheinend, aber im Grunde dennoch objektiv außer Zeit und Raum seiend sich eben in diesem Korne befindet.

3. Sieh, das ist ein Weizenkorn, das auf einem Halme gewöhnlich 3 Ähren, jede mit etlichen 30 Körnern, zum Vorscheine bringt! Nun, legst du dieses Korn in ein gutes Erdreich, so wird es dir im nächsten Erntejahre schon sicher 100 Körner der ganz gleichen Art und Gattung als Lohn für deine Mühe bringen. Du nimmst aber nun diese neugeernteten 100 Körner und legst sie wieder in ein gutes Erdreich, und du wirst im nächsten Erntejahre offenbar schon 10000 ganz gleiche Körner ernten. In wieder einem nächsten Jahre wirst du schon 100 mal 10000, also 1000 mal 1000 Körner ernten, was schon eine bedeutende Masse dieses Getreides ausmachen wird.

4. Um alle diese vielen Körner weiter für ein künftiges Jahr in die Erde zu setzen, wirst du schon ein bedeutendes Stück Feld nötig haben. Zur Ernte wirst du dann offenbar schon hundertmal soviel Körner erhalten, als du erhalten hast in der Vorjahresernte. Um aber noch weiters für ein nächstes Jahr das ganze große Körnerquantum wieder fruchtbringend auszusäen, wirst du erstens schon eines hundertmal größeren Ackers bedürfen und darauf schon zehn volle Milliarden von gleichen Körnern ernten; und setzest du das noch also zehn Jahre fort, so wirst du dadurch schon eine solch ungeheure Masse von Körnern erhalten, daß du für ihre künftige Aussaat schon nahezu einen halberdgroßen Acker vonnöten hättest.

5. Die weiter ins Endlose gehende, im stets gleichen Verhältnisse sich mehrende Vervielfachung der Körner kannst du dir selbst auf weitere hundert, tausend und noch mehr Jahre ausdehnen, und du wirst durch die Rechnung finden, daß nach nur etlichen hundert Jahren schon mehr denn tausendmal tausend Erden viel zuwenig wären, um der ungeheuerst großen Menge von Weizenkörnern als Acker zu dienen. Und siehe, solch eine Vermehrung kann bis ins Allerunendlichste fortgesetzt werden! Wäre aber das wohl möglich, wenn in diesem einen Korne, und gleichermaßen auch in allen andern Körnern, nicht schon diese endloseste Anzahl durch das innewohnende Göttlich-Geistige, Außerzeitliche und Außerräumliche vorhanden wäre?! Sicher nicht!

6. Was aber in diesem Weizenkorne vorhanden ist, das ist in allen Samen und Gewächsen, in allen Tieren und ganz besonders gottähnlichst im Menschen vorhanden, darum er denn auch vernünftig und verständig werden kann, eine Sprache hat und Gott als seinen Schöpfer anfangs ahnen und später reiner und reiner erkennen, lieben und seinen eigenen Willen dem erkannten göttlichen völlig unterordnen kann.

7. Und das ist dann als das Reingeistige im Menschen und als Gottähnliches ebenfalls außer Zeit und Raum; denn wäre es ein Zeitliches und Räumliches, so könnte der Mensch weder sich noch Gott je erkennen, und der Mensch wäre da jeder Bildung gänzlich unfähig, käme nie zu einer Vernunft, zu einem Verstande, er bekäme nie und nimmer eine noch so allerleiseste Ahnung von Gott, könnte Ihn noch weniger je erkennen, Ihn lieben und seinen Willen Ihm unterordnen, und er wäre dann bloß die äußerste, tote Schale des Eies, hätte kein Leben in sich und am allerwenigsten ein außerzeitliches und außerräumliches ewiges Leben.

8. Ich meine nun, diese Sache, die dich gar so gedrückt hat, insoweit sie für den puren Verstand erklärbar ist, hinreichend klar erläutert zu haben. Es kommt nun auf dein Urteil an, ob du alles das auch so ganz im rechten Lichte aufgefaßt zu haben glaubst, oder ob dir noch etwas Unklares dabei vorkommt. Sollte dir noch etwas dunkel sein, so kannst du reden; hast du aber alles richtig verstanden, da lassen wir die weiteren Erörterungen darüber beiseite, trinken Wein und essen dazu etwas Brot.“

33. Kapitel. Jesus über Himmel und Hölle.

1. Da sagte Philopold: „Herr, ich und sicher wir alle danken Dir aus dem innersten Grunde unseres Herzens für diese gar so großartige, allerherrlichste und mir nun völlig klar gewordene Aufklärung über die Lehren der alten Weisen! Ja, jetzt ist mir die Sache einleuchtend, klar und verständlich, während sie mir früher offenbar als ein barster Unsinn vorkommen mußte! Freilich werde ich das alles erst dann ganz klar einsehen und begreifen können, wenn ich allen materiellen Elementes bar sein werde.

2. Es ist aber nun genug, daß ich es einsehe, wie man, zwar mit in Zeit und Raum seiend, dennoch völlig außer Zeit und Raum gar wohl und eigentlich der vollsten Wahrheit nach sich befinden kann. Nur eines möchte ich von Dir noch erfahren mit ganz wenigen Worten, und das bestünde darin, wo sich denn dann örtlich der Himmel und wo ebenso die leidige Hölle, von der ich auch schon vieles gehört und gelesen habe, befinden. Es heißt: Die werden auffahren in die Himmel, und die werden hinabgeworfen werden in die Hölle. Wo und wie ist das ,Hinauf‘, und wo und wie das höchst bedauerliche ,Hinab‘?“

3. Sagte Ich: Siehe, hier auf dem Stuhle, auf dem du nun sitzest, kann irdisch ganz fest nebeneinander Himmel und Hölle sein; im Reiche des Geistes aber trennt sie dennoch eine unabsehbare Kluft! – Siehe noch mehr:

4. Hier, wo Ich nun bin mit euch, ist der höchste Himmel, und das heißt ,oben‘, und eben hier auch die tiefste und böseste Hölle, und das heißt ,unten‘.

5. Die materielle Räumlichkeit macht keinen Unterschied, sondern allein die geistige, die mit der materiellen, wie du gesehen hast, durchaus nichts gemein hat; denn im Reiche der Geister macht nur das Lebenszuständliche eine rechte und wahre Entfernung aus. Das Irdisch-Räumliche kann da nie eine Bedeutung bekommen. Um euch das noch mehr verständlich und anschaulich zu machen, will Ich euch einige Bilder geben.

6. Seht, hier auf einer und derselben Bank säßen zwei Menschen beisammen! Der eine ist ein frommer Weiser, dessen heller, lichtvoller Geist in gar sehr viele Geheimnisse der Wirkungen der Gotteskräfte in der Naturwelt eingeweiht ist; der andere aber ist ein verstockter Bösewicht und ruht seine Glieder nur darum auf derselben Bank aus und läßt sich wie ein ehrlicher Mensch auch Wein und Brot geben zur Stärkung seiner Kräfte, damit er im Freien dann wieder desto leichter etwas Böses verrichten kann. Wie nahe sind irdisch-räumlich die beiden Menschen da beisammen, und wie unendlich weit sind sie im Geiste voneinander entfernt!

7. Es sei aber, daß da unser Weiser bei uns hier auf dieser Bank sitze, und gleicherweise aber säße irgend tausend Tagereisen weit von hier ein anderer, so wären diese beiden gleichen Weisen irdisch-räumlich doch sicher sehr weit voneinander entfernt; aber im Reiche des Geistes wären sie dennoch zuallernächst beisammen, wie es auch in Meinem Reiche buchstäblich also der Fall ist.

8. Aus dem aber geht wieder ganz klar hervor, daß der Himmel für jeden guten Menschen gerade da sein wird, wo er sich eben befindet, und alle Guten und Reinen seinesgleichen werden sich sofort in seiner nächsten Nähe befinden. Denn da heißt es nicht: ,Siehe, hier oder dort, etwa über allen Sternen, ist der Himmel und etwa tiefst irgend unter der Erde ist die Hölle!‘ Solches alles hängt nicht von dieser Zeit und von diesem Raume ab und hat kein irgend äußerliches Schaugepränge gleich einer eitlen Tempelzeremonie, sondern es ist inwendigst im Menschen selbst.

9. Wie hiernach des Menschen Inneres beschaffen sein wird, so auch wird jenseits beschaffen sein die Welt, die er sich aus sich selbst schaffen und dann in ihr und auf ihr leben wird, gut oder schlecht.

10. Alle, die in der Wahrheit sind und also im wahren Lichte aus Meinem Worte durch den lebendigen Glauben und durch ihr Tun danach, deren dieser Erde im vollendetsten Maße ähnliche Welt in Meinem Reiche wird dann auch Licht und Wahrheit sein für ewig im zunehmenden Verhältnisse; die aber eigenwillig im Falschen und daraus im Bösen sein werden, deren Welt wird dann auch gleich sein ihrem Innern im zunehmenden Verhältnisse. Denn gleichwie ein recht guter Mensch stets besser wird, ebenso wird ein böser Mensch stets schlechter und dadurch zuständlich entfernter von dem Guten, wie solches schon auf dieser Welt ganz klar zu ersehen ist.

11. Sehet hin nach jenen Menschen, die ihr Hochmut stets mehr und mehr erfüllt mit der brennenden Herrschsucht! Wenn sie durch ihre tyrannische Macht viele tausendmal tausend Menschen zu den elendsten Sklaven gemacht haben, dann sammeln sie noch größere Kriegshorden zusammen, fallen in die Reiche der anderen Könige ein, besiegen sie und nehmen ihnen Land, Völker und Schätze. Und haben sie sogestaltig eine ganze halbe Welt erobert und unglücklich gemacht, so dünken sie sich dann schon Gott gleich und erheben sich wohl sogar über Denselben, lassen sich anbeten und bedrohen jeden mit den peinlichsten Strafen, der es wagte, einen anderen Gott als nur so einen zcar anzubeten und ihm allein zu opfern, wie wir davon an dem babylonischen Könige Ne bouch kadne zcar (,Es gibt keinen Gott außer mir, dem Könige!‘) ein sprechendes Beispiel haben und nun an den Hohenpriestern, Pharisäern und Schriftgelehrten, die sich nun auch für die alleinigen Götter halten und Mir nach dem Leben trachten, daß es in einer Zeit sogar zugelassen wird, daß sie diesen Meinen Leib töten werden, – aber freilich nur auf drei Tage lang; dann aber werde Ich aus Meiner höchst eigenen Macht wieder auferstehen, und über sie wird dann erst fallen das Gericht und ihr Ende.

12. Aus dem könnet ihr alle mit den Händen greifend klar ersehen, daß der Böse auch stets böser wird, gleichwie der Gute stets besser, nur mit dem Unterschiede, daß dem Bösen ein Maß gesetzt ist, wo es heißt: ,Nur bis hierher, und dann um kein Haar weiter!‘ Denn dann muß stets ein großes Strafgericht folgen, durch das die Bösen wieder zu einer Besinnung gebracht werden können, und daß möglicherweise doch einer und der andere eine bessere Richtung einschlagen könne.

13. Wie es aber also, wie Ich es euch nun gezeigt habe, in dieser Welt zugeht, ebenso geht es in der Hölle zu, nur mit dem Unterschiede, daß dort – im allgemeinen Geisterreiche – die Guten, Demütigen, Geduldigen und auf Gott Vertrauenden ausgeschieden sind für ewig, und somit allein die Bösen in der Hölle durchgängig ihr falsches, arges, wennschon gänzlich nichtiges Getriebe haben; nichtig darum, weil ihr Licht Falschheit, Trug und ein vollkommen nichtiger, leerer Schein ist gleich dem Traume eines besoffenen reichen Schwelgers und Prassers.

14. Ich meine, daß ihr alle auch in dieser Sache nun im reinen seid, und so wollen wir den noch übrigen Teil dieser Nacht ganz heiter und fröhlich zubringen! Hat jemand noch irgendein Anliegen, so haben wir nun bis gen Ostern Zeit; denn bis dahin will Ich bei Meinem Freunde Kisjonah verbleiben. – Bist du, Philopold, nun im klaren?“

15. Sagte Philopold: „Jetzt wohl; denn Du hast uns das Unbegreiflichste derart klar und begreiflich gemacht, daß mir nun in dieser Hinsicht gar keine Frage mehr übriggeblieben ist, und ich meine, daß das auch alle hier Anwesenden gar wohl begriffen haben. Ja, das hast aber auch nur Du, o Herr, uns also erklären können; denn alle Weisen würden sich dabei wohl ihre Weisheitszähne stark beschädigt haben. Unseren Dank kannst Du ohnehin in unseren Herzen lesen.“

16. Hier sagten auch unsere Judgriechen: „Wahrlich, das kann nur Der also erklären, der mit Seinem Geiste alles durchdringt und eigentlich alles in allem ist! Das ist für uns noch der größte und stärkste Beweis für Deine rein göttliche Sendung. Die Zeichen wirken zwar vieles, so sie in Deiner Art gewirkt werden, aber nur für schon vielerfahrene Menschen; aber sie nehmen sie dennoch gefangen. Das Wort aber belebt und macht die Seele frei und ist darum mehr wert denn tausend Zeichen, die nicht beleben, sondern nur gefangennehmen das Gemüt, das sie mit Angst erfüllen. Darum Dir auch unsern Dank für diese Deine weiseste Lehre!“

17. Sagte Ich: „Ganz gut geurteilt! Morgen wird sich noch manches finden lassen; aber jetzt trinket und seid heiter bis zum Aufgange! Des Schlafes werden wir alle in dieser Nacht nicht bedürfen.“

34. Kapitel. Ein großer Fischfang durch Jesu Hilfe.

1. Es wurde darauf zwischen den etlichen zurückgebliebenen Jüngern, den Judgriechen und dem Philopold noch viel geredet; auch Ich und Kisjonah haben über so manches geredet: über das alte Priestertum, über die alten patriarchalischen und darum besten Regierungsweisen im Vergleiche mit der damaligen, als zu Meiner Erdenzeit gegenwärtigen, und es kam so der Morgen, und niemand war in der ganzen Gesellschaft, dem es vorgekommen wäre, als hätte er zuwenig geschlafen. Kurz, am Morgen war alles vollauf heiter, und wir gingen hinaus ans Meer und sahen eine Weile den munteren Fischern Kisjonahs zu, wie sie sich auf dem Wasser in ihren Fischerbooten herumtummelten, aber eben keinen gar zu reichen Fang machten.

2. Ein paar Fischer kamen ans Ufer und sagten es dem Kisjonah: „Herr, heute sieht es mit unserem Fange etwas mager aus! Seit Mitternacht schon arbeiteten wir sehr fleißig; aber der fatale Ostwind treibt die Fische in den Grund, und es ist da nahezu nichts zu machen!“

3. Fragte Kisjonah, wieviel sie gefangen hätten.

4. Sagten die Gefragten: „Ein paar kleine Lägel dürften wohl voll sein; aber was ist das für zwanzig Fischerbarken und noch einmal soviel Boote?!“

5. Sagte Ich zu den beiden Fischern: „Gehet nur noch einmal hinaus, und werfet eure Netze aus; denn bei aufgehender Sonne ist es am besten zu fischen!“

6. Sagten die Fischer, da sie Mich nicht kannten: „Freund, das wissen wir wohl; aber beim stark gehenden Ostwind sieht auch da nicht viel heraus! Es ist zwar jeder Wind unserer Arbeit nicht günstig; aber der Ostwind ist der ungünstigste, besonders zur Winterszeit.“

7. Sagte Ich: „Tut nur, was Ich euch sagte, und ihr werdet einen reichen Fang machen!“

8. Da ruderten sie hinaus und sagten das den andern Fischern. Diese zuckten zwar mit den Achseln; aber da sie vernahmen, daß es Kisjonah also haben wollte, so warfen sie dennoch die Netze aus und fingen eine solche Menge von den besten und edelsten Fischen, daß beinahe die Netze zu reißen anfingen, und sie hatten zu tun, die große Menge der Fische in die großen Fischbehälter zu bringen. Natürlich fingen die Fischer, sich darüber höchlichst zu verwundern an, da sie noch nie einen so reichen Fang gemacht hätten. Späterhin wurde es ihnen vom Kisjonah wohl beigebracht, Wer an diesem reichen Fange die wunderbare Ursache war. Und sie glaubten dann alle an Meinen Namen, obwohl Mich dann mehrere von den Fischern als den Sohn des Zimmermanns Joseph erkannten.

9. Und so verstrich der halbe Winter unter allerlei nützlichen Belehrungen und kleinen Taten, die besonders anzuführen für niemand von einer erheblichen Wichtigkeit wäre, weil sich das alles mehr um das Wohl des irdisch-bürgerlichen Lebens handelte.

10. So hat auch die nach einigen Tagen erfolgte Ankunft der Maria als der Mutter Meines Leibes wenig derartiges, das sich für eine Aufzeichnung eignete, außer, daß sie überaus froh war, Mich persönlich wiederzusehen, und daß sie sich von den Jüngern vieles erzählen ließ, was Ich alles getan und gelehrt hatte, was sie alles tief in ihrem Herzen behielt und danach dachte, wollte und auch handelte. Auch die beiden ältesten Brüder, respektive Söhne Josephs, kamen nach Kis und hatten da einen Bau, bei welchem Ich Selbst ihnen natürlich mit Rat und Tat behilflich war.

11. Und so kamen die Osterfeste in die Nähe, und viele fingen an, die Vorbereitungen zu machen, um zu den Festen nach Jerusalem zu ziehen.

12. Kisjonah fragte Mich auch, ob Ich Selbst hinauf nach Jerusalem ziehen würde.

13. Und Ich sagte zu ihm: „Ich werde versprochenermaßen wohl hinaufziehen, aber Mich diesmal beim Feste und im Tempel schon gar nicht sehen lassen und bald wieder nach Galiläa kommen, wo Ich dann Mein Amt von neuem beginnen werde.“

14. Sagten die Judgriechen: „So Du, o Herr, Dich aber dennoch im Tempel sehen ließest und wieder eine ähnliche Rede hieltest, so würden vielleicht von neuem wieder mehrere Templer stutzig werden und an Dich glauben gleich uns?“

15. Sagte Ich: „Oh, sorget euch darum nicht, denn Ich werde noch oft im Tempel lehren; aber von den nunmehr darin seienden Pharisäern, Ältesten und Schriftgelehrten wird darob keiner stutzig werden und sich danach kehren, auf daß auch er selig werden möchte, sondern sie werden alle nur dahin trachten, Mich zu ergreifen und zu töten! Und dazu ist jetzt Meine Zeit noch nicht da; darum weiß Ich gar wohl, was Ich zu tun habe.“

16. Mit diesem Bescheide waren alle zufrieden und richteten darum keine weitere Frage in solcher Hinsicht an Mich.

17. Nur eine Episode kann hier noch vor unserer Abreise nach Jerusalem erwähnt werden, und das ist die Wiederankunft des Judas Ischariot.

35. Kapitel. Judas Ischariot im Hause Kisjonahs.

1. Alle waren schon der ganz frohen Meinung, daß dieser Jünger nicht mehr wiederkehren werde, weil er sich den ganzen halben Winter hindurch gar nirgends hatte sehen lassen, das heißt bei jemand Bekanntem. Aber siehe da, auf einmal überraschte er uns gerade während eines recht fröhlichen Mittagsmahles. Er grüßte uns alle sehr freundlich, und Kisjonah lud ihn sogleich zu Tische, was der Jünger mit allem Danke und aller Freundlichkeit auch sogleich annahm.

2. Kisjonah, ein äußerst freundlicher und aufrichtiger Mann gegen jeden Menschen, fragte denn auch unseren Jünger, was er diese Zeit hindurch zu Hause gemacht habe, und wie es ihm und seiner Familie ergangen sei.

3. Da fing der Jünger an, ein langes und breites über die Vorteile zu erzählen, die er in der kurzen Zeit für sein Haus durch seinen besonderen Kunstfleiß errungen hätte, wie er für diese und jene großen Herren sehr viel ausgezeichnetes Geschirr für Küche und Tisch hätte zu machen bekommen, und wie er dafür überaus gut bezahlt worden wäre und sein Haus und seine Familie wenigstens auf einige Jahre bestens versorgt habe. Und dergleichen ans Unglaubliche Grenzende erzählte er noch mehreres.

4. Da brach den andern Jüngern die Geduld, und sogar unser Petrus, der sonst nicht leicht zum Reden kam, sagte endlich zu ihm: „Höre, wenn von all dem nur die Hälfte wahr ist – was ich sehr bezweifle –, so bist du nun ja ohnehin schon nahe so wohlhabend wie hier der Freund Kisjonah, und ich sehe gar nicht ein, wie du dich nun hast entschließen können, wieder zu uns zu kommen und etwa gar noch weiter mit uns zu ziehen! Wäre es denn für dich nicht weit klüger, auch jetzt daheim zu bleiben und dich durch deinen Kunstfleiß noch mehr zu bereichern?“

5. Sagte Judas Ischariot: „Das verstehst du nicht! Ich bin zwar gerne fleißig bei der Arbeit, so ich einmal dabei bin; aber ich kann nicht umhin, so mich bei allem Fleiße die Erinnerung an all das Gehörte und Gesehene wieder von der Arbeit treibt und zu euch führt, um da noch mehr zu hören und zu sehen. Denn gar so geistlos, als für was und wie ihr Brüder mich haltet, bin ich nicht! Und wäre ich es, so befände ich mich sicher nicht unter euch! Aber mich gelüstete schon sehr nach euch, und natürlich am meisten nach unserem Herrn, und so mußte ich gehen, wie durch eine unsichtbare Macht gezogen, und bin nun da. So ich euch jedoch unangenehm bin und euch irgend im Wege stehe, so dürfet ihr es ja nur sagen und besonders der Herr, und ich gehe wieder dahin, woher ich gekommen bin, und wir werden deshalb auch noch gute Freunde verbleiben!“

6. Sagte Petrus: „O nein, das werden wir nie tun, und du kannst bei uns sein, wie du warst, und wie du willst; was ich dir verweise, besteht nur in dem, daß du ohne alle Rücksichtnahme auf des Herrn oft erwiesenste Allwissenheit uns allen über deine großen Gewinste so ganz keck und frech ins Gesicht lügen kannst, während du es vom Herrn so gut wie wir wissen solltest, daß über unsere Lippen nie ein unwahres Wort kommen soll. So dir das nicht unbekannt sein kann, warum denn dann solche Lügen aus deinem Munde, da du doch uns gleich vom Herrn zu einem Apostel bist erwählt worden?“

7. Sagte Judas Ischariot: „Wie kannst du mir denn beweisen, daß ich gelogen habe?“

8. Sagte Petrus: „Ganz leicht! Denn fürs erste hat der Herr durch Seine Gnade mein Inneres derart erleuchtet, daß ich es genau weiß und wissen kann, ob da jemand lügt oder die Wahrheit spricht; zudem wird, was ich nun soeben durch die Gnade des Herrn innewerde, gar bald ein anderer, noch handgreiflicherer Beweis hier eintreten, von dem alle, die dich nun angehört haben, es nur zu klar erfahren werden, wie sehr du uns alle nun angelogen hast, was von dir wahrlich nicht löblich war! Wir haben zwar durch deine ganz leere Großtuerei weder einen Schaden noch einen Nutzen; aber bedenke du es selbst, ob so etwas sich unter uns geziemt, und ganz besonders in Gegenwart des Herrn, an den du gleich uns allen zu glauben und zu hoffen vorgabst!“

9. Hier ward unser Jünger sehr verlegen und wußte nicht, was er nun dem Petrus erwidern sollte, da er sich sehr getroffen fühlte.

10. Es dauerte aber gar nicht lange, da kamen einige ins Haus des Kisjonah und baten um Almosen, und Kisjonah ließ sie nach seiner Art ins Zimmer treten. Als sie ins Zimmer traten, waren es vier schon ziemlich erwachsene Kinder, in ganz dürftigste Lumpen gehüllt. Als Judas Ischariot derer ansichtig ward, da wandte er sein Gesicht ab, um von den vier Eingetretenen nicht erkannt zu werden; denn es waren dies seine älteren vier Kinder, eine Maid und drei Jungen.

11. Kisjonah aber befragte sie beiseits, wer und woher sie wären, wer ihr Vater wäre, und wie er heiße.

12. Die Kinder aber sagten alles und gaben ihrem Vater gar kein absonderlich gutes Zeugnis.

13. Kisjonah aber bemerkte, daß er vernommen habe, daß sich eben ihr Vater in dem halben Winter durch seinen Kunstfleiß gar soviel Geldes erworben hätte.

14. Aber die Kinder verneinten das und sagten: „Der Vater hatte wohl etwas für einen Markt vorbereitet, – als er aber auf den Markt kam, da entstand eine große Rauferei zwischen jüdischen und griechischen Handelsleuten, und dem Vater wurden alle seine Töpfe und Geschirre zerbrochen, und wir alle sind dann als pure Bettler heimgekehrt, worauf dann der Vater sehr traurig ward und uns mit den Worten verließ: ,Kinder, ich kann für euch nun nichts mehr tun! Geht zu barmherzigen Menschen hin, und ihr werdet schon noch Unterstützung finden! Ich aber werde zu dem wunderbaren Meister, von dem ich vieles erzählt habe, gehen; vielleicht bewege ich Ihn, daß Er wenigstens euch und eurer armen Mutter hilft, so schon mir nicht mehr zu helfen sein sollte!‘ Dann ging er traurig fort, und wir gingen auch, wie wir hier sind, ein Almosen für uns, für die Mutter und für unsere noch jüngeren Geschwister zu suchen, haben aber bis jetzt noch wenig ausgerichtet. Darum bitten wir dich, daß du dich unser erbarmen möchtest!“

15. Hierauf sagte Kisjonah: „Wie lange ist es denn schon, seit euch euer Vater verließ?“

16. Da sagten die Kinder, es werde das schon acht Tage her sein, daß sie den Vater nicht mehr gesehen hätten.

17. Hierauf führte Kisjonah die Kinder in ein anderes Gemach, ließ ihnen andere Kleider geben und sie reinigen und gab ihnen dann zu essen und zu trinken. Als die vier also vorderhand versorgt waren, da gaben sie sichtbarlich zu erkennen, daß es sie jammere des Elends ihres Vaters, dessentwegen auch daheim die arme Mutter sehr traurig wäre, da nun niemand wisse, wohin er gekommen sei.

18. Da vertröstete sie Kisjonah, daß sie sich darum nicht sorgen sollten, da ihr Vater auch bei ihm vorderhand ganz gut aufgehoben sei und sie ihn bald sehen würden.

19. Da wurden die Kinder überfroh und blieben ganz ruhig in ihrem Gemache.

20. Kisjonah aber kam heraus, ging zu Judas Ischariot hin und sagte: „Freund, weit entfernt, als wollte ich dir, einem erwählten Jünger des Herrn, deiner Großrederei wegen irgendeinen Vorwurf machen, – aber da du mich hoffentlich ebensogut kennst, wie mich weit und breit alles, was arm ist, kennt, warum kamst du denn nicht alsbald zu mir, und warum gestandest du mir nicht deine sehr bedauernswerte Lage? Siehe, deine Kinder sind da weit aufrichtiger als du und sind höchst besorgt um dich, und du bogst bei ihrem Eintritte dein Angesicht von ihnen weg, um von ihnen, die dich trauernd suchen, ja nicht erkannt zu werden! Ich wenigstens finde das denn doch ein wenig sonderbar von dir! Was sagst du selbst nun zu dem allem?“

21. Sagte Judas Ischariot, tief aufseufzend: „Ach, Freund, ich wollte durch meine freilich sehr unzeitigen Großredereien nur mein ganz gebrochenes Herz betäuben! Aber es hat mir das schlechte Früchte getragen; denn die Strafe folgte meiner Bosheit gegen mich selbst alsogleich auf der Ferse wie eine giftige Natter nach, und nun stehe ich da enthüllt zuschanden vor aller Augen. Geh und lasse mich zu meinen Kindern gehen, sie trösten und bei ihnen meinen Schmerz ausweinen!“

22. Da sagte Ich: „Jetzt noch nicht! Esse und trinke nun, und in der Folge lüge nicht mehr, sonst wird dir noch Ärgeres widerfahren!“

23. Da blieb Judas Ischariot und fing wieder an zu essen und zu trinken, und alle sprachen mit ihm nun weiter ganz freundlich, und Kisjonah versprach ihm, für die Armen zu sorgen, weil sie an seinem Unglücke ganz unschuldig seien, wohl aber mehr oder weniger er als Vater an dem ihrigen.

24. So war diese Episode ganz ruhig und gut beigelegt worden, und sie ist hier nur darum wiedergegeben worden, um den Jünger wieder etwas näher zu bezeichnen, wessen Geistes Kind er war.

36. Kapitel. Jesu Abfahrt von Kis und Ankunft beim Wirte des Lazarus.

1. Auch Meine Leibesmutter Maria sagte bald darauf zum Judas Ischariot: „Wenn du so fortfährst und nimmer änderst dein Gemüt, dann wird dein Ende ein Grauen sein für viele und wird im Angedenken bleiben bei den Menschen bis ans Ende der Welt. Daher nimm dich in der Zukunft wohl in acht, daß du bestehest vor den Augen des Herrn! Ich habe von dir noch nie einen guten Traum gehabt und sehe nun auch den Grund ein. Darum noch einmal gesagt: Sieh zu, daß du bestehest vor den Augen des Herrn!“

2. Diese Worte faßten alle Jünger tief in ihr Herz.

3. Nach dem Mahle besuchten wir noch das Haus der Maria und ihre von Kisjonah ihr eingeräumte Besitzung. Alles war in der schönsten Ordnung. Auch war eine kleine Schule erbaut, in der die Mutter den dürftigen Kindern in allerlei nützlichen Dingen Unterricht erteilte und so die Zeit recht vielfach nützlich zubrachte und darum von allen Menschen des Ortes und der Umgegend sehr geliebt und geachtet ward. Sie heilte dadurch auch viele Kranke, daß sie ihnen in Meinem Namen die Hände auflegte oder über sie betete. Und so war sie denn auch ein Segen für diese Gegend und war dem Kisjonah ein wahres Kleinod.

4. Am nächsten Tage als an einem Donnerstage, noch gut bei drei Wochen vor Ostern, empfahlen wir uns bei Kisjonah mit dem Versprechen, ihn bald wieder zu besuchen. Er ließ sogleich eines seiner besten Schiffe herrichten, das wir nach dem Morgenmahle alsbald bestiegen und dann bei gutem Winde abfuhren. Kisjonah, Philopold und Maria aber gaben uns das Geleite über das Meer bis an das Ufer des Galiläischen Meeres an der Stelle, wo der Jordan dasselbe verläßt und sich dann links dem Toten Meere zuwendet durch ein langes und stark nach Osten hin gebogenes Tal. Von da geht man dann auch guten und wohlgebahnten Weges hinauf nach Jerusalem, von welchem Wege aber heutzutage freilich wohl nichts mehr zu entdecken ist, wie von all den Orten am Galiläischen Meere, das heutzutage auch schon gut um ein starkes Dritteil kleiner geworden ist.

5. Am Landungsplatze war bloß ein Mauthaus, bei dem man einen kleinen Zoll zu entrichten hatte, aber nur dann, so man etwas zum Verkaufe mittrug oder -führte. Wir stiegen da ans Land, segneten die uns Begleitenden und setzten unseren Weg schnell fort, ohne irgend eine Rast zu nehmen, und erreichten so ziemlich spät in der Nacht das Haus unseres bekannten Wirtes, der noch auf war, da einige Gäste bei ihm waren.

6. Als wir da ankamen und der Wirt uns erkannte, da ward er voll Freude und setzte gleich sein ganzes Haus in Bewegung, um uns zu versorgen; denn wir hatten seit frühmorgens nichts mehr genossen. Auch unsere Glieder waren von der weiten Fußreise müde, und das Bedürfnis für Ruhe war ihnen sehr fühlbar geworden. Während der Wirt durch seine Leute für uns ein Nachtmahl bereiten ließ, erzählte er uns gar manches, was sich in Meiner Abwesenheit alles zugetragen hatte, – unter anderem auch, daß der gute Lazarus einen ganz ernsten Auftritt mit den Templern zu bestehen hatte wegen der Arbeiter, die Ich ihm aus Bethlehem verschafft hatte.

7. (Der Wirt:) „Die Templer kamen gleichfort hin und gaben sich alle Mühe, die Arbeiter des Lazarus auf ihre Seite zu bringen; allein die Arbeiter begegneten den Templern mit Drohungen, so sie keine Ruhe von ihnen zu gewärtigen hätten. Auf das wurden die Templer stutzig und beschuldigten Lazarus, daß er seine Arbeiter heimlich gegen sie aufgewiegelt habe, und machten darum eine förmliche Anklage beim römischen Landpfleger. Dieser berief den Lazarus zu sich und befragte ihn um den wahren Sachverhalt und verhörte hernach auch alle die Arbeiter, und zwar jeden für sich allein. Aber da stellte sich die Sache also heraus, daß Lazarus samt seinen Arbeitern von aller Schuld freigesprochen ward und den Templern geheim bedeutet wurde, dem Lazarus, der nun ein Ehrenbürger Roms sei, seine Diener in Ruhe zu lassen, widrigenfalls er genötigt wäre, dem Lazarus zu seinem Schutze eine gute Anzahl Soldaten zur Verfügung zu stellen. Das wirkte, und Lazarus hat nun schon bei sechs Wochen lang volle Ruhe von seiten der Templer. Ob sie ihm aber gerade innerlich ganz besonders geneigt sind, das bezweifle ich sehr, obwohl sie ihm ins Gesicht recht freundlich sind und ihm versichern, daß sie nur gegen seine Arbeiter und nicht gegen ihn die für sie bedrohliche Sache vor den Landpfleger gebracht hätten. Und so lebt Lazarus wenigstens zum Scheine auf einem guten Fuße mit den Templern.“

8. Sagte Ich: „Ich wußte es wohl, daß es also kommen werde; aber es hätte auch noch anders kommen können, wenn die Sache noch um ein paar Wochen länger angedauert hätte. Denn da wäre es zwischen den Arbeitern und den Templern zu ernsten Tätlichkeiten gekommen, die Ich vorausgesehen habe, und darum Ich auch durch Meinen Willen die Sache eben also geleitet habe, wie sie gekommen ist, und das war gut. Die Templer haben nun freilich einen heimlichen Groll auf den Lazarus; aber der hat nichts zu bedeuten, denn sie haben auch einen Groll auf alle Römer und Griechen und auf die Essäer, Sadduzäer und Samaritaner. Aber all dieser ihr Groll ist dem eines sehr törichten Menschen gleich, der auf einen großen Strom beinahe wütend zornig ward, weil er über ihn keine Brücke fand, über die er das jenseitige, schöne Uferland hätte erreichen können. Der Strom blieb Strom trotz des großen Zornes des törichten Menschen. Und wahrlich, geradeso geht und steht es mit dem Grolle und Zorne der Templer! Es ist ein Sich-Krümmen und -Sträuben eines Wurmes im Staube gegen die Tritte der vorüberziehenden Kamele. Darum lassen wir diese Sache nun ganz gut sein, und du, lieber Freund, sieh nach, ob wir bald zu einem Nachtmahle kommen werden!“

37. Kapitel. Wiedersehen der 3 persischen Magier, Weisen und Sterndeuter mit Jesus.

1. Da eilte der Wirt in die Küche, und es war bereits schon alles fertig. Es ward sogleich aufgetragen, und wir aßen und tranken ganz wohlgemut.

2. Es erfuhren aber die anderen Gäste, die als Reisende teils aus Galiläa, Griechenland, Samaria, teils aus verschiedenen Ländern hier die Nachtherberge nahmen, weil der Wirt bekannt war als ein sehr billiger Mann und auch ein großes Unterkommenshaus besaß, daß eben Ich, von dem sie schon so vieles vernommen hatten, nun auch in dieser Herberge Mich befinde. Da befragten sie des Wirtes Dienerschaft, ob sie Mich sehen könnten. Ein Diener aber kam darum zu uns und steckte solches dem Wirte, der sich mit uns über so manches besprach.

3. Der Wirt aber sagte dem Diener: „Da kann ich weder ja noch nein sagen; denn dieser Herr ist ein Alleinherr, und es darf nur das geschehen, was Er will!“

4. Ich aber sagte zum Wirte: „Es sind unter den Reisenden auch vier Magier aus Ägypten, geboren aber in Persien nahe an der Grenze von Indien. Drei darunter sind Hauptmagier und schon hohen Alters, der vierte aber ist nur ein Jünger. Sie haben wohl noch ein größeres Gefolge, das aber größtenteils in andern Orten in der Herberge ist; hier haben sie nur die nötige persönliche Dienerschaft. Nun, diese vier Magier, die nun etliche Jahre in Ägypten ihr Wesen trieben, kannst du hereinkommen lassen, und wir wollen ihnen auf den Zahn fühlen, wessen Geistes Kinder sie sind.“

5. Da ging der Wirt hinaus in das Gemach, in dem die Magier sich befanden, und sagte ihnen, daß Ich es gestattet habe, zu Mir zu kommen.

6. Darüber waren die Magier sehr erfreut, indem sie von Mir schon so vieles sogar bis über die Grenzen Kanaans vernommen hätten. Sogleich erhoben sie sich und eilten zu Mir, vom Wirte geleitet. Als sie bei uns als ehrwürdige Greise ankamen, da verneigten sie sich tief und grüßten höflichst nach ihrer Sitte. Da sie der hebräischen Sprache kundig waren, so konnten sie auch von den Jüngern allen wohl verstanden werden.

7. Ich sagte gleich zu ihnen: „Der, welchen ihr gerne näher kennen- lernen möchtet, der bin Ich; nun aber setzet euch zu uns, und wir werden uns dann erst ein wenig näher verständigen!“

8. Die Magier nahmen an unserem Tische Platz, und Ich fragte sie: „Nun saget ihr Mir ganz offen, was ihr so für allerlei Künste und Zaubereien treibet; dann sollet ihr auch von Mir erfahren, was Ich alles treibe! Vielleicht können wir uns dann gegenseitig sehr nützlich sein!“

9. Hier verneigten sich die Magier, und der eine Magier sagte: „Meister, dieser ist unser Ältester und Weisester, sein Name ist HAHASVAR (Hüter der Gestirne), der wird für uns reden! Er zählt volle dreimal dreißig Jahre. Ich Redner nun zähle erst achtzig und dieser neben mir siebzig volle Jahre, und in den Gestirnen steht es geschrieben, daß ein jeder von uns von jetzt an noch dreißig Jahre leben muß. Mein Name ist MEILIZECHIORI (Habe das Gesicht oder die Wissenschaft, die Zeit zu messen), und der Name dieses meines Nachbars OU LI TESAR (Willensbeschwörer oder -nötiger). Der vierte unter uns ist noch jung, hat noch keinen bestimmten Namen, da er noch ein Jünger ist. Nun mag unser Ältester reden!“

10. Nun fing also der Älteste an und sagte: „Wir drei waren schon einmal vor dreißig Jahren hier und sind weiten Weges aus dem fernen Morgenlande hierhergereist; denn wir sind durch einen besonderen Stern erweckt worden, und in der Schrift der Sterne stand es geschrieben: ,Im tiefen Westen ist dem entarteten Volke Gottes ein neuer König geboren worden. Seines Leibes Mutter ist eine Jungfrau und nie von einem Manne berührt worden; denn das Kind in ihr ist gezeuget durch des großen Gottes Kraft, und sein Name wird groß sein unter allen Völkern der Erde, und er wird ein Reich gründen und im selben als ein allermächtigster König ewig herrschen. Und wohl allen, die in seinem Reiche leben werden; denn über sie wird der Tod keine Macht mehr haben!‘

11. Als solches wir lasen, da machten wir uns auf, folgten dem Laufe des Sternes und fanden im Ernste zu Bethlehem, und zwar in einem alten Schafstalle, ein neugeborenes Kind gar wunderbarlich und opferten ihm unsere Gaben. Wir wollten versprochenermaßen wieder über Jerusalem in unser eigenes Land ziehen, wurden aber im Traume gewarnt durch einen lichten Geist, daß wir eines andern Weges nach Hause ziehen sollen und nicht verraten dem bösen Fürsten den neugeborenen König. Das taten wir denn auch. Was hernach mit jenem wunderbaren Kinde geschehen ist, konnten wir trotz unseres Forschens nicht mehr in irgendeine Erfahrung bringen.

12. Wir vernahmen von alten Leuten, daß von seiten des alten, grausamen Fürsten Herodes zu Bethlehem wegen jenes neugeborenen Königs ein Kindermord angeordnet ward, wobei alle Knaben von 1-12 Jahren mit dem Schwerte umgebracht worden sind; aber die Eltern hätten mit dem Wunderkinde noch zur rechten Zeit die Flucht nach Ägypten ergriffen und seien also der Grausamkeit des tollen Fürsten entronnen. Wir aber forschten nun mehrere Jahre in Ägypten nach demselben Kinde und Könige und konnten nicht das geringste erfahren.

13. Erst unlängst zu Memphis in Ägypten erfuhren wir, daß in Galiläa ein großer Wundermann aufgetreten sei, der Zeichen und Werke verrichtet habe, die auf dieser Erde nie erhört worden seien, und dabei so überweise Reden halte, gegen die sich alle die größten Weisen der Erde rein in den Staub verkriechen müßten. Gar viele glaubten und hielten daher an ihn, daß er offenbar Gott Selbst sein müsse, weil sonst sein Tun und Treiben ganz unerklärlich wäre.

14. Auf solche Nachricht sind wir denn eigens wieder hierher nach Kanaan oder nach dem gesamten Judenlande gezogen, um irgendwo mit solch einem außerordentlichen Menschen zusammenzukommen, und zwar aus einem doppelten Grunde: erstens, um uns selbst von allem persönlich zu überzeugen, und zweitens, um zu erforschen, ob etwa dieser Mann nicht aus jenem zu Bethlehem geborenen Kinde hervorgegangen ist.

15. Freilich sei zwar der berühmte Wundermann noch kein König, – aber das macht gerade gar nichts aus; denn wir sind nur Weise, Sternkundige, durch die Kenntnis der Naturkräfte vor den Augen der blinden Menschheit auch ganz außerordentliche Magier und sind darum auch Könige mit Land und viel Volk hinter Persien in den weiten Hochländern und haben keinen Feind zu fürchten, da ein jeder nachbarliche Fürst uns hochachtet und vor unserer geheimen Macht die größte Ehrfurcht hat. Und doch ist unsere Macht nur eine ganz natürliche, die ein jeder Mensch erlernen kann; um wieviel mehr kann der so berühmte Mann Judenlands ein König sein, der bloß durch seinen Willen Berge und Felsen vernichten, den Toten das Leben wiedergeben und den Elementen gebieten kann!

16. Wir kamen schon heute morgen hier in dieser Gegend an und erkundigten uns nach dem Manne, und es hieß, daß er erst unlängst hierherum sein Wesen hatte, und daß er in kurzer Zeit wieder hier eintreffen dürfte. Und nun spätabends ging es im Hause von Mund zu Mund, der berühmte Mann sei mit seinen Jüngern angekommen.

17. Nun kannst du, Meister, es dir wohl denken, von welcher Begierde wir alle zu glühen anfingen, in dir den Mann zu ersehen, von dem wir so Wundergroßes gehört haben, und dich dann auch in tiefster Bescheidenheit zu fragen, ob du doch etwa aus jenem Wunderkinde, das zu Bethlehem geboren ward, hervorgegangen bist.“

38. Kapitel. Das Können und Wirken der drei persischen Magier, Weisen und Sterndeuter.

1. Sagte Ich: „Das ist alles sehr schön und löblich von euch; aber es hieß ja einmal, daß jene drei Weisen, die das zu Bethlehem geborene Wunderkind besucht haben, nachher – vor etwa fünfzehn Jahren schon – verstorben seien. Wie kommt es denn, daß ihr als dieselben noch lebet und euer Wesen in aller Welt herum treibet?“

2. Sagte der Älteste: „Edler Freund, bei uns in unserem Lande kannst du fünf-, auch sieben Male sterben und dann neu belebt wieder fortleben. Das bewirkt dort die Luft, die Erde und ihre Geister, die wunderbaren Kräuter und unsere Kräfte, geschöpft aus den geheimen Kräften der Natur.

3. Aber als wir damals in Bethlehem waren, da waren in uns noch drei Geister aus der Urzeit der Menschen dieser Erde; diese sind nun nicht mehr in und mit uns im Verbande, sondern wir sind nun ledig und allein.

4. Als jene Geister uns verließen, da hatte es gleichwohl das äußere Ansehen, als wären wir verstorben; aber es belebten uns wieder unsere Geister, und wir leben nun wieder ganz gut fort für uns selbst und werden noch eine geraume Zeit fortleben. Wenn dieser Leib aber dann ganz unbrauchbar werden wird, dann werden wir aber auch nicht sterben, wie die armen Menschen hierzulande gar elendiglich sterben, sondern wir werden mit vollem Bewußtsein selbst freiwillig aus unseren Leibern treten und dann als Geister fortleben und auch -wirken unter unseresgleichen. Siehe, edler, großer Meister, so verhalten sich bei uns die Sachen, dieweil wir noch ein unverdorbenes Ur- und Naturvolk sind.“

5. Sagte Ich: „Darum weiß Ich wohl und weiß es auch, daß es auf dieser Erde noch einige solche Völker gibt, wogegen Ich durchaus nichts einzuwenden habe, und Ich lasse es denn auch gelten, daß ihr jene drei Weisen aus dem fernen Morgenlande seid, die das zu Bethlehem in einem Schafstalle neugeborene Wunderkind besucht haben, und nun auch wiedergekommen seid, den dem Kinde entwachsenen Wunderkönig aufzusuchen, um ihm wieder eure Achtung zu bezeigen, was von euch unstreitig sehr löblich ist.

6. Aber Ich fragte euch auch, was ihr denn so auf euren weiten Reisen alles für Künste und Werke verrichtet, und was sie euch denn für einen Nutzen abwerfen. Davon müsset ihr Mir auch etwas sagen, damit wenigstens diese Meine Jünger auch von euch etwas gewinnen können. Dann werde Ich euch schon von Mir Selbst etwas Näheres kundgeben.“

7. Sagte der Älteste: „Ja, großer Meister, wenn du alles das leistest, was wir von dir vernommen haben, werden deine Jünger von uns eben nicht gar besonders viel gewinnen; aber dieweil du solches wünschest, so kann ich dir schon so die Hauptsache mitteilen. Unser Erstes und die eigentliche Hauptsache ist es, den Menschen aus den Sternen so manches für sie Nützliche zu weissagen, was zumeist dann auch eintrifft. Freilich, aufrichtig gesagt, kommt es da mehr auf die künstliche Stellung der Worte als auf die Stellung der Sterne an, die bis auf die der wenigen Planeten ohnehin immer die ganz gleiche bleibt.

8. Nur bei der Geburt des jüdischen Wunderkindes, allwann wir noch von den gewissen Geistern mehr oder weniger bewohnt waren, da haben wir gegen den Westen wohl ganz sonderbare Stellungen der Sterne gesehen und einen Stern von besonderer Größe, der gegen Westen hin eine lange Rute hatte, und da wir auch wohl merkten, daß er sich eben gegen Westen hin schneller bewegte denn die anderen Sterne, so dachten wir, daß sich im Abendlande etwas Großes müsse zugetragen haben. Und bald lasen wir es aus den Sternen wie eine Schrift: ,Den Juden ist ein neuer König geboren, der ein Reich gründen wird, das nimmer ein Ende nehmen wird in Ewigkeit, und er wird herrschen über alle Völker der Erde!‘

9. Nun, diese Schrift war völlig wahr, und wir schlugen dann unsere Reise gerade nach der Bewegung des Sternes ein, der uns am rechten Orte und an rechter Stelle stehenzubleiben schien, und wir fanden da wirklich eine Geburt, die von allen möglichen Wundern begleitet war, so daß wir auch nicht einen Augenblick im Zweifel sein konnten, ob wir wohl am rechten Orte wären. Da war demnach unsere Sterndeuterei voll Wahrheit; inwieweit die nachträglichen und späteren auch mehr oder weniger Wahres in sich enthielten, dafür könnten wir, offen gesagt, keine volle Bürgschaft leisten. So steht denn die Sache mit unserer Sternenweisheit.

10. Was aber unsere Magie betrifft, so zerfällt diese in drei Teile. Der erste Hauptteil geht aus unserer durch viele Proben, Versuche und Erfahrungen hervorgehenden Kenntnis und Vertrautheit mit den geheimen Kräften der Natur hervor, wodurch wir imstande sind, tausenderlei Dinge und Sachen zu bewerkstelligen, die bei der blinden und nichts wissenden Menschheit natürlich das größte Staunen erregen müssen und uns ein großes Ansehen und auch einen großen Gewinn abwerfen.

11. Wir sind zurzeit im Besitze eines Geheimnisses, eine Art Körner zu erzeugen, die überaus leicht entzündbar sind, bei ihrem schnellen Entzünden in einem geschlossenen Raume aber eine solche Kraft entwickeln, daß dadurch der stärkste und festeste Fels, so man zuvor durch eine gemachte Öffnung in denselben ein paar Pfunde von den erwähnten Körnern bringt und durch einen unsichtbaren Brandfaden entzündet, mit einem großen Knalle in tausend Trümmer zerrissen wird. Zum Scheine fürs Volk tun wir das wohl also, als geböten wir dem Felsen, daß er sich lösen müsse; aber im Grunde bewirken das nur unsere Sprengkörner, die wir schon etliche Tage zuvor ganz unbemerkt an einer geeigneten Stelle unterzubringen verstehen.

12. Und so in der Art haben wir noch eine Menge Dinge, deren Experimentierung dem unkundigen Volke eine große Verwunderung abnötigen muß. Dazu gehören auch unsere Feuerkünste, bei denen wir auch den Blitz und seine Wirkungen ganz täuschend nachzumachen verstehen. – Darin also besteht der erste Teil unserer Magie.

13. Der zweite Teil ist ein rein mechanischer, wobei wir durch gewisse bisher noch unbekannte Maschinen auch gewisse Wirkungen hervorbringen, die gleichwohl auch jeden Laien ins größte Staunen setzen müssen, weil die Ursache der Wirkung fremd ist und außer von uns von sonst niemand erklärt werden kann.

14. Der dritte Teil unserer Magie ist der eigentlich nichtssagende, weil er bloß durch gewisse geheime Einverständnisse bewerkstelligt wird. Der macht bei dem blinden Volke beinahe das meiste Aufsehen, obwohl hinter ihm gar nichts steckt außer einer gewissen eingeübten Geschicklichkeit und Fertigkeit. – Das sind nun unsere drei magischen Teile.

15. Endlich aber sind wir auch Ärzte und können durch geheime Mittel mit dem besten Gewissen von der Welt gar viele Krankheiten heilen, böses Ungeziefer aller Art vertilgen, und alle Arten der bösen Tiere müssen vor uns die Flucht ergreifen oder sich von uns bändigen lassen, – mit welcher unserer Fähigkeit wir den Menschen auch schon gar manchen guten Dienst erwiesen haben. – Und nun hast du, großer Meister, in Kürze unsere ganze Kunst vor dir aufgedeckt. Aber nun bitten wir denn auch dich, daß du uns über dich eine nähere Auskunft geben möchtest.“

39. Kapitel. Ein guter Zweck heiligt nicht die schlechten Mittel.

1. Sagte Ich: „Eure Kunst ist insoweit, als sie sich bei dem Experimentieren der Naturkräfte, der Mechanik und der Heilmittel bedient, in sich ganz gut, und es kann mit der Zeit für die Menschen so mancher irdische Vorteil daraus erwachsen. Aber alles, was dabei im Angesichte der Menschen, die vor Gott einen gleichen Wert haben, mehr als gewinnbringendes Blendwerk erscheint, ist schlecht und Gott, dem alleinigen Herrn aller Welt und Kreatur, nicht wohlgefällig, wie Ich solches auch den Essäern, die Ähnliches tun, bei einer Gelegenheit gesagt und gezeigt habe. Denn so der Zweck im Grunde ein noch so guter wäre, den man aber nur durch ein lügenhaftes und somit an sich schlechtes Mittel erreichen könnte, so wird dieses durch den an und für sich guten Zweck nie geheiligt und auch nie gut.

2. Zum Exempel: Es wäre ein sehr schmerzlichst kranker Mensch, und die besten Ärzte wüßten kein Mittel mehr, den Menschen von seinen großen Schmerzen zu heilen. Nun aber fiele es einem ein, und er sagete zu den andern Ärzten: ,Da diesem Menschen durch nichts mehr zu helfen ist, so geben wir ihm ein schnell tötendes Gift, und er ist auf einmal alle seine Leiden los!‘ Gesagt, getan, – und der Leidende war im Moment dahin. Ja, diese Ärzte haben den Kranken richtig von allen seinen Schmerzen befreit; aber sie haben ihn getötet, ohne zu bedenken, warum Gott ihm ein solches Leiden zukommen ließ, und wie es dann jenseits mit seiner Seele stehen möchte. Und so war das Mittel schlecht, was darum auch nie einen ganz rein guten Zweck nach sich ziehen kann.

3. Und sehet, also steht es mit allen solchen falschen Wundern! Und werden sie auch sogar mit guten, moralischen Lehren zu manchem Frommen der Menschen begleitet und als göttliche Wirkungen erklärt, so bezwecken sie aber im Grunde dennoch nichts Gutes; denn sie erwecken in den Gemütern des Volkes den genötigten Leichtglauben, aus dem allerlei bösen Aberglauben und am Ende einen fanatischen Haß gegen jeden Andersglaubenden. Und kommen sie aber endlich durch jemanden hellen Geistes hinter den Betrug, und wie das von ihnen geglaubte, angeblich göttliche Wunder ein ganz plump-natürliches war, so fallen sie denn auch von allen darauf gestützten an und für sich guten Lehren ab, glauben dann gar nichts mehr und werden zu Tigern und Hyänen gegen ihre Lehrer und Wundertäter.

4. Aus dem aber läßt sich dann leicht entnehmen, wie durch ein schlechtes Mittel eigentlich auch nie ein guter Zweck zu erreichen ist; denn ist die Stütze schlecht und gebrechlich, wie kann darauf ein vollkommen festes Gebäude bestehen?!

5. Auf einem schlechten und lockeren Grunde läßt sich nie eine feste Burg erbauen, und so läßt sich mit falschen Scheinmitteln auch nie eine wahre und den Menschen durch und durch bessernde und belebende Erziehung erzielen.

6. Auch die größten Staaten in dieser Welt, vor denen einst der halbe Erdkreis erbebte, zerfielen am Ende wie lockere Spreu, weil das Fundament, auf dem sie erbaut waren, selbst nichts als ein eitles, spreuartiges Blendwerk war.

7. Daher aber bin Ich denn in diese Welt von oben herabgekommen, um den Menschen die volle Wahrheit in allem zu zeigen und zu geben. Und wer in solcher Wahrheit bleiben und leben wird, der wird wahrhaft frei sein und in sich haben das ewige Leben, das nie durch irgendein Scheinmittel, sondern allein nur durch die reinste und gediegenste Wahrheit zu erreichen ist.

8. Und eben darin bestehet das Reich, das Ich nun soeben gründe. Es ist ein Reich der Liebe, des Lichtes und daraus der reinsten und gediegensten Wahrheit. Sein König wird wohl nie einen irdischen Thron besteigen, und kein goldenes Zepter in die Hände nehmen und wird keine andere Waffe führen denn allein die Wahrheit; aber diese Waffe wird ihm dennoch den glänzendsten Sieg über alle Völker der Erde und über alle ihre Kreatur für ewig geben, und wohl jedem, der sich von dieser reinsten Himmelswaffe wird besiegen lassen!

9. Und nun erst sage Ich euch auch, daß Ich eben ganz Derselbe bin, den ihr suchtet, und dem ihr schon als einem neugeborenen Kind die Ehre erwiesen habt.

10. Aber Ich sage es euch nun auch, daß Ich jetzt und fürder keine Ehre von den Menschen nehme, sondern es ist Einer, der eins ist mit Mir, der allein Mich ehrt, und der heißt: Liebe, Licht, Wahrheit und Leben. Er ist der Urgrund aller Dinge und das ewige Sein und Dasein Selbst, und alles, was da ist und besteht, ist und besteht aus Ihm. – Wisset ihr nun, wie ihr daran seid?“

40. Kapitel. Einfluß der Lichtgeister. Jesus am Galiläischen Meere.

1. Sagte, ganz von der Wahrheit Meiner Rede durchdrungen, der Älteste: „Großer Meister! Aus dieser deiner lichtvollen Rede haben wir mehr denn sonnenklar entnommen, daß du mehr als ein purer Mensch sein mußt; denn also gar so durchdringend wahr haben wir noch nie einen Menschen reden hören, und wahrlich, solche Worte wirken mehr denn tausend der wunderbarsten Zeichen, die zwar die Menschen wohl auf eine Zeitlang berücken, aber ihr Herz noch mehr verhärten und verfinstern! Darum verlangen wir auch gar kein anderes Zeichen von dir; denn dies dein Wort genügt uns vollkommen, und wir wissen nun schon, was wir künftighin zu tun und zu halten haben. Unser Volk daheim soll fürder nicht mehr im Finstern umherwandeln!“

2. Sagte Ich: „Das wird von euch sehr wohlgetan sein; aber alles Gute und Wahre braucht auch seine Zeit. Daher müsset ihr denn auch bei allem redlichen Tun und Handeln die Klugheit zu Rate ziehen. Denn ein einmal verfinstertes Volk kann ein plötzlich aufgehendes grellstes Licht nicht ohne Schaden seiner Sehe vertragen; es wird dann wie wahnsinnig, lichtscheu und suchet dann Schatten und Nacht. Darum muß das Licht erst ganz sparsam zugelassen werden, daß sich die Menschen nach und nach an dasselbe gewöhnen. Mit der Zeit werden sie dann auch sogar ganz behaglich das stärkste Licht vor ihren Augen vertragen. – So ihr denn wahre Weise aus dem fernen Morgenlande seid, so müßt ihr auch diese Weisheitslehre treu beachten, so ihr euren Völkern ein wahrer Segen werden wollet.“

3. Sagte der Älteste: „Auch dieses werden wir und unsere Jünger getreu beachten; denn wir sehen, daß du in allem recht hast und durch und durch wahrhaftig bist. Aber nun möchten wir denn von dir auch noch erfahren, was es mit den uns leitenden Geistern zur Zeit deiner wunderbaren Geburt für eine Bewandtnis hatte; denn wir nahmen es in uns ganz genau wahr, daß sie nicht wir und wir nicht sie waren. Aber wenn sie in uns herrschten, da konnten wir nicht tun, was wir wollten, sondern nur das, was sie wollten, und es kam uns dabei vor, als ob sie unser eigenes besseres Ich wären. Denn da waren wir auch sehr weise und lernten so erst die inneren Naturkräfte und ihre Benutzung kennen; aber wenn sie wie aus uns wichen, dann waren wir wieder ganz dumm und konnten gar nicht begreifen, wie wir die großen Kraftgeheimnisse in der Natur kennengelernt hatten. Was wir des Besseren nun kennen, das ist uns durch jene Geister kundgegeben worden, die wir in hellen Träumen auch zu sehen bekamen. Nun, was mag nach deiner Weisheit wohl dahinter stecken und sein?“

4. Sagte Ich: „Das ist bei euch darum nichts Besonderes; denn alle von Natur aus besseren Menschen werden von Geistern auf eine manchmal mehr und weniger fühlbare Weise unterwiesen in allerlei geistiger und natürlicher Wissenschaft, und so war es denn auch bei euch auf eine mehr fühlbare Art der Fall.

5. Und je naturgemäßer, einfacher und in sich gekehrter die Menschen irgend in der Welt leben, desto mehr und lebhafter stehen sie auch mit den besseren und guten Geistern aus dem Jenseits in Verbindung. Und das war denn auch bei euch und mit euch der Fall.

6. Als ihr aber dann durch eure vielen Reisen weltläufiger geworden seid, da haben euch auch eure Lehr- und Leitgeister verlassen und euch euren eigenen Erkenntnissen, eurer Vernunft, eurem Verstande und eurem eigenen freien Willen anheimgegeben. Aber dennoch weckten sie die Begierde in euch, daß ihr Mich suchen und nun auch finden mußtet, und das war von den drei Geistern ganz wohl gesorgt für euch und eure Kinder und Völker.

7. Jene Geister aber waren einst auch Menschen auf dieser Erde, und zwar für alle jetzt lebende Menschheit von der größten Bedeutung für diese Erde; doch jenseits hören alle die irdischen Unterschiede von ,erst‘, ,groß‘ oder ,klein‘ gänzlich auf, und der letzte Mensch der Erde wird ihrem ersten nicht nachstehen, vorausgesetzt, daß er den Willen Gottes erkannt und nach dessen Vorschrift und Ordnung gehandelt hat.

8. Der Wille Gottes an alle Menschen aber lautet ganz kurz also: Erkenne Gott und liebe Ihn über alles und deinen Nächsten, das heißt deinen Nebenmenschen aber wie dich selbst. Sei wahrhaft und getreu gegen jedermann, und was du vernünftigerweise willst, daß man dir tue, das tue du auch deinem Nebenmenschen, so wird Friede und Einigkeit zwischen euch sein und Gottes Wohlgefallen wird über euren Häuptern strahlen wie ein rechtes Licht des Lebens!

9. Das genüge euch. Aus dem wird euch dann schon alle andere und weitere Weisheit gegeben werden. Und nun möget ihr euch zur Ruhe begeben, denn es ist bereits um die Mitte der Nacht geworden.“

10. Da dankten die Weisen und baten Mich, am kommenden Tage noch in Meiner Nähe verharren zu dürfen, was Ich ihnen auch gerne gestattete. Darauf begaben wir uns alle zur Ruhe.

11. Und als wir am nächsten Tage erwachten, da war ein gutes Morgenmahl schon in voller Bereitschaft, und unsere Weisen warteten auch schon mit der größten Sehnsucht von der Welt, Mich wiederzusehen und etwa auch sprechen zu hören; denn Meine Worte haben sie sich sehr zu Herzen genommen.

12. Als Ich mit all Meinen Jüngern beim Morgenmahle saß, aß und trank und Mich mit dem Wirte über dies und jenes besprach, da horchten die Weisen schon an der Tür. Da sie aber nur über mehr gleichgültige, irdische Dinge Worte wechseln vernahmen, da sagten sie unter sich: „Siehe, heute redet er nicht so weise denn in der Nacht! Er muß sehr vielseitig sein in seinem Wissen! Aber da strahlt nicht viel von göttlicher Weisheit heraus!“

13. Als sie aber noch also unter sich hin und her urteilten, da kam plötzlich ein Schwerkranker in das Vorzimmer; denn er war ein Nachbar des Wirtes und erfuhr durch dessen Leute, daß Ich beim Wirte angekommen sei und nun daselbst weile. Als er durch die Türe Meiner ansichtig ward, da schrie er: „O Jesus von Nazareth, du wahrer Heiland, erbarme dich meiner und heile auch mich, der du schon so viele geheilet hast!“

14. Da ging Ich hinaus und sagte: „Wie lange plagt dich denn deine Gicht?“

15. Und er sagte: „Herr, schon sieben Jahre! Ich aber ertrug die Schmerzen dennoch geduldig, als sie nicht gar so arg wüteten; nun aber werden sie mir unerträglich, und so ließ ich mich zu dir herführen.“

16. Sagte Ich zu den Weisen: „Nun, ihr seid auch Ärzte! Möget ihr diesem Menschen nicht helfen mit eurer Kunst?“

17. Sagte der Älteste: „Meister, derlei Kranke sind bei uns als unheilbar erklärt, und da hilft auch keine Arznei etwas mehr! Wenn solch einen Gichtbrüchigen die Sonne nicht mehr zu heilen vermag, da hilft ihm auf der Welt nichts mehr.“

18. Sagte Ich: „Nun, so will Ich denn sehen, ob er nicht mehr zu heilen ist!“

19. Darauf sagte Ich zum Kranken: „Sei geheilt und wandle; aber sündige fortan nicht mehr, auf daß dir dann nicht noch etwas Ärgeres begegne!“

20. Darauf ward der Kranke urplötzlich völlig gerade und gesund, dankte und verließ voll Freuden das Haus.

21. Da erschraken die Weisen und wollten Mich förmlich anzubeten anfangen. Ich aber verwies ihnen solches, und Ich und die Jünger zogen darauf gleich nach Bethanien zum Lazarus, und die Weisen zogen auch noch am selben Tage in ihr fernes Land zurück.

41. Kapitel. Johannes.06,01-15: Jesu wunderbare Speisung der Fünftausend.

1. Daß Lazarus über Meine Ankunft eine übergroße Freude hatte, braucht kaum erwähnt zu werden. Aber Ich war kaum drei Tage allda, so erfuhr durch die Arbeiter die ganze, weite Umgegend Meine Anwesenheit, und es kam da täglich mehr Volk zusammen, und sie brachten allerlei Kranke, die allda alle geheilt wurden. Es machte dies aber ein großes Aufsehen um ganz Jerusalem, und es kam das auch zu den Ohren der Pharisäer, daß sie darum unter sich bald Rat zu halten begannen, wie sie Mich fangen und aus der Welt schaffen könnten.

2. Aber Ich wußte darum und sagte am zehnten Tage Meines Aufenthaltes in Bethania zu Lazarus und zu den Jüngern: „Wir werden uns von dannen begeben wieder nach Galiläa; denn die Pharisäer halten wider Mich einen bösen Rat. Ich will aber nun kein weiteres Aufsehen machen, damit auch dein Haus um das Fest herum Ruhe habe. Ich werde darum heute noch von hier abziehen.“

3. Da sprach Lazarus ganz betrübt: „Herr, Du bist ja allmächtig und kannst die böse Brut mit einem Gedanken vernichten, was für alle besseren Juden eine große Wohltat wäre.“

4. Sagte Ich: „Das könnte Ich wohl; aber es ist der Wille des Vaters nicht also, sondern sie sollen handeln, bis ihr Maß voll wird. Dann erst wird kommen das große Gericht über sie; denn sie werden sich durch ihre alle Schranken übersteigende Herrschsucht selbst das Schwert in den Leib stoßen. In ihrem Hochmute werden sie sich gegen die Römer empören, und diese werden ihnen den vollen Tod geben. Ich sage es dir: Kein Stein wird auf dem andern verbleiben, und die Nachkommen werden die Stelle nicht mehr finden, wo Jerusalem gestanden, und so sie auch etwas finden werden, da werden sie sich aber dennoch nicht danach richten können und keine Stelle sicher zu bestimmen imstande sein. Das wird geschehen von der Welt der Welt wegen. Aber jetzt ist es noch nicht an der Zeit, und dazu bin Ich nicht gekommen, um etwas zu zerstören, sondern nur um aufzurichten das Gebrochene und zu suchen und zu finden das Verlorene. Und es ist also nun besser, daß Ich auf eine Zeitlang von hier gehe, auf daß Ich und du Ruhe haben; denn sie werden Mich hier bald suchen, aber nicht finden, – und das wird gut sein.“

5. Darauf nahmen wir ein Morgenmahl und machten uns auf die Reise. Lazarus aber begleitete uns nahe bis an das Galiläische Meer hin, und es zog uns eine große Menge Volkes nach. Am Meere aber, dahin wir schon ziemlich spät abends kamen, hielt Ich an und blieb daselbst die Nacht hindurch in einer Herberge. Am Tage darauf empfahl sich Lazarus und ging mit seinen Leuten nach Hause.

6. Ich aber bestieg mit den Jüngern, deren Zahl nun schon von neuem über siebzig ausmachte, ein großes Schiff und fuhr nahe an der Stadt Tiberias über das Meer. (Joh.6,1) Da das Volk aber sah, daß Ich abfuhr, mietete es gleich auch eine Menge Schiffe und zog Mir also unaufhaltsam nach, weil es die Zeichen sah, die Ich an den vielen Kranken tat. (Joh.6,2) Wir landeten aber, mit den vielen uns begleitenden Schiffen etwa eine Stunde Weges von der Stadt Tiberias entfernt, an einer ganz unbewohnten Stelle, hinter der sich sogleich ein hoher Berg erhob.

7. Ich aber sagte zu den Jüngern: „Gehen wir auf diesen Berg! In der halben Höhe will Ich eine Rast nehmen, ohne von den aus der Stadt dieses Weges Ziehenden bemerkt zu werden; denn die Menschen dieser Stadt haben wenig guten Sinn und noch weniger Glauben; denn es ist das ein Handelsvolk, und sein Sinn ist Geld und Gewinn.“

8. Da gingen wir sogleich auf den Berg an die bezeichnete Stelle, wo es sehr anmutig war und viel Grases gab, das uns für unsere Ruhe sehr wohl zustatten kam. Allda setzte Ich Mich mit den Jüngern nieder. (Joh.6,3) Aber auch die vielen Menschen, die uns begleitet hatten, zogen uns mit ihren mitgenommenen Brotkörben nach und lagerten sich um uns. Denn es war nun schon nahe an die Ostern, das Hauptfest der Juden (Joh.6,4), und da war es Sitte, in den Körben neues, ungesäuertes Brot mitzunehmen, auch gebratene Fische, desgleichen Eier und Lämmerfleisch.

9. Ich hielt Mich aber bei fünf Tage hier auf und wir alle hatten vier Tage hindurch genug zu essen und zu trinken, da an unserer Ruhestelle auch eine gute und frische Wasserquelle sich befand. Aber als am fünften Tage der Vorrat aufgezehrt war, da machte Mich Petrus aufmerksam auf die beinahe jeden Tag mehr angewachsene Volksmenge, und daß sie nichts mehr zu essen habe.

10. Da hob Ich Meine Augen auf und überschaute die große Volksmenge und sah, daß da eine große Volksmenge zu mir gekommen war. Da sagte Ich zu Philippus, der gewöhnlich unser Zechmeister und als ein Jude gewordener Grieche manchmal noch etwas glaubensschwach war: „Ja, wo kaufen wir nun Brot für so viele, daß sie alle etwas zu essen bekommen?“ (Joh.6,5) Das sagte Ich aber nur, um den glaubensschwachen Jünger ein wenig zu versuchen, da Ich ohnehin wohl wußte, was Ich tun wollte. (Joh.6,6)

11. Und unser Jünger saß richtig auf und antwortete Mir (Philippus): „Unsere ganze Barschaft besteht nun in zweihundert Pfennigen, und um diesen Wert Brotes wird zuwenig sein, daß ein jeder von ihnen nur ein wenig für sich nehme.“ (Joh.6,7)

12. Spricht ein anderer, eben auch nicht ein allerstärkster Glaubensheld, obwohl ein Bruder des Simon Petrus (Joh.6,8): „Herr, es ist wohl ein Knabe hier, der noch fünf Gerstenbrote und zwei Fische in seinem Korbe hat; aber was ist das für so viele?“ (Joh.6,9)

13. Sagte Ich: „Bringet Mir den Knaben, und schaffet, daß sich das Volk in guter Ordnung lagere!“

14. Da an dieser Stelle viel Grases war, so lagerten sich auch bald bei fünftausend Mann, die Weiber und Kinder gar nicht gerechnet. (Joh.6,10) Da nahm Ich die Brote, dankte dem Vater und segnete sie. Darauf übergab Ich die Brote und Fische auszuteilen an die, die sich gelagert hatten, und bemerkte allen Jüngern, daß sie sowohl von den Broten als auch von den Fischen jedem so viel geben sollten, als wieviel er zu seiner Sättigung haben wolle. (Joh.6,11) Da aßen alle und wurden satt.

15. Da sie aber nicht alles aufessen konnten, so sagte Ich abermals zu den Jüngern: „Gehet hin und sammelt die übriggebliebenen Brocken, damit davon nichts verderbe und umkomme!“ (Joh.6,12)

16. Da nahmen die Jünger die größten Körbe, gingen hin und sammelten die übriggebliebenen Brocken von allen, die da gespeist worden waren, und füllten damit zwölf große Körbe voll – sage – von den fünf kleinen Gerstenbroten. (Joh.6,13)

17. Da sagten die Jünger: „Wahrlich, diese Volksspeisung übertrifft die zwei früheren! Aber was soll nun mit den gefüllten zwölf Körben geschehen?“

18. Sagte Ich: „Sie gehören dem Volke; das wird schon wissen, was es damit zu machen hat. Wir bedürfen ihrer nicht, da wir fürs erste nun auch gesättigt sind und fürs zweite aber heute ohnehin nach Kapernaum von hier abreisen werden.“

19. Da gaben die Jünger die vollen Körbe dem Volke, und jeder nahm sich einen Teil davon und keiner konnte klagen, als wäre er irgend zu kurz gekommen.

20. Da aber nun die Menschen das Zeichen sahen, das Ich gewirkt hatte, so sprachen sie: „Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll! (Joh.6,14) Was ist es denn? Wenn er also mächtig ist wie keine Macht der Welt und weiser denn Salomo, da ist es wohl an der Zeit, daß wir ihn mit Gewalt zu unserem Könige machen!“

21. Da Ich aber das wohl merkte, daß sie Mich mit Gewalt zum Könige zu machen stark im Sinne hatten, so sagte Ich im stillen zu Johannes: „Du hörst, was das Volk im Sinne hat; darum werde Ich nun schnell und unbemerkt höher auf diesen Berg entweichen. (Joh.6,15) Ihr aber bleibet bis gen Abend hier. So sich das Volk verlaufen sollte, da werde Ich wieder zu euch kommen; verläuft es sich aber nicht, so gehet hinab ans Meer. Da wird ein gutes Schiff euer harren; mit dem fahret nach Kapernaum, allwo Ich euch dann schon einholen werde!“

42. Kapitel. Johannes.06,16-21: Die Jünger fahren ohne Jesus über das Meer nach Kapernaum.

1. Solches merkte sich Johannes wohl; aber da er am meisten mit den geistigen Entsprechungen sich abgab und überall die Ursache, Wirkung und den Endzweck sehen wollte, so fragte er Mich noch um den Grund dieses Zeichens.

2. Und Ich sagte zu ihm: „Du sollst wohl vor allem das Geheimnis des Reiches Gottes recht tief fassen, und so merke denn schnell: Diese Menschen sind die Welt, die allen ihren geistigen Nährvorrat aufgezehrt hatte. Nur bei einem einfältigen Knaben war noch ein reines, unverdorbenes Gemüt, ein wenig kindlichen Glaubens; darum fand sich bei ihm auch ein Vorrat von fünf Gerstenbroten und zwei Fischen.

3. Die fünf Brote bezeichneten, daß seine fünf Sinne noch rein und unverdorben sind und darum auch sein Gemüt und seine Seele, was sich auch dadurch gleich zeigte, daß er mit der größten Freude in Mein Verlangen willigte. Die zwei Fische aber, sich wie der Liebe Gutes und des Glaubens Wahres verhaltend, oder wie Liebelebenswarmes, wie ein Feuer und Lebensweisheitslicht, zeigten seinen kindlichen Glauben, sein Vertrauen und seine Liebe an. Zugleich aber stellte seine Einheit und persönliche Wenigkeit auch das dar, wie schwach und wie wenig nun in der Welt das Gute und Wahre aus den Himmeln mehr unter den Weltmenschen vertreten ist.

4. Noch aber bezeichnen die fünf Brote Meine Lehre an die Menschen. Sie scheint viel zuwenig zu sein für alle Menschen der Erde; aber sie wird sich vermehren wie diese Brote, und dennoch wird daraus selbst für die Weisesten, die im Geiste von Mir belehrt und gesättigt werden, für die ganze Ewigkeit stets neue und tiefere Weisheiten zu erforschen und zu erkennen endlos vieles übrigbleiben. Denn die zwölf Körbe entsprechen den zwölf Stämmen Israels und diese der Gesamtheit der göttlichen, nie erreichbaren Vollkommenheit in allem.

5. Das, Mein lieber Johannes, ist die Entsprechung dieses Zeichens, und dieser Menschen Sinn, Mich zu einem Weltkönige zu machen, ist ihr finsterer und verdorbenster Weltsinn, weil sie ein mächtigstes und gefürchtetstes Weltvolk sein möchten, und aufs Haupt schlagen allen ihren vermeinten Feinden, was der Tendenz Meiner Lehre schnurgerade dawider wäre. Und so denn werde Ich nun auch schnell entweichen. Ihr aber tuet, wie Ich es euch gesagt habe!“

6. Darauf versteckte Ich Mich hinter der Schar der Jünger in ein Gebüsch und drang durch dasselbe schnell bis zur vollen Höhe des Berges; denn für Mich fand sich bald ein gebahnter Weg vor, – nur für die Mir Nacheilenwollenden nicht. Hierauf machte sich das Volk an die Jünger und wollte sie ordentlich zur Verantwortung ziehen darum, daß sie Mich hätten fortgehen lassen.

7. Da trat Johannes hervor und sagte: „Ihr seid euer doch mehr, denn wir da unser sind! Warum mochtet denn ihr Ihn nicht aufhalten? Haltet auf den Sturm und den Blitz! Gebietet den Wogen des Meeres, wenn sie empört euch zu verschlingen drohen! Und ich, nur ein Jünger, vermag es euch kundzutun: Leichter und wirksamer möget ihr den empörten Elementen Ruhe gebieten als den Willen des Gottmenschen beugen! Lasset euch darum belehren, und seid nicht so törichten Sinnes! Wie wollet ihr Den zu einem eitlen Weltkönige machen über die Juden, dessen Geist ein ewiger Herr ist über alles im Himmel und auf Erden! Solches habet ihr ja doch aus den vielen Zeichen, die Er vor euren Augen verrichtete, klar entnehmen können. Er braucht nur zu wollen, und es ist und geschieht, was Er will. Aber Seine Allsehe und Sein Wille reicht noch bis her, wie auch endlos weiter; daher seid nicht unsinnig, und begebet euch zur Ruhe, damit euch nicht etwas Unangenehmes begegne!“

8. Auf diese Rede des Johannes begaben sich viele zur Ruhe; aber einige murrten und wollten Mich um jeden Preis suchen gehen auf den Berg. Aber sie stießen bald auf derartige unübersteigbare Hindernisse, die zu besiegen die reinste Unmöglichkeit war, kamen bald ganz erschöpft von ihrer fruchtlosen Mühe zurück und konnten nun nicht begreifen, wie Ich über die fürchterlichsten Felswände emporgeklettert sei. Abwärts aber könnte Ich nirgends entwichen sein, da die möglichen Abgänge von diesem Rasenplatze alle von ihnen besetzt waren und sie Mich irgend hätten ersehen müssen. Kurz, sie sahen, daß sie nichts auszurichten vermochten, und fingen dann an, Rat zu halten, was da zu machen sein werde. Einige fragten die Jünger, was sie nun ohne den Meister tun werden, oder ob er wieder zurückkommen werde.

9. Die Jünger aber sagten: „Was werden wir nun sonst wohl machen als ziehen in unsere Heimat gen Kapernaum! Daselbst wird Er wohl wieder zu uns kommen, wie und wann Er will.“

10. Darauf fingen die Ärgsten an, sich davonzumachen; aber viele warteten noch und wollten erst sehen, was die vielen Jünger tun würden. Als es aber schon gegen Abend hin zu werden begann, da erhoben sich die Jünger und gingen eilig hinab ans Meer (Joh.6,16), wo schon ein großes Schiff ihrer harrte – wie Ich es ihnen zuvor gesagt hatte –, das sie schnell bestiegen und noch eher abfuhren, als die vielen Menschen vom Berge herab an das Meer gelangen konnten; denn der Abweg war ziemlich beschwerlich und für die ungeübten Bergsteiger nur mit mancher Mühe und Vorsicht zurückzulegen. Da aber ging es nun nach der Stadt Tiberias, und viele mieteten da auch Schiffe nach Kapernaum. Einige fuhren gleich ab, andere wieder harrten, ob Ich nicht vom Berge käme und dann mit ihnen nach Kapernaum führe. Da Ich jedoch nirgends zum Vorscheine kam, so fuhren sie erst am Morgen dahin.

11. Die Jünger aber fuhren mit gutem Winde schnell über das Meer in der Richtung gen Kapernaum. (Joh.6,17) Die Jünger aber meinten, daß Ich ihnen mit einem andern Schiffe nachfahren und sie leicht einholen werde; denn die Fahrstrecke war eine ziemlich weite, und so war es schon ganz finster geworden, als sie noch eine ziemlich weite Strecke nach Kapernaum zu segeln und zu rudern hatten, weil sie da einen Gegenwind eine zeitlang zu bekämpfen hatten. Sie schauten immer um sich, ob und von woher Ich etwa zu ihnen käme; aber Ich war noch nirgends zu ersehen und wahrzunehmen und war somit trotz ihrer großen Sehnsucht noch nicht zu ihnen gekommen. Da wurden sie traurig und sagten unter sich, Ich werde sicher erst morgens zu ihnen kommen.

12. Als sie so dachten, da erhob sich plötzlich ein starker Wind, und das Meer fing an, hohe Wellen zu werfen. (Joh.6,18)

13. Da sagten die Schiffsleute: „Die Segel schnell ganz einziehen, und alles greife kräftig zu den Rudern, sonst haben wir Unglück, so wir nicht bald in den Hafen kommen!“

14. Da griff alles zu den Rudern. Und als sie also gerudert hatten bei 25-30 Feldweges weit, da ersahen sie Mich auf dem stark wogenden Meere dahergehen bis an ihr Schiff; aber trotzdem sie das schon einmal bei einem ähnlichen Falle von Mir erlebt hatten, so übermannte sie dennoch eine große Furcht. (Joh.6,19)

15. Da Ich das wohl sah, redete Ich sie alle an und sagte: „Was fürchtet ihr euch alle denn? Sehet ihr denn nicht, daß Ich es bin?“ (Joh.6,20)

16. Da wollten Mich die Jünger in das Schiff aufnehmen, da noch eine weite Strecke bis ans Land sich zeigte; aber als sie das wollten, siehe, da war das Schiff auch in demselben Augenblicke fest am Lande! (Joh.6,21)

17. Es machte aber das bei den neuen Jüngern, da sie so etwas noch nicht erlebt und auch nie gesehen hatten, ein übergroßes Aufsehen. Auch die Schiffer kamen ganz außer sich und meinten noch immer, Ich sei irgendwo gestorben und wandle nun als ein Geist sichtbar umher, vielleicht verwunschen von einem Zauberer, oder Ich sei selbst einer und habe den Wassergeistern befohlen, Mich übers Meer zu tragen. Denn die Schiffer waren Griechen und somit auch Heiden, und konnten natürlich nicht anders urteilen, da sie vom wahren, geistigen Judentume wohl nur sehr wenig und wohl auch gar nichts wußten, darum sie denn auch bei ihrer Meinung bis auf ein späteres belassen wurden.

18. Wir aber begaben uns bald in eine uns wohlbekannte Herberge, allwo Ich schon einen Gichtbrüchigen, der samt dem Bette durch eine Dachöffnung zur Heilung ins Zimmer vor Mich hinabgelassen ward, geheilt hatte. Da wurden wir gut aufgenommen und auch sogleich bestens bewirtet.

43. Kapitel. Johannes.06,22-35: Jesu Lehre als Brot des Lebens.

1. Des andern Tages aber, als wir nach dem Morgenmahle ins Freie hinausgingen, um uns da umzusehen, was es da gäbe, da trafen wir am Ufer eine große Menge Volkes, das uns von Tiberias noch in der Nacht mit großen Beschwerden nachgefahren war. Es war aber das eben dasselbe Volk, das gestern abend jenseits des Meeres am Ufer stand und wohl sah, daß die Jünger ohne Mich allein übers Meer hinwegfuhren. Und diese Menschen sahen nun auch, daß außer ihren wohl kennbaren Schiffen kein anderes Schiff da war als allein das, in welchem sie die Jünger allein wegfahren sahen, wie auch, daß Ich durchaus nicht mit ihnen bei der Abfahrt in das Schiff getreten war, sondern daß ganz allein nur Meine Jünger weggefahren waren. (Joh.6,22)

2. Als wir aber also da am Ufer umhergingen, da kamen noch andere Schiffe an, die erst frühmorgens von Tiberias abgefahren waren. Sie fuhren aber zuerst noch an die Stelle hin, stiegen aus und besuchten noch die Stätte, wo sie durch Meine Danksagung das Brot gegessen hatten, um sich zu überzeugen, ob Ich etwa doch noch da wäre. (Joh.6,23) Da sie aber weder Mich noch die Jünger allda fanden, so eilten sie schnell zurück zu den Schiffen, die ihrer harrten, und fuhren bei gutem Winde nach Kapernaum; denn sie wußten es, daß die Jünger nach Kapernaum gefahren waren. Als sie gen Mittag hin in Kapernaum ankamen, so suchten sie sogleich die Jünger und vor allem Mich, ob Ich wohl allda wäre. (Joh.6,24)

3. Und als sie Mich nach längerem Suchen fanden, und zwar in einer Schule zu Kapernaum, wie davon noch später eine Erwähnung gemacht wird, und nun offenbar sahen, daß Ich von Tiberias nach Kapernaum auch offenbar übers Meer habe kommen müssen, da Ich auf dem weiten Umwege zu Lande über die vielen Berge und Gräben wohl gut ein paar Tage dazu benötigt hätte, bis Ich nach Kapernaum käme, da fragten sie (die Nachgereisten) Mich und sagten: „O Rabbi (Meister), wie bist du denn übers Meer gekommen?“ (Joh.6,25)

4. Ich aber gab schnell den Jüngern einen Wink, daß sie dieses niemandem sagten, da Ich es Mir vornahm, diesen Königshelden eine Lehre zu geben, die ganz geeignet sein werde, die Spreu von dem reinen Weizen zu fegen.

5. Und Ich sagte darum zu den Fragenden: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage es euch: Ihr suchet Mich nicht darum, weil ihr die vielen Zeichen, die Ich gewirket habe, gesehen habt, sondern nur darum, weil ihr als Hungrige auf dem Berge das Brot gegessen habt und davon recht satt geworden seid! (Joh.6,26) Ihr habt Mich deshalb aus Dank auch einen großen Propheten genannt und wolltet Mich endlich gar zu eurem Könige machen, dieweil ihr bei euch dachtet: ,Siehe da, der hat Macht genug wider unsere Feinde, derentwegen wir zuallermeist arbeiten müssen, und dazu kann er uns stets also Brot verschaffen, und wir haben dann nicht mehr nötig zu arbeiten!‘

6. Ich aber sage es euch: Die Speise, die wirket nicht zum geistigen Leben der Seele, sondern nur zum vergänglichen Leben des Fleischleibes. Ich – als nun auch des Menschen Sohn aber will und werde euch eine andere Speise zeigen und geben, die da bleibet und wirket für ewig in der Seele. Denn dazu hat der Vater im Himmel Mich gesiegelt und bestimmt. (Joh.6,27) Und diese Speise besteht darin, das ihr wahrhaft Gottes Willen und dadurch auch Gottes Werke verrichtet.“

7. Da sagten die Frager zu Mir: „So sage uns denn, was wir tun sollen, daß wir nach deinem Worte Gottes Werke wirken! (Joh.6,28) Wir sind nur Menschen und keine Propheten und können nur nach dem Gesetze Mosis leben.“

8. Sagte Ich: „Ja, so ihr das Gesetz Mosis hieltet, so hättet ihr Mich schon lange erkannt! Aber ihr haltet aus Furcht vor den weltlichen Strafen mit geheimem Grimm die Satzungen der Welt und erkennet Mich darum nicht, trotz dem, daß Ich solche Zeichen vor euren Augen gewirkt habe, die noch nie ein Mensch vor Mir gewirkt hat.

9. Ich will euch aber nun sagen, was von jetzt an Gottes Werk ist. Das ist von jetzt an Gottes Werk, das von euch dadurch gewirkt werden kann, daß ihr an Mich als an Den glaubet, den Gott durch die Propheten verheißen und nun zu euch in diese Welt gesandt hat!“ (Joh.6,29)

10. Da machten sie alle große und verblüffte Augen und sagten: „Was wirkest denn hernach du noch für Zeichen über die von uns gesehenen? Sage und zeige sie uns, auf daß wir sie auch sehen und dir dann glauben das, was du von dir aussagest! Also, welche andern Zeichen wirkest du noch? (Joh.6,30) Bis jetzt wissen wir nur, daß du allerlei Kranke geheilt hast, und daß du uns wahrlich wunderbarerweise mit viel Brot aus den wenigen Broten auf dem Berge ganz satt gespeiset hast. Allein, ähnliche und mitunter sogar größere Zeichen haben auch, von Moses an, andere Propheten gewirkt. Haben nicht unsere Väter in der Wüste Manna gegessen, wie es geschrieben steht: ,Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.‘?!“ (Joh.6,31)

11. Darauf sagte Ich zu ihnen: „Wahrlich, wahrlich! Moses hat euch nicht Brot vom wahren, sondern nur vom sichtbaren, irdischen Himmel aus der Luft gegeben (Joh.6,32); nur Mein Vater im wahren, geistigen Himmel gibt euch nun durch Mich das wahre Brot vom Himmel! Denn dies ist das wahre Brot vom Himmel in Mir, das der Welt das Leben gibt!“ (Joh.6,33)

12. Sie aber verstanden nicht, daß Ich unter dem wahren Brote, das der Seele das ewige Leben gibt, nur Mein Wort und Meine Lehre, die aus der ewig lebendigsten Liebe und Weisheit Gottes hervorgeht und dadurch selbst Leben und Weisheit ist und der Seele das wahre Leben gibt, verstanden und gemeint habe.

13. Darum sie, weil sie darunter nur ein Brot, das sie am Berge gegessen hatten, verstanden, denn auch sagten: „Herr und Meister, so gib uns allewege solches Brot zu essen, und wir verlangen nichts Weiteres!“ (Joh.6,34)

14. Darauf sagte Ich: „Was redet ihr, und was verlanget ihr? Habt ihr denn nicht verstanden, was Ich sagte? Ich Selbst bin das wahre Brot des Lebens! Wer zu Mir kommt, den wird es nicht hungern, und wer an Mich glaubt, den wird es nimmerdar dürsten!“ (Joh.6,35)

15. Da sagten sie: „Herr, sind wir nun doch bei dir! Und da wir seit heute morgen nichts zu uns genommen haben, so fängt es uns an dennoch zu hungern und auch zu dürsten, obwohl wir glauben, daß du ein großer Prophet bist, vielleicht größer denn Moses, von dem man nicht einmal mehr mit großer Bestimmtheit sagen kann, daß er wahrhaft einmal da war. Moses haben wir nie gesehen; dich haben wir gesehen und sehen dich noch, und so bist du uns auch offenbar mehr denn Moses und alle alten Propheten. Aber dennoch sind wir nun schon recht hungrig und durstig. Wie ist denn hernach dein Wort zu deuten?“

16. Sagte Ich geheim zu Johannes: „Siehst du, was Ich dir gestern geheim am Berge sagte, war es nicht wahr?! Diese Menschen sind noch ganz auf der Stufe der Tiere, und Ich rede darum also verdeckt, auf daß sie ganz unsinnig werden und sodann sich entfernen von Mir; denn ihre Zeit ist noch lange nicht da.“

44. Kapitel. Johannes.06,36-58: Jesu Mission auf Erden. Was Fleisch und Blut Jesu bedeuten.

1. Hierauf wandte Ich Mich wieder zu den Menschen und sagte: „Aber was redet ihr?! Habe Ich denn je gesagt, daß ihr Mich nicht gesehen habt?! Ich Selbst weiß, sage und sagte es euch, daß ihr Mich und Meine Zeichen gesehen habt, und dennoch glaubet ihr nicht (Joh.6,36), daß alles und jedes, was Mein Vater im Himmel Mir gibt, zu Mir kommt, und daß Ich den, der zu Mir kommt, sicher nicht hinausstoßen werde. (Joh.6,37)

2. Merket es denn, was Ich euch sage: Ich bin nicht gleich euch von dieser Welt, sondern Ich bin vom Himmel herab gekommen, – aber nicht darum, daß Ich gleich euch täte Meinen eigenen Willen, sondern nur den Willen Dessen, der Mich hierher in diese Welt gesandt hat.“ (Joh.6,38)

3. Da fragten sie und sagten: „Was ist denn hernach der Wille dessen, der dich vom Himmel aus zu uns in diese Welt gesandt hat?“

4. Sagte Ich: „Für taube Ohren ist schwer predigen und für die Blinden schwer schreiben. Das aber ist der Wille des Vaters, der Mich gesandt hat: daß Ich nichts verliere von allem, was Er Mir gegeben hat, sondern daß Ich alles wiederbringe und zum Leben auferwecke am Jüngsten Tage.“ (Joh.6,39)

5. Da sagten etliche: „Der Mensch redet sonderbar; uns deucht es, daß er verwirrt ist.“

6. Andere aber sagten: „Rede klar und erkläre dich deutlich! Was ist da mit dem Jüngsten Tage?“

7. Sagte Ich: „Wenn ihr Mich erkennen und an Mich glauben werdet, dann wird ein jüngster, wahrer Tag in eurer Seele werden, an dem Ich euch durch die Macht der Wahrheit Meiner Lehre auferwecken werde. So ihr aber an Mich nicht glaubet und Mich nicht erkennet, so wird in eurer Seele wohl schwerlich je ein jüngster Tag werden.“

8. Sagten abermals die Menschen: „So sage uns denn klar, was da ist der Wille des Vaters!“

9. Sagte Ich: „So höret denn! Das ist der Wille des Vaters, der Mich gesandt hat, daß der, welcher den Sohn sieht, an Ihn glaubt und Ihn erkennt als den wahren Messias der Welt, das ewige Leben habe, – und Ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage! (Joh.6,40) Was der jüngste Tag aber ist, das habe Ich euch schon gezeigt.“

10. Auf das fingen die Juden an, besonders darob zu murren, daß Ich gesagt hatte: ,Ich bin das Brot des Lebens, das vom Himmel gekommen ist.‘ (Joh.6,41)

11. Und sie sagten: „Ist dieser etwa nicht der Zimmermann Jesus, des Zimmermanns Joseph Sohn?! Wir kennen doch ihn, den Vater und die Mutter nur zu gut! Wie kann dieser hernach sagen, daß er vom Himmel gekommen sei?! (Joh.6,42) Sein Verstand und seine sonstigen seltenen Eigenschaften können ihm allerdings vom Himmel aus gegeben sein, da ohne einen göttlichen Anhauch kein großer und berühmter Mann noch jemals irgendwo existiert hat; aber er selbst für seine Person kann vor uns doch nicht festweg behaupten, daß er sogar als ein wahrstes Nährbrot zum ewigen Leben vom Himmel herab zu uns gekommen sei!“

12. Sagte Ich: „O murret nicht untereinander! (Joh.6,43) Ich sage es euch noch einmal: Es kann niemand zu Mir kommen (Mich erkennen), es sei denn, daß ihn ziehe der Vater (die Liebe aus Gott und zu Gott), der Mich gesandt hat, und nur Ich (Mein Wort und Meine Lehre) werde ihn auferwecken am jüngsten Tage! (Joh.6,44)

13. Es steht aber sogar geschrieben in den Propheten: ,In jener Zeit aber, die da kommen wird – und nun da ist –, werden sie alle von Gott gelehret sein!‘ Und Ich sage es euch nun eben darum: Wer es nun lernet vom Vater (Gottes Liebe), der kommt zu Mir (der auch wird Mich wohl erkennen). (Joh.6,45)

14. Ich sage euch aber das nun nicht etwa unter der Voraussetzung, als habe von euch jemand je den Vater gesehen, – sondern eben allein Ich, der Ich vom Vater ausgegangen bin, habe den Vater gesehen zu aller Zeit. (Joh.6,46) Darum sage Ich euch trotz eures Murrens: Wahrlich, wahrlich, wer an Mich glaubt, der hat schon in sich das ewige Leben (also Meine volle Erweckung am jüngsten Tage)! (Joh.6,47) Und Ich Selbst bin vollwahr das Brot des Lebens! (Joh.6,48)

15. Eure Väter haben wohl Manna in der Wüste (sinnliches Fleischleben) gegessen, aber sie sind gestorben, ihrer gar viele auch in ihren Seelen. (Joh.6,49) Dies Brot aber, das Ich in Mir Selbst vorstelle, und das wahrhaft vom Himmel alles Seins und Lebens gekommen ist, wirket, daß jeder, der davon isset (die Lehre gläubig annimmt und danach tut), nimmerdar sterbe. (Joh.6,50)

16. Wahrlich! Ich bin als das lebendige Brot vom Himmel gekommen! Wer von diesem Brote essen (die Lehre werktätig annehmen) wird, der wird fortan leben in Ewigkeit! Und sehet, das Brot, das Ich geben werde, ist Mein Fleisch, das Ich geben werde für das Menschenleben dieser Welt!“ (Joh.6,51) (Darunter ist zu verstehen die äußere, materielle Umhülsung Meines Wortes, innerhalb dessen sich das lebendige, geistige Wort befindet wie der lebendige Keim in seiner toten Umhülsung.)

17. Das war nun für die von einem geistigen Sinne nicht den geringsten Begriff habenden Juden zu viel, und sie fingen an, förmlich zu zanken unter sich.

18. Ein Teil sagte: „Lassen wir ihn doch reden, und am Ende werden wir schon sehen, was da noch alles herauskommen wird!“

19. Die weniger Gemäßigten aber sagten: „Ei was, das sieht und merkt man nun ja auf den ersten Blick, daß der Mensch von Sinnen ist! Früher war er doch noch ein Brot aus den Himmeln, das wir essen sollen, um das ewige Leben zu erlangen; jetzt verlangt er gar, daß man sein Fleisch essen solle! Narrheit! Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben? (Joh.6,52) Und wie viele würden sich an seinem Fleische wohl ins ewige Leben hinein sättigen können?! Wenn das die Bedingung zur Erlangung des ewigen Seelenlebens ist, da werden blutwenige dasselbe erlangen!“

20. Sagte Ich: „Ihr möget streiten und zanken, wie ihr wollet, und es ist dennoch also, wie Ich es euch gesagt habe. Und Ich sage euch nun noch bei weitem mehreres: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes und trinken Sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch!“ (Joh.6,53) (Was das Fleisch bedeutet, ist bereits gezeigt worden; das Blut als das eigentlich physische Lebensfluidum, das dem Leibe das Leben gibt, ihn erhält, ernährt und ihm den fortpflanzenden Lebenskeim gibt, ist das eigentliche, innere Lebensgeistige im äußeren Buchstabenworte.)

21. Jetzt war es bei einigen Juden noch mehr aus.

22. Einige fingen ordentlich an zu lachen, die Gemäßigteren aber sagten: „So lasset ihn doch ausreden! Wer weiß, was da am Ende noch alles herauskommen wird! Wir wissen es ja, daß er sonst oft gar recht weise geredet hat.“ Und sie wandten sich an Mich und sagten: „Lieber Meister, wir ersuchen dich, daß du vernünftig redest!“

23. Sagte Ich: „Wie kann Ich das wohl?! Ich rede nun als das, als was ihr Mich erkanntet am Berge; Ich rede denn vor euch als ein großer Prophet! Zeiget Mir aber einen Propheten, der je auf eine andere Weise zum Volke geredet hätte! Und Ich sage euch darum noch einmal: Wer Mein Fleisch isset und trinkt Mein Blut, der hat das ewige Leben, und Ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage. (Joh.6,54) Denn Mein Fleisch ist die rechte Speise, und Mein Blut ist der vollrechte, belebende Trank. (Joh.6,55)

24. Noch sage Ich euch zu dem allem hinzu: Wer da Mein Fleisch ißt und Mein Blut trinkt, der bleibt in Mir und Ich in ihm. (Joh.6,56) Wie Mich aber wahrhaft gesandt hat der ewig lebendige Vater und Ich derzeit hier lebe um des Vaters willen, desgleichen wird also auch derjenige, der Mich ißt, leben um Meinetwillen. (Joh.6,57) Und eben dies ist dasjenige Brot, das vom Himmel, wie schon früher gesagt, gekommen ist, das nicht die Eigenschaft hat wie das Manna in der Wüste, das eure Väter gegessen haben und gestorben sind, wie Ich schon früher gezeigt habe, sondern wer dieses Brot essen wird, der wird leben in Ewigkeit.“ (Joh.6,58)

45. Kapitel. Johannes.06,59-64: Urteile des Volkes über die geheimnisvolle Rede Jesu.

1. Da Ich solches geredet in einer Schule zu Kapernaum (Joh.6,59), so waren natürlich nebst Meinen nun vielen Jüngern und nebst der großen Menge Mir von Jerusalem gefolgten Volkes auch noch eine Menge Juden zugegen, und so machte diese auch von Meinen ersten Jüngern nicht verstandene Lehre vieles und wunderliches Aufsehen und gab zu vielen Disputationen Anlaß.

2. Einige sagten: „Er kann da seines Leibes Fleisch und Blut nicht gemeint haben.“

3. Andere wieder sagten: „Ja, was anderes sollen wir denn darunter verstehen? Wenn er ein Weiser ist und das Volk belehren will – in einer öffentlichen Schule auch noch dazu –, so rede er zu den Menschen also, daß sie ihn verstehen können; denn wir Menschen sind nun einmal Menschen und keine Geister, und ein rechter Weiser muß das wohl wissen und klar einsehen, mit welchen Zuhörern er zu tun hat. Aber das war ja eine derart unsinnig harte Lehre, die wahrlich kein menschlich vernünftiger Mann anhören kann! (Joh.6,60) Uns hat es nur gewundert, wie ihn viele so lange haben anhören können. Hätte er diese Lehre in der indischen Zunge vorgetragen, so hätten wir den gleichen Nutzen davon gehabt!“

4. Sagten wieder die Gemäßigteren: „Das ist vorderhand wohl wahr, aber wir sind denn doch der Meinung, daß dahinter ganz etwas anderes steckt, und daß er vielleicht nur geflissentlich also geredet hat, um unsere Seelen in ein regeres und tieferes Denken zu nötigen, – und so wir ihn um eine nähere Aufklärung dessen bäten, vielleicht gäbe er sie uns?!“

5. Sagten die andern: „Haben wir das etwa nicht getan?! Als er uns näher hätte erklären sollen, wie er denn, als ein wahres Brot vom Himmel herkommend, zu verstehen sei, da kam er dann gar auf sein eigenes Fleisch und Blut, das man essen und trinken solle, um das ewige Leben zu bekommen! Das sind entweder geflissentlich so artig gegebene Rätsellehren, die kein Mensch je verstehen soll, oder der sonst gute Mensch hat sich mit uns auch einmal einen Scherz erlaubt. Sei ihm nun aber, wie ihm wolle, so kann eines wie das andere für uns keinen Wert haben! Wer aber so gesunder Vernunft ist wie wir, der folge uns und gehe seine Wege!“

6. Darauf gingen viele aus der Schule, und es blieben nur noch die vielen Jünger, wie natürlich auch die zwölf erwählten Apostel; denn diese harrten noch auf eine nähere Erklärung. Aber unter sich murrten auch diese und sagten: „Es ist doch sonderbar mit Ihm! Heute hätte Er mit einer klaren und der Menschenvernunft angemessenen Lehre Tausende zu festen Anhängern Seiner Lehre machen können; so aber hat Er Sich auf langehin geschadet! Denn wer wird Ihn von nun an noch länger anhören und ertragen können?!“

7. Auch die Judgriechen sagten unter sich: „Das ist ein gewaltiger Sprung und Unterschied zwischen den Lehren in Bethania und nun dieser hier! Die Juden, die nun fortgegangen sind, haben die Sache, wie sie nun steht, ganz richtig beurteilt. Aber vielleicht wird Er Sich später einmal darüber doch noch klarer ausdrücken, – und jetzt sind die alle weg, die Ihn am Berge zu einem Könige haben machen wollen, und so wird Ihn jetzt weniger mehr etwas behindern, mit uns ein offenes Wort zu reden.“

8. Da Ich aber das bei Mir wohl merkte, daß sich darob auch viele Jünger ärgerten und untereinander murrten, so sagte Ich zu ihnen: „Wie mag denn euch das ärgern?! (Joh.6,61) Sagte Ich denn nicht zu einem Meiner Jünger, daß diese Menschen noch lange nicht reif sind zur inneren Aufnahme des Reiches Gottes?! Ich aber habe nun allen einen guten Stoß versetzt, der sie nun viel beschäftigen und sie reifer machen wird für die Folge. Denn Ich muß Mir die Menschen ja erst zurichten, damit sie in der Folge die tieferen Geheimnisse des Reiches Gottes desto leichter sollen zu fassen imstande sein. Ich frage euch nun nur, was ihr denn dann dazu sagen werdet, so ihr Mich als den nun vor euch seienden Menschensohn wieder dahin auffahren sehen werdet, wo Er von Ewigkeit zuvor war?“ (Joh.6,62)

9. Sagten die Jünger: „Ja, ja, das kann alles sein und wird auch sicher sein; denn dafür sprechen Deine zu wunderbaren Zeichen. Aber daß man zur Gewinnung des ewigen Lebens, Herr und Meister, Dein Fleisch essen und Dein Blut trinken soll, das ist doch selbstverständlich ein Etwas, das nach der Art Deines Vortrages rein unausführbar ist! Uns allen liegt sicher sehr viel daran, dem Tode zu entgehen – und wenn es sich nur allein um das sofortige Seelenleben handelt, weil der Leib ohnehin Erde und Staub ist, der schwerlich je wieder belebt wird –; aber wenn solches nur auf Unkosten Deines Leibesfleisches und -blutes möglich ist, das ohnehin nur für sehr wenige hinreichen würde, so verzichten wir auch auf das ewige Leben der Seele und wollen so als ehrliche Menschen unser Leben für ewig auf dieser Erde beschließen. Verstehst Du aber etwas anderes darunter, so würdest Du wahrlich wohl daran tun, so Du uns darüber ein näheres Lichtlein gäbest. Wenn Du jüngst einmal gar wieder dahin auffahren wirst, von wo Du nach Deiner Aussage gekommen bist, wo und wie wird man denn dann Dein Fleisch und Blut haben können? Also, mit dieser heutigen Lehre ist es ohne eine nähere Beleuchtung offenbar vollkommen nichts!“

10. Sagte Ich: „Habe Ich denn nicht gesagt, daß für die Tauben schwer zu predigen und für die Blinden schwer zu schreiben ist?! Ist es denn nicht nur der Geist, der lebendig macht, während das Fleisch nichts nütze ist?! Die Worte aber, die Ich zu euch geredet habe, sind Geist und Leben und nicht ein irdisch Fleisch und Blut. (Joh.6,63)

11. Aber Ich sage es euch nun auch ganz offen, daß es mehrere unter euch gibt, die entweder keinen oder nur einen sehr geringen Glauben haben, und es gibt sogar unter Meinen ältesten Jüngern noch welche, die Ich vom Anfange kannte, daß sie wenig Glauben hatten, und einer darunter ist gar ein Geizhals, ein Dieb und ein Verräter!“ (Joh.6,64)

46. Kapitel. Johannes.06,65-70: Eine Prüfung für die Jünger Jesu.

1. Das wirkte wie ein Donnerschlag, so daß sich darob viele sehr entsetzten, und etliche sagten: „Herr, warum sagtest Du denn das nicht schon lange früher?! Wahrlich, wir hätten solch einen Unwürdigen unter uns schon lange entdeckt und für immer von uns entfernt, so Du in Deiner großen Geduld schon nicht Selbst an ihn Deine Hände legen wolltest!“

2. Sagte Ich: „Ich habe es euch schon oft gesagt, daß auf dieser Welt alles seine Zeit und sein Maß hat. Zur Zeit der Ernte aber wird kein kluger Hauswirt das Unkraut mit dem reinen Weizen einsammeln, sondern allein die reinen Weizenähren, und er wird alles Unkraut, das auch wucherisch unter dem Weizen aufwuchs, von seinen Knechten in Bündeln zusammensammeln lassen, um es dann zu verbrennen zum Düngen des Ackers.

3. Ich sagte es euch aber ja eben darum früher schon, daß wahrhaft niemand zu Mir kommen kann, außer es ist ihm solches gegeben vom Vater (Joh.6,65), welcher ist die Liebe und das Leben und die Wahrheit in Sich also, wie Ich es bin vom Vater aus und also im gleichen auch von Mir aus, da Ich im Vater und der Vater in Mir ist.

4. Glaube ja niemand von euch, daß jemand darum schon wahrhaft bei Mir ist, weil er mit Mir nun umherzieht, Meine Worte hört und Meine Zeichen bewundert, – sondern nur allein der ist wahrhaft bei Mir, den eine innere, ganz reine Liebe zu Mir zieht, und der ohne alles Bedenken das vollauf glaubt, was Ich lehre, und daß Ich als nun zeitweiliger Menschensohn vom Vater ausgegangen bin und im Geiste eins bin mit Ihm.“

5. Da sagten die Jünger, bis auf die Judgriechen inbegriffen und bis auf die Zwölfe: „Ja, wenn so, da nützt uns unser Umherziehen mit Ihm so wie so nichts! Das Harte und Unglaubliche verstehen wir nicht – und können es darum auch nicht glauben. Ihn vollauf ganz rein lieben ist auch so eine Sache, da Er Sich gegen uns nun fürwahr auf eine Art benimmt, die uns wenig Neigung für Ihn einflößen kann. Daher ziehen wir uns nur fein wieder zu unserem Moses zurück; denn der ist uns klarer und verständlicher. Gott lieben aber heißt ohnehin nur, Seine Gebote halten, und so hoffen wir, dereinst auch ohne den Glauben an diese rätselhaften Lehren selig zu werden.“

6. Darauf gingen dann viele hinter sich und wandelten hinfort nicht mehr mit Mir, obwohl sie später viel über solche Meine Worte nachdachten. (Joh.6,66) Da Ich aber zu niemandem der Fortgehenden ein Wort sagte, daß er etwa bleiben und Geduld haben solle, so fingen auch die Gebliebenen an, ganz betrübte Gesichter zu machen, und wußten nicht, wie sie daran waren, – ob auch sie gehen oder bleiben sollten.

7. Da sagte Ich zu ihnen in einem freundlich-fragenden Tone: „Wollt denn auch ihr nun weggehen? (Joh.6,67) Ihr seid von Mir aus ebenso frei wie ein jeder Mensch auf dieser Erde.“

8. Da sagte zu Mir Simon Petrus: „Herr, wohin sollen wir nun gehen? Du allein nur hast ja Worte des Lebens, wenn wir sie auch nicht sogleich in aller ihrer Tiefe zu fassen imstande sind. (Joh.6,68) Zur rechten Zeit wirst Du sie uns schon wieder näher beleuchten, wenn wir Deines höheren Lichtes würdiger sein werden denn jetzt. Und dazu haben wir ja gleich anfangs geglaubt und erkannt, daß Du Christus und der lebendige Sohn Gottes bist, und da können wir dich, o Herr, ja unmöglich mehr verlassen! (Joh.6,69) Herr, verstoße nur Du uns nicht, und habe Geduld mit unseren noch immer großen Schwächen!“

9. Sagte Ich: „Also ist es gut und recht, und also bleibe es auch! Aber da wir noch hier in dieser offenen Musterschule zu Kapernaum weilen, so kann Ich nicht umhin, euch noch etwas zu entdecken. Ihr wisset, wie Ich vorigen Jahres in dieser Gegend aus den vielen Jüngern euch Zwölfe erwählt habe, – und sehet, dennoch ist unter euch einer ein Teufel!“ (Joh.6,70)

47. Kapitel. Johannes.06,71: Judas Ischariot.

1. Ich aber meinte hier offenbar den Judas Ischariot, da Ich schon von Anfang an gar wohl erkannte, wessen Geistes Kind er war. (Joh.6,71) Aber er hatte dennoch vielen Eifer, war vollauf tätig und konnte gut reden und die Lehre vortragen, und so wurde er denn auch der guten und nicht der schlechten Sache wegen von Mir zu einem Vorsendling mit den andern elfen erwählt. Da er aber als solcher durch seinen ernsten Eifer und durch seine Beredsamkeit mehr ausrichtete in derselben Zeit denn die andern elfe zusammen, so fing er denn auch an, sich viel darauf einzubilden.

2. Als aber dann seinem Hochmute durch manches begegnet wurde, da nagte in ihm immer mehr und mehr ein geheimer Groll, und er wurde darum von Tag zu Tag verschlossener und hatte ein scharfes Auge auf die andern elf Jünger, um bei ihnen einmal etwas zu erspähen, um sie dann vor Mir zur Rede zu stellen. Da aber so etwas nicht vorkam, das ihm zur Kühlung seines Grolles hätte dienen können, so ward er im geheimen stets bitterer und sah sich stets emsiger nach einer Gelegenheit um, seine Brüder irgendeinmal in eine Verlegenheit zu bringen; um ein passendes Mittel nur sann er oftmals bei sich.

3. Er war ein geiziger und geldsüchtiger Mensch, der selbst oft mit aller Beredsamkeit den Besitz des Geldes für etwas höchst Notwendiges fürs irdische Leben darstellte, weil die Weltbeherrscher es eben zur Erleichterung des sonst mühsamen Tauschverkehrs eingeführt hätten.

4. Er sagte auch einmal zum weisen Nathanael, mit dem er noch am meisten sich besprach: daß Ich zum irdischen Leben nun offenbar keines Geldes bedürfe, das sei ganz klar und rein einzusehen; denn mit der göttlichen Allmachtspotenz ausgerüstet, könne man allenthalben ohne Geld durchkommen. Aber Menschen ohne diese Potenz und ohne das Glück zu haben, Meine Jünger zu sein, müßten zum irdischen Lebensunterhalte so gut und notwendig Geld haben wie der Kaiser selbst, um damit zu bezahlen seine Soldaten und andere Staatsdiener.

5. Nathanael bewies ihm zwar immer, daß das Geld dennoch ein großes Übel unter den Menschen sei, obwohl es wie jedes irdische Gut in der Hand eines Gerechten auch zu vielem Guten der Grund sein könne. Aber das Üble werde es stets bei sich behalten, daß es die Gier der Menschen danach sehr erwecken und zumeist die Ursache sein werde von Lastern und Freveln aller Art im Kleinen wie im Großen.

6. Das ließ zwar unser Judas Ischariot wohl gelten, erklärte aber das Geld dennoch also für ein notwendiges Übel, wie auch der Leib für die Seele ein notwendiges Übel sei. Wenn aber die Seele den Leib weise benütze, so sei der Leib für sie auch ein Tempel des Heils, durch den allein sie zum ewigen Leben gelangen und die wahre Kindschaft Gottes erreichen könne.

7. So wußte er durch seine Beredsamkeit überall einen sogenannten Rechtshaken zu finden, und es war schwer, mit ihm zu rechten. Aber er brachte es mit seinen Rechtssophismen so weit, daß er gleich den Spartanern und Kretensern sogar den Diebstahl als eine im Notfalle gerechte Sache darstellte und den Moses der Schwachsinnigkeit beschuldigte, daß er jeden Diebstahl als eine bare Sünde darstellte. Er bedachte aber nicht, daß selbst der erlaubte, selbst notfälligste Diebstahl mit der Zeit die Menschen zur größten Trägheit verleitet und niemand mehr etwas gearbeitet und gespart hätte, wenn er gewußt hätte, daß, so er irgendeinen Vorrat hätte, solcher bald verraten und ihm von den Notleidenden alsbald abgenommen werden würde. So aber solche Sitte bei den Menschen als erlaubt eingeführt würde, wie sähe es dann mit der Nächstenliebe aus und wie mit einer Erkenntnis Gottes?!

8. Nathanael zeigte dem Judas wohl, daß sich seine Diebstahlsrechtfertigung mit seinen höchst ökonomischen Bestrebungen nicht vertrage und der erlaubte Diebstahl jede noch so gerechte Sparsamkeit zunichte mache. Aber da war er schon wieder mit seiner Versteckklugheit da, und so war mit ihm nichts zu machen. Nur wenn Ich ihm einen Verweis gab, da ließ er dann auf eine Zeitlang von seinen Ideen ab und überließ sich geheim besseren Betrachtungen. Darum gab Ich ihm in der Schule auch noch diesen Stoß, den er wohl bei sich verstand, obwohl die andern Jünger nur mutmaßten, aber dennoch nicht bestimmt mit den Fingern auf ihn zeigen mochten, weil Ich das eben auch nicht wollte, obwohl Ich wußte, was er alles noch tun werde; denn zu seinem Falle mußte auch sein Maß voll werden, und er mußte sich am Ende selbst in sich lebendig überzeugen, daß alle seine irdischen Handlungstendenzen zum abschreckenden Beispiele für alle Menschen grundböse waren, ansonst für seine Seele auch jenseits keine Besserung möglich gewesen wäre.

9. Das ist nun als das Charakteristische dieses Jüngers darum wiedergegeben, um den Grund mehr einzusehen, warum Ich ihn diesmal einen Teufel nannte; denn ihm war es auch am meisten geheim nicht recht, daß Ich in der Schule eine solche Rede hielt, an der sich so viele ärgerten und darum von Mir sich entfernten; denn er hatte mit ihnen schon allerlei Spekulationen geheim bei sich beschlossen und ärgerte sich darum auch geheim am meisten. Ja er machte sogar geheim dem Nathanael die Bemerkung, daß Ich im Hause des Petrus über das Übel der Ärgernisse Mich sehr scharf ausgesprochen hätte, nun Selbst aber Tausende bis zum Grünwerden ärgere, und wie solches hernach mit Meiner Lehre zusammenhinge.

10. Nathanael sagte freilich, daß Ich damals hauptsächlich nur von dem bösen Ärgernis der kleinen Kinder geredet hätte.

11. Aber unser Sophist wußte auch da etwas zu entgegnen, und als Ich etwa um die vierte Stunde des Nachmittags mit den Jüngern die Schule verließ und wieder in unsere gute Herberge zog, da ging Judas Ischariot nicht mit, sondern verlief sich in die Stadt zu einigen Bekannten, wo viel über Meine unverstandene Rede geredet wurde. Aber da zeigte er sich wieder als Mein Jünger und als ein guter Redner und machte ihnen durch allerlei rednerische Kniffe Meine Rede erträglicher, wennschon nicht im rechten Lichte. Wir sahen ihn bei sieben Tage lang nicht, welche Zeit wir uns in und um Kapernaum aufhielten. Aber dann kam er wieder zu uns.

48. Kapitel. In der Herberge des Wirtes von Kapernaum.

1. Wir aber, als wir aus der Schule in unserer Herberge ankamen, fanden schon einen bestbestellten Tisch mit Wein, Brot und Fischen, und der Wirt hatte eine große Freude, Mich und Meine nun bedeutend wenigeren Jünger bei sich zu Gästen zu haben.

2. Erst als wir alle schon vollauf gegessen und getrunken hatten, fragte uns der Wirt, sagend: „Herr, diesmal scheint Deine geheimnisvolle Lehre den vielen einheimischen und fremden Zuhörern in der großen, offenen Schule nicht recht gemundet zu haben; denn sie gingen alle ärgerlich hinaus und davon. Einige schimpften mehr, die andern weniger, und die Fremden und auch viele, die gestern noch als Jünger bei Dir waren, sagten, Du habest allda nur geflissentlich also geredet, um sie auf eine feine Art loszuwerden, was von Dir nicht schön gewesen sei, da sie sich schon selbst mit ihren Geldmitteln verköstigt hätten.

3. Bei mir waren mehrere, die sich darob sehr aufhielten und auch sagten, daß sie auf Dich die größte Hoffnung gesetzt hätten sie seien aber nun auf eine sehr unangenehme Art enttäuscht worden, und sie sagten auch, daß Du auf diese Art trotz Deiner höchst wunderbaren Zeichen bei den Menschen mit solcher Deiner Lehre sehr wenig Eingang finden würdest. Ich ließ sie reden und sagte gar nichts dazu. Sie bezahlten dann ihre Zeche, bestiegen ihre Schiffe und fuhren ab.

4. Mir aber war das ganz angenehm zu vernehmen, daß diese großsprechenden Weisen durch Dich, o Herr, einmal mit ihrem Verstande so ganz zu kurz gekommen sind. Denn schon gestern in der Nacht, als Du nach dem eingenommenen Mahle Dich zur Ruhe begeben hattest, wurde über Deine Brotvermehrung und wegen Deiner etwa wunderbaren Hierherkunft übers Meer viel pro und contra gewortwechselt. Der eine machte sich mit seiner Weisheit so und der andere so breit. Aber ich dachte mir: ,Na wartet nur, ihr weisen Juden! Der Herr wird zur rechten Zeit eurer Weisheit sicher eine Schranke setzen, über die euer gar so heller Verstand sicher nicht springen wird!‘ Und heute ist mein geheimer Wunsch schon in die vollste Erfüllung gegangen!

5. Ich war wohl auch selbst in der Schule und habe den Hauptteil Deiner Rede gar wohl vernommen; aber ich fand gar nichts darin, was mich nur im geringsten hätte befremden können. Denn daß Du, obwohl jetzt in voller Menschenform, der Herr bist über Himmel und Erde und über alle Geister- und Sinnenwelt, das war mir schon längst klar. Wer außer Dir kann schaffen für alle Menschen und Tiere das Nährbrot, und wer außer Dir gibt den Geistern wie nun auch unseren Seelen das ewige Leben, ihre Liebe und ihre Weisheit, was ich für das wahre und lebendige Brot, aus den Himmeln kommend, ansehe?! Ich habe das noch einigen Besseren in der Weise klarer machen wollen; aber ihr dummer und sehr aufgeblähter Verstand begriff es dennoch nicht.

6. Desgleichen tat ich auch, als Du gar handgreiflich von Deinem Fleische und Blute zu reden begannst, weil sie mich fragten, wie ich denn das verstünde. Nun sagte ich: ,Das ist ja noch klarer als das Frühere und erklärt und bestätigt meine frühere Ansicht! Irdisch genommen, ist die Erde nicht gewisserart ein wahrer Gottesleib und all das befruchtende Gewässer sein Blut?! Wo kommt denn alles irdische Nährbrot sonst etwa noch her? Und ist in geistiger Beziehung Gottes Liebe zu uns unwürdigen Menschen etwa nicht ein wahrster Erdboden für uns, der uns leiblich und geistig trägt, duldet und nährt, und ist die Gabe der Vernunft und des Verstandes und nun Seine Lehre dazu nicht etwa das wahrste und lebendigste Blut Gottes, das unsere nach Weisheit dürstenden Seelen erquicket, stärkt und wahrhaft lebendig macht?!‘

7. Da sagten etliche: ,Ja, das ist alles recht schön gesagt; aber warum schickt denn er selbst keine solche Erklärung seiner Rede nach?‘

8. Da sagte ich: ,Er wird schon Seinen guten Grund haben! Wahrscheinlich wird Er also denken: ,Wer an Mich wahrhaft glaubt, der wird Mich auch verstehen; wer aber bei den vielen Zeichen und bei der Weisheit Meiner Lehren noch nicht glaubt, daß Ich der Herr Jehova Zebaoth bin, der soll wieder in seine Welt zurückgehen und soll gleich den dummen Schweinen im Kote der Erde herumwühlen!‘‘

9. Da wurden sie toll und gingen. – Herr, habe ich dadurch doch etwa nicht unrecht gehandelt?“

10. Sagte Ich: „Oh, mitnichten! Denn fürs erste hast du Meine Worte ganz vom Grunde aus gut verstanden und hast sie den Blinden auch ganz gut erklärt, und fürs zweite war deine Schlußbemerkung ganz am rechten Flecke! Denn es sind derartige Menschen wahrlich mit den Schweinen zu vergleichen, die, je heller und wärmer die wahre Sonne der Himmel zu scheinen beginnt, desto gieriger und eifriger zu den schmutzigsten Schlammpfützen der Welt rennen und sich ganz vollglücklich fühlen, so sie in ihrem alten Kote herumwühlen können. Sagte Ich ihnen am Ende doch klar heraus, daß das Fleisch und das Blut, das sie meinen, nichts nütze sei, und daß Meine Worte Geist und Leben sind! Aber die Ochsen und Schweine faßten es dennoch nicht, und deshalb war deine Schlußbemerkung ganz am rechten Flecke, und Ich bleibe darum nun mehrere Tage bei dir.

11. Aber nun bringe noch Wein; denn wir wollen heute und die anderen Tage recht heiter sein! Ich habe nun eine rechte Freude an dir; denn du hast Mich besser verstanden als irgendeiner Meiner Jünger. Gen Abend hin wollen wir fischen gehen, damit dir ein Vorrat werde für dich und für uns. In der Stadt aber machet Mich nicht ruchbar; denn da hätten wir wenig Ruhe. – Und nun bringe uns Wein und Brot!“

49. Kapitel. Jesu Duldsamkeit gegen Judas Ischariot.

1. Wir tranken nun den Wein und aßen das Brot dazu; denn wir waren unser bei zweiunddreißig Personen und hatten so noch eine Nachstärkung vonnöten.

2. Während wir also noch den Nachtisch fröhlich hielten, sagte einer der Judgriechen: „Herr und Meister! Dieser unser äußerst freundlicher Wirt wäre ja sehr tauglich, die Stelle des Dich stets ärgernden Jüngers einzunehmen und dem andern, so er auch wieder käme, das römische CONSILIUM ABEUNDI zu erteilen. Denn soviel wir gemerkt haben, so geht er noch ärger aufs Geld denn jeder Templer, und all sein Sinnen ist Welt- und Wohlleben. Nebstdem besitzt er noch eine sehr üble Leidenschaft, und diese besteht im leeren Großtun und Lügen, und mit solch einem Jünger ist Dir und der Menschheit wenig gedient. Dieser Wirt aber ist wahrlich mit einem eigens hellen Geiste begabt und versteht selbst Deine geheimsten Reden wahrlich besser denn Deine alten Jünger; daher wäre er ja ein ganz vortrefflicher Stellvertreter für den Abwesenden.“

3. Sagte Ich: „Ich werde Mich nun von jetzt an bis zum Laubrüstfeste in Galiläa aufhalten und werde selbst dann Mich noch sehr überlegend verhalten, ob Ich nach Jerusalem zum Feste ziehen werde, und da haben wir Zeit zur Genüge, in der uns unser Wirt Matthias (Mai oder Moi diaz = ,mein Arbeiter‘, auch ,mein Knecht‘ oder ,Diener‘) überallhin geleiten kann und auch wird, bei welcher Gelegenheit er noch gar vieles für Ohr und Aug und für Herz und Seele erfahren wird. Dann aber wird er eben für diesen Ort ein ganz guter und tüchtiger Ausbreiter Meiner Lehre werden; denn auch diese Menschen sind Mir gegeben zur Belebung und nicht zum Tode.

4. Was aber den Abwesenden betrifft, so mag er kommen, wenn er will, – kann aber auch ausbleiben, so er will; denn ein jeder Mensch, gut oder böse, verhält sich gegen Mich dem Geiste nach wie gegen die Sonne dem Leibe nach. Will er sich von den Strahlen der Sonne beleuchten und erwärmen lassen, so kann er es tun – ob er ein guter oder ein böser Mensch ist, so wird ihm das nicht verwehrt –; will er es nicht, so wird er von Gott aus dazu auch nicht gezwungen werden, darum es denn auch heißt: ,Gott läßt Seine Sonne scheinen über Gute und Böse.‘ Und sehet, also ist es auch bei Mir in der lebendig-geistigen Hinsicht! Wer Mir folgen will, der kann es tun, und Ich werde ihn nicht von Mir weisen, und sollte er ein noch so großer Sünder sein! Denn Ich bin ja nur der Verlorenen und Seelenkranken wegen in diese Welt gekommen; denn die Gesunden bedürfen des Arztes nicht.

5. Und so mag denn auch der Abwesende mit Mir ziehen, wie er will, gleichwie Ich die Judäer heute nicht von Mir gewiesen habe; weil sie aber von selbst gegangen sind, so habe Ich sie auch nicht aufgehalten und zu bleiben geheißen. Auch habe Ich nicht darum also für sie unverständlich geredet, als hätte Ich sie dadurch von Mir entfernen wollen, sondern Ich redete also, weil Ich, vom Vater aus genötigt, also reden mußte. Sie ärgerten sich aber darob und gingen, und das war ihre und nicht Meine Schuld, – und es war somit auch gut, daß sie gegangen sind. Sie können wiederkommen und bleiben, so sie wollen; wollen sie aber nicht, so wird darum Meine Sendung und Meine Lehre nicht weniger wahr sein, gleichwie auch das Licht und die Wärme der Sonne nicht weniger und schwächer wird irgend aus dem Grunde, so etliche Toren sich nicht von ihr bescheinen und erwärmen lassen wollen. – Verstehet ihr solches?“

6. Sagten die Judgriechen: „Ja, Herr, das haben wir sehr wohl verstanden! Was Du, o Meister, sprichst und sagst, das hat wahrlich alle Wahrheit, Kraft und Leben! Oh, wenn doch alle Menschen das einsähen!“

7. Sagte Ich: „Das wird in dieser Welt wohl nie ganz der Fall sein; aber es wird dennoch viele geben, die es einsehen, danach tun und das ewige Leben ernten werden.“

50. Kapitel. Jesu Hilfe für reichen Fischzug. Die wohlschmeckenden Edelfische.

1. (Der Herr:) „Aber nun wird es an der Zeit sein, daß wir uns zum Fischen fertig und bereit machen; denn nun ist eben die beste Zeit dazu.“

2. Sagte der Wirt: „Weil Du, o Herr, es sagst, darum wird nun wohl die beste Zeit sein; aber sonst nach unserer Fischerregel wäre jetzt eigentlich die ungünstigste Zeit, weil die Fische nun gleich mit der Sonne untergehen und sonach auf der Oberfläche nicht viele Fische mehr vorhanden sind.“

3. Sagte Ich: „Eben darum wollen wir jetzt uns an das Fischen machen, und es soll sich da zeigen, daß wir uns auf das Fischen auch besser verstehen denn die andern Fischer. Am Tage und auf windlosem Meere kann jedermann fischen; aber am Abende und bei sehr unruhigem Meere fischen, kann außer Mir jetzt wohl gar kein Fischer mehr. Und so gehen wir und richten uns unser Fischzeug zu!“

4. Darauf verließen wir das Zimmer, nahmen das Fischzeug, das in mehreren großen Zugnetzen bestand, machten die Fischerboote los, bestiegen sie und fuhren bei drei Feldweges weit vom Ufer.

5. Da sagte Ich: „Nun werfet die Netze aus, spannet sie gut aus, und die Ruderer steuern gemach dem Ufer zu, und am Ufer wird sich zeigen, ob die untergehende Sonne uns zu unserer Arbeit ein Hindernis war!“

6. Solches geschah nach Meiner Anordnung, und als wir ans Ufer kamen, da waren die Netze so voll von den edelsten Fischen, daß sie beinahe zu reißen anfingen. Als die Fischer anfingen, die Fische aus den Netzen in die Fischbehälter zu klauben, da hatten sie nicht Raum genug, um alle aufzunehmen; beinahe ein gutes Dritteil mußte in den Netzen eingebündelt, also im Wasser zwischen den Booten hängend, verbleiben.

7. „Nein“, sagte der Wirt, „so ein Fang um diese Zeit gehört zu den unerhörtesten Dingen! O Meister, wenn Du mit noch zehnmal soviel Jüngern volle zehn Jahre in meinem Hause wohntest und zehrtest, so könnte ich Dir dadurch nicht vergüten diesen Gewinn, den Du mir heute durch diesen Fischzug bereitet hast! Siehe, mein großes und gut gebautes Haus samt den vielen und zweckmäßigen Wirtschaftsgebäuden und samt allem, was darin ist – auch mit allen Äckern, Wiesen, Waldungen, Hutweiden und Weinbergen –, hat lange nicht den Wert wie diese beinahe zahllos vielen und großen Edelfische, die sonst nur zur Winterszeit selten hie und da gefangen werden. Wenn man da nur etwa im glücklichsten Falle zehn fangen kann, so ist man ohnehin schon ein reicher Mann; denn Fische dieser Gattung werden fürs Stück um hundert Silbergroschen von den Römern und Griechen reißend aufgekauft, eingesalzen und an die Höfe der Könige sicher um dreihundert Silbergroschen verkauft. Wenn es Dir, o Meister, genehm wäre, so würde ich meine Knechte mit einigen Stücken in die Stadt zu den Römern und Griechen senden, und ihr werdet euch überzeugen, mit wieviel Geld beladen sie ehest heimkehren werden!“

8. Sagte Ich: „Tue das immerhin; aber nur das sage allen deinen Leuten, daß sie Mich nicht ruchbar machen; denn da würden wir in kurzer Zeit alle die großen Römer und Griechen am Halse haben! Aber für unser Abendmahl werde auch mit diesen edelsten Fischen gesorgt, und du selbst mußt wacker mitessen; denn bis jetzt hast du von dem Wohlgeschmacke dieser Art Fische nur reden hören, selbst jedoch nie einen verkostet. Wenn du nun erst selbst einen verkosten wirst, dann wirst du auch erst selbst erfahren, warum man diese Fische so teuer bezahlt. Und nun magst du deine Knechte mit den Fischen schon aussenden; aber sie sollen die aus den Netzen nehmen. Auch für uns sollen die aus den Netzen genommen werden; denen in den Behältern werde Ruhe gegeben!“

9. Da ging der Wirt, machte die Sache mit den vielen Knechten ab, und bei fünfzig an der Zahl nahm ein jeder zwei Fische, da er einen dritten nicht mehr zu tragen imstande gewesen wäre, und trug sie gemeinschaftlich in die Stadt. Die Knechte begaben sich schnell zu den Römern und Griechen, und als diese der bekannten Edelfische ansichtig wurden, da entstand eine förmliche Verkaufsversteigerung derart, daß ein Fisch von nur 40- 50 Pfund Gewicht um zweihundert Silbergroschen aufgekauft wurde.

10. Es fragten wohl die Römer und Griechen, wie etliche reiche Juden, wie sie denn in dieser für derlei Edelfische ganz ungewöhnlichen Zeit zu ihnen gekommen seien.

11. Aber die Knechte sagten, sie seien durch einen fremden Fischer auf ein Geheimnis gekommen, derlei Fische auch außer der Winterszeit zu bekommen, und die Fische seien die sichersten Zeugen, daß sich das Geheimnis bewähre. Da wurden sie nicht weiter befragt und brachten dem Wirte bald eine große Menge Geld als Erlös für die Fische, so daß er kaum Behälter zur Genüge fand, um all das Geld unterzubringen und zu verwahren.

12. Mittlerweile wurde auch unser Nachtmahl fertig, und wir setzten uns zum großen Tische.

13. Als die Judgriechen der wohl zubereiteten Fische ansichtig wurden, sagten sie: „Von dieser edelsten Gattung haben wir nur einmal einen zu verkosten bekommen, und jetzt liegt eine solche Menge vor uns! Oh, das ist des Guten wahrlich zu viel! O Meister, das ist auch Dein Fleisch und Blut nach der guten Erklärung des Wirtes; denn ohne Dein Wort und ohne Deinen Willen wären wir zu solch einer Mahlzeit wohl nimmer gekommen! Ja, da sieht man es klar, was alles die Liebe, Weisheit und Allmacht Gottes vermag! O wie gar nichts ist doch der Mensch gegen Dich, o Herr und Meister!“

14. Sagte Ich: „Es ist dem nicht gerade also; denn es ist dies ja eben der Wille des Vaters, daß ein jeder Mensch also vollkommen werden soll, wie Er Selbst im Himmel vollkommen ist. Und die Zeit wird es zeigen, daß Meine wahren Jünger noch Größeres tun werden, als wie Ich nun tue! Aber die Zeit ist jedoch noch nicht da, wird aber nicht gar lange mehr auf sich warten lassen. – Nun aber lassen wir das und essen und trinken nach Lust und Not!

15. Solange die Hochzeitsleute den Bräutigam unter sich haben, sollen sie keine Not leiden; denn sie werden, so der Bräutigam aufgefahren sein wird dahin, von wo Er gekommen ist, der Not noch genug zu erleiden bekommen. Der wahre Bräutigam aber bin Ich, und die an Mich glauben, sind die wahren Bräute und Hochzeitsleute zugleich. Darum nun nur heiteren und fröhlichen Mutes!“

16. Darauf griffen alle wacker zu und aßen und tranken mit großer Lust und wurden dabei voll guter und heiterer Dinge.

17. Ein Judgrieche sagte beim Genusse des Fisches: „Zu Kis beim Kisjonah haben wir auch Edelfische gegessen, die sehr gut waren; aber sie stehen in gar keinem Vergleiche mit diesen Fischen, und es ist doch hier auch dasselbe Meer und Wasser?!“

18. Sagte Ich: „Das sicher, – aber nicht derselbe Grund! Diese Art Fische sind selten und kommen natürlich nur in dieser Gegend vor. Aber sie sind zumeist nur im tiefen Grunde zu Hause, wo sie denn auch ihre Nahrung finden, die in einer Art unterseeischer Pflanzen besteht. Die Pflanzen aber kommen nur hier vor, und zwar in einer Strecke von tausend Acker Landes; dann ist der Grund des Meeres weithin taub, und diese Fische kommen dort nicht vor. – Aber nun nur gegessen und getrunken!“

51. Kapitel. Vom rechten Fasten und Buße tun. Jesu Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner.

1. Die Fische schmeckten gut und der Wein nicht minder. Ich Selbst aß und trank ganz wacker, so daß es einigen Judgriechen auffiel, wie Ich denn als ein so ganz vom Geiste Gottes durchdrungener Mensch ebensoviel essen und trinken könnte wie irgendein anderer Mensch.

2. Als Ich aber solches wohl merkte, da sagte Ich: „Der Leib braucht das seinige – und der Geist das seinige; wir sind nun aber unseren Gliedern eine rechte Stärkung zu geben schuldig, und dann werden wir des Geistes nicht vergessen.

3. Glaube ja keiner, daß er Gott einen wohlgefälligen Dienst erweist, so er fastet und für seine begangenen Sünden in härenen Kleidern vor aller Welt Augen Buße tut, – sondern nur der ist Gott angenehm, der da dankbar ißt und trinkt, was ihm Gott zukommen ließ, um dadurch seine irdischen Kräfte zur nützlichen Arbeit zu stärken, wodurch er sich und seinem Nächsten viel nützen kann, und so er irgendeine Sünde beging, sie als solche erkennt, bereut, verabscheut, sie nicht mehr begeht und sich also wahrhaft bessert.

4. Freilich gibt es leider gar viele, die da ihre Lebenszeit mit lauter Essen und Trinken zubringen. Sie sorgen nur für ihren Bauch und für ihre Haut. Die Nächstenliebe ist ihnen fremd, und vor dem armen Menschen spucken sie aus und lassen ihn nicht an ihres Hauses Schwelle kommen. Ihr stets voller Bauch läßt sie nie fühlen den Schmerz des Hungers und des Durstes. Das sind die echten Schwelger, Prasser und Vollsäufer, um dadurch ihren Leib stets bereit zu allerlei Geilheit, Unzucht, Hurerei und Ehebrecherei zu halten. Das ist dann Fraß und Völlerei, mit denen niemand je ins Reich Gottes eingehen wird.

5. Im gleichen sind aber auch alle jene Gleisner, die da fasten und in härenen Kleidern Buße wirken und für ihre Sünden ansehnliche Opfer dem Tempel darbringen, damit sie von dem Volke als Gerechtfertigte angesehen und gelobt werden, sie selbst aber dann jeden Menschen über die Achsel ansehen, ihn als einen vermeintlichen Sünder verachten und ihm schon von weitem ausweichen, dieweil sie nicht irgend sahen, wie er gefastet, in härenen Kleidern Buße gewirkt und dem Tempel geopfert hat.

6. Ich aber sage es euch: Derlei Menschen sind ebenfalls ein Greuel vor Gott; denn ihr Herz ist verhärtet, und so ihr Sinn und Verstand. Sie richten ihre Nebenmenschen ohne alle Schonung und Nachsicht, sie kehren vor des Nachbars Tür und bemerken den großen Haufen Unflates vor der eigenen Hausflur nicht. O wahrlich sage Ich euch: Wie diese Tempelheiligen und -gerechten nun ausmessen, geradeso wird ihnen drüben wieder zurückgemessen werden!

7. Ich sage es euch: Wer hier richtet, der wird auch jenseits gerichtet werden; wer aber da niemanden richtet außer sich allein, der wird auch jenseits nicht gerichtet werden sondern sofort aufgenommen werden in Mein Reich!

8. Ich aber will euch hier ein Bild geben, wie die menschliche Selbstrechtfertigung in ihrer Reinheit und vor Gott als allein gültig beschaffen sein soll. Und so höret! (Luk.18,9)

9. Es gingen hinauf in den Tempel zwei Menschen, der eine ein reicher, aber sonst streng nach dem Gesetz lebender Jude, und der andere ein Zöllner. (Luk.18,10) Als der Jude in den Tempel kam, stellte er sich ganz zum Altare hin und sagte laut: ,O Gott, ich danke Dir hier vor Deinem Altare, daß ich nicht also bin wie viele andere! (Luk. 18,11) Denn Du, o Herr Herr, hast mir gegeben den guten und festen Willen und auch alle die anderen irdischen Güter hinzu, durch welche Mittel es mir allein möglich ward, Deine Gebote alle vollkommen zu erfüllen, und wie wohl tut es nun meiner Seele, als vollkommen gerecht an der Neige meiner Tage vor Dir zu stehen!‘ (Luk.18,12) Als er noch eine Menge seiner gerechten und also gesetzlich guten Handlungen Gott also vorgetragen hatte, legte er ein reiches Opfer auf den Altar und ging dann, im höchsten Grade mit sich zufrieden und mit dem besten Gewissen von der Welt, aus dem Tempel und dann nach Hause, wo sich alle seine Hausleute wegen seiner strengen Hauszucht eben nicht sehr auf ihn freuten, da sein reines Gewissen, sein strenger Ordnungssinn und seine gesetzliche Gerechtigkeit an ihnen nichts als lauter Sünden und Fehler entdeckten.

10. Unser sündiger Zöllner aber ging im Tempel reuig in sich, blieb ganz rückwärts stehen, sich nicht getrauend, seine Augen aufzurichten zum Altare, indem er bei sich selbst sagte: ,O Herr, Du allgerechter, allerheiligster und allmächtiger Gott, ich bin ein zu grober Sünder und also gar nicht würdig, meine Augen zu Deinem Heiligtume empor zu richten; sei Du mir aber dennoch gnädig und barmherzig!‘ (Luk.18,13)

11. Nun, was meinet ihr, wer von den zwei Menschen gerechtfertigt aus dem Tempel nach Hause zog?“

12. Die Judgriechen sahen einer den andern an und wußten nicht so ganz recht, was sie Mir nun für eine Antwort geben sollten; denn gerechter konnte in ihren Augen doch wohl niemand sein als der das Gesetz bis aufs letzte Häkchen erfüllende Jude. Der sündige Zöllner konnte nach ihrer Beurteilung doch nicht als ein mehr Gerechtfertigter den Tempel verlassen denn der erwähnte Jude!

13. Ich aber sagte zu ihnen: „Ihr irret euch in eurem Urteile! Der Jude ging ganz und gar nicht gerechtfertigt aus dem Tempel; denn er belobte sich selbst laut vor allem Volke, zog aller Augen, Ohren, Lob und Bewunderung auf sich und belohnte sich somit selbst. Ist aber solch ein Selbstgefühl nicht auch eine sogar recht böse Art des Hochmutes?! Seine Früchte sind am Ende Haß und Verachtung und eine stete Verfolgung aller, die von ihm nicht als ebenbürtig erkannt und beurteilt werden. Ist so ein Mensch dann wohl ein Gerechtfertigter vor Gott? Oh, mitnichten! Der hat noch sehr weit bis dahin!

14. Aber der Zöllner ist ein Gerechtfertigter vor Gott; denn er ist voll Demut und hält sich für schlechter um vieles denn die anderen Menschen. Er haßt und verachtet niemanden und ist froh, daß man ihn nur nicht noch mehr verachtet und flieht, als es schon ohnehin der Fall ist. – Nun, was saget ihr? Habe Ich recht geurteilt?“ (Luk.18,14)

15. Sagten nun alle: „O Herr, Du ganz allein hast recht in allen Dingen, und wir alle sind finstere und sündige Menschen! Unsere Urteile sind daher nicht anders, als wie da wir selbst sind. Oh, das war ein vollkommen wahrstes Bild; denn wir hatten oft Gelegenheit, solche Rechtfertiger zu beobachten, die sich so rein wie die Sonne darzustellen wußten, und man konnte auch nicht sagen, daß sie im Tempel geheuchelt hätten, indem sie nur zu gewissenhaft alle die Gesetze beachteten. Aber sie waren eben darum dennoch ganz unverdauliche Menschen; denn sie beachteten das Gesetz nicht etwa, weil sie in selbem den Willen und die Ordnung Gottes erkannt hätten, sondern nur, als wäre das Gesetz ihr Werk, und auf daß sie als streng gesetzliche Menschen auf ihre Diener und Hausleute desto ergiebiger einwirken und erfolgreicher derselben Fehler und Untugenden rügen könnten. Da wir viele solche Beobachtungen haben machen können, so sehen wir nun auch um so mehr die vollste Wahrheit Deines aufgestellten Bildes ein und danken Dir, o Herr, für diese allerwahrheitsvollste Belehrung.“

16. Sagte Ich: „Nun denn, also seid nicht kleinmütig, und esset und trinket, so ihr noch Lust dazu habet! Ich Selbst werde von diesem Fische noch etwas nehmen.“

17. Darauf nahmen alle noch von dem Fische und ließen sich auch den Wein recht wohl schmecken.

52. Kapitel. Von der Versuchung und den Schwächen. Übe das Denken!

1. Als wir alle zur Genüge gegessen und getrunken hatten, da fragte Mich der Wirt, ob wir uns etwa zur Ruhe begeben wollten, da es schon ziemlich spät in der Nachtzeit geworden sei.

2. Ich aber sagte: „Wen es nach Ruhe gemahnt, der gehe ruhen; Mich aber gemahnt es nicht, und somit werde Ich Mich jetzt auch noch zu keiner Ruhe begeben. Zudem ist es dem Leibe auch durchaus nicht zuträglich, gleich nach einem Mahle sich zur Ruhe zu begeben; daher wollen wir uns noch ein paar Stunden wach erhalten. Aber wen es nach Ruhe gemahnt, der mag sich auch zur Ruhe begeben!“

3. Sagten alle: „Nein, nein, o Herr, wir wollen mit Dir wachen bis an den Morgen, so Du es wünschest! Denn wir wissen es nur zu bestimmt, daß bei Dir alles eine innerste, unerforschliche Bedeutung hat, und so steckt da auch sicher etwas dahinter, und so bleiben wir wach!“

4. Sagte Ich: „Ihr habt recht; wachet und sorget, daß niemand von euch in eine Versuchung falle!“

5. Fragten Mich Meine alten Jünger: „Herr, was sollte uns an Deiner Seite wohl in eine Versuchung zu führen imstande sein?! Denn wir haben an Deiner Seite doch schon so manches erlebt, und es hat uns noch sehr weniges in irgendeine augenblickliche Versuchung geführt.“

6. Sagte Ich: „Oh, rühmet euch dessen nicht; denn der Versuchung Geist geht umher wie ein hungriger, brüllender Löwe und sucht die Menschen zu verschlingen! Ihr könnet nicht wach genug sein und nicht genug achten auf jeden Zug eines noch so leisen Anregungswindes! Hat solch eine Anregung den Menschen in seinem Gemüte nur um ein Haarbreit auf ihre Seite gebracht, so wird er sich schon eine recht große Willensgewalt antun müssen, um auf seinen früheren Stand zu gelangen. Merket euch das alle wohl; denn solange der Mensch in dieser Welt lebt, denkt, will und handelt, wiegt sein Fleisch schwerer denn seine Seele.“

7. Sagte Philippus: „Das ist wohl sehr wahr, und ich habe das alles an mir sehr wahrgenommen; aber in diesen meinen vorgerückten Jahren richtet bei mir keine Versuchung mehr etwas aus. Ich habe nur einen Fehler, und der besteht in einer Art von Zeit zu Zeit eintretender Glaubensschwäche, das heißt, ich glaube im Grunde wohl alles, was da kommt aus Deinem Munde, o Herr, – aber wenn dann und wann mein Verstand nicht alles gleich einsieht, so wird da mein Glaube auch schwach, und ich verfalle gleich in allerlei bedenkliche Fragen, auf die von irgendher eine helle Antwort sich in mein Gemüt senkt, und ich fange darauf bald an, in kleine Zweifel zu fallen. Das ist die einzige Versuchung, die mich noch immer dann und wann beschleicht. Du, o Herr, aber könntest mich davon wohl befreien und würdest mich dadurch zum glücklichsten Menschen machen!“

8. „So Ich dir das täte durch die Mir innewohnende Kraft, da wärest du kein freier Mensch mehr, gerietest in eine große Trägheit und wärest dadurch mit der Übung zur stets höheren Gewinnung der wahren Lebenskraft deiner Seele bald am Ende.

9. Darum trage ein jeder seine Bürde willig und übe sich gleichfort in allen guten Dingen des innern Lebens! Zur rechten Zeit wird dadurch auch sein Lebensmaß voll werden, und er wird dann erst eben über das Brot, das er sich selbst im Schweiße seines Angesichtes erworben hat, eine rechte und unverwüstbare Freude haben.

10. Denke dir einen sehr verweichlichten Menschen, der von der Wiege an gar nie zu irgendeiner Tätigkeit angehalten wurde. Er aß und trank die besten Speisen, lernte zur Not nur allein das Reden und trug außer seinen Kleidern nie irgendeine Last. Wenn so ein Mensch dann eine Last von nur einigen Pfunden irgendeine Strecke weit tragen soll, so wird er das kaum imstande sein, weil er dazu seine physischen Kräfte nie nur im geringsten geübt hat. So er aber dann dennoch anfängt, seine Leibeskräfte durch eine nach und nach steigende Tätigkeit zu üben, so wird er es in einigen Jahren auch dahin bringen, größere Lasten mit Leichtigkeit zu heben und weiterzuschaffen. Würde er aber auch dann zu einer höheren derartigen Leibeskraft gelangt sein, so er gleichfort die anderen Menschen für sich hätte Lasten heben und tragen lassen?!

11. Und siehe, geradeso steht es auch bei dir mit deiner Denkkraft! Du hast sie von deiner Jugend an viel zuwenig geübt, sie auch erst nun in den späteren Jahren ein wenig mehr zu üben angefangen, und es nehme dich darum nicht wunder, wenn du so manches nun nicht so schnell wie mancher andere fassest und begreifest.

12. Ich aber bin ein rechter Lehrer und Führer und trage Meine Jünger nicht über alle noch so schroffen und holperichten Wege und Fußsteige auf den Händen, sondern Ich lasse sie selbst gehen, auf daß sie stark werden, ohne Anstoß fürderhin zu wandeln auf allen noch so knorrigen Wegen.

13. Stellt sich aber jemandem auf irgendeinem Wege ein gar zu großes Hindernis in den Weg, so werde Ich ihm dann schon ein Licht und eine Kraft geben zur sicheren Besiegung auch solch eines großen Hindernisses. Aber vor allem muß ein jeder Mensch selbst so viel tun, als in seinen Kräften liegt; was darüber not tut, wird ihm gegeben werden zur rechten Zeit. – Hast du das nun wohl begriffen?“

14. Sagte Philippus: „Ja, Herr, das habe ich nun wohl begriffen, und ich werde mir alle erdenkliche Mühe geben, um in meinem Denken und Glauben so stark als nur immer möglich zu werden!“

53. Kapitel. Die Bestimmung der Geschöpfe.

1. Hierauf sagte der Wirt: „Ich kenne in mir selbst auch einen solchen Menschen und weiß nun auch, was ich zu tun habe. Ich will nicht reden von all den Propheten und von dem Hohenliede Salomos, – was alles ich bis jetzt noch sehr wenig oder auch gar nicht verstanden habe; aber das habe ich beim Durchlesen solcher Weisen der Vorzeit wohl oft gedacht, daß sie eben durch ihre mystische Sprache den Menschen sehr im Denken üben und ihn dadurch zu einem stets tieferen In-sich-Gehen ordentlich zwingen, und das finde ich für sehr gut. Ist man dann so recht tief in sich gedrungen, so kommt dann ein Lichtlein ums andere, und man kommt dann über so manches ins klare, was einem früher ein unentwirrbares Rätsel schien. Aber wie gesagt, ich rede hier nicht von der Unverständlichkeit der Schriften der alten Weisen und Seher, sondern von ganz natürlichen Dingen.

2. So zum Beispiel über die wahre Bestimmung irgendeines Geschöpfes auf dieser Erde, und da haben wir gleich unsere Edelfische. Sie sind seltene und sogar sehr lebensmuntere und schöne Tiere des Wassers. Der Mensch erst erfand es, durch seinen Hunger getrieben, sie zu fangen und zu essen. Nun, ist das ihre wahre Bestimmung, von uns Menschen gefangen, getötet und sodann als ordentliche Leckerbissen gegessen zu werden?! Wenn das ihre wahre Bestimmung ist, so weiß ich nicht, was dann damals ihre Bestimmung war, als der Mensch es noch nicht erfunden hatte, die Fische zu fangen, zu töten und dann wohlzubereitet zu essen.

3. Dergleichen Fragen hätte ich zu tausenden, und je mehr ich darüber nachdenke, desto verwirrter werde ich und entferne mich vom Lichte nur stets mehr, anstatt demselben näher zu kommen, und bei eben solchen Nachforschungen und Grübeleien kann ich über die sicher höchst weise Absicht des Schöpfers mit diesen und zahllos vielen anderen Geschöpfen nie so recht ins reine kommen. Es wäre so etwas eigentlich für uns Menschen auch gar nicht nötig; denn die Geschöpfe sind einmal da, und der gute und höchst weise Schöpfer wird es schon wissen, warum Er sie erschaffen hat.

4. Aber der Mensch ist und bleibt ein Denker und kann in sich zu keiner Ruhe mehr gelangen, wenn er einmal so recht gedankenwach geworden ist. Und so geht es mir! Wenn ich auch weiß, daß mir all solch eitles Denken zu gar nichts nützt, so denke ich aber dennoch fort und fort, und dafür möchte ich denn auch von Dir ein wahres Heilmittel bekommen; denn mir wird ein solches Denken nun schon ordentlich lästig, und ich gäbe etwas darum, so ich davon für immer befreit werden könnte.“

5. Sagte Ich: „Ja, du Mein lieber Freund, da ist dir freilich wohl ein wenig schwer zu helfen; denn da müßte Ich gar lange mit dir reden, um dir von allen den vielen Geschöpfgattungen den wahren Zweck ihres Daseins zu erhellen. Nur im Allgemeinen kann Ich dir so viel sagen, daß alles für den Menschen sichtbar und fühlbar Erschaffene ein gerichtetes Geistiges ist und die Bestimmung hat, durch eine lange Reihe von allerlei Formen endlich in ein freies und selbständiges Leben überzugehen.

6. Die Formen aber beginnen schon vom Steine angefangen durch alle Mineralreiche hindurch übergängig zum Pflanzenreich, durch das gesamte Pflanzenreich wieder übergehend ins Tierreich und durch dieses hindurch bis zum Menschen und sind Aufnahmegefäße vom Leben aus Gott.

7. Jede Form entspricht einer gewissen Intelligenz. Je einfacher jene ist, desto einfacher und geringfügiger ist auch die ihr innewohnende Intelligenz; je ausgebildeter und ausgebreitet zusammengesetzter aber du dann eine Form erschaust, desto mehr Intelligenz wirst du in derselben auch finden.

8. Nimm zum Beispiel einen nackten Regenwurm an, und du wirst aus seinem Tun leicht erkennen, daß seine höchst geringe Lebensintelligenz mit seiner Form ganz im Einklange steht; betrachte dagegen die schon sehr komplizierte Form einer Biene, und du wirst daraus auch die um sehr vieles höhere Intelligenz in der Lebensform dieses Tierchens finden! Und so steigert sich das bis zum Menschen herauf.

9. Da diese Formen aber nur zeitweilige Sammler und Träger eines sich stets mehr befestigenden und intelligenter werdenden Lebens sind, und da dieses im steten Aufsteigen begriffene Leben auch nach dem Maße und Verhältnisse der größeren Vereinigung der früheren, einfacheren Lebensintelligenzen die früheren Formen verläßt, so liegt nach dem wohl wenig daran, was mit der lebensleeren Form, die nichts als eine organisch-mechanische und für den Zweck der ihr innewohnenden Lebensintelligenz wohleingerichtete Hülse war, fürder geschieht. Ob also nun diese Fische von uns Menschen oder von anderen Tieren verzehrt werden, so beirrt das die große Absicht des Schöpfers nicht im geringsten, und der Endzweck des Lebens wird dennoch unvermeidbar erreicht.

10. Daß aber in den lebensleeren Hülsen Nährteile sich befinden, ist bekannt, und es geht durch das wechselseitige Aufzehren der lebensleeren Formen auch das Edlere wieder in ein anderes Leben über, und so siehst du hier auf dieser Erde durch den ganzen, großen Kreis der Geschöpfe einen fortwährenden Kampf und Lebensumtausch bis zum Menschen herauf.

11. Aber selbst des Menschen äußere Form, die da ist sein Leib, hat nur so lange einen Wert, solange sie von der allein lebendigen Seele bewohnt wird. Ist die Seele einmal reif geworden, dann verläßt sie für ewig den Leib, und dieser wird verzehrt. Da ist es dann ganz gleichgültig, von wem oder durch was. Was an ihm noch Substantielles und der Seele Angehöriges ist, das wird der Seele auch wieder gegeben; alles andere geht wieder als Nährstoff in tausend andere geschöpfliche Lebensformen über. Da hast du in aller Kürze eine gründliche Darstellung alles dessen, worüber du dir so viele Gedanken vergeblich gemacht hast. – Verstehst du dieses nun wohl?“

54. Kapitel. Jesus über die Auferstehung des Fleisches.

1. Sagte der Wirt: „Ja, ich verstehe es nun wohl so ziemlich, obwohl ich es hier offen gestehen muß, daß mir diese Sache nun etwas ganz Neues und gewisserart Unerhörtes ist. Da ist es dann mit der endlichen Auferstehung des Fleisches nichts, an die doch alle Juden fest glauben und darum die Leichname auf den bestimmten Friedhöfen begraben und des Glaubens sind, daß sie am Jüngsten Tage von den Engeln wieder erweckt und mit ihren Seelen werden vereinigt werden. Das von Dir nun Gelehrte werden die Juden schwer glauben! Ich glaube es wohl, weil Du, o Herr, es uns nun also gesagt und ganz gründlich erklärt hast, – aber wenn mir das jemand anders erklärt hätte, so würde ich ihm schwerlich geglaubt haben; denn das weicht zu gewaltig von dem bestehenden Glauben ab. Und dennoch muß ich nun offen bekennen, daß alles das sich nach den gemachten Erfahrungen nicht anders als nur also verhalten kann. – Was saget denn ihr alten und neuen Jünger dazu?“

2. Sagte einer der Judgriechen: „Was da uns betrifft, so sind wir ganz deiner Meinung! Wir sehen wohl auch die Wahrheit des Gesagten ein, aber auch die Schwierigkeit, diese ganz neue Lehre den Menschen in dieser Zeit als begreiflich wahr darzustellen.“

3. Sagte Ich: „Darum habe Ich diese Lehre aber auch nicht gegeben, daß ihr sie den Juden wiedergeben sollet! So ihr jemand anders damit belehren wollet, da könnet ihr das immerhin tun; ob er es aber glaubt oder nicht, so ist das vorderhand ganz einerlei. Nach der Zeit aber werden Meine wahren Bekenner schon ohnehin von Meinem über sie ausgegossenen Geiste in alle Wahrheit und Weisheit geleitet werden.

4. Es ist aber das ja von selbst leicht verständlich, daß der irdische Leib, so er einmal entseelt worden ist, nimmerdar auferstehen und in allen seinen Teilen wieder belebt werden wird; denn wenn solches der Fall wäre, so müßten an dem gewissen Jüngsten Tage auch alle durch das ganze, manchmal recht lange zeitliche Leben von dem Leibe abgelegten Teile, als die Haare, die Nägel, die verlorenen Zähne und alle durch das Waschen weggeschafften groben Hautteile, wie auch die in manchen bitteren Fällen vergossenen Blutstropfen, Schweißtropfen und noch so mancherlei, was der Leib mit der Zeit ablegte, mit erweckt und belebt werden. Nun stellet euch daneben so eine am Jüngsten Tage wiederbelebte Menschengestalt vor, – welch ein lächerlichstes Aussehen müßte sie haben.

5. Der Mensch aber hat zu verschiedenen Zeiten auch einen verschiedenen Leib; so ist zum Beispiel der Leib eines Kindes ein anderer als der eines herangewachsenen Knaben, ein anderer der eines Jünglings, ein anderer der eines Mannes und ein ganz anderer der eines Greises. Nun, bei vollkommener Wiederbelebung der verstorbenen Menschenleiber an einem Jüngsten Tage müßte da ja notwendig gefragt werden, ob alle die von der Kindheit bis ins hohe Greisenalter innegehabten Leibesformen zugleich oder eine nach der andern oder gar nur eine allein wiederbelebt werden soll.

6. Dann erhebt sich da noch eine gar gewichtige Frage, und die besteht darin: Bei den Römern und Griechen, Ägyptern und bei noch vielen anderen Völkern dieser Erde werden die Leichen verbrannt bis zur Asche. Anderorts werden sie ins Meer geworfen und von den Meeresungeheuern verzehrt und dadurch zu Leibesteilen der Meeresungeheuer, und verendet einmal solch ein Ungeheuer, so wird es wieder von andern Tieren des Meeres verzehrt. Was soll am Jüngsten Tage von diesen Leibern erweckt werden? Bei dem Verbrennen ist der größte Leibesteil in Rauch und Dampf aufgelöst worden und hat sich mit der Luft vereint, und bei den ins Meer geworfenen Leibern ist das Fleisch und alles zum Mitbestandteil der Meerestiere geworden und also in eine ganz andere Wesenheit übergegangen. Wer sollte da dann die früher menschlichen Leibesbestandteile von zahllos vielen Tierleibern, vom Wasser, von der Luft, von den Mineralien und den Pflanzen und Würmern heraussuchen und dann wieder zusammenfügen?!

7. Und so sogar das bei Gott nichts Unmögliches wäre, so fragt es sich aber, zu welch einem Nutzen und Frommen so etwas einer freien Seele dienen könnte. Wahrlich, da würde sich jede vom schweren Leibe einmal erlöste Seele sicher im höchsten Grade unglücklich fühlen, wenn sie wieder in einen schweren Leib – und das gleich für ewig – treten müßte!

8. Dazu wäre das auch noch eine Sache, die sich mit der ewigen Ordnung Gottes nie vertragen könnte, indem Gott Selbst ein reinster Geist ist und am Ende die Menschen auch ausschließlich nur die Bestimmung haben, zu gottähnlichen reinen Geistern für ewig zu werden. Wozu sollen ihnen dann die Leiber dienen?!

9. Ja, sie werden auch dort mit Leibern angetan sein, aber nicht mit diesen irdischen, grobmateriellen, sondern mit ganz neuen, geistigen, die da hervorgehen werden aus ihren diesirdischen guten Werken nach Meiner euch nun gegebenen Lehre.

10. Wenn sich diese Sachen also verhalten, wie kann da jemand meinen, daß unter der Auferstehung des Fleisches die einstige Wiederbelebung dieser irdischen Leiber verstanden werde?! Die Auferstehung des Fleisches sind nur die der Seele allein das wahre, ewige Leben gebenden guten Werke, welche die Seele in diesem Fleische den Nebenmenschen hat angedeihen lassen.

11. Wer demnach Meine Lehre hört, an Mich glaubt und danach tut, den werde Ich Selbst auferwecken an seinem jüngsten Tage, der alsogleich nach dem Austritt der Seele aus diesem Leibe erfolgen wird, und zwar also, daß da die Kürze der Umwandlungszeit niemand merken wird; denn in einem schnellsten Augenblick wird die Umwandlung geschehen.

12. Und nun meine Ich, daß ihr alle auch in diesem Stücke ganz im klaren seid. Hat aber jemand noch irgendeinen Anstand oder einen Zweifel, so lasse er ihn vernehmen!“

55. Kapitel. Jesus über Krankheiten und frühzeitigen Tod.

1. Sagte ein Judgrieche: „Herr und Meister, das ist uns allen nun ganz klar; aber dennoch ist eines noch, wovon ich mir keinen ganz rechten Grund erklären kann. Warum müssen denn auch so viele Kinder in der zartesten, noch ganz unentwickelten Jugend dahinsterben, und warum muß dem Leibestode nahe allzeit eine böse Krankheit vorangehen, die den Leib schwächt und tötet? So ein Mensch einmal reif ist, so könnte er als Seele dann ja ganz leicht und schmerzlos aus dem Leibe treten, und die Kinder sollten vor einer bestimmten Reife gar nie und niemals sterben. Es geschieht aber das dennoch in einem fort: Kinder sterben in allen Jahren, und die bösen Krankheiten hören nicht auf und sind eine fortwährende Plage der Menschen. O Herr und Meister, warum muß denn das sein auf dieser Erde?“

2. Sagte Ich: „Das müßte gar nicht sein und war es auch nicht in der Vorzeit; denn liesest du in einer Chronika von schweren Krankheiten unter jenen Menschen, die Gott ergeben waren und nach Seinen Geboten lebten?! Sie erreichten alle ein hohes Alter, und ihr Sterben war ein sanftes, schmerzloses Einschlafen. Da starb auch kein Kind; denn es ward von ganz gesunden Eltern gezeugt und der gesunden, einfachen Natur gemäß genährt und auferzogen.

3. Als aber später bei den Menschen allerlei Hoffart und mit ihr ein ganzes Heer von tollsten Sünden wider die Gebote Gottes und wider die Gesetze der Natur Eingang fand, da erst kamen aus eigenem Verschulden allerlei böse Krankheiten unter die Menschen. Die also geschwächten Menschen konnten dann auch keine gesunden Kinder mehr erzeugen. Solche schon vom Mutterleibe an verkümmerten Kinder mußten nach und nach auch stets mehr und mehr von allerlei Krankheiten befallen werden und zu sterben anfangen in allen Stadien ihres Alters.

4. Daß nun solches also geschieht, müßt ihr euch nicht denken, als hätte solches Gott aus irgendeiner unerforschlich-geheimen Absicht unter die Menschen verordnet; aber zugelassen hat Er es, damit die Menschen fürs erste durch die Krankheiten vom zu vielen Sündigen abgehalten werden, und fürs zweite, daß sie durch die bitter-schmerzlichen Krankheiten mehr von der Welt abgezogen werden, in sich gehen, ihre Sünden erkennen, sie verabscheuen und so in Geduld und Ergebung in den göttlichen Willen selig werden können.

5. Also ist das auch bei den Kindern der Fall. Was soll aus einem körperlich ganz verkümmerten Kinde auf dieser Erde werden, und besonders bei Eltern, die selbst in allen Sünden geboren worden sind?! Wer wird sie erziehen, und wer wird sie heilen von ihren Übeln?! Ist es da nicht besser, daß sie von dieser Welt zurückgenommen werden und sodann dort im eigens für sie bestehenden Kinderreiche von den Engeln großgezogen werden?!

6. Ich sage es euch: Gott weiß um alles und sorgt auch für alles! Aber da die meisten Menschen in dieser Zeit Gott gar nicht mehr kennen und nichts von Ihm wissen, wie sollen sie dann darum wissen, was Gott tut, und was Er verordnet zu ihrem möglichen Heile?!

7. Würde Gott auf die Sünden der Menschen nicht die entsprechenden Krankheiten zugelassen haben, so ginge mehr denn die halbe Menschheit gänzlich zugrunde, und die Erde würde ganz zur Hölle werden und müßte zerstört und in toten Trümmern im endlosen Weltenraume umherirren, wie dieser sichtbare Sternen- und Weltenraum auch schon ähnliche Beispiele aufzuweisen hat, wovon euch Meine Jünger schon etwas Näheres sagen können. – Und nun frage Ich euch, wie ihr das begriffen und aufgefaßt habt.“

8. Sagen die Judgriechen: „Ja, Herr und Meister, jetzt ist uns diese Sache auch ganz klar, und wir können uns auch ganz und gar nicht mehr aufhalten, so auch wir schon zu öfteren Malen sehr krank waren und höchstwahrscheinlich am Ende auch durch eine recht arge Krankheit von dieser Welt in die andere befördert werden; denn wir haben unser Leben hindurch auch sehr oft und sehr arg gesündigt! Aber nun möchten wir von Dir nur noch das vernehmen, durch welche Sünden so die meisten und bösesten Krankheiten in diese Welt kommen; denn es muß auch darin Unterschiede geben.“

56. Kapitel. Jesus über die Hauptursachen der Krankheiten.

1. Sagte Ich: „Von allen Lastern ist das böseste die Hurerei, die Unzucht und Geilerei aller Art und Gattung. Zu diesem Laster aber werden die Menschen verleitet durch Müßiggang, durch die Hoffart und durch den Hochmut. Denn dem Hochmute ist nichts mehr heilig; er sucht nur alle ihm zu Gebote stehenden Mittel auf, um durch sie seine weltsinnlichen Leidenschaften zu befriedigen.

2. Wenn dann von solch einem Menschen Kinder gezeugt werden, – welch elende und mit wie vielen Krankheiten behaftete Menschen kommen dadurch in diese Welt! – Also, diese Sünde ist eine Hauptquelle, durch die alle die ärgsten Krankheiten in diese Welt kommen.

3. Dann kommen aber auch Fraß und Völlerei, der Zorn und allerlei Ärger, durch welche genannten Laster sich auch allerlei Krankheiten bei den Menschen entwickeln und sie dann auf eine jämmerliche Weise quälen.

4. Sagte Ich nicht zu dem Kranken in Jerusalem, der volle achtunddreißig Jahre am Teiche Bethesda harrte, um geheilt zu werden, als Ich ihn geheilt hatte: ,Gehe hin und sündige nicht mehr, auf daß dir nicht noch etwas Ärgeres widerfahre!‘?! Seine böse Gicht war demnach auch eine Folge seiner früheren, vielen Sünden. Und so ist es beinahe bei den meisten von Mir Geheilten der gleiche Fall gewesen. Wären sie durch ihre vielen Sünden nicht krank geworden, so wäre es auch um ihre Seelen geschehen gewesen. Nur eine recht schwere und bittere Krankheit hat sie nüchtern gemacht und zeigte ihnen, wie die Welt ihre Huldiger lohnt. Sie verloren durch die Krankheit ihre Liebe zur Welt und sehnten sich, von ihr bald erlöst zu werden. Dadurch ward ihre Seele freier, und es kam ihnen dann auch zur rechten Zeit die Heilung ihres Leibes.

5. Neben diesen Hauptursachen, aus denen die meisten Krankheiten bei den ohnehin, von der Geburt her angefangen, geschwächten Menschen entstehen, gibt es wohl noch andere, durch die der schwache Mensch auch sehr arg krank werden kann, – aber Ich sage es eigens noch einmal: Nur dem schon von der Geburt an Geschwächten kann das begegnen! Die Ursachen aber will Ich euch ganz kurz gefaßt zeigen:

6. Einmal steht da im Vordergrunde das Essen schlechter, unreiner und schlecht und nicht frisch zubereiteter Speisen und auch schlechter Getränke, – dann das Essen von allerlei unreifem Obst. Dann haben viele den argen Brauch, sich in einem erhitzten Zustande schnell abzukühlen. Wieder andere setzen sich, ganz unbewußt ihrer angeborenen Schwäche, allerlei Gefahren aus, in denen sie entweder gar zugrunde gehen, oder sie tragen einen lebenslang dauernden Schaden davon.

7. Ja, dafür kann Gott nicht, und das um so weniger, da Er dem Menschen den Verstand, den freien Willen und die besten Lebensgesetze gegeben hat!

8. Gegen die Trägheit des Menschen aber gibt es kein anderes Mittel als eben allerlei zugelassene Übel, die notwendig auf die Nichtbeachtung des göttlichen Willens folgen müssen. Diese wecken des Menschen in ihrem Fleische fest schlafende Seele und zeigen ihr die leidigen Folgen ihrer Trägheit, und sie wird darauf vorsichtiger, klüger, emsiger und gefügiger in den erkannten göttlichen Willen. Und somit haben die verschiedenen Krankheiten, mit denen nun die Menschen behaftet sind, auch ihr entschieden Gutes.

9. Freilich sind sie auch eine Art Gericht, das die Seele zum Guten nötigt; aber es ist der Seele dadurch dennoch der freie Wille nicht gänzlich benommen, und sie kann sich in und nach einer Krankheit noch ganz ordentlich bessern, obschon sie ihre weitere Vollendung erst jenseits einzuholen haben wird.

10. Es gibt aber wohl auch kranke Menschen, die wegen der Sünden ihrer Eltern oder auch Voreltern schon vom Mutterleibe aus krank in diese Welt gekommen sind. Solcher Kranken Seelen sind zumeist von oben her und machen nur eine zeitweilige Fleischprobe auf dieser Erde durch; für diese ist aber jenseits im Reiche der Geister schon ohnehin bestens gesorgt, und jeder, der sie pflegt und sie mit Liebe und Geduld behandelt, den werden sie auch jenseits mit der gleichen Liebe und Geduld in ihre himmlischen Wohnungen aufnehmen.

11. Und damit habe Ich euch nun auch darüber ein volles Licht gegeben; wenn aber der Geist in euch völlig wach werden wird, da wird er euch auch darin in alle Weisheit führen. – Versteht ihr auch dieses nun?“

12. Sagten alle: „Herr und Meister, wir verstehen das nun vollkommen und danken Dir abermals für dieses große Licht! Denn weil man nun als ein werden sollender Lehrer mit allerlei Kranken zu tun hat, so ist es auch sehr notwendig, ihnen durch solche Vorstellungen Glauben, Mut und alle Geduld einzuflößen, um bei ihnen, so es nötig und möglich wäre, auch eine Linderung ihrer Leiden zu bewirken; denn wer geduldig leidet, der leidet offenbar schon weniger, als wer da mit aller Ungeduld leidet. Und darum nennen wir diese Deine nunmalige Lehre an uns eine gar vortreffliche; denn niemandem ist ein wahrer Trost mehr vonnöten als einem wie immer gestaltig Leidenden, und wir halten das auch für ein ganz besonderes gutes Werk, so man einem leidenden Menschen geistig und leiblich helfend beispringt. – Haben wir recht oder nicht?“

13. Sagte Ich: „Allerdings; denn nur dem muß die Nächstenliebe unter die Arme greifen, der ihrer bedarf, und diese hat vor Gott einen Wert. Darum sage Ich euch aber noch hinzu: So jemand irgendein Gastmahl gibt und ladet dazu seine reichen Nachbarn und Freunde, so hat er dadurch zwar nicht gesündigt, aber im Himmel wird er darum auch keinen Lohn zu erwarten haben, dieweil ihm solches seine Freunde hier entgelten können. Daher ladet die Armen zu Gaste, und es wird euch das vergolten werden im Himmel; denn die Armen können es euch hier nicht vergelten!

14. So ist es auch mit denen, die ihr vieles Geld gegen Zinsen ausleihen und nach einer bestimmten Zeit das Kapital auch wieder zurückbekommen. Sie begehen dadurch, so sie keinen Wucher treiben, eben auch keine Sünde; aber im Himmel werden sie darum keine Zinsen zu beheben haben, – wohl aber darum, so sie auch den Armen in ihrer Not Geld ohne Zinsen und auch ohne Rückzahlung des Kapitals leihen. Also, den Armen aller Art auf jede mögliche gute Weise helfen, ist das wahre Werk der Nächstenliebe.

15. Für diesen Abend aber wollen wir des Guten genug getan haben, und so wollen wir uns nun zur Ruhe begeben. Der morgige Tag wird schon wieder das seinige geben.“

16. Auf diese Meine Worte begab sich alles zur Ruhe, und alle dankten Mir nochmals für die gegebenen Lehren.

57. Kapitel. Die Springflut.

1. Am Morgen des Nachsabbats aber standen wir früh auf, und Ich ging mit einigen Jüngern ins Freie, wie Ich das gewöhnlich beinahe überall zu tun pflegte. Es war ein heiterer und schöner Frühlingsmorgen, und es war zu verwundern, wie das Meer bei einer nahezu völligen Windstille so hohe Wogen trieb.

2. Der Wirt, der auch bald zu uns kam, fragte Mich, selbst ganz erstaunt, über die Ursache solch einer mächtigen Bewegung des Wassers, da doch nirgends von einem Winde etwas zu merken sei.

3. Ich aber sagte zu ihm: „Glaube es, Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden, und so geschieht auch hier nun diese starke Wasserbewegung, weil Ich sie also haben will! Ich aber habe einen Grund dazu, von dem du dich später selbst überzeugen wirst.“

4. Sagte der Wirt, nun noch mehr erstaunt: „Herr, daß Dir alle Kräfte und Mächte der Natur untertan sind, das weiß ich ganz klar und gut; aber daß Du mit dieser Aufregung des Meeres auch einen geheimen Grund verbunden hast, das ist mir neu, zumal in dieser sonst so heiterschönen Morgenstunde. Die Wogen kommen immer mächtiger und höher! Es wird beinahe notwendig werden, daß ich die Schiffe besser verwahre und auch die Fischbehälter, ansonst da wahrlich ein Schaden geschehen kann!“

5. Sagte Ich: „Laß das nur gut sein; denn es wird weder deinen Schiffen noch deinen Fischen etwas Schadenbringendes begegnen. Aber denen, die in einer argen Absicht nun zu Schiffe auf dem Wasser sind, denen wird es nicht gar behaglich zumute werden. Sie sollen zwar nicht von den Wogen verschlungen werden, aber ihr böser Mut soll sich nach der sehr mühsamen Erreichung eines Ufers sehr abgekühlt gestalten!“

6. Fragte der Wirt: „Wer wohl sollten die Argen sein, und was haben sie im Sinne?“

7. Sagte Ich: „Du weißt es, daß Ich voriges Jahr am Laubhüttenfest in Jerusalem war und da im Tempel gelehrt habe von Meiner Sendung das Volk, nachdem Ich zuvor noch den 38 Jahre lang krank gewesenen Menschen am Teiche Bethesda geheilt hatte, und nachher noch eine Menge um Jerusalem und Bethlehem. Viel Volkes ward darum gläubig, was die Templer wohl erfahren haben, wie auch, daß Mir viel Volkes nachgefolgt ist. Deshalb haben sie in ihrem Grimme nun wieder beschlossen, Mir nachzustellen, Mich zu ergreifen und auch sogleich zu töten. Sie stellen alsonach Mir nach dem Leben. Aber Meine Zeit ist noch nicht da, und so bereite Ich ihnen nun ein Hindernis, Mir nachzukommen, Mich zu ergreifen und zu töten. Und darin liegt der Grund dieser nun so großen und starken Wogenbewegung des Meeres. – Kennst du dich nun aus?“

8. Sagte der Wirt: „O ja, wenn also, da solle das Meer nur noch mehr zu wüten beginnen! Es solle dazu auch ein recht mächtiger Sturmwind sich gesellen, da würden die Argen erst so recht zu verspüren anfangen, wie Gott ihre arge Mühe zu lohnen versteht!“

9. Sagte Ich: „Oh, ein Sturmwind käme ihnen, da sie ein sturmsicheres Schiff haben, gerade recht gut zustatten; denn der würde sie gar bald an ein sicheres Ufer bringen. Aber diese windlose Springflut bringt sie erst ganz vollkommen zur Verzweiflung; denn sie kommen da sogar mit dem kräftigsten Rudern nicht vom Flecke, weil jede Woge das Schiff wieder auf seinen früheren Standpunkt zurückwirft und es ihnen dabei so ergeht wie einem Wanderer, der über ein Geröll auf die Höhe eines Berges kommen will. Bei jedem Schritte gibt es nach, und der Wanderer gleitet dahin zurück, wo er zuvor gestanden ist. Daher ist diese Art Meeresbewegung für Meine Verfolger schon ohnehin die beste und dienlichste. – Aber lassen wir nun das und gehen nachsehen, was unser Morgenmahl macht!“

10. Sagte der Wirt: „Herr, es wird schon bereitet sein; aber ich habe den Dienern aufgetragen, uns zu rufen, wenn alles bereitet ist, und sieh, da kommt schon einer vom Hause herab und bringt uns den Ruf, uns zum Morgenmahle zu begeben, und so wollen wir denn auch gehen!“

11. Sagte Ich: „Du irrst dich, – der bringt uns nur die Nachricht, daß die Jünger sich nach Mir erkundigt hätten und erfahren möchten, wohin Ich gegangen sei. Denn es ist unter ihnen eine kleine Meinungsverschiedenheit ausgebrochen, und da soll Ich sogleich einen Schiedsrichter machen unter ihnen. Aber nun lassen wir sie nur noch ein wenig wortwechseln; es ist hernach noch Zeit zur Genüge, sie alle auf den rechten Weg zu führen.“

12. Sagte der Wirt: „Über was mögen sie denn doch in eine Meinungsverschiedenheit geraten sein?“

13. Sagte Ich: „Oh, über etwas ganz Kleines! Die etlichen Meiner alten im Hause gebliebenen Jünger wurden von den zwanzig neuen um die Ursache dieser starken Meeresbewegung befragt, und die alten Jünger sagten, daß diese windlose Meeresbewegung sicher wunderbarerweise allein von Mir veranlaßt sein werde irgendeines geheimen Grundes wegen. Allein das wollen ihnen die neuen Jünger nicht so recht gelten lassen und sagen: ,Wir wissen es wohl, daß alles Geschehen und Werden allein von Gott dem Herrn abhängt; aber dessenungeachtet hat Er in der Natur geheime Kräfte bestellt aus Seiner Ordnung, Gerechtigkeit und Weisheit, die da wirken nach Seinem Willen. Er regt die Kräfte durch Seinen Willen freilich zuerst an; aber da wirken die bestellten Kräfte unmittelbar und Gott durch sie nur mittelbar. Daß alles Schwere in die Tiefe falle, das hat ursprünglich Gott also angeordnet; aber nun treibt die also bestellte Kraft die eigene Körperschwere von selbst in die Tiefe. Also hat Gott ursprünglich das Wasser schwer und flüssig gemacht. Diese von Ihm gegebene Eigenschaft ist nun eben auch die geheime Kraft des Wassers, die es von der Höhe gegen die Tiefe unaufhaltsam fortfließen macht, ohne daß Gott dabei stets Hand ans Werk legen und das Wasser in den Bächen, Flüssen und Strömen fortschieben müßte. Und also wird es nun auch bei dieser windlosen Meeresbewegung sein; nur ist sie eben wegen der gänzlichen Windstille auffallender denn eine durch einen starken und mächtigen Orkan erregte.‘ Sie fragten darum eben die schon um vieles erfahreneren Jünger, durch welch eine geheime Kraft Gott nun diese Meeresbewegung hervorgerufen haben möge.

14. Die alten Jünger aber behaupten steinfest, daß diese Bewegung nicht mittelbar, sondern ganz unmittelbar durch die Macht Meines Willens hervorgerufen sei. Nun aber haben die Neujünger in ihrer Art recht und die Altjünger auch, und dafür brauchen sie Mich als einen entscheidenden Schiedsrichter. Und daher wollen wir uns denn auch zu ihnen begeben und sie einen in Recht und Wahrheit!“

15. Darauf begaben wir uns sogleich ins Haus, von dem wir ohnehin höchstens bei tausend Schritte entfernt waren.

16. Als wir ins Haus kamen, da begrüßten Mich alle Jünger und trugen Mir sogleich ihren Streit vor.

17. Ich aber sah sie alle freundlich an und sagte: „Ihr streitet um den Wert einer Schafwollocke! Ihr Neujünger habt recht, – aber nun die Altjünger auch; denn im allgemeinen habt ihr Neujünger recht, und nun in diesem besonderen die Altjünger. Denn diese euch nun so ganz sonderbar vorkommende Meeresbewegung rührt nicht von einer Mittelskraft her, sondern unmittelbar von Meinem Willen.

18. Auf daß ihr aber das noch fühlbarer merken möget, so sehet hinaus auf das Meer, das nun in einer durchaus gleich starken Bewegung ist! Ich werde einem kleinen Teile hier in der Ufernähe gebieten, in eine vollkommene Ruhe zu treten, und ihr werdet dann doch einsehen, daß Gottes Wille auch unmittelbar etwas zu bewirken vermag.“

19. Ich stillte bloß durch den Willen einen zweihundert Acker großen Teil des Meeres also, daß es spiegelglatt dalag, während außerhalb dieses Spiegels das Meer noch ärger tobte denn zuvor. Als die Neujünger das ersahen, fielen sie vor Mir nieder und wollten Mich anzubeten anfangen.

20. Ich aber sagte zu ihnen: „Lasset das nur gleich ganz gut sein! Denn darum bin Ich nicht in diese Welt gekommen, um Mich von den Menschen ehren und anbeten zu lassen, sondern nur, um ihnen zu zeigen die Wege der Wahrheit und des Lebens und zu helfen allen, die da Not leiden und mühselig und mit allerlei argen Bürden beladen sind.

21. Wollt ihr aber Gott, der in Sich ein reinster Geist ist, wahrhaft anbeten, so müsset ihr Ihn durch die Liebe in euren Herzen auch im Geiste und in der Wahrheit anbeten, und zwar in der Tat durch allerlei gute Werke. Denn wahrlich, was ihr den Armen tut aus der Liebe zu Gott, das tut ihr Gott! Und daß ihr an Mich glaubet, daß Ich aus Gott gesandt zu euch gekommen bin, in diesem allein besteht die wahre Anbetung Gottes. Alles leere Lippengebet aber ist ein Greuel vor Gott und ist völlig wertlos. Wer Gott mit den Lippen ehrt, und sein Herz ist dabei kalt und untätig, der macht aus Gott einen Götzen und treibt dadurch eine wahre geistige Hurerei. Solches stehet in einem Propheten, der da spricht: ,Siehe, dieses Volk ehret Mich mit den Lippen; aber sein Herz ist ferne von Mir!‘

22. Wahrlich, sage Ich euch: Wo das Herz durch die wahre und reine, uneigennützige Liebe Gott in der Tat nicht anbetet, da ist jedes Gebet ein leerer und nichts werter Schall, der in der Luft verhallt und völlig zunichte wird. Ich bin nun euer Meister, und ihr seid Meine Jünger. Was Ich euch sage, das glaubet, und was Ich euch heiße, das tuet, und folget Mir nach! Eines Weiteren bedarf es unter uns nicht.“

23. Hierauf ließen die Neujünger von ihrer Anbeterei ab, und wir begaben uns zum wohlbereiteten Morgenmahle, das allen ganz wohl schmeckte.

58. Kapitel. Petrus und ein reicher Bürger von Kapernaum.

1. Unter dem Mahle ward wenig geredet, aber nach dem Mahle desto mehr; denn es kamen bald eine Menge Gäste aus der Stadt, teils um zu besehen das wütende Meer, und teils aber auch, um allda einzunehmen ein gutes Fischfrühstück; denn unser Wirt hatte nämlich in dieser Hinsicht einen guten Ruf in der ganzen Stadt. Es war nicht leicht zu vermeiden, mit diesen Gästen in eine Berührung zu kommen, und so fragten viele, ob Ich nicht auch zugegen wäre; denn sie sahen etliche Meiner ihnen wohlbekannten Jünger und schlossen daraus, daß Ich auch nicht gar zu weit von ihnen entfernt sein würde.

2. Ein gar vornehmer Kapernaumer, der den Simon Petrus gar wohl kannte, rief ihn zu sich und sagte: „Lieber Freund! Du weißt, daß ich stets von dir Fische nahm und dein Haus nach Kräften unterstützt habe; allein es ist jetzt schon über ein Jahr, daß du und mehrere recht brave und solide Leute mit dem Nazaräer Propheten für nichts und wieder nichts umherziehet und euch dadurch eine Menge Feinde unter den Juden zügelt (ziehet). Zugleich vernachlässiget ihr euer Hauswesen und eure Familien, und das kann nach den Gesetzen Mosis doch Gott nicht angenehm sein! Es ist wohl wahr, daß der Nazaräer zuweilen ganz außergewöhnliche Zeichen wirkt und man beinahe versucht wird, ihn für einen von Gott gesalbten Propheten zu halten; aber hört man ihn hernach reden, so weiß man nicht, ob es ihm im Gehirne mangelt, oder ob er nicht geflissentlich einen Unsinn zusammenredet, den kein gesunder Mensch anhören kann, wie zum Beispiel gestern in der Schule. Man war allgemein gespannt, was er da vorbringen werde, da man sonst von seinen wahrlich außerordentlichen Fähigkeiten doch schon so manches selbst erlebt und mehreres von sehr glaubwürdigen Augenzeugen vernommen hatte; allein seine gestrige Rede war doch so etwas Hirnloses, daß sich alles darob weidlichst ärgern mußte! Wahrlich, wenn ihr von ihm nichts Besseres lernet, so seid ihr um euretwillen und noch mehr eurer braven Familien wegen sehr zu bedauern! – Habe ich recht oder nicht?“

3. Sagte Petrus etwas erregt: „Freund, wenn du über unsern Meister ein gültiges Urteil fällen willst, so mußt du Ihn gleich mir näher kennen! Ich bin nun über ein Jahr stets um Ihn und weiß darum auch um ein bedeutendes mehr, als du irgend wissen kannst. Ich bin auch nicht aufs Gehirn gefallen, kenne die Schrift und kann daher auch so manches ganz gründlich beurteilen; aber ich habe aus Seinem Munde noch nie ein Wort vernommen, in welchem sich nicht die tiefste, göttliche Weisheit sonnenhellst bekundet hätte. Selbst die gestrige Rede war voll des innersten, göttlichen Lebens und Geistes. Daß sie nur von sehr wenigen verstanden wurde, dafür kann Er wahrlich nicht! Wenn Er Sich klar offenbart und endlich ausspricht, wer Er so ganz eigentlich ist, und niemand glaubet es Ihm, wie möglich könnte da von solchem harten Unglauben Seine gestrige Rede verstanden werden?!

4. Da sieh hinaus! Das Meer, wie es unerhört tobt und wütet! Und sieh aber auch diese bedeutende Uferstrecke an, wie spiegelruhig sie ist, und keine mit aller Gewalt an sie stoßende Woge vermag sie aus ihrer Ruhe zu rütteln! Und siehe, daß dieses also ist und geschieht, das ist des Nazaräers Wille! Vor kaum einer halben Stunde waren die Wogenstürme auch hier am Ufer ebenso mächtig wie dort in der hohen See; aber Er gebot dieser Strecke Ruhe, und sie ruhte im Augenblicke, wie sie nun noch ruht. Wer aber mag wohl Der sein, dem auch die stummen Elemente augenblicklich gehorchen?!

5. Er hat es euch aber gestern einmal frei und unumwunden herausgesagt, wer Er ist. Warum habt ihr Ihm denn nicht geglaubt und gebeugt eure Knie und eure Herzen vor Ihm?! War es wohl klüger von euch, Ihn für einen Narren zu erklären, als hinzutreten vor Ihn und zu sagen: ,O Herr, der Du, als das Leben und alle Macht aus Gott Selbst, Worte des Lebens uns verkündest, sei uns armen, blinden Sündern gnädig und barmherzig!‘ Siehe, ich kenne und sehe, wer Er ist, und bleibe darum bei Ihm und werde allein nur von Ihm darum ernten das ewige Leben, dessen ich schon jetzt um vieles gewisser bin, denn daß ich jetzt lebe und rede! Und wäre es nicht also, da, glaube es mir, würde ich schon lange nicht mehr Sein Jünger sein; denn so viel Verstand als so mancher Bürger dieser Stadt habe ich auch!

6. Aber ich habe übereinstimmend mit allen Propheten der Schrift erkannt, daß nur Er allein der verheißene Messias, der große Gesalbte Gottes von Ewigkeit sein kann und auch ist, und so bleibe ich bei Ihm und halte es für den höchsten Ruhm der Welt, von Ihm Selbst als ein Jünger berufen worden zu sein. Gehe hin zu meiner Familie und frage sie, ob ihr seit meiner Abwesenheit je irgend etwas abgegangen ist! Wer außer Ihm aber sorgt für sie?! Und sie hat Brot und Wein zur Genüge! Er geht nicht hin und bebaut ihre Äcker und fängt für sie die Fische; das alles tut Sein allmächtiger Wille, durch den allein auch der ganze Erdboden bebaut wird! Und du sagst, daß es nicht fein sei, dieses Nazaräers wegen sein Haus und seine Familie zu verlassen! O du blinder Freund du!

7. Sieh, ich brauche wahrlich von dir und von gar keinem Menschen eine Belehrung; denn ich habe für ewig an der Belehrung des Einen genug! So du aber nicht gar so blöde wärest, wie du in aller Wahrheit bist, so würdest du uns fragen, was dein Nazaräer lehrt und tut, und du würdest um sehr vieles weiser tun denn also mit deinen weltklugen Selbstsuchtsreden! Ich weiß, was ich weiß, und die andern Jünger wissen es auch und sind samt mir Zeugen von der großen Liebe und Wahrheit Gottes des Vaters, die nun in unserem Herrn Jesus, dem von Gott Gesalbten, zu uns in diese Welt gekommen ist zum Heile aller, die an Ihn glauben, und zum Gerichte für die, welche Ihn nicht annehmen wollen und allzeit mit Rat und Tat wider Ihn sind und wider Ihn zu zeugen sich alle Mühe nehmen.

8. Aber wir maßen es uns doch nicht an, jemanden von euch für dumm und blind und für leichtsinnig zu erklären; aber ihr tut das an uns und haltet uns für arbeitscheue Müßiggänger und luftige Abenteurer, ohne daß wir euch nur den allergeringsten Anlaß dazu geben! Sage mir offen, ob das recht ist vor Gott und vor jedem biedern Menschen!“

9. Sagte der reiche Bürger: „Na, na, mein lieber Simon Juda, ich habe es ja nicht gar so arg gemeint, daß du darob Ursache hättest, dich gar so zu ereifern über mich! Wenn du den wunderlichen Nazaräer besser kennst denn ich, so ist das ja nicht meine Schuld; denn ich habe nicht die Gelegenheit gehabt, dir gleich beständig bei ihm zu sein, und zu sehen alle seine Werke und zu hören alle seine Worte. Ich beurteilte ihn nur nach dem, was ich wohl selbst gesehen und was ich über ihn von anderen Menschen gehört habe. Als ein purer Mensch kann ich von einem Menschen auch beim besten Willen nicht anders als nur menschlich urteilen; und weil ich als dein alter Freund solches nun dir gegenüber tat, so wäre es dir als einem viel erfahreneren und weisen Menschen etwa doch nicht übel angestanden, so du mit etwas gemäßigteren Worten mir meinen Irrtum vorgetragen hättest! Ich bin dir aber darum nicht gram, weil ich dich allzeit liebgehabt habe.

10. Das aber muß sogar die göttlichste Weisheit mir offen zu Recht bekennen, daß niemand von einem Menschen mehr verlangen kann, als dieser zu leisten imstande ist. Ich möchte den Gott kennen, der zu mir gebietend und gleich strafdrohend sagen möchte: ,Da, du elender Erdenwurm, diesen Berg hebe auf und trage ihn von hier bis ans Ende der Welt, ansonst verfluche Ich dich ins ewige Elend!‘ Würdest du solch eine irgend göttliche Anforderung für weise halten?! Könnte ein weiser Gott, der meine Kräfte kennen muß, eine solche Tat von mir verlangen?! Ich frage dich, ob es so ganz weise von dir war, von mir über meine geistigen Kräfte ein Erkennen, Verstehen und Glauben zu verlangen, mich aber meines wackeligen Glaubens und Erkennens wegen auch gleich des Gerichtes zu versichern.

11. Die geistige Kraft steht aber offenbar noch höher denn jede natürliche. Wem sie nicht eigen ist, dem ist sie einmal nicht eigen, und man kann dann ohne die Innehabung der größeren und höheren geistigen Kraft denn auch ebensowenig tiefere und geheimere Wahrheiten verstehen und sie als solche gläubig erkennen, als wie wenig man mit zu wenig Naturkraft einen Berg aufheben und weitertragen kann. Ich meine aber, daß man überall mit Liebe und Geduld mehr ausrichtet bei den Menschen denn mit solch einem Ernste, wie du ihn nun ohne Not mir gegenüber entwickelt hast. – Habe ich recht oder nicht?“

12. Sagte Petrus etwas verlegen: „Ja, ja, du kannst schon auch in deiner Art recht haben, und ich kann dieser deiner Ansicht gerade nichts entgegenstellen; aber das mußt du auch einsehen, daß es von deiner Seite durchaus nicht fein war, mich gleich gewisserart für einen leichtsinnigen Menschen zu halten, dieweil ich mein Haus, mein Gewerbe und meine Familie verließ und bin nachgefolgt dem Heiligen Gottes aus Nazareth!

13. Ich weiß es wohl, daß es dir hier, wie nun gar vielen, an der geistigen Kraft mangelt, die tiefen Geheimnisse Gottes auf den ersten Blick zu verstehen; aber es ist da noch ein ganz guter Mittelweg, und dieser lautet von mir aus ungefähr also: Wenn ich von außerordentlichen Dingen höre oder sie sogar selbst sehe, so bleibe ich bescheiden und halte mit meinem Urteile so lange inne, bis ich nicht von irgendeiner Seite her möglicherweise ein helleres Licht darüber erhalte; und bin ich dadurch auch noch nicht so ganz im klaren, so forsche ich noch weiter, und kommt mir darüber kein höheres und stärkeres Licht, so bin ich erst berechtigt zu sagen: ,Das verstehe ich nicht und überlasse es andern, die fähiger sind denn ich, darüber ein Urteil zu fällen!‘ Aber über eine unverstandene Sache gleich den Stab zu brechen, ist doch sicher noch unweiser denn mein Eifer gegen dich!

14. Du hast sicher das Hohelied Salomos gelesen und auch sicher samt mir keine Silbe davon verstanden! Wäre das klug, es darum zu verwerfen, weil man es nicht versteht?! Wir haben dennoch eine große Hochachtung vor diesem Liede, obwohl wir es nicht verstehen und wahrscheinlich in dieser Welt auch nie völlig verstehen werden. Hätten wir zu den Lebzeiten des mit so hoher Weisheit begabten Königs mit unserem gegenwärtigen sehr beschränkten Verstande gelebt, da hätten wir bei uns über das Hohelied wahrscheinlich kein besseres Urteil geschöpft, als ihr es gestern über die vom Herrn und Meister gehaltene Rede geschöpft habt; aber weil des Königs Lied schon sehr alt ist, so achtet man es des Alters wegen, wenn man es auch gar nicht versteht.

15. Unser Herr und Meister leistet Taten, von denen einem Salomo nie etwas geträumt hat, und Seine Weisheit und respektive vollste Allwissenheit verhält sich gegen die Salomonische Weisheit gerade also wie die Unendlichkeit zu einem kleinsten Punkte in ihr; weil sie aber nicht nahe tausend Jahre alt ist, und hier vor euren Augen und Ohren ist, wirkt und leuchtet, so ist sie für euch eine Torheit. Denke selbst nur ein wenig reiflich nach, und sage es mir, ob das von Männern von einigem Verstande klug ist!

16. Ich bin wohl dir gegenüber in einen Eifer gekommen, aber in einen gerechten, da ich dir denn doch zeigen mußte, daß ich wie auch die andern Brüder deshalb keine arbeitscheuen Toren sind, so wir alles verlassen haben und sind Ihm nachgefolgt; aber ihr alle seid es, die ihr das nicht einsehet, erkennet und dasselbe tut, was wir tun. Denn jetzt ist die Zeit vor unseren Augen da, in der ein jeder, der es will, unmittelbar von Gott belehrt und gezogen werden kann; denn wahrlich, ich sage dir als dein alter Freund: In diesem von euch so genannten Propheten aus Nazareth wohnt nicht nur der erweckte Geist eines Propheten, sondern die ganze Fülle der Gottheit körperlich und sonach um so mehr im Geiste! Aber ihr seid alle blind und möget das nimmer erkennen und um so weniger glauben zu eurem eigenen größten Schaden, und es ist darum schwer zu reden mit euch.“

17. Sagte der reiche Bürger: „Aber – lieber, alter Freund, du redest stets ein und dasselbe! Bedenke doch einmal mit nüchternen Sinnen, daß fürs erste noch nie irgend jemand als ein völlig Weiser vom Himmel auf unsere Erde herabgekommen ist – und namentlich als ein Mensch unseresgleichen schon gar nie! Woher hätten wir es denn nehmen sollen, daß wir wüßten, daß hinter dem uns persönlich nur zu wohl bekannten Zimmermannssohne, der bei uns mit seinem Vater Joseph und seinen Brüdern mehrmals gearbeitet hat, nun auf einmal die ganze Fülle der Gottheit sich befinden solle?!

18. Ja, wäre er etwa aus Ägypten oder aus Persien zu uns mit seinen Wundertaten herübergekommen, da hätte sein ganzes Wesen vor uns kurzsichtigen Menschen offenbar mehr für sich und würde uns auch sicher leichter und stärker anziehen; aber so ist er uns schon von seiner Kindheit an bekannt und hat früher, solange sein Vater lebte, nie etwas nur im geringsten merken lassen, daß er irgend etwas mehr wäre denn ein ganz gewöhnlicher, stiller, fleißiger und höchst gut gesitteter Mensch! Nun auf einmal hat er sich erhoben zu einem Lehrer und außerordentlichen Heilande für Kranke und sogar scheintote Menschen, was um so auffallender ist und sein muß, weil er früher von all dem nie irgend etwas hat merken lassen und wir recht wohl wissen, daß er zuvor niemals eine Schule besucht hat und nie in einer Fremde war, in der er sich so etwas hätte zu eigen machen können.

19. Auf einmal steht er aber mit so außerordentlichen Fähigkeiten ausgerüstet vor uns, über die ein jeder Mensch mit Recht sein höchstes Staunen ausdrücken muß! Was bleibt uns mit unserem natürlichen Verstande zu urteilen übrig als: er ist einmal in einer Nacht vom Geiste Gottes als ein frommer Mann zu einem Propheten erweckt worden, und wir tun darum nichts Unbilliges, so wir ihn für einen Propheten aus Nazareth erklären, was auch die Nazaräer selbst tun. Von dir erfahre ich erst jetzt ganz andere Dinge, die freilich für mich noch etwas seltsam klingen müssen; aber auch das macht nichts, weil ein jeder Mensch von einer Sache zuvor doch etwas vernehmen muß, bevor er sie beurteilen, prüfen und dann erst als eine volle Wahrheit gläubig annehmen kann.

20. Ich habe von dir nun zum ersten Male darüber etwas vernommen, was eigentlich hinter unserem Nazaräer stecke, und siehe, so großartigst deine Aussage von ihm auch ist, so finde ich sie dennoch durchaus nicht verdammlich, sondern sogar sehr ernstwürdig, darüber nachzudenken, sie zu prüfen und auch anzunehmen, so man alle dazu erforderlichen Bedingungen in der vollen Ordnung gefunden hat! Ich finde daran nichts Unmögliches, und es spricht nun der Umstand sehr dafür, weil wir alle es nur zu gut wissen, daß der Nazaräer sich solche außerordentlichen Fähigkeiten nie in irgendeiner geheimen Prophetenschule hat zu eigen machen können, weil er nie eine besucht hat. Nach der Behauptung seines Vaters soll er sogar niemals lesen und schreiben derart gelernt haben, daß man sagen könnte, er sei dessen völlig kundig. Und so ist seine plötzlich aufgetauchte Fähigkeit um so auffallender und um so bewunderungswürdiger die unbegreifliche Macht seines Willens, dem sogar, wie ich's vernommen habe, buchstäblich wahr die härtesten Steine weichen sollen. Ich halte das alles für wahr, weil ich im vorigen Jahre selbst Zeuge war von einer solchen Tat, die er offenbar nur durch seinen Willen vollführt hat. Aber du, mein alter Freund, mußt mir darum nicht gram werden, wenn ich als ein einfacher und schlichter Mensch nur menschlich mit dir rede!“

21. Sagte Petrus: „Vom Gramwerden kann bei mir schon lange keine Rede sein; aber einem alten Freunde die volle Wahrheit zu sagen, dessen werde ich mich auch nicht scheuen. Für jetzt aber vergnüge dich wohl im Namen meines Herrn und rein göttlichen Meisters! Ich muß nun zu Ihm ins anstoßende Zimmer gehen; denn ich habe in mir Seinen Ruf vernommen.“

22. Hier verließ Petrus seinen alten Freund und kam wieder zu uns in unser Gemach.

59. Kapitel. Jesus über das Wesen der Weltmenschen.

1. Als er zu Mir kam, sagte er (Petrus): „Herr, ich habe in mir Deinen Ruf vernommen! Was ist Dein mir stets über alles heiliger Wille?“

2. Sagte Ich: „Nichts anderes, als daß du dem alten, reichen Kauze ganz genug gesagt hast! Wenn ihn das nicht zu einem helleren Erkennen bringt, so wird ihn etwas anderes noch weniger dahin bringen. Aber es war nun des Redens auch schon genug. Es ist da in seinem Vaterlande wohl schwer, die Menschen in die reine Wahrheit zu führen! Denn man hat gleich die alte Frage: ,Woher kommt diesem das? Wir kennen ihn von seiner Kindheit an!‘ Und da ist es dann mit einer weiteren Belehrung schon zu Ende. Denn wen die Person des Lehrers beirrt, den beirrt auch mehr oder weniger seine Lehre. Und solche Menschen, die im Grunde doch nicht böse sind, mit Wundern und außerordentlichen Zeichen zu einem Glauben zwingen, hieße ihnen mit einem Schlage alle Freiheit ihrer Seelen und ihres Willens rauben; daher ist es besser, sie so lange gehenzulassen, bis sie am Ende selbst kommen und um eine weitere Aufklärung bitten.

3. So aber da in den etlichen Tagen unseres Hierverweilens dennoch welche kommen sollten, die da verlangeten eine weitere Auskunft über Mich, so saget ihnen über Meine Zeichen, und besonders von den geheim zu haltenden, nicht vieles, sondern nur Andeutungen; aber vor allem gebet ihnen kund, was sie tun sollen, um zu erreichen das ewige Leben. Sind sie mit dem nicht zufrieden, da lasset sie gehen; denn es ist nicht fein, den Schweinen die edlen Perlen als Futter vorzuwerfen. Wer eine kleine Gabe nicht ehrt, ist wahrlich der großen nicht wert!

4. Es gibt hier Menschen, die so von Zeit zu Zeit über geistige Dinge und Verhältnisse recht gerne stundenlang plaudern, dabei mitunter auch recht erbaut werden und voll guter Dinge und Vorsätze sind; sowie sie aber dann wieder nach Hause in ihre altgewohnten Weltgeschäfte kommen, da ist alles wie abgeschnitten! Ist nur irgend etwas ihnen in die Quere gekommen, so werden sie bei allem früher empfangenen geistigen Troste voll der drückendsten weltlichen Sorgen und wollen sich gar nicht mehr erinnern an die gehabten rein geistigen Tröstungen. Wozu waren diese dann gut?!

5. Und so, siehst du, Mein Simon Juda, waren auch deine guten Unterredungen mit deinem alten Freunde! Siehe, er denkt schon jetzt nicht mehr daran, weil ein Handelsmann aus Kana zu ihm getreten ist und die beiden nun einen ganz vorteilhaften Kauf von verschiedenen Handelsartikeln abzumachen haben! Er weiß recht wohl, daß Ich Selbst hier bin, und hätte auch zu Mir hereinkommen können, um sich mit Mir Selbst zu besprechen über Meine von ihm für so außerordentlich erklärten Fähigkeiten. Ich hätte ihn wahrlich nicht zur Türe hinausgewiesen! Aber nein, da steht der Kaufmann aus Kana viel höher, und du darfst nun gar keine Angst haben, daß er noch etwas Weiteres über Mich mit dir besprechen werde!

6. Daher sind solche Menschen noch gar lange nicht tauglich und geschickt fürs Reich Gottes. Sie gleichen jenen Ackerbauleuten, die beim Pflügen ihre Augen nicht nach vorwärts, sondern nach rückwärts richten und daher nach vornehin nicht sehen können, wie der Ochse zieht den Pflug, und ob dieser wohl die rechten Furchen schneidet und aufwirft. Solche Leute sind darum noch lange nicht tauglich zum Reiche Gottes. Es ist auch besser, solche Leute stehen zu lassen, wo sie auch stehen mögen, weil sie mit allen Zeichen und mit lichtvollsten Worten von ihren Weltsorgen nicht abwendig zu machen sind.

7. Ich sage euch auch das: So ihr dereinst als vollendete Jünger Meine Lehre den Menschen in Meinem Namen werdet zu predigen anfangen, da habet darauf acht: Wird man euch irgendwo in einem Orte oder in einem Hause wohl aufnehmen, so bleibet daselbst und unterrichtet die Menschen wohl und gut, und taufet sie dann in Meinem Namen mit Wasser, wie es Johannes getan hat, und Ich werde sie dann taufen mit Meinem Geiste von oben her!

8. Wo man euch aber nicht aufnehmen wird oder nur also, wie dein alter Freund nun deine Worte aufgenommen hat, da schüttelt sogar den Staub von euren Füßen, der an einem solchen Orte oder in einem solchen Hause an ihnen klebend ward, auf daß von ihnen ja nichts Weltliches an euch haften bleibt! Denn ihr wisset, daß Mein Reich nicht von dieser Welt ist, sondern geschaffen werden muß durch die Erkenntnis und durch die Beachtung Meines Wortes im Innern des Menschen. Aber es ist die Erschaffung dieser inneren, geistigen Lebens- und Himmelswelt so lange hin stets eine schwierige Sache, solange an einem Menschen noch irgend etwas Weltsinnliches haftet.

9. Ich meine unter dem erwähnten Staube an euren Füßen aber nicht etwa den natürlichen Zimmerstaub oder den Staub auf den Straßen, sondern der Staub, den Ich meine, das sind jene weltklugen Reden solcher Menschen, die deinem alten Freunde ganz ähnlich sind. Sie klingen recht artig, freundlich und dem Weltverstande ganz angemessen; aber sie sind dennoch nichts als ein leerer Staub, weil sie nur Welttümliches befürworten und selbst darin von einem Wahrheitsernste keine Spur vorhanden ist. Wie aber der leere, nichtige Staub der Straßen keinem Wanderer zu etwas nütze werden kann, so auch derlei weltstaubige Reden solcher reichen und weltklugen Bürger.

10. Obschon aber solch ein Staub niemandem zum Nutzen werden kann, so kann er einem Wanderer aber dennoch mehr oder weniger schädlich sich gestalten. So ein Wind kommt und den Staub in die Luft hebt, da heißt es die Augen schließen und den Mund zuhalten, ansonst kann man erblinden und ersticken. Auch muß man so lange stehenbleiben oder sich gar, mit dem Gesichte zur Erde gekehrt, auf den Boden legen, bis der Wind den lästigen Staub weithin getragen hat. Und das hat den Wanderer sicher auch Zeit gekostet, infolgedessen er notwendig später an den Ort seiner Bestimmung gelangt, als er ohne die Staubbescherung gelangt wäre.

11. Was aber der Straßen- und Gassenstaub dem irdischen Wanderer ist, das ist der eitle, weltkluge Wortstaub dem Lebenspilger auf Meinen euch gezeigten Lebenswegen. Er trübt leicht die innere Sehe und kann sogar sehr erstickend auf das wahre, innere, geistige Seelenleben einwirken. Und mindestens verzögert er bei aller angewandten Vorsicht doch den geistigen Fortschritt! Darum sagte Ich, daß ihr auch sogar den Staub, der an euren Füßen kleben geblieben ist, abschütteln sollet, auf daß gar nichts Welttümliches an euch sei; denn wahrlich sage Ich euch: Solange an einer Seele noch ein welttümliches Atom klebt, kann sie nicht völlig in Mein Reich eingehen; denn alles Welttümliche ist das für die Seele, was das Gift für den Leib ist. Ein kleinster, kaum sichtbarer Tropfen von einem starken Gifte kann dem Leibe den Tod geben, und ebenso kann auch ein Atom Welttümlichkeit eines Menschen Seele ganz verderben oder wenigstens derart zu Schaden bringen, daß sie dann lange zu tun haben wird, um völlig geheilt zum ewigen Leben zu erstehen. Die Erfahrung wird euch darüber die vollste Bestätigung geben.“

12. Sagte Petrus: „Herr, da wird es für uns eben nichts Leichtes sein, Dein Wort den andern Menschen zu verkünden! Denn wie werden wir's erfahren, ob ein Mensch geeignet ist, Dein Evangelium aufzunehmen? Der Alte draußen wäre für mich einmal schon ein ganz geeigneter Mensch gewesen, da er sonst von einer ganz guten Gemütsart ist und sich gerne in seinen Mußestunden über höhere und geistige Dinge bespricht und, soviel mir bekannt ist, auch gerne armen Menschen Gutes erweist. Nun, wenn derlei Menschen auch noch zu den Bedenklichen gehören, mit denen man nicht viel zu tun haben soll, da wüßte ich dann wahrlich nicht, wen man für die Mitteilung Deines Evangeliums für tauglich erachten soll.“

13. Sagte Ich: „Seid ihr denn auch noch blind und merket nichts von dem, was Ich euch sage? Hast du im vorigen Jahre nicht den reichen Jünglingsmann gesehen? Er fragte Mich, was er tun solle, um das ewige Leben zu erreichen. Und Ich sagte zu ihm, daß er die Gebote halten und Gott über alles und den Nächsten wie sich selbst lieben solle. Da sagte und beteuerte der junge Mann, daß er das schon seit seinen Kinderjahren getan habe. Ich aber sagte darauf: ,Nun gut, – willst du mehr, so verkaufe alle deine Güter, teile den Erlös unter die Armen, und komme dann und folge Mir nach, so wirst du dir dadurch einen großen Schatz im Himmelreiche bereiten!‘ Alsbald ward der junge Mann traurig, kehrte uns den Rücken und zog seines Weges weiter. Ich aber machte euch dann die Bemerkung, dernach ein Kamel leichter durch ein Nadelöhr gehe denn ein Reicher in den Himmel. Damals stauntet ihr darüber und meintet, da dürften äußerst wenige ins Himmelreich gelangen. Und Ich sagte zu euch, daß bei dem Menschen wohl gar vieles als unmöglich erscheine, was aber bei Gott noch immer gar wohl möglich ist.

14. Damals sahet ihr diese Sache nicht völlig ein; aber nun dürfte sie euch wohl schon um vieles begreiflicher sein. Was hätten wir zum Beispiel gewonnen, so wir damals jenem jungen Manne so recht zuzureden angefangen hätten, daß er dennoch das tun solle, was Ich ihm angeraten habe? Gar nichts! Er hätte uns mehrere Tage hindurch seine weltklugen Gründe vorgetragen, derentwegen er selbst beim besten Willen Meinem Rate vorderhand nicht nachkommen könne, und wir wären nach mehreren Tagen mit ihm auf demselben Flecke gestanden wie im ersten Augenblicke unseres Zusammentreffens. Wir aber zogen lieber recht schnell weiter und fanden bald eine Gelegenheit, wo wir recht viel Gutes haben wirken können. Sehet, da haben wir auch den Staub, den uns der junge Mann offenbar bereitet hatte, schnell abgeschüttelt und zogen ungehindert unseres Weges weiter!

15. Die da draußen im Vorzimmer sind lauter solche Menschen, die an und für sich ganz rechtliche und sehr weltkluge Menschen sind, welche Eigenschaft sie auch sehr weltreich machte; aber für Mein Evangelium sind sie noch lange nicht reif und werden es in dieser Welt auch schwerlich je ganz werden. Daher sollet ihr in der Folge solchen Menschen auch Mein Wort nicht predigen; denn es wird bei ihnen nicht wurzeln und noch weniger je zu einer guten Frucht reifen.

16. Du, Petrus, hast dem reichen Bürger wahrlich ganz tüchtige Wahrheiten gesagt, so, als hättest du sie aus Meinem Munde geredet! Welche Wirkung aber haben sie bei ihm gemacht? Sieh, gar keine! Er redet nun so frei und unbeirrt mit seinem Geschäftsfreunde, als ob du nie ein Wort von Mir zu ihm gesprochen hättest! Er weiß, daß Ich hier bin; es sollte ihn wenigstens die Neugierde zu Mir führen, auf daß er sich mit Mir Selbst über das besprechen möchte, was du von Mir ihm kundgetan hast! Allein, das alles ist dem reichen Manne so gleichgültig wie eine auf dem Wege von seinem Fuße zertretene Mücke. Er steht auf uns und unsere für ihn zu geringfügige Hilfe gar nicht an, indem er ja ein sehr reicher und weltkluger Mann ist, – und noch gar viele sind seinesgleichen.

17. Sehet, das sind so die rechten Weltwühlschweine, denen ihr Meine Perlen nicht vorwerfen sollet; denn diese kümmern sich um nichts anderes als nur um das, ob und was bei einer Sache materiell zu gewinnen ist. Darum hatte der reiche Mann dir denn auch vorgehalten, daß du dein gewinntragendes Gewerbe verlassen habest und Mir gewisserart um nichts und wieder nichts gefolgt seiest.

18. Diese Menschen sind sonst recht artig und beachten gegen jedermann eine feine Sitte; aber das alles ist gleich der feinen und zierlichen Tünche eines Grabes, das dadurch äußerlich recht erbaulich anzusehen ist, – aber inwendig ist es dennoch voll Totenmoders und pestilenzialischen Ekelgeruches. Solange so ein Mensch ganz ruhig seinen Gewinn einstecken kann und ihn kein Geschäftsunglück ereilt, wird er stets in der besten und mitunter sogar freigebigen Laune sich befinden; lassen wir ihn aber bei irgendeiner Spekulation nur einmal so recht tüchtig eingehen, da schaue dir dann deinen freundlichen Mann an, und fange an, mit ihm über innere, geistige Wahrheiten zu reden, und Ich stehe dir dafür, daß du noch eher hinausgeschafft wirst, als du den Mund so recht aufgemacht hast! Und sieh, darin liegt auch hauptsächlich der Grund, warum Ich dich von deinem sonst sehr löblichen Eifer abberufen habe; denn bei derlei Menschen ist jedes innere, geistige Wort ein beinahe völlig vergebliches!

19. Du hast ihm doch enthüllt, daß diese große Meeresbewegung allein durch Meinen allmächtigen Willen bewirkt wird, daß Ich überhaupt nur wollen darf, und alle Elemente gehorchen Mir. Das ist sicher doch nichts Geringes! Siehe aber nur hinaus, und du wirst dich gleich selbst überzeugen, welch einen nichtigen Eindruck solche deine Kundgebung auf ihn gemacht hat! Er ist nicht einmal nachsehen gegangen, ob das Meer noch in seiner großen Bewegung steht, und ob irgendein Teil desselben ganz ruhig ist!

20. Du hast ihm auch zu schmecken gegeben, daß die Ungläubigen Mein Gericht treffen werde. Das kostete ihn höchstens ein kleines Lächeln, und er dachte sich: ,O du armer Hungerleider, siehe nur du zu, daß dich nicht nächstens das Gericht des leeren Magens und der nackten Haut ereilt!‘ – Sage Mir nun, ob solchen Menschen Mein Wort zu predigen ist!“

21. Sagte ganz ärgerlich Petrus: „Ah, wenn also, da wäre ich ja um vieles lieber eines Griechen Schweinehirt denn solchen Menschen ein Prediger! Jetzt begreife ich erst so ganz recht Deinen vorjährigen Eifer im Tempel! Denen muß man ein anderes Wort mit Stricken und Knütteln predigen, wie Du es im Tempel getan hast! Diese Brut ist am Ende noch schlechter denn der eifersüchtigste Pharisäer im Tempel; denn jener hat doch wenigstens einen geistigen Schein – der zwar auch zu nichts gut ist –, aber diese Brut hat gar nichts als die purste und allermateriellste Welt! Oh, das ist gut, daß Du, o Herr, uns alle darauf sehr aufmerksam gemacht hast! Wahrlich, mit diesem Gassenstaube sollen unsere Füße nimmerdar beklebet werden! Aber was machen wir nun?“

22. Sagte Ich: „Wir wollen nun ein wenig ins Freie gehen, auf daß ihr euch alle von der Gleichgültigkeit dieser Menschen überzeugen möget; dann wollen wir wieder hierher zurückkehren. Ich werde aber dann einen recht tüchtigen Regen kommen lassen, und wir werden diese lästigen Gäste bald los sein. Und so gehen wir denn hinaus ins Freie, wie Ich gesagt habe! Gebet aber besonders acht auf alle, die uns begegnen werden! Hier werden wir dann noch weiter darüber reden und dann unsere Verfügungen machen.“

60. Kapitel. Gleichgültitgkeit von Kaufleuten auf geistigem Gebiet.

1. Es fehlten noch nahe drei Stunden bis zur Tagesmitte, als wir nach Meiner Beheißung unser Zimmer verließen und durch eine Menge von Gästen ins Freie hinausgingen. Der Wirt, der mit den Gästen viel zu tun und zu reden hatte, bat Mich um Vergebung, daß er Mir wegen der vielen Gäste so wenig Aufmerksamkeit habe widmen können.

2. Ich aber sagte zu ihm: „Mache du dir nur nichts daraus! Wer mit seinem Herzen bei Mir ist, der kann mit seinen Gliedern unbeirrt sein nötiges Tagewerk verrichten, wie er mag und kann, und wie es sein Gewerbe erfordert, und er widmet Mir dennoch die vollste und wahrste Aufmerksamkeit; jede andere aber hat vor Mir ohnehin keinen Wert.

3. Wir werden nun bis zum Mittage hin ins Freie gehen und werden längs dem Ufer des Meeres Tätigkeit in Augenschein nehmen. Bevor wir aber selbst zurückkommen werden, wird ein von Mir verordneter, recht tüchtiger Regen kommen, der diese Mir lästigen Kaufleute vor uns nach Hause treiben wird, wie Ich zuvor dessen schon erwähnt habe; denn vor einem Gewitter haben diese Weltmenschen die größte Furcht. Wenn sie ein Gewitter werden herannahen sehen, da werden sie sich auch sogleich und allereiligst in die Stadt zurückbegeben. Siehe nur, daß dir keiner mit der Zeche durchgeht!“

4. Sagte der Wirt: „O Herr, ich danke Dir für diesen Rat und gar besonders für das verheißene Gewitter; denn diese Gäste sind mir die allerlästigsten!“

5. Darauf gingen wir, weil der Wirt von einem Gaste gerufen ward, was ihm sehr unlieb war.

6. Als wir im Freien waren, fragte Ich den Petrus: „Nun, hast du deinen alten Freund bemerkt?! Wie gefiel er dir?“

7. Sagte Petrus ganz ärgerlich: „Ah, da höret alles auf zu sein! Wenn uns diese Menschen aber auch nur eines Blickes gewürdigt hätten oder wenigstens einer den andern gefragt hätte, wer wir wären! Aber nein, nicht einmal eines Blickes haben sie uns gewürdigt, obwohl sie Dich kennen und schon gar vieles von Dir gehört haben! Wahrlich, derlei ganz stumme und gleichgültigste Menschen sind mir noch gar nie vorgekommen! Wenn wir heute unter eine Schweineherde kommen, so werden diese Tiere uns sicher anschauen und uns anzugrunzen anfangen; aber für diese Menschen sind wir so rein gar nichts, als wären wir im Ernste gar nicht da. O du schlechte, taube und stockblinde Welt! O Herr, laß nur ein recht allerheftigstes Gewitter mit zahllos vielen Blitzen über sie losbrechen, auf daß ihnen ihr überstoischer Gleichmut vergeht! Ja wahrlich, das sind vollwahrst die Schweine, denen man Deine Lebensperlen nicht vorwerfen soll!“

8. Sagte Ich: „Ich habe es dir zuvor gesagt, daß es sich also mit diesen Kaufleuten verhält! Sie kennen nur ihre Ware und ihr Geld. Wer ihnen gegenüber keine Ware und kein Geld hat, der ist ihnen gegenüber auch so gut wie gar kein Mensch. Was sie über einen Menschen unserer geldlosen Art noch zu denken sich herabwürdigen, besteht bloß in dem, daß sie bei sich rechnen und sagen: ,Siehe, was könnte dieser Tropf als ein Sklave wert sein?‘ Nur als eine schlechte Ware könnten wir alsonach für sie noch irgendeinen Wert haben; denn da gibt es viele darunter, die geheim den Sklavenhandel betreiben, und dein alter Freund ist einer der stärksten unter den andern und hat seine Geschäfte alljährlich in Ägypten, in Rom, in Griechenland und auch in Persien. – Was sagst du dazu, wenn ein Jude solches tut?“

9. Sagte Petrus: „Der solle gesteinigt werden! Aber ich und eigentlich schon wir alle begreifen das noch immer nicht so ganz recht, wie Du, o Herr, solchen Freveln der garstigen Menschen mit so vieler Geduld und Langmut zusehen kannst; denn das geht ja schon über Sodom und Gomorra hinaus. Wenn das die Heiden tun, so sind sie zu entschuldigen, – aber ein Jude nimmermehr!“

61. Kapitel. Jesus über Reinkarnation. Die Erde als Gotteskinderschule.

1. Sagte Ich: „Werde nur nicht gar zu hitzig; denn du weißt es noch lange nicht klar genug, was alles für Gäste auf dieser Erde einherwandeln, und was dazu nötig ist, um sie nach und nach in die Sphäre der Kinder Gottes zu bringen! Wenn ihr aber durch Meinen Geist, den Ich euch nach Meiner Auffahrt senden werde, vollends gekräftigt sein werdet, dann werdet ihr auch das klar einsehen und Mir die Ehre geben darum, daß Ich eben so geduldig und langmütig bin.

2. Wer aber von euch etwas zu fassen imstande ist, der wisse, daß auch von anderen Welten Seelen auf dieser Erde ins Fleisch getreten sind und auch die Kinder der Schlange auf dieser Erde. Sie sind wohl einmal gestorben, und manche schon etliche Male, nahmen aber zu ihrer Vollendung wieder Fleisch an sich.

3. Ihr habt schon oft von einer Wanderung der Seelen gehört. Das ferne Morgenland glaubt noch heutzutage fest daran. Aber es ist solcher Glaube bei ihnen sehr verunreinigt, weil sie die Menschenseelen wieder in ein Tierfleisch zurückkehren lassen. Allein dem ist nicht von ferne also.

4. Daß sich eines Menschen Seele von dieser Welt wohl aus dem Mineral-, Pflanzen- und Tierreiche zusammensammelt und sich bis zur Menschenseele emporschwingt, das ist euch schon zum größten Teile gezeigt, und auch, wie das in der gefesteten Ordnung geschieht. Aber rückwärts wandert keine noch so unvollendete Menschenseele mehr, außer im geistigen Mittelreiche der äußeren Erscheinlichkeit nach zum Behufe ihrer Demütigung und der daraus möglich hervorgehenden Besserung. Ist eine solche bis zu einem gewissen Grade erfolgt, über den es dann wegen Mangel an höheren Befähigungen nicht weitergehen kann, so kann solch eine Seele dann in eine bloß geschöpfliche Beseligung auf irgendeinem andern Weltkörper, das heißt in dessen Geistiges, übergehen oder aber auch, so sie es will, noch einmal ins Fleisch der Menschen dieser Erde treten, auf welchem Wege sie sich höhere Befähigungen aneignen und mit ihrer Hilfe sogar die Kindschaft Gottes erreichen kann.

5. Also wandern auch von anderen Welten Seelen ins Fleisch der Menschen dieser Erde, um im selben sich jene zahllos vielen geistigen Eigenschaften anzueignen, die zur Erreichung der wahren Kindschaft Gottes notwendig sind.

6. Weil aber diese Erde solch ein Schulhaus ist, darum wird sie auch von Mir mit so vieler Geduld, Nachsicht und Langmut behandelt. Wer von euch das fassen kann, der fasse es; aber er behalte es für sich, da es nicht allen gegeben sein soll, alle die Geheimnisse des Gottesreiches zu fassen. So ihr aber dennoch jemanden findet, der eines ja möglich rechtesten Geistes Kind ist, dem könnet ihr nach und nach ein und das andere Geheimnis offenbaren, aber auch nur für ihn selbst; denn Ich will es, daß ein rechter Mensch sich solches alles durch den eigenen Fleiß nach Meiner Lehre erwerben soll.

7. Weiß ein Mensch einmal, was er zu tun hat, um zu erreichen das ewige Leben und seine Schätze, so tue und lebe er danach, und er wird dann schon in sich selbst die volle Erfüllung Meiner Verheißung vonstatten gehen sehen, hören und lebendigst fühlen.

8. Dem Menschen viel von solchen außerordentlichen Geheimnissen kundzugeben durch den Mund, hat entweder gar keinen oder nur einen ganz geringen Nutzen und Wert; denn fürs erste fasset er es nicht, und fürs zweite stört ihm so etwas für ihn zu Unbegreifliches gar leicht den Glauben, den er zur Not doch schon angenommen hat. Denn um das in der wahren, inneren, geistigen Lebenstiefe zu fassen, dazu gehört offenbar mehr als bloß der tote Buchstabe des Gesetzes und der Propheten.“

62. Kapitel. Auftauchen einer großen Seeschlange.

1. (Der Herr:) „Aber nun sind wir am Ufer des Meeres so weit gekommen, daß wir von der Stadt kaum mehr irgend etwas wahrnehmen, und die Wogen des Meeres schlagen da mächtig an das steinige Ufer. Da vor uns ist eine Fischerhütte! In diese wollen wir eintreten und darin das verheißene Gewitter abwarten. Sehet hin dort gegen Mittag! Von dorther wird es allgewaltigst kommen, und es wird da an Blitzen keinen Mangel haben. Es erhebe sich und ziehe schnell gegen Kapernaum hin!“

2. Als Ich solches noch kaum ausgesprochen hatte, da fingen plötzlich ganz furchtbar schwere Gewitterwolken an, sich aus dem Meere und über alle die Berge zu erheben, was die Gäste bei unserem Wirte zu Kapernaum bald merkten. Als das bös aussehende Gewitter sich aber mit großem Getöse und mächtigem Donner gegen die Stadt stets schneller zu bewegen anfing, da zahlten die Gäste schnellstens ihre Zechen, und ein jeder lief davon, was er nur laufen konnte. Alle Handelsreden hatten auch plötzlich ihr Ende erreicht, und unseres Wirtes Haus war auf einmal alle seine lästigen Gäste los. Als aber das Gewitter über uns hinzog, da ward es auch unseren Judgriechen bange, da auch sie als alte Juden eine angeborene Scheu vor solchen Gewittern hatten.

3. Ich aber ermahnte sie zum Mute und zu aller Furchtlosigkeit und sagte: „Seht ihr denn nicht, daß die Geister dieses Ungewitters auch Meinem Willen untertan sind?! Fürchtet euch nicht, – es wird da niemandem ein Haar gekrümmt werden! Ich habe es nicht so sehr der Kapernaumer wegen berufen, sondern vielmehr jener Sendlinge Jerusalems wegen, damit sie um so mehr verspüren sollen, wie Gott die treuen Diener des Mammon lohnt und beschützt.“

4. Als Ich aber also redete, da schlug gerade vor uns ein Blitz mit gewaltigstem Gekrache in die Erde.

5. Die Judgriechen prallten vor Angst zurück, und einer sagte zu Mir: „O Herr, treibe dies Ungetüm von hier, sonst kommen wir alle übel um!“

6. Und Ich bedrohte das Gewitter, und es zog von dannen, und wir standen unter freiem, hellblauem Himmel, worüber die Judgriechen sehr froh waren und Mich darum sehr zu loben anfingen.

7. Als wir aus der Hütte aber nahe an das Meer traten, da bemerkte einer der Juden, daß sich in einer Entfernung von etwa zweihundert Schritten ein Ungetüm in gewaltigen Krümmungen herumbewegte und eine Menge Seevögel auf dasselbe aus der Luft herabstießen. Er fragte Mich, was das für ein Ungeheuer wäre.

8. Und Ich sagte: „Das ist eine große Seeschlange, die im Sturme nun wie gewöhnlich auf ihren Raub ausgeht; sonst aber ist sie beständig in der Tiefe des Meeres. Wenn sie sich aber sattgefressen hat, dann sinkt sie wieder auf den Grund und liegt daselbst oft mehrere Wochen lang. Ist sie dann wieder hungrig geworden, so hebt sie sich wieder zur Oberfläche herauf und macht da Jagd auf ihren Fraß. Wenn sie im Wasser zu wenig zu ihrer vollen Sättigung findet, so bekriecht sie auch die Ufergegenden und raubt da Lämmer und Ziegen, auch Schweine, Kälber und Eselsfüllen. Wenn sie den Schiffen in die Nähe kommt, so haben sie ihre Not mit ihr, weil sie in einem hungrigen Zustande auch Menschen verschlingt. Und mit dem wisset ihr nun, was für ein Tier ihr seltenerweise gesehen habt.“

9. Fragte hier Petrus: „Herr, solch ein Ungeheuer habe ich als Fischer einmal gesehen und dachte: ,Sieh, das ist ein Riesenaal; dessen sollte man mittels eines guten Köders habhaft werden!‘ Ich bereitete mit meinen Gehilfen einen Köder und legte ihn; aber das Tier wich demselben aus und verschwand darauf plötzlich und kam mir bis jetzt nicht mehr zur Sicht. Wie möglich könnte man denn solch ein Tier fangen?“

10. Sagte Ich: „Das wäre für Menschen, wie sie jetzt bestellt sind, nahe eine pure Unmöglichkeit! Denn fürs erste ist solch eine Schlange sehr schlau und weiß alle ihr drohenden Gefahren zu vermeiden, fürs zweite ist sie sehr schnell in ihrer Bewegung, so daß sie auch das beste Segelschiff nicht einholen könnte, und fürs dritte ist sie für euch kaum glaubbar stark. Würde sie irgend in eine für sie gefährliche Enge getrieben, so würde sie sich über den Feind stürzen und ihn in einem Augenblick erdrücken. Es wäre daher eben nicht rätlich, sie im Ernste zu verfolgen. In diesem Meere sind nur zwei solche Tiere, und wenn sie ausgestorben sein werden, wird dieses Gewässer vollends frei sein von solchen Ungetümen. Diese zwei noch bestehenden aber sind schon sehr alt und gehören der vorweltlichen Tierepoche an, obwohl sie erst das Alter Noahs haben, das heißt von dessen Geburt an bis in diese Zeit.

11. Diese Tiere gehören eigentlich dem großen Meere an; aber zur Zeit der großen Flut Noahs sind sie in dieses Binnenmeer verschlagen worden und bestehen seit derselben Zeit hier und werden noch ein paar Hunderte von Jahren allda fortbestehen.

12. In solchen Großtieren sammelt sich der allerroheste Weltseelenlebensstoff und wird in ihnen gemildert und gewisserart zu einem besseren Übergange reifer gemacht. Wenn das Tier dann endlich einmal verendet, so geht sein gesammeltes Leben in viele tausendmal tausend höhere Lebensformen über, in denen es schon in einer kürzeren Frist eine höhere Lebensreife erhält, entweder noch im Wasser, in der Luft oder auf dem Erdboden, und das geht dann also alle Lebensformen hindurch bis zum Menschen herauf. Aber die Menschenseelen, die sich auf diesem Wege entwickelt haben, stehen dennoch auf einer sehr niederen Stufe und sind bei den alten Weisen ,Kinder der Schlangen und Drachen‘ benamset worden; denn die alten Weisen wußten in ihrer Einfalt mehr von der Seelengenitur denn die Weisen heutzutage.

13. Das sind also die Kinder dieser Welt; sie sind in ihrer Art sehr klug und irdisch reich und mächtig, – aber zur Aufnahme des höheren, geistigen Lebens noch lange nicht fähig.

14. Von einer ganz gleichen seelischen Abkunft sind denn auch unsere Kapernaumer Kaufleute. Sie gehen stets noch auf den Handelsraub aus und haben ihre größte Freude, wenn sie so einen recht riesenhaften Gewinn gemacht haben. Sie haben daher noch sehr vieles von der gefräßigen Natur solch einer Schlange und sammeln fort und fort Schätze auf Schätze, gleichwie da dieses Tier in sich allerlei Lebenssubstanzen sammelt bloß durch seine unersättliche Freßgier.

15. Aber wie dem Tiere bei seinem Verenden alles genommen und in die höheren Lebensformen verteilt wird, also wird auch nach dem Leibestode solchen reichen und selbstsüchtigen Käuzen alles genommen, und sie werden jenseits durch eine große Armut und durch Hunger und Durst von ihrer alten Schlangennatur geläutert werden müssen. Es ist zwar bitter und schlimm, daß es also ist; aber es kann für derlei allerunterste Lebensformen nicht anders sein.“

63. Kapitel. Jesus über den Grund der Menschwerdung Gottes.

1. (Der Herr:) „Erschaffen ist leicht; aber die aus sich hinausgestellten Geschöpfe zu einem freien, ungerichteten und selbständigen Sein hinleiten, das ist selbst für die göttliche Allmacht keine leichte Sache. Doch mit Geduld und Langmut kann man am Ende dennoch alles erreichen, und ist eine Sache in bestzwecklicher Hinsicht einmal erreicht, da gedenkt man nicht mehr der Zeit, die zur Erreichung vonnöten war.

2. Es geht uns da wie einem schwangeren Weibe, das auch in seiner Schwangerschaft viel Furcht, Angst und Wehen zu bestehen hat; aber wenn das Kind aus dem Weibe in der gewissen Zeit zur Welt geboren worden ist, dann hat bei dem Weibe alle Furcht und Angst aufgehört, und es gedenkt nicht mehr der Wehen und Schmerzen, denn es sieht vor sich die lebendige Frucht, die aus ihm in ein freies und selbständiges Leben hervorgegangen ist.

3. Wäre es aber mit der freiesten Selbständigmachung eines Geschöpfes eine leichter zu bewerkstelligende Sache, da hätte Ich als der Schöpfer aller Dinge und alles Seins wahrlich nicht nötig gehabt, nun Selbst als ein Mensch in diese Welt zu kommen, um die möglich vollendetste Freigestaltung des Menschen durch Lehre und Tat zu bewerkstelligen.

4. Wenn euch das jemand anders gesagt hätte, so würdet ihr zu ihm gesagt haben: ,Mensch, was faselst du, und welch einen Unsinn redest du da durcheinander!‘ Ich Selbst aber sage euch hier solches, und so möget ihr es wohl glauben, daß es also ist; denn um einer Kleinigkeit willen hätte Ich nimmer das Fleisch dieser Welt, und sogar seinen Tod, angezogen und ginge nicht mit euch, Meinen Geschöpfen, wie ein rechter Vater mit seinen Kindern um.

5. Ihr saget nun wohl bei euch, das sei wohl nun höchst wahr, aber warum geschehe solches denn gerade jetzt, und was sei da mit der ganzen schon verflossenen Zeitenewigkeit, in der Gott ebenso endlos vollkommen bestand wie eben jetzt, – was sei mit jenen Geschöpfen geschehen, die diese gegenwärtige Lebensvollendung nicht haben erreichen können, indem Ich zuvor niemals einen fleischlichen Leib gleich einem geschaffenen Menschen angenommen habe.

6. Ja, Meine Lieben, das ist eine gar gewichtige Frage! Aber zum Teile habe Ich sie vor euch, Meinen alten Jüngern, beim alten Markus zu Cäsarea Philippi schon erörtert, und ihr wisset davon noch so manches; aber ihr wisset noch nicht völlig, warum aus der unendlichen Zeitendauer gerade diese Periode genommen ward, um den Menschengeschöpfen von nun an die volle Gottähnlichkeit für ewighin zu geben.

7. Sehet, mit der ganzen, endlos großen Schöpfung beachtet Gott sowohl der Zeit als dem Raume nach stets ein und dieselbe allerweiseste Ordnung! Sollte es Gott denn etwa unmöglich sein, einen Menschen mit aller Weisheit und Kraft ohne eine Zeugung und ohne einen Mutterleib zu erschaffen, gleichwie es Ihm möglich ist, im Augenblicke den Blitz aus der Luft zu rufen?! Ganz sicher nicht, und Ich Selbst habe euch dafür die hinreichendsten Beweise gegeben!

8. Wenn aber Gott das möglich ist, warum läßt Er es denn zu, daß der Mensch erst in einen weiblichen Leib eingezeugt werden, dann im selben von Periode zu Periode und von Teil zu Teil wachsen und sich ausbilden muß? Ist er im Mutterleibe in der ziemlich geraumen Zeit ausgereift, so kommt er zur mühseligen Ausgeburt, wo ihm noch gar vieles an den Leibesteilen mangelt. Nach und nach ergänzen sich diese stets mehr und mehr; die Zunge wird beugsamer und fängt an, Worte zu lallen, die Organe kommen in eine stets größere Ordnung, und die kräftiger und mündiger werdende Seele kann sich ihrer mehr und mehr bedienen, und so geht das von Stufe zu Stufe auf- und vorwärts so lange hin, bis der Mensch, etwa nach dreißig bis vierzig Jahren, als ein kräftiger und erfahrungsreicher, verstandesvoller Mann dasteht. Alle Kenntnisse und Erfahrungen hat er sich durch eigene Mühe und Tätigkeit aneignen müssen, damit er seinen Nebenmenschen als ein nützlicher Mitbürger wert und achtbar sein kann. Ja, aber warum das alles mit dem Menschen, wenn Gott allmächtig ist und sogleich ohne Geburt und Erziehung völlig weise und kräftige Menschen aus der Luft oder gar aus nichts herstellen kann?

9. Das kann Gott allerdings; aber was wären solche Menschen? Ich sage es euch: nichts als Maschinen, die nie einen eigenen, freien Willen, nie ein eigenes, selbstisches Bewußtsein und nie eine selbständige, freie Tätigkeit weder im Denken noch im Fühlen und Handeln haben könnten, sondern Gottes allmächtiger Wille müßte sie in jedem Augenblicke aus Sich neu beleben, in ihnen Selbst denken und wollen und ihre Glieder zu irgendeiner Tätigkeit anregen und anziehen. Würde aber Gott das nicht tun, so wäre so ein Mensch dann offenbar völlig tot und müßte auch augenblicklich aus dem Dasein gänzlich verschwinden.

10. Damit aber der einmal geschaffene Mensch wie aus sich frei fortbestehe, sich selbst ausbilde und festige, dann wie aus eigener Kraft frei werde im Denken, Wollen und Handeln, so ward von Gott schon von Ewigkeit eine Ordnung gestellt, derzufolge die einmal aus Gott hinausgestellten Ideen sich selbst nach und nach stets mehr und mehr von Gott isolieren müssen, endlich sich als ein von Gott getrenntes Sein und Leben gewisserart finden und fühlen müssen und nach ihren eigenen Gedanken frei wollend und frei tätig zu werden haben, auf daß sie dadurch als vollends lebensgefestet dann durch äußere Lehre von Gott als selbst werdende Götter geführt und zur Lebensvollendung wie auf eigenem Grund und Boden gebracht werden können.

11. Dazu aber bedarf es einer sehr langen Zeit, die von Gott aus wohl berechnet und in gar viele Perioden eingeteilt ist, in denen dies und jenes Fortschreitende vorgenommen werden kann.

12. Wie aber bei jedem ganz ordentlich sich fortbildenden Menschen einmal der Moment eintreffen muß, in dem er zur Aufnahme für höhere Weisheit befähigt wird, so ist nun dieser Moment für die ganze Schöpfung vor euren Augen, von Gott wohlberechnet, gekommen, durch den nun allen gereiften Geschöpfen die Gelegenheit geboten wird, aus ihren alten Gerichtsgräbern zur vollen Gottähnlichkeit überzugehen, und es heißt darum auch in der Schrift, daß nun alle, die in den Gräbern waren und noch sind, die Stimme des Menschensohnes hören werden und, so sie aus sich reif geworden sind, hervorgehen aus eigener Kraft zum ewigen, wahren und völlig gottähnlichen Leben.

13. Und weil dieser von Gott schon von Ewigkeit her wohl und klar berechnete Moment eben jetzt gekommen ist, in welchem alle Geschöpfe die gewisse ganz selbständige Reife erlangt haben, die sich wahrlich am meisten dadurch erkennen läßt, daß die meisten von Gott beinahe nichts mehr wissen und von Gott vollends isoliert sind, so bin Ich als Gott denn auch da, um die Menschen nicht mehr durch Meine Allmacht zu führen, sondern allein durch die Lehre, die Ich ihnen nun also gebe, als wäre Ich Selbst nichts mehr und nichts anderes denn sie selbst.

14. Ich kann nun als eine Person mit ihnen wie ein Fremder mit einem Fremden verkehren, und der alte Grund hat nun völlig aufgehört, demzufolge niemand Gott schauen könne und dabei behalten das Leben. Nun könnet ihr Mich anschauen, wie ihr wollt, und behaltet dennoch unversehrt euer Leben!“

64. Kapitel. Unglaube als Reifeanlass für eine neue Offenbarung. Vergleich zwischen den Menschen zu Noahs Zeiten und zur Zeit Jesu. Der geistige Zustand der Menschen.

1. (Der Herr:) „Ich aber sehe jetzt noch eine gar sonderbare Frage in euch Neujüngern, die darin besteht, daß ihr saget: ,Ja, wenn gerade der beinahe gänzliche Mangel des Glaubens an einen wahren Gott der eigentliche Reifheitsgrund der Menschen Gott gegenüber sein soll, so begreifen wir nicht, warum Gott zu den Zeiten Noahs, allwann der Glaube an einen wahren Gott von den Menschen auch gänzlich entschwunden war, nicht zu ihnen wie jetzt zu uns gekommen ist und ihnen eine Lehre zur freien Gewinnung des ewigen Lebens auf eigenem Grund und Boden gegeben hat! Warum ließ da Gott lieber die böse Sündflut kommen und die gottvergessene Menschheit vertilgen?‘

2. Ich sage es euch, daß auch diese Frage eine eben nicht geistlose ist, und ihre Beantwortung muß ein großes Licht in das Verhältnis zwischen Gott und Seiner Kreatur bringen. Habet denn wohl acht!

3. Die Menschheit war zu den Zeiten Noahs nicht so gottlos, als ihr eben meinet; sie war aber gegen den ihr nur zu wohlbekannten Gott stolz und sehr hochmütig geworden und wollte sich ganz ernstlich gegen Ihn auflehnen und Ihn Seiner Macht verlustig machen. Sie tat, was sie wollte; und so ihr sogar vom Himmel aus noch so weise Gesetze gegeben wurden, so trat sie solche mit den Füßen und tat gerade das Gegenteil.

4. Diese Menschen haßten den ihnen wohlbekannten Gott und feindeten alles an, was nur von Gottes Allmacht und Weisheit herrührte. Sie verfluchten alles, was von Gott herrührte, sogar die ganze sichtbare Schöpfung, am Ende sogar die Erde, und faßten auch im Ernste den Entschluß, die ganze Erde mit ihren Sprengkörnern zu zerstören. Sie wurden von den Menschen der Höhe oft und zu verschiedenen Malen gewarnt und auch gezüchtigt für ihre Frevel.

5. Es wurden Völker von ihnen getrennt und in ferne Lande geführt, deren Nachfolger noch heutzutage leben und noch die alte Lehre haben, freilich wohl leider nicht mehr rein. Aber es nützte das alles nichts. Sie wurden abermals mächtig, namentlich die Hanochiten, deren Stadt am Ende um vieles größer war denn das ganze, große Gelobte Land. Sie unterjochten am Ende die Kinder der Höhe bis auf die Familie Noahs, die allein noch Gott völlig treu blieb.

6. In der Zeit Noahs fingen sie aus purem Übermute an, die Berge zu zerstören, obwohl sie von den Weisen der Bergbewohner dahin gewarnt wurden, daß sich unter den Bergen die größten Wasserschleusen befänden, und daß sie, so sie in ihrer Tollkühnheit nur einen großen Berg bis auf seinen Grund abgraben und seine Masse in die Tiefe des Meeres versenken, dadurch mehrere unterirdische Wasserschleusen öffnen würden, durch die in kurzer Zeit so viel Wasser auf der Erde Oberfläche geleitet werde, daß es bis über die hohen Berge steigen werde und sie alle darin ersäuft würden. Allein, alle solche Warnungen halfen nicht nur nichts, sondern eiferten sie nur noch mehr an, an der Zerstörung der Berge mit einer kaum beschreibbaren Energie zu arbeiten.

7. Noah sah nun, daß alle Ermahnungen und Belehrungen fruchtlos seien, und bat Gott um ein Mittel zur Rettung von wenigstens einigen guten Menschen und Tieren und Lebensmitteln; denn er sah die traurigen Folgen der bös-törichten Arbeit der damaligen Weltmenschen nur zu klar ein. Da erst ward er vom Geiste Gottes dahin belehrt, sich einen Kasten zu erbauen, wozu ihm Plan und Maß von den Himmeln gegeben ward.

8. Als die bösen Toren mit der unsäglichsten Mühe einen bedeutenden Berg zum größeren Teile nur an seinen Füßen weggeschafft hatten, da zeigte sich auch schon der Lohn für ihre Arbeit. Die große Schwere des eigentlichen Hochberges, dessen Stützen hinweggeschafft wurden, fing an, in die Tiefe zu sinken, und trieb die fürchterlichsten Wassermassen in mächtigen Strömen auf die Oberfläche der Erde. Natürlich mußte dadurch auch die Luft, namentlich durch die vielen Heißwasserströme, ganz dick mit Dünsten und Wolken erfüllt werden, der Regen ordentlich in Strömen herabzufallen beginnen und das Steigen des Wassers bis über die Berge hinaus fördern. Mehr denn ein Dritteil des ganzen Erdteils Asia stand unter der Flut, und sämtliche Hanochiten, die sich schon für die gesamte Menschheit der ganzen Erde hielten, gingen da zugrunde, und ihre Stadt sank ebenfalls in die Tiefe der Erde.

9. Aus dieser Meiner ganz kurz gefaßten, aber wahrsten Darstellung jener vornoahschen Menschen aber geht hervor, daß sie Gottes nicht unkundig waren, wohl aber wollten sie sich nur über Ihn erheben, und dieser Umstand beweist gerade, daß sie Seiner nicht unkundig waren.

10. Ihr Haß gegen Gott aber rührte einfach daher, weil sie sterben mußten, und das oft schon nach dreißig bis vierzig Jahren, während sie von den Bewohnern der Berge, die damals ein sehr hohes Alter erreichten, meinten, daß sie gänzlich unsterblich seien. Aus dem Grunde ergrimmten sie gar so sehr über Gott und nahmen sich ganz ernstlichst vor, weil sie sterben müßten, so solle auch alles zugrunde gerichtet werden, Gott zum Trotze.

11. Wenn aber also und nicht anders, könnet ihr in euch dann behaupten, daß die Menschen damals auch schon also reif waren wie jetzt?! Sehet nun die Menschen der Erde an! Wie viele gibt es selbst unter den Juden, die wahrhaft an einen Gott glauben und lebendig wahrhaft auf Ihn vertrauen? Sie haben beinahe alle nur einen Gewohnheitsglauben, im Herzen aber sind sie gänzlich gottlos, und es kommt ihnen gar nicht vor, daß es wahrhaft irgendeinen Gott geben könne, – und gebe es irgendeinen, so kümmere Er Sich um die sterblichen Menschen, um ihre Gebete und um ihre Opfer gar nicht. Er habe die Menschen nur etwa darum erschaffen, daß sie Seine Erde bebauen und kultivieren. Das ist so der eigentliche Glaube selbst der besseren Juden, – die schlechteren glauben ohnehin gar nichts.

12. Wieder andere, die noch zu den Altjuden gehören, wie es deren in Samaria welche gibt, sagen: Die Satzungen Mosis sind gut, und man muß sie halten, ob sie von Gott oder ob sie bloß nur von Moses herrühren. Wer die Satzungen hält, der fehlt nicht, ob es einen Gott oder auch keinen geben sollte. Man sollte das Gute allein deswegen tun, weil es gut ist, und das Schlechte des Schlechten wegen meiden.

13. Aus solcher Weisheit aber geht ja doch auch wieder klar hervor, daß es mit dem lebendigen Glauben an Gott seine sehr geweisten Wege hat. Wie aber der Glaube an einen Gott im Tempel beschaffen ist, das wisset ihr selbst nur zu gut, und es bedarf darüber keines weiteren Wortes mehr. Denn wo man sich kein Gewissen macht, die Gebote Gottes wegzustreichen und an deren Stelle weltliche Satzungen als heilig und wie von Gott gegeben hinzustellen, da ist aller Glaube an einen wahrhaftigen Gott vollends zu Ende. Da habt ihr den Gottesglauben der Juden! Und endlich fraget euch selbst, wie stark euer selbsteigener Glaube an einen wahren Gott war! Ihr suchtet vor Mir wohl noch etwas Göttliches im Tempel und kamet seinen Satzungen nach Möglichkeit nach, – aber an dem wahren Dasein eines Gottes zweifeltet ihr selbst, und euer Glaube war eben nur eine schon von der Wiege her angenommene Gewohnheit, welche abzulegen euch schier recht schwer geworden wäre, weil ihr dafür nichts Besseres zu setzen wußtet und euer alter Gewohnheitsglaube zu einem Teile eurer Lebensnatur geworden war. Demnach aber war denn auch euer Glaube so gut wie gar keiner.

14. Also bei den Juden als dem erwählten Volke Gottes ist nun gar kein Glaube mehr; wenn aber schon da kein Glaube mehr zu suchen und zu finden ist, wie soll er bei all den Heiden zu suchen und zu finden sein?! In den früheren Zeiten glaubten sie doch noch an ihre Götzen und Orakel; allein jetzt glauben sie auch nichts mehr. Sie machen zwar die äußeren Zeremonien und Gebräuche mit, aber von einem Glauben ist da auch schon lange keine Rede mehr.

15. Nur in Ägypten gibt es noch einige Schüler des Plato, des Sokrates und des Aristoteles, die noch die Möglichkeit eines höchsten, aber niemand bekannten Gottwesens annehmen; aber sie meinen auch, daß der Mensch durch ein äußerst strenges Leben es dahin bringen könne, den göttlichen Geist in gewissen geheiligten Momenten zu fühlen und in solchem Fühlen dann helle Blicke in die Zukunft zu tun. Weiter aber vermöge es kein Sterblicher zu bringen. Was aber mit dem Menschen nach seinem Leibestode geschähe, das sei ein nie zu entwirrender gordischer Knoten. Es beständen darüber wohl sehr viele Sagen und Meinungen, die im Menschen ein leises Hoffen rege machen, aber von einer Gewißheit sei da nirgends eine Rede.

16. So denkt nun der beste Teil der Heiden. Wenn aber also, wie ihr nun leicht sehen und begreifen könnet, so ist es ja auch klar, daß eben jetzt jene Reife zwischen Schöpfer und Geschöpfen eingetreten ist, von der aus die Menschen erst vollends in den Zustand gekommen sind, von Gott aus, unbeschadet ihrer Lebensselbständigkeit, belehrt und zu ihrer gottähnlichen Lebensvollendung geführt und gebracht zu werden. – Verstehet ihr nun das wohl?“

65. Kapitel. Die jenseitige Führung der Seelen, die vor Jesus Menschen waren. Vom Himmelreich.

1. Sagte Petrus: „Herr, das verstehen wir nun sehr wohl; aber es fragt sich nun nur: Was wird mit jenen geschehen, die vor dieser Deiner Herniederkunft gelebt haben, und das von Adam an? Können sie auch noch zu einer wahren Lebensvollendung gelangen, und wie?“

2. Sagte Ich: „Das ist doch ganz natürlich! Ich habe nun die Tore zum Leben nicht nur für die nun auf der Erde Lebenden eröffnet, sondern auch für alle, die schon lange hinübergegangen sind. Und viele der alten Sünder werden noch einmal irgendeine kurze Fleischlebensprobe von neuem durchzumachen bekommen, wie Ich euch solches schon gezeigt habe.

3. Jenseits aber gibt es Schulen in einer endlosen Menge, in denen die Seelen auf die allerpraktischste Weise unterwiesen werden können. Aber freilich geht es drüben nicht so leicht wie hier, weil dort eine jede Seele keine andere Welt und Umgebung hat als nur die, die aus ihrem Denken, Fühlen und Wollen entsteht und der Seele alles das bietet, was sie liebt und will.

4. Nun, da ist es dann offenbar schwerer, günstig auf eine Seele, die voll Irrwahnes ist, einzuwirken denn hier, wo sie auf einem fremden und festen Boden steht und eine große Masse von ebenfalls ganz fremden Umgebungen um sich zählt. Aber dessenungeachtet gibt es auch dort noch immer Mittel genug, durch die fruchtbringend auf eine Seele eingewirkt werden kann. Doch davon soll euch bei einer andern Gelegenheit ein Näheres gezeigt werden.

5. Das jedoch diene niemandem zu einem besonderen Troste; denn so jenseits eine Seele in sich und also in ihrer Welt statt besser nur immer schlechter und böser wird, so wird natürlich im gleichen Maße auch ihre Scheinwelt und ihre Gesellschaft und Umgebung schlechter. So wie die Seele in sich wahrheitsloser und lichtloser wird, so wird desgleichen auch ihre Welt und ihre Umgebung, was sie sehr zu drücken und zu quälen beginnt. Mit der Steigerung der Qual steigt auch ihr Zorn und ihre Rachgier, und das ist dann schon der Eingang in die Hölle, und diese ist ein wahrer zweiter Tod der Seele, aus dem dann höchst schwer wieder herauszukommen ist.

6. Es sind das freilich nur pure Mittel, durch die eine Seele mit der großen Länge der Zeiten gerettet werden kann; aber sie sehen wahrlich sehr traurig aus! Denn es kann das so manche erzböse Seele wohl Milliarden von Erdenjahren Zeit kosten, bis sie durch solche qualvollen Mittel zu einiger Besserung aus sich heraus kommen wird. Darum ist hier ein Tag mehr wert denn jenseits hundert Jahre, nach der Erdenzeit gerechnet. – Verstehet ihr das?“

7. Sagten nun wieder alle: „Ja, Herr, wir verstehen das; aber es drängt sich im Hintergrunde denn doch noch eine Frage auf, und die besteht ungefähr in dem: So eine von hier abgeschiedene Seele, als noch nicht vollendet, nur in einer pur erscheinlichen Welt wohnt, die aus ihrem Denken, Fühlen und Wollen entspringt – was man auch eine Phantasiewelt nennen könnte – woraus besteht denn hernach die Welt der vollendeten Seelen? Wie sieht das Himmelreich aus, und womit läßt es sich in einen guten und wahren Vergleich bringen?“

8. Sagte Ich: „Es ist zwar nun schon an der Zeit, zum Wirte zurückzukehren, – aber weil das eine eben nicht unwichtige Frage ist, so will Ich sie euch unterwegs beantworten. Gehen wir denn, und ihr höret Mich an!

9. Sehet, mit dem eigentlichen Himmelreiche, das da ist ein Reich der Wahrheit, des Lichtes und der Liebe, was Ich euch schon bei verschiedenen Gelegenheiten gezeigt habe, hat es folgende wahrste Bewandtnis: Dieses Reich ist nicht ein äußeres Schaugepränge und kommt in den Menschen nicht mit irgend äußeren Zeichen und Attributen, sondern es entwickelt sich ganz innen in euch, ist dann in euch, wächst in euch, durchdringt euch und wird also zu eurer Wohnstätte und eurer allerseligkeitvollsten Welt.

10. Aber hier gleicht das Himmelreich einem Säemann, der den guten Samen ausstreute. Da fiel einiges auf einen Weg; von dem ward ein Teil von den Vögeln der Luft aufgezehrt und ein Teil von den Wanderern zertreten. Da ging der Same also nicht auf und brachte auch keine Frucht. Ein Teil aber fiel auf steinigen Grund. Es ging zwar anfangs, solange die Steine einige Feuchtigkeit in sich hatten, auf, konnte aber keine Nährwurzeln in den Stein treiben; die Feuchtigkeit langte zur größeren Ernährung des Halmes auch nicht aus, und so vertrocknete es und brachte auch keine Frucht. Ein anderer Teil aber fiel unter Dornen und Gestrüpp. Der ging anfänglich zwar sehr gut auf, aber als er sich völlig hätte entwickeln sollen, da ward er von den Dornen und dem wilden Gestrüppe überwachsen, verkümmerte dann und brachte auch keine Frucht. Nur ein Teil fiel auf ein gutes Erdreich, ging auf und brachte eine reichliche Frucht.

11. Und sehet, also steht es nun auch mit dem Himmelreiche auf dieser Erde! Ich Selbst bin der Säemann, und Mein Wort ist der gute Same, aus dem für jeden das Himmelreich als Frucht erwachsen soll. Wo es auf gutes Erdreich fallen wird, da wird es auch bringen eine hundertfältige Frucht; aber so es fallen wird auf die Wege dieser Welt oder auf Steine oder zwischen Dornen und wildes Gestrüpp, da wird es keine Frucht bringen. Unter den Menschen aber, die Ich mit dem Wege verglich, sind zu verstehen die eigentlichen Weltmenschen, wie wir heute deren mehrere bei unserem Wirte gesehen haben. Die Wanderer auf dem Wege, die den Samen zertreten, sind ihre Handels- und Gewinnsmühen, und ihre nach allen Richtungen fliegenden Handelsgedanken sind die bezeichneten Vögel, die auch den noch nicht zertretenen Samen auffressen, damit ja keine Frucht zum Vorscheine kommen könne. Diese Art Menschen sind, wie schon gesagt, die eigentlichen Schweine, denen man Meine Perlen nicht zum Fraße vorwerfen soll.

12. Unter den Steinen aber sind diejenigen Weltweisen zu verstehen, die zwar alles mit einer gewissen Gier aufnehmen, – da sie aber innerlich in allerlei Weltirrtümlichkeiten begründet und sind gewisserart versteinert in ihrem Gemüte, so hat der neue Same in ihnen zuwenig der belebenden Feuchtigkeit und zuwenig weichen und fugbaren Bodens zur Aufnahme der Nährwurzeln. So dann kommt der Wind und eine Dürre, so dorrt der kleine Halm bald ab, und da er keine Wurzeln hat, so wird er vom Winde auch bald vom Platze hinweggeweht. Oder, so da über einen solchen Menschen irgendeine Versuchung kommt, da sagt er alsbald: ,Ich habe es gleich anfangs gewußt, daß an der Sache nichts daran sein kann! Da ist die Verheißung, die in Erfüllung gehen sollte, – und anstatt der Erfüllung muß ich leiden! Darum fort mit allen solchen neuen Lehren!‘ Das ist also der Stein.

13. Wer sind denn hernach die Dornen und das wilde Gestrüpp? Das sind jene recht gutmütigen Weltbürger, die Mein Wort mit recht vielen Freuden aufnehmen und es eine Zeitlang auch recht emsig pflegen. Aber es kommen mit der Zeit allerlei Sorgen und dazu auch allerlei leere Bekümmernisse und Furcht und Ängste. Diese ersticken das lebendige Wort in ihren Herzen, daß es dann auch keine Frucht bringen kann.

14. Und so haben wir nur einen kleinen Teil von Menschen, die mit dem wahrhaft guten Erdreiche zu vergleichen sind. Diese nehmen das Wort an und setzen es sogleich gläubig ins Werk. Und da bringt dann der Same die reichliche Frucht, und diese Frucht ist dann das eigentliche Himmelreich im Menschen und hat kein äußeres Schaugepränge. Aber dieses Reich wird sich dann über den Menschen, der es in sich aus Meinem Worte geschaffen hat, ausbreiten und ihm geben alle Seligkeit, Licht, Wahrheit, alle Weisheit und Macht über alle Kreatur.

15. Ihr sollet daraus aber auch das ersehen, wohin ihr Mein Wort zu säen habt; denn wohin ihr es säet, da soll es auch Früchte tragen! Vor allem muß es fallen in ein gutes Erdreich. Wenn es da reiche Zinsen abwerfen wird, dann werden die Kaufleute, die Weltweisen und die besorgten Weltbürger schon von selbst kommen und sich bei euch für ihren Acker den Samen erkaufen. – Habt ihr das nun auch ganz wohl verstanden?“

16. Sagten alle: „Herr, auch das haben wir recht wohl verstanden und werden Deinen Rat auch ganz sicher befolgen; denn auf Wege, auf Steine und unter die Dornen werden wir diesen edelsten Lebenssamen wohl nicht streuen. – Aber nun kommt uns unser Wirt auch ganz eilig entgegen! Was muß er wohl haben, daß er also eilet?“

66. Kapitel. Der habsüchtige Oberste von Kapernaum.

1. Sagte Ich: „Nicht gar zu viel von besonderer Bedeutung! Aber er komme und erzähle es euch selbst!“

2. Da kam der Wirt zu uns und erzählte: „Der Oberste der Synagoge zu Kapernaum hat herausgeschickt um den Zehent der Fische, von denen er vernommen haben will, daß ich deren einen sehr reichen Fang gemacht und ihm davon keine Meldung gemacht habe, und ich soll ihm nun zur wohlverdienten Strafe den dreifachen Zehent von den Edelfischen geben. Es ist nur noch gut, daß er nicht weiß, daß die Fische am Abend eines Sabbats gefangen worden sind; so ihm das verraten worden wäre, da nähme er mir wahrlich alle Fische weg! Schade, daß der frühere Oberste weggekommen ist, – der war ein recht guter Mann; aber der ist für uns eine wahre Plage und behandelt die Menschen nahe also, als wären sie alle pur seine Sklaven! O Herr, wäre denn diesem Übel nicht zu steuern?“

3. Sagte Ich: „O ja, und das auf eine ganz eigentümliche Art und Weise! Sende du nun einen Boten zum Obersten hin, und der soll zu ihm sagen, daß er zuvor die Fische in deinem Behälter soll abzählen lassen, damit du ihm dann nicht zuviel und nicht zuwenig des diktierten dreifachen Strafzehenten geben magst und kannst. Da wird er mit seinen Amtleuten bald da sein und die Fische zu zählen anfangen, – aber keine darin finden! Denn die Fische habe Ich geschaffen, kann sie wieder abschaffen und sie dann wieder schaffen. Wird er sich darüber aufhalten und dich beschuldigen wollen, als hättest du etwa die Fische alsbald hinweggeschafft, als dir sein Verlangen bekanntgemacht wurde, da verlange von ihm Zeugen dafür, oder du stellest dich unter den römischen Schutz. So er das hören wird, da wird er gehen und dir fürder keinen Strafzehent mehr auferlegen. Tue das, und es wird schon alles gut sein und werden!“

4. Sagte der Wirt: „Aber nun ist auch das Mittagsmahl schon bereitet! Sollen wir das nicht vorher einnehmen, daß wir darunter nicht gestört werden durch den Obersten?“

5. Sagte Ich: „Wir nehmen ganz ungestört das Mahl ein, – und wären auch hundert Oberste draußen mit dem Fischzählen beschäftigt! Er kann sich sogar zu uns hereinbegeben, so er will, und er wird ehest gerne sich mit heiler Haut von da nach Hause begeben.“

6. Als der Wirt solches von Mir vernahm, ward er sehr froh, sandte sogleich einen Boten an den Obersten, und wir gingen ans Mahl und waren dabei voll guter Dinge, besonders über die durch das Gewitter erfolgte Flucht der vielen Morgengäste.

7. Ich aber sagte nach dem Mahle zum Wirte: „Nun kommt er schon; sieh aber du zuvor nach dem Behälter, und du wirst sehen, was für einen Fisch der Oberste darin finden wird!“

8. Der Wirt ging nun schnell hinaus und entsetzte sich selbst, als er statt der großen Edelfische die früher beim Gewitter gesehene Riesenschlange darin herumschwimmen sah.

9. Der Oberste aber wollte vom Fischzählen auch nichts mehr hören, als er des Ungetüms ansichtig ward. Daß infolge des angeführten Umstandes unser Wirt mit dem Obersten bald und leicht fertig wurde, ist begreiflich; denn von dem Ungetüm verlangte er weder einen einfachen und noch weniger einen dreifachen Strafzehent.

10. Als er dessen ansichtig wurde, wich er eiligst zurück und sagte (der Oberste): „Da hat schon statt meiner dieses Ungeheuer den Zehent genommen! Ich hätte wohl sehr gerne ein paar Stücke von diesen Edelfischen auf meinem Tische gesehen, aber weil nichts mehr da ist, so muß es natürlich auch so gut sein. Wo nichts ist, da gibt es auch kein Gesetz und kein Recht, und so sind wir wieder gute Freunde; wenn du aber doch wieder einmal so einen Edelfisch fangen solltest, da laß mir ums Geld etwas zukommen! Denn so du nicht zehn Fische fängst, da gibt es ohnehin keinen Zehent. Aber nun schauen wir nur gleich, so recht weit vom Meere zu kommen; denn das Untier könnte sich aufs Land herauf bewegen und uns alle wie Fliegen wegschnappen! Denn es hat ja einen Rachen zum Häuserverschlingen!“

11. Darauf eilte er schnell nach Hause und ließ sich dann lange nicht sehen am Meere, da er vor dem Ungeheuer einen zu mächtigen Respekt bekommen hatte.

12. Sowie aber der Oberste hinweg war, da empfahl sich, noch im Angesichte des Wirtes, auch das Ungetüm von einer Wasserriesenschlange und schwamm in großen Krümmungen schnell in die hohe See hinaus, allwo es infolge des hohen Wellenganges nicht mehr sichtbar ward.

13. Darauf besah der Wirt allein den großen Fischbehälter, und dieser war, so wie zuvor, voll der schönsten Edelfische. Darauf kam er voll Freude wieder zu uns, aß und trank an unserem Tische und erzählte uns, was er gesehen, und wie er mit dem Obersten ganz gut abgekommen sei. Zugleich aber fragte er auch, in welcher Gegend des Meeres sich solche Ungeheuer vorzüglich aufhalten, damit man sie zu meiden wüßte; denn es wäre etwa doch nicht sehr geheuer, mit ihnen irgendwo zusammenzustoßen.

14. Da sagte Ich: „Sei darum ohne Sorge! Dieses Untier wohnt in der möglichst größten Tiefe des Meeres und kommt etwa alle hundert Jahre bei höchst großen Stürmen zum Vorschein, die unter dem Wasser ihren Ursprung haben, was auf den Binnenmeeren eine höchst seltene Erscheinung ist. Dann und wann, wenn diese Untiere der Hunger antreibt, so sie in ihrer Tiefe zuwenig zum Fraße bekommen, kommen sie wohl ans Ufer und rauben da Schafe, Lämmer und Kälber, auch Eselsfüllen und Schweine; Menschen und größere Tiere aber greifen sie nur selten oder auch wohl nicht an. Aber von nun an wird es nie wieder zum Vorscheine kommen; denn seine Lebenszeit ist zu Ende; darum brauchst du dich auch nicht zu fürchten vor ihm. Dem Obersten aber übersende erst nach ein paar Tagen einen Edelfisch, und er wird sich damit ganz zufriedenstellen. – Jetzt aber kann wieder ein jeder eine Frage stellen, so er noch über etwas im unklaren ist; denn von morgen an werden wir etliche Tage hier ruhen und wenig reden von den geistigen Dingen!“

15. Sagten alle: „Herr, es gibt nun beinahe nichts mehr, um was wir Dich noch fragen könnten; denn wir haben von Dir ohnehin schon über alles die allerweisesten Lehren bekommen!“

16. Sagte Ich: „Nun ruhet, und denket über die empfangenen Lehren nach!“

67. Kapitel. Jesus über die Unsterblichkeit der Menschenseele.

1. Sagte der Wirt: „Ich habe zwar auch schon über vieles aus Deinem göttlichen Munde Belehrungen empfangen, aber dennoch hätte ich noch so manche gewichtige Frage im Hintergrunde. Eine darunter kommt mir aber als für das Leben von der größeren Wichtigkeit vor, und so es Dir genehm wäre, möchte ich die Frage wohl gerne von Dir beantwortet haben!“

2. Sagte Ich: „Wie klingt denn hernach deine Frage?“

3. Sagte der Wirt: „Also, Herr und Meister: Siehe, der Mensch weiß es recht gut, das heißt durch Lehre, daß seine Seele, von der man auch keinen so ganz rechten Begriff hat, unsterblich ist; aber bei allem noch so festen Glauben mischt sich darunter dennoch stets das bittere Gefühl des gänzlichen Absterbens und endlichen vollen Vergehens und Verschwindens aus der Reihe der lebendigen und ihrer selbst bewußten Wesen.

4. Mit dem Gedanken des Seins in und über dem Grabe kann man sich selbst bei dem besten Willen nie derart befreunden, daß das Herz darüber eine Wonne empfände, sondern es erschaudert stets von neuem darüber, weil ihm eben in diesem wichtigsten Punkte trotz aller noch so energischen Mühe von gar keiner Seite her ein Licht werden will.

5. Weil aber eben der Tod und das Grab des Menschen bitterste Gedanken sind, und weil darüber kein haltbares Licht von irgendwoher zu erhalten ist, so ist es so manchem Menschen wahrlich nicht zu verargen, daß er sich in allen Taumel der Welt hineinstürzt, um diese schwarzen Gedanken in sich zu übertäuben. Also über diesen höchst wichtigen Lebenspunkt wäre so ein rechtes Licht aus Deinem Munde, o Herr, wahrlich etwas höchst Notwendiges! Denn was nützen dem Menschen auch die allerweisesten Lehren, wenn er das Leben der Seele nach dem Tode nicht als völlig klar in seinem inneren Lebensbewußtsein besitzt?! Man befolgt wohl die Gesetze und die Lehren, aber mehr der äußerlichen, bürgerlichen Ordnung denn irgendeiner sicheren Gewinnung des Ewigen Lebens wegen.

6. Ich bin nach Möglichkeit doch noch einer der treueren Befolger der Satzungen Mosis und habe über geistige Dinge stets am liebsten und am meisten mit den triftigsten Weisen aller Nationen verkehrt, und sie alle wußten am Ende über den fraglichen Punkt nicht mehr zu sagen denn ich selbst. Die Römer sagen, und mit ihnen auch die Griechen: ,Das ist eben der verhängnisvolle Schleier der Isis, den bis jetzt noch kein Sterblicher gelichtet hat!‘ Ja, das ist recht schön gesagt, und es liegt auch sehr viel Wahrheit darin; aber sie nützt uns leider nichts! Denn der Tote fühlt, hört und sieht nichts mehr, und wir, die wir noch an diesem Leben nagen wie die Würmer an einem faulen Stück Holz, sehen, hören und fühlen von dem Verstorbenen auch nichts anderes mehr als seinen toten und stinkenden Leib, der wenige Jahre darauf zu Staub und Asche wird. Also, Herr und Meister, der Du das Leben selbst bist nach Deiner Lehre, gib mir und eigentlich uns allen darüber ein unzweifelhaftes Licht, darum ich Dich sehr bitte! Denn wahrlich, mit dem finsteren Gedanken an den Tod, an das Grab und an die Vernichtung möchte ich kein Jahr mehr gemeinschaftlich leben!“

7. Sagte Ich: „Ja, Mein lieber Freund, deine Frage ist ganz gut gestellt, und es leuchtet aus ihr ein menschliches Bedürfnis ersten Ranges hervor; aber dir darüber eine derartige Belehrung zu geben, daß du das ewige Leben deiner Seele durch ein entschieden klarstes Bewußtsein in dir fühltest, ist eine ganz überaus schwierige Sache! Denn sieh, Ich bin ja eben darum in diese Welt gekommen, um den Menschen dadurch das volle Innewerden des ewigen Lebens zu verschaffen, wenn er vollkommen nach Meiner Lehre lebt und handelt! Kennt aber ein Mensch Meine Lehre nicht, oder – so er sie auch kennt – lebt er aber dann dennoch nicht danach, so kann er zu diesem inneren Lebensbewußtsein auch nicht gelangen, weil Ich allein der Weg und die Türe dazu bin.

8. Du siehst an einem Baume die Blüte; aber von der werdenden Frucht ersiehst du während der Blütezeit wenig oder nichts. Erst wenn die Blüte abgefallen ist, wird ein ganz kleiner Fruchtansatz bemerkbar. Aber in der Frucht muß ja auch der Same mit dem Lebenskeime erwachsen; wo aber ist der noch im ersten kleinen Fruchtansatze zu bemerken?! Da scheint noch alles ein und dasselbe zu sein. Die Fähigkeit ist wohl schon darin, aber du vermagst sie noch lange nicht von all den andern leblosen Teilen zu unterscheiden, in denen kein Lebenskeim reift. Wenn aber die Frucht die völlige Reife erlangt, dann wirst du ganz leicht und ohne alle Mühe das Samenkorn entdecken.

9. Und siehe, nahe also ist es auch mit dem vollen und klaren Seelenlebensbewußtsein im Menschen! Solange der Mensch solches nicht in sich hat, so lange ist die Seele in ihrem Leibe noch nicht unterscheidbar von dem Fleische lebensreif. Sie ist noch zu sehr und zu eng verbunden mit dem Fleische und kann in sich denn nicht viel anderes fühlen und wahrnehmen als eben das Los ihres Leibes, – und selbst die besten Erklärungen können der noch lebensunreifen Seele das innere, völlig reife Lebensbewußtsein nicht geben.

10. Hat aber einmal durch die eigene Tätigkeit nach Meiner Lehre eine Seele die besagte Lebensreife erreicht, dann ist ihr jeder weitere Beweis dafür ganz unnotwendig. Oder bedarfst du wohl dafür eines Beweises, daß du nun naturmäßig in deinem Leibe lebst? Sicher nicht, und du müßtest jedem ins Gesicht lachen, der sich's vornähme, dir zu beweisen, daß du nun im Leibe lebst, dich bewegst und nach allen Richtungen hin tätig sein kannst. So du aber in einem tiefen Schlafe daniederlägest, könnte dir da ein noch so triftiger Beweis dafür, daß du noch lebst, etwas nützen, da du ihn gar nicht zu vernehmen imstande wärest?!

11. Siehe, auch ein jedes Tier hat eine Seele, deren Sein eben auch ein geistig- substantielles und somit unzerstörbares sein muß, da es sonst den Tierleibesgliedern keine Bewegung geben könnte! Gehe aber hin und erkläre es einem Tiere, was seine Seele ist, und wie es lebt allein durch die Seele! Würde ein Tier wohl verstehen, was du zu ihm gesagt hättest? Sicher ebensowenig, als wenn du solches zu einem Steine geredet hättest! Warum aber versteht das Tier solches nicht, und warum hat es nicht Worte, um seine Empfindungen einem andern Geschöpfe mitzuteilen?

12. Siehe, eine Tierseele ist notwendig noch zu tief in ihr Fleisch eingegraben und empfindet außer dem Bedürfnisse ihres Leibes nahezu nichts! Will jemand ein Tier zu einer ganz einfachen Arbeit abrichten, so muß er sich viele Mühe nehmen, um eine Tierseele aus ihrem Fleische insoweit zu wecken, daß es dann versteht, was der Mensch von ihm will.

13. Glaubst du aber, daß es Menschen gibt, deren Seelen eben nicht gar zu weit über den Tierseelen stehen, ja manchmal von ihnen sogar augenscheinlich übertroffen werden? Nun, solche Seelen durch Worte zu einem inneren Lebensbewußtsein schon diesseits zu bringen, wäre eine völlig vergebliche Arbeit und Mühe! Es genügt hier für solche Menschen schon ein blinder und stummer Glaube, daß ihre Seelen nach dem Tode des Leibes fortleben und dort entweder einen Lohn oder eine Strafe zu erwarten haben, auf daß sie sich dadurch in irgendeine gesetzliche Ordnung, wie der Ochse in sein Joch, fügen. Alles Weitere muß für einen andern Lebenszustand aufbewahrt werden.

14. Ein Tier kann nur durch allerlei schmerzerregende Zucht in eine brauchbare Tätigkeitsintelligenz gebracht werden, – ebenso ein ganz gemeiner Weltmensch, dessen Seele nur nach der Befriedigung der Leibesbedürfnisse strebt, aber bis auf die Wortbefähigung vor einer Tierseele nahezu nichts Erhebliches aufzuweisen hat.“

68. Kapitel. Jesus über die Ursache der Todesfurcht.

1. (Der Herr:) „Daß aber Menschen wie du es bis jetzt von dem Fortleben der Seele nach des Leibes Tode zu keinem bestimmten Bewußtsein haben bringen können, davon habe Ich dir den Grund bereits gezeigt, und du wirst ihn auch eingesehen haben; aber die Furcht vor des Leibes Tode liegt eigentlich nicht so sehr in dem unbestimmten Bewußtsein des Lebens der Seele nach dem Abfalle des Leibes, als vielmehr in der Liebe zur Welt und in der Selbstliebe. Durch diese beiden Liebearten wird die Seele stets mehr und mehr in ihr Fleisch vermengt, und die Folge davon ist, daß sie eben dadurch das Gefühl des Sterbens, Vergehens und Aufhörens stets mehr und mehr zu ihrem eigenen machen und übergehen muß in allerlei Angst und Furcht.

2. Siehe, die Urväter der Menschen dieser Erde hatten keine Furcht vor dem Tode des Leibes, sondern oft nur eine Sehnsucht danach, daß sie befreit würden von dem gebrechlich gewordenen Leibe! Sie hatten ob ihres Gott wohlgefälligen Lebenswandels von Zeit zu Zeit helle Blicke und Gesichte ins Jenseits und hatten sich dadurch ein klares und wahres Bewußtsein über das Leben der Seele nach dem Abfalle des Leibes erworben.

3. Aber in dieser Zeit ist ja beinahe aller Glaube an Gott bei den Menschen erloschen! Wo sollte dann bei den Menschen das helle Bewußtsein des Lebens der Seele nach dem Leibestode noch herrühren?!

4. Ich sage es dir: Wo man an dem Grunde alles Lebens schon beinahe allgemein zweifelt, da ist es dann gar nichts Wunderbares, wenn man über das Fortleben der eigenen Seele nach des Leibes Tode in starkem Zweifel ist.

5. Gehe hin zu den Sadduzäern, und du wirst finden, daß sie fürs erste äußerst materielle, die Welt und sich über alles liebende Menschen sind, fürs zweite an gar keinen Gott glauben und darum fürs dritte auch die Unsterblichkeit der menschlichen Seele völlig ableugnen und jeden einen Narren schelten, der irgend an die Unsterblichkeit der menschlichen Seele, die nichts als ein wahnsinniges Phantasiebild eines schwachhirnigen Menschen sei, glaubt, und das gar durch leere Reden beweisen will.

6. Weiter siehe an die rechten Kyniker, Schüler des weltweisen Griechen Diogenes! Das sind sogar wahre Feinde des Lebens, und sie verwünschen irgendeine Kraft, die sie ohne ihre Einwilligung ins Leben rief. Sie leben zwar höchst gesittet und nüchtern und verachten allen Luxus, ja selbst die geringste Bequemlichkeit des Lebens. Für sie ist die größte Wohltat der Tod, hinter dem sie kein Leben mehr, sondern das ihnen höchst erwünschte gänzliche Nichtsein erwarten.

7. Aber dafür kannst du wieder in Indien noch heutzutage Menschen finden, die mit den Seelen verstorbener Menschen geradeso umgehen wie mit Lebenden und sich mit ihnen über tausenderlei geheime Dinge besprechen. Diese Menschen haben auch nicht die allerleiseste Spur von einer Furcht vor des Leibes Tode, – im Gegenteil ist der Sterbetag eines Menschen bei ihnen ein wahrer Jubeltag und die Geburt eines Kindes zur Welt ein wahrer Trauertag.

8. Siehe, so sind in dieser deiner fraglichen Hinsicht die Menschen höchst verschieden! Wovor sich oft ein Volk sehr fürchtet, davor hat ein anderes Volk sogar unter den verschiedenartigsten Lehren und Erwartungen nicht die allerleiseste Furcht und Angst. Am meisten aber fürchten sich vor dem Leibestode die Juden, und der Grund davon ist eben ihre große Weltliebe und sinnliche Lust. Wer diese so sorgfältig pflegt wie die Juden, der muß mit der Zeit um alles höhere Licht kommen; denn nichts schadet dem rechten und lebendigen Glaubenslichte so sehr als eben die Unzucht, allerlei Geilheit und die förmliche fleischliche Hurerei, die schon seit langem bei den Juden um vieles ärger gang und gäbe ist denn sogar bei den allerfinstersten Heiden. Diese Sünde erstickt die Seele förmlich im Schlamme des Fleisches und tötet sogar das Fleisch selbst. Wenn aber also, woher soll dann solch eine Seele das lichte Lebensbewußtsein nehmen?!

9. Du bist nun zwar ein Mensch, der Mir sehr angenehm ist, und Ich werde dir mit der rechten Zeit schon wieder das Lebensbewußtsein in deine Seele legen; aber in deinen jungen Jahren hast auch du den Fleischeslüsten sehr gehuldigt, und sieh, eben darin liegt denn auch bei dir hauptsächlich der Grund, warum du trotz all deines noch so fragenden Forschens bis jetzt noch immer zu keinem vollwahren und untrüglichen Lichte gekommen bist! Bei deinem gegenwärtigen keuscheren Leben wirst du auch bald zu mehr innerem Lebenslichte gelangen und dann nicht mehr also fragen, wie du jetzt gefragt hast. – Hast du Mich nun wohl verstanden?“

10. Sagte der Wirt: „O ja, nur zu gut habe ich Dich verstanden und sage nun mit den Römern: HINC ERGO ILLAE LACRIMAE! Ja, ja, Herr, Du Allwissender, meine Jugendsünden haben viel von meiner seelischen Lebenskraft aufgezehrt, und jetzt in meinen älteren Tagen merke ich gar sehr deren Abgang. Es ist hier nur die Frage, wie man das nun nur einigermaßen wieder ersetzen kann und mag.“

11. Sagte Ich: „Solange ein Mensch auf dieser Erde lebt und einen vollkommen lebendig ernsten Willen hat, ist das alles noch gar wohl möglich, wovon dir David ein lebendiges und handgreifliches Beispiel gibt; denn auch er hatte zu einer Zeit, die euch nicht unbekannt ist, viel gesündigt in der Sphäre der Fleischeslust. Aber er hat sich dann auch zu rechter Zeit ermannt, sündigte aus Liebe zu Gott nicht mehr und ward darum ein Mann nach dem Herzen Gottes. Denn wahrlich, Ich sage es dir, daß im Himmel mehr Freude ist über einen Sünder, der seine Sünden als solche erkennt, sie verabscheut, wahrhaft bereut, eine rechte und vernunftgemäße Buße übt und sich vom Grunde aus bessert und nicht mehr sündigt, denn über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nie bedurft haben! Oder ist das nicht unter den Menschen also der Fall, daß ein Mensch über eine verlorene und dann wieder glücklich gefundene Sache von einem noch so unbedeutenden Werte mehr Freude hat denn über seine großen Schätze, die da nie verloren waren?! Siehe, ebenso ist es auch bei Gott, und wäre es nicht also, so hättest du Mich nun in dieser deiner Herberge wahrlich nicht als deinen Gast!

12. Es ist wohl sehr wahr, daß dir deine Jugendsünden so manchen Schaden gebracht haben, sowohl für dein Fleisch, wie dadurch auch für deine Seele; aber da du das erkannt hast und hast dich ganz abgewendet von der Sünde, so bin Ich denn auch zu dir in dein Haus gekommen, um dich vollständig von allen deinen Übeln zu heilen.

13. Wo aber Ich einmal eingezogen bin, da ist auch die vollste Vergebung aller Sünden und das Licht und das ewige Leben selbst eingezogen. Ich kann dir darum sagen, daß deinem Hause und dir selbst nun ein großes Heil widerfahren ist, und die Folgen werden dich darüber näher belehren denn nun Ich Selbst; denn Ich habe dir nun nur die Belehrung und die Verheißung gegeben, aber erst in der Erfüllung wirst du die Fülle der Wahrheit in dir gewahren.“

69. Kapitel. Die göttliche Liebe, ihre Fürsorge und Weisheit.

1. (Der Herr:) „Wahrlich, Ich sage dir: Wer Mein Wort hört, es als Wahrheit annimmt und treu danach lebt und handelt, der wird hinfort keinen Tod mehr fühlen noch schmecken! Aber wer Mich nur so als eine wohl gute Beute neben der Welt gleichschrittig einherziehen will, der wird bis zu seinem diesweltlichen Ende wenig des geistigen Lebenstrostes in sich verspüren, und jenseits wird sich dann erst klar zeigen, was bei ihm das Übergewicht hatte. Denn wer mehr Welt in sich hat, der wird sehr zu tun haben, um nur einmal das Gleichgewicht herzustellen, und Ich Selbst werde noch gar lange nicht in seinem Hause zu Gaste sitzen und bei Ihm Meine Ruhe nehmen.

2. Du aber, der du nun das weißt, sei guten Mutes, und denke dir, daß man mit einem Hiebe keinen voll ausgewachsenen Baum umhaut, und du wirst Ruhe finden in deinem Gemüte! Du brauchst von nun an bloß nach Meinem Worte zu handeln, und dir wird das andere, was du suchest, schon zur rechten Zeit hinzugegeben werden.

3. Sorge dich auch nicht so sehr um dein Haus, und was die Deinen essen und trinken werden; denn das tun nur die Weltmenschen und die Heiden, die von Gott und respektive von Mir nichts wissen! Suche nach Meinem Worte nur allein das Reich Gottes und seine lichtvollste Gerechtigkeit, die da vor allem besteht in der Liebe zu Gott und zum Nächsten, so wird dir alles andere ganz frei hinzugegeben werden!

4. Siehe an die Blumen auf dem Felde, die nichts arbeiten und auch nichts ernten, und der Vater im Himmel sorget dennoch also für sie, daß sie ernährt werden und dazu am Ende noch um vieles herrlicher bekleidet sind, als je Salomo in seiner höchsten Königspracht bekleidet war.

5. Wenn aber Gott schon für das Gras also sorgt, das heute wächst und morgen abgemäht und nach einer alten Sitte in Bündeln getrocknet und in dem Ofen zu Asche verbrannt wird, um wieviel mehr wird Gott erst für jene Menschen sorgen, die Ihn lieben und Seine Gebote halten!

6. So aber schon die Menschen, die zumeist nun arg und böse sind, ihre Kinder lieben und ihnen möglichst viel Gutes erweisen, um wieviel mehr wird der allgütigste Vater im Himmel das denen tun, die Er als würdig für Seine Kinder befunden hat! Oder hast du je von einem Menschen vernommen, der mit vieler und wahrer Weisheit begabt war, daß er grausam und unerbittlich hart gegen seine Nebenmenschen oder gar gegen seine Kinder gewesen wäre?!

7. Es ist seit Menschengedenken bekannt, daß ein weiser Mensch auch ein guter Mensch ist und allen Menschen Gutes will. Nur die Weisheit gab den Menschen Gesetze, durch deren leichte Beachtung sie alle vollauf glücklich werden könnten; sie sanktionierte die Gesetze nur der bösen und eigensinnig- ungehorsamen Menschen wegen, damit die guten Menschen ein Mittel in ihren Händen hätten, die bösen Narren zum Guten mit Gewalt anzuhalten, so die sanften Ermahnungen nichts fruchteten. Also ist auch die Sanktion der Ordnungsgesetze ein Akt der Liebe und Erbarmung aus der Weisheit.

8. Wenn aber schon eine volle Weisheit der Menschen nur Gutes wirkt, und die unweisen Menschen zum wahren Glücke des Lebens lenkt, um wieviel mehr die allerhöchste und tiefste Weisheit Gottes!

9. Daß sie wider ihre eigene Ordnung, von der das Bestehen aller Kreatur abhängt, nicht wirken kann und auch ewig nie wirken wird, das muß ein jeder nur einigermaßen weise Mensch gar wohl begreifen, weil dadurch die Existenz und das Glück aller guten und seligen Wesen gefährdet würde. Aber die höchste Weisheit will auch die widerspenstigen Geister und Wesen zum Guten und Wahren bringen und hat zu dem Zwecke die tauglichsten Mittel gestellt, die dem verstockten Sünder freilich wohl nicht wie Milch und Honigseim schmecken werden, – aber es wird dennoch stets von seinem Willen abhängen, sie zu ändern, wenn er wollen wird.

10. Und also steht es denn auch schon hier. Alles hängt von dem ernsten Wollen des Menschen ab; so er sich ernstlich bessert und volltrauig Gott bittet um etwas Rechtes und Gutes immer in Meinem Namen, so wird es ihm gegeben werden nach dem Maße seiner wahren Besserung und seines Glaubens und Vertrauens. Und du kannst nun mit solcher Meiner allerwahrhaftigsten Verheißung denn auch vollends zufrieden sein.

11. Wer dies alles wohl bedenkt und danach tut, der wird in allem ganz glücklich sein und vor des Leibes Tode keine Angst und Furcht mehr haben, so er auch zuvor ein großer und grober Sünder gewesen ist. Denn Gott, der Vater im Himmel, hat Mich ja nur um der Sünder und nicht um der Gerechten willen in diese Welt gesandt, und wie Mich der Vater gesandt hat, ebenso werde auch Ich euch zu den Sündern senden; denn nur die Kranken bedürfen des Arztes, und nicht die Gesunden. – Bist du nun ganz im klaren?“

12. Sagte der Wirt: „Oh, wer sollte da nun noch im unklaren sein?! – Aber nun fängt der Tag sich auch schon ein wenig zu neigen an. Was sollen wir nun anfangen?“

13. Sagte Ich: „Das hängt nun von dir ab; denn für heute, morgen und übermorgen werde Ich gar nichts bestimmen. Hast du aber irgend etwas, so sage es, und Ich werde sehen, was da zu tun sein wird!“

70. Kapitel. Das durch Geistereinfluss eingesunkene Landstück.

1. Sagte der Wirt: „Ich hätte wohl etwas; aber es kommt mir beinahe als zu geringfügig vor, um Dich, o Herr, damit zu belästigen!“

2. Sagte Ich: „So rede; denn Mir ist nichts zu geringfügig in der Welt!“

3. Sagte der Wirt: „So wolle mich denn gnädigst anhören! Siehe, ich habe nebst dieser Besitzung noch eine Hube unfern von hier, allwo ich meine besten Rinder und Schafe halte, und habe dort auch mehrere recht getreue Knechte und Mägde! Im großen Tiergarten, der allenthalben mit dem üppigsten Grase bestellt ist, hat sich vor ein paar Monden eine nahe bei ein viertel Morgen großes Stück Land derart eingesenkt, daß nun an der Stelle ein derartiges Loch besteht, daß seine Tiefe gar nicht zu ermessen ist und man auch gar nicht wissen kann, ob sich da nicht bald noch mehr Land nachsenken wird.

4. Ein alter, in diesen Dingen ziemlich kundiger Mann fragte mich, ob sich die Tiere dem Loche nahen. Und ich sagte ihm, wie es ist, die volle Wahrheit. Ich ließ einige Schafe und Rinder nahe an das Loch bringen; aber je näher sie dem großen Loche kamen, desto mehr sträubten sie sich, und als sie nur mehr etwa zehn gute Schritte vom Loche entfernt waren, da rissen sie aus und liefen jählings von dannen. Selbst die Ziegen sind nicht in die Nähe des Loches zu bringen, obwohl sie sonst auf den höchsten Felsen ganz behaglich und unerschrocken herumzuklettern pflegen. Darauf sagte der kundige Mann, daß dies ein sicheres Zeichen wäre, demnach da noch mehr Land einsinken werde. Und in dieser mir als Grundbesitzer immerhin sehr mißlichen Sache frage ich denn nun auch Dich, was das zu bedeuten hat, was da noch zu erwarten ist, und ob dem Übel doch vielleicht möglich durch irgend etwas abgeholfen werden könnte.“

5. Sagte Ich: „Da gehen wir hinaus und besehen diesen Mutwillen der rohen Erdgeister, die das verübt haben durch Antrieb von anderen Geistern jener verstorbenen Menschen, die darum als deine Feinde hinübergewandelt sind, weil du die Hube infolge einer gerichtlichen Pfändung ob der nicht bezahlten großen Schulden käuflich an dich gebracht hast! Gehen wir also hinaus und nehmen die Sache in Augenschein!“

6. Wir erhoben uns nun schnell von unseren Sitzen und zogen zu der verhängnisvollen Hube hinaus, die etwa eine kleine halbe Stunde von da entfernt war. Wir kamen sonach bald zu dem wahrlich sehr unheimlichen Loche. Außer Mir und dem Wirte getraute sich niemand, völlig an den Rand des Loches zu treten. Die zwanzig neuen Jünger schauderten schon von weitem zurück; denn es war das Loch wahrlich recht grauenhaft anzusehen. Der Wirt sagte, daß er selbst dem Loche noch nie so nahe gekommen sei und erst jetzt seine unabsehbare Tiefe sehe.

7. Ich aber sagte zu ihm: „Gehe hin und bringe Mir einen recht tüchtigen Stein, und Ich werde sehen, ob das Loch nicht auszufüllen ist!“

8. Da ging der Wirt und brachte Mir einen mindestens zehn Pfund schweren Stein. Ich aber nahm den Stein und schleuderte ihn mit großer Gewalt in das Loch. Bald fing aus dem Loche eine gewaltige Rauchsäule sich zu erheben an und verbreitete einen stark schweflichen Gestank.

9. Ich aber bedrohte die Rauchmasse und sagte: „Ihr argen Geister alle, Ich, der Herr, gebiete euch, dieses Loch alsogleich auszufüllen für jetzt und alle Zeiten!“

10. Da vernahm man aus der Rauchmasse Stimmen, die da riefen: „Jesus aus Nazareth, Du Sohn des lebendigen Gottes, wir kennen Dich! Warum kamst Du denn, uns zu quälen vor der Zeit? Wir sind hier gedrückt und machten uns Luft. Warum gönnst Du uns diese Freiheit nicht? Hier ist uns ein großes Unrecht geschehen, das unsern Leib tötete. Wir haben alles verloren. Warum soll der Käufer nun nicht auch etwas verlieren? Wir bedürfen dieses Fleckes Landes in unserer entsetzlichen Tiefe. Warum sollen wir es denn nicht besitzen?“

11. Sagte Ich: „Tut, was Ich euch befohlen habe, oder es wird euch noch Ärgeres widerfahren!“

12. Da senkte sich der Rauch, und im Innern des Loches fing es ganz gewaltig zu toben und zu brausen an. Es dauerte dieses jedoch nur ganz kurz, und schon bemerkte man, wie das eingesunkene Erdreich allmählich heraufstieg, und nach einer kleinen Stunde war das Loch wieder völlig also unkenntlich ausgefüllt, daß da niemand merken konnte, daß dieser Teil je eingesenkt war.

13. Ich aber berief nun alle die alten und neuen Jünger und sagte: „O ihr Kleinmütigen! So gehet denn jetzt her und betretet den eingesunkenen Boden als erhoben aus seiner Tiefe, und erkennet, wie der Macht des göttlichen Willens nichts widerstreben kann!“

14. Da gingen alle Jünger hin und überzeugten sich völlig, wie der Macht Meines Willens nichts einen Trotz bieten kann.

71. Kapitel. Das Wesen der bösen Geister.

1. Der Wirt aber fragte Mich, was denn die Geister in der ersichtlichen Rauchmasse damit hätten sagen wollen, daß Ich sie nicht vor der Zeit quälen solle.

2. Sagte Ich: „Siehe, alle die abtrünnigen Geister halten das für eine Qual, so sie zum Gehorsam gegen Gott ermahnt werden; denn aller Hochmut kennt für sich keinen Gehorsam, da er allein nur herrschen und gebieten will. Sie aber meinten, daß sie noch zu kurz in der Geisterwelt seien, als daß sie nun Meinem göttlichen Willen sich als gehorsam erweisen sollten. Siehe, ihnen wäre es nun schon am allerliebsten, wenn sie so eine völlige Ewigkeit in ihren bösen und rachsüchtigen Freuden verbleiben dürften, und es ist ein jeder Geist, der sie zu einer Ordnung und zu einem Gehorsam ermahnt oder oft gar mit Gewalt antreibt, ihr Feind und ihr Quäler!

3. Darum bedrohte Ich sie denn auch sogleich, und sie mußten sich fügen und fügten sich auch, obwohl mit dem größten Unwillen. Allein, das macht nichts für derlei Geister, die im Gerichte und somit auch im Tode stecken, da ihre eigensinnige Freiheit nicht eine Freiheit, sondern nur ein Gefängnis und ein ärgstes Gericht ist, aus dem sie nach und nach nur dadurch mehr und mehr befreit werden können, so ein mächtigerer Wille denn der ihrige sie ergreift und zu einer guten Tat zwingt.

4. Sie gleichen jenen Schläfern, die sich in allerlei süßen Träumen als Fürsten und Könige herumwiegen, im Traume allerlei dummes Zeug zusammenreden und sich oft sehr abmühen. Nun weiß aber jedermann, daß derlei Träume der menschlichen Naturgesundheit eben nicht sehr zuträglich sind, und daß es gut ist, solche Morgensüßträumer zu wecken. Wenn da solch ein Schläfer geweckt wird von einem Wachen, wie wird er da voll Ärgers und Grimmes! Aber wenn er mit der Zeit völlig wach wird, so ist er dann dennoch sehr froh darob, daß er von seinem betäubenden Schlafe geweckt worden ist. Er ist mit dem Wachwerden freilich um alle seine schönen Fürstentümer gekommen und von einem Könige wieder zu einem ganz gewöhnlichen Menschen herabgesunken; aber als solcher ist er auch eben zu der klaren Erkenntnis gekommen, daß sein Königtum nichts als nur ein eitel krankhafter Fiebertraum gewesen ist.

5. Und sehet, so geht es auch mit solchen Geistern, nur mit dem Unterschiede, daß sie in solchen Träumen oft eine gar sehr lange Zeit zubringen und sich selbst dann noch äußerst schwer erwecken lassen!

6. In einem ähnlichen Traume befinden sich aber auch alle die weltlichen und diesirdischen Glücksritter, die in allen Gattungen der menschlichen Seinssphäre auf dieser Erde überaus reichlich vertreten sind. Sie fühlen sich ganz glücklich dabei, und wehe dem, der es wagen würde, sie für den Ernst dieses Lebens zu wecken durch Worte und Taten! Aber so man doch aus den vielen einen oder den andern dann und wann zu erwecken imstande ist, so wird der Erweckte darauf sicher sehr froh werden, weil er in dem geistwachen Zustande erst die Gefahr stets mehr und mehr zu erkennen und einzusehen beginnt, in der er sich in seinem blinden Sinnenschlafe befunden hatte.

7. Daher möget ihr es denn auch versuchen, ob irgendein solcher sinnenberauschter Mensch noch nüchtern und wach zu machen ist! Ist er es, so erwecket ihn, und es wird euch das von großem Nutzen sein, weil er dann wieder leichter denn Ich auf seine Sinnesverwandten fruchtbringend rückwirken kann; läßt er sich aber nicht erwecken, so lasset den faulen und trägen Esel schlafen! Da müssen dann schon andere Weckmittel kommen, um solche Schläfer zu wecken. Dergleichen Mittel aber heißen Krankheiten aller Art und Gattung, Krieg, Hungersnot und Pestilenz. – Habt ihr das verstanden?“

8. Sagte der Wirt: „O ja, Herr und Meister, es ist genau also, und es muß auch schon also sein! Aber etwas traurig bleibt die Sache mit solchen Schläfern immer, weil da, wenn Gott einmal die großen Übel über die Menschen ausgießt, gar oft der Unschuldige mit den vielen Schuldigen leiden muß.“

9. Sagte Ich: „Er leidet aber auch so als ein Wacher unter den so vielen Schläfern, und somit verliert er wenig oder nichts. Oder ist es etwa wohl sehr angenehm, sich in einem Gemache als ein Wacher unter lauter Schlafenden zu befinden und lautlos zu sein?!“

10. Sagte der Wirt: „Ja, ja, das ist wohl sehr wahr, – es müßte eine wahre Pein sein für einen weisen Menschen, sich unter lauter Narren und unter Stummen und Blinden zu befinden, mit denen er nie nur ein vernünftiges Wort tauschen könnte! Und da ist dann wahrlich ein Leiden, das zu einer Besserung führt, besser in sich selbst denn ein Leiden, das offenbar zu keiner Besserung führt. Ah, Herr, ich weiß es gar nicht, wie unaussprechlich glücklich ich nun bin in Deiner vollstgöttlichen Gegenwart! Ich werde Dich nicht aus meinem Hause allein ohne mich fortziehen lassen können; denn ohne Dich würde mir nun schon alles ganz weltfremd und überaus unheimlich vorkommen. Aber nun möchte ich denn doch wissen, wie tief nach irdischem Maße dieses Loch war.“

11. Sagte Ich: „Das war sehr tief; die Tiefe maß bei tausend Ellen.“

72. Kapitel. Geistereinflüsse bei natürlichen Vorgängen als Zulassungen der Vorsehung.

1. Sagte der Wirt weiter: „Aber haben die rohen und argen Geister wohl eine so große Kraft, ein so bedeutendes Stück Land, das noch dazu sehr fest ist, in eine solche Tiefe hinabzudrücken?“

2. Sagte Ich: „Sie haben eigentlich ebensowenig Kraft wie ein schlafender Held; aber es wird dann und wann zu ihrer eigenen Weckung zugelassen, daß etwas nach dem Willen einer höheren, vollwachen, geistigen Macht in der Wirklichkeit geschieht, was solche argen Geister in ihrer nichtigen Traumphantasie ausführen wollen, und wozu sie stets leere Anstalten machen. Geschieht dann so etwas, so werden sie plötzlich wach und sehen ihr Elend ein. Dadurch werden dann manche aus ihrem bösen Traumleben in ein wacheres durch ihr eigenes Wollen versetzt und hüten sich darauf schon mehr, in solche bösen Phantasien zu geraten, damit nicht wieder über sie etwas einstürze und sie übel zurichte in ihrem vermeinten freien Sein.

3. Es war aber das nur ein Zusammentreffen von schon seit lange her wohlberechneten Umständen zur Erreichung eines guten Zweckes. Hier unter diesem Stück Land befand sich schon seit für euch undenkbaren Urzeiten der Erde eine große Höhlung und machte eine unterirdische Fortsetzung des Meeres aus. Allein mit der Zeit verlegte und verstopfte sich durch den angehäuften Meeresschlamm die schon anfangs etwas enge Verbindung des Offenmeeres und des mit ihm verbundenen unterirdischen, das von dem offenen seinen Zufluß hatte. Als dieser mit der Länge der Zeiten ganz versiegt war, da versank nach und nach das unterirdische Wasser, und es entstand dadurch ein großer hohler Raum. Durch die öfteren Erdbeben löste sich unter diesem Landstücke ein lockerer Teil um den andern ab und fiel in die Tiefe des hohlen Raumes. Dadurch ist dies eingestürzte Stück Land natürlich stets dünner und schwächer in seiner Haltbarkeit geworden.

4. Als in der jüngsten Zeit von den rohen Erdgeistern infolge einer stummen Erregung von seiten der argen Seelen, die sich ihrer Materiellheit wegen dem Seinsraume nach zumeist in den unteren Erdhöhlen aufhalten, eine kleine Rüttlung der Erde bewirkt ward, da fiel denn auch seiner Schwäche wegen dieses ganze Stück Land ein und stürzte in die Tiefe hinab. Das war der eigentlich ganz natürliche Grund; aber er ist dennoch nicht pur ganz natürlich, sondern auch geistig, da er schon seit undenklichen Zeiten zum Behufe des Erwachens der argen Schlafgeister von Gott vorgesehen und zugelassen wurde.

5. Und so geschieht auf der Erde gar nichts so ganz eigentlich pur Naturmäßiges für sich, sondern allzeit in voller Verbindung mit dem Geistigen, eines geistigen Zweckes wegen; denn es ist in aller Welt das Geistige streng mit dem Naturmäßigen im steten Verbande und in einer steten wechselseitigen Aufeinanderwirkung, was ihr aber erst dann völlig klar einsehen werdet, wenn ihr durch die Taten nach Meiner Lehre in eurem Geiste wiedergeboren sein werdet. – Nun aber können wir uns nach dieser getanen Arbeit schon wieder nach Hause begeben; denn wir werden dort auch etwas Neues antreffen.“

6. Sagte der Wirt: „Herr, soll ich nicht zuvor meine Knechte und Mägde hierher rufen, auf daß auch sie es erfahren, was für ein nie erhörtes Wunder hier bewirkt wurde?“

7. Sagte Ich: „Lasse du das heute nur gut sein; denn dafür ist morgen auch der Zeit zur Genüge! Daß sich deine Dienstleute darüber sehr verwundern werden, das ist etwas ganz Gewisses; aber sie werden aus solcher Verwunderung für ihre noch sehr sinnlichen Seelen sehr wenig Nutzen schöpfen, denn sie sind zumeist Griechen und somit noch recht finstere und sehr abergläubische Menschen und werden diese Wirkung sogleich irgendeinem sogenannten Halbgotte zuschreiben. Sie werden dich über den Grund dieser Erscheinung eher noch zu unterweisen anfangen als du sie; und sagst du ihnen, daß Ich, der Zimmermann aus Nazareth, solches bewirkt habe, so werden sie dich entweder auslachen oder sagen, daß Ich Selbst mit einem Halbgotte in irgendeiner Verbindung stehe und darum solches wohl zu bewirken imstande sei.

8. Derlei Menschen sind zur Aufnahme des Reiches Gottes noch lange nicht fähig; sie müssen zuvor auf eine geschickte Weise vorbereitet und in den Stand gesetzt werden, heller über alle Erscheinungen in der Naturwelt zu denken und zu urteilen. Aber diese Menschen leiten alles auf den Willen der unsichtbaren Götter zurück, deren Gegenwart sie ordentlich zu riechen wähnen, und da ist mit der vollen Wahrheit aus den Himmeln Gottes noch lange nichts anzufangen; daher lassen wir sie und begeben uns nun wieder nach Hause!“

9. Darauf verließen wir die Stelle und zogen nach Hause in unsere Herberge.

73. Kapitel. Jesus erweckt die ertrunkene Tochter eines Wirtes.

1. Als wir allda gerade mit dem Untergange der Sonne ankamen, da bemerkte der Wirt, daß das Meer nun in einer allerstärksten Aufregung sich befinde und er in einer Entfernung von etwa hundert Feldwegen ein Schiff sehe, das bei diesem gar sehr fürchterlichen Wogengange offenbar zugrunde gehen werde. Ob man denn solch einem bedrängten Schiffe nicht eine Hilfe bringen solle?

2. Sagte Ich: „Einem andern, ja, – aber diesem nicht! Der vormittägige Wind hat es so weit vorgeschoben; aber ein anderer Wind wird es schon wieder zurücktreiben. Das ist eben das Schiff mit denjenigen Argen aus Jerusalem, die Mich fangen und töten sollen. Aber nun sind sie in Meiner Gefangenschaft und werden noch ein paar Tage und ein paar Nächte darin zu verweilen haben, – dann soll sie ein Wind an die Küste hinter Tiberias treiben und sie erlösen von ihrer Qual. Darauf werden sie ganz nüchtern sich nach Hause begeben und Mir sobald nicht mehr nachstellen und nach Meinem Leben fahnden. Sieh, der Wind ist schon bei ihnen und treibt das Schiff von diesen Gestaden hinweg! Aber lassen wir nun das; im Hause wartet ganz etwas anderes auf uns! Begeben wir uns daher nur in unsere Herberge!“

3. Der Wirt und alle waren voll Neugier, was es denn darin Neues für uns gäbe, und wir begaben uns darum ganz hurtig ins Haus. Und siehe, eine älteste Tochter des Wirtes lag so gut wie völlig tot auf einem Bette und triefte von Wasser. Sie war allein an den großen Fischbehälter gegangen, um etliche der großen Edelfische für unser Abendmahl zu holen; aber sie konnte die großen und starken Tiere nicht überwältigen und wurde von einem Fische durch einen starken Schneller ins tiefe Wasser geworfen. Es kamen auf ihren Schrei freilich wohl gleich Retter herbei; aber sie konnten sie beim besten Willen nicht schneller, als es möglich war, aus dem Wasser bekommen, und die Folge davon war, daß sie ohne alle Lebenszeichen aus dem Wasser gehoben ward. Daß das eine große Bestürzung im ganzen Hause hervorrief und man sogleich in die Stadt um einen Arzt sandte, der auch sogleich ankam und alles anwandte, um die Ertrunkene wieder ins Leben zu rufen, braucht kaum erwähnt zu werden. Aber trotz alles Weinens der Mutter und der anderen Geschwister und trotz aller Mühe des Arztes gab die Ertrunkene dennoch kein Lebenszeichen mehr von sich.

4. Da ward auch unserem Wirte bange, und er wandte sich bittend an Mich und sagte (der Wirt): „Herr, ich weiß nun, daß Dir alle Dinge möglich sind!“

5. Hier unterbrach Ich ihn und sagte: „Sei nun stille von allem; Ich will hier kein Aufsehen erregen! Der Arzt, der auch ein Pharisäer ist, wird bald sehen und sagen: ,Meine Mühe ist bei dieser Ertrunkenen nun eine völlig vergebliche; denn sie ist unrettbar tot.‘ Dann bezahle du ihm schnell seine Mühe, worauf er dann auch schnell von dannen eilen wird; Ich werde dir dann schon das Meinige unter vier Augen tun. Aber so Ich Meine Hände an die Ertrunkene legen werde, da darf außer uns niemand im Zimmer sein, – auch dein Weib und deine andern Kinder nicht.“

6. Bald darauf erklärte der Arzt, daß die Tochter leider völlig tot sei. Aber sie sollten sie dennoch in erwärmte Tücher legen; vielleicht erwache sie doch noch in einigen Stunden. Das sagte er aber nur, um den Eltern einige Fünklein Trostes zu hinterlassen. Der Wirt bezahlte den Arzt, und der entfernte sich auch sogleich mit froher Miene und versprach, daß er alsbald die Klageweiber selbst bestellen werde. Der Wirt aber sagte, daß er damit nur noch bis morgen warten solle; so es notwendig werden solle, so werde er selbst am Morgen schon zu ihm kommen. Darauf ging der Arzt seiner Wege weiter.

7. Und als das Zimmer von allen überflüssigen Menschen geleert war, da trat Ich zu der Ertrunkenen hin, legte ihr Meine Hand auf und sagte: „Tochter, stehe auf von deinem Schlafe!“

8. Und in demselben Augenblicke richtete sich die Tochter im Bette auf und fragte sogleich, was denn mit ihr nun vorgegangen sei. Sie wisse wohl, daß sie ins Wasser gefallen sei, aber wie sie da in dies Bett gekommen sei, das wisse sie durchaus nicht.

9. Ich aber sagte zu ihr: „Siehe, du warst dem Leibe nach völlig tot; aber Ich, der Ich das Leben aus Mir Selbst bin, habe dir nun das Leben wiedergegeben. Aber in der Folge sei klug und verrichte nur solche Arbeiten, für die du die hinreichenden Kräfte besitzest, ansonst dir wieder etwas Ähnliches widerfahren könnte. Der Fleiß eines Menschen ist stets löblich zu nennen; wenn er aber seine Kräfte übersteigt, so ist er nicht mehr löblich, sondern sehr töricht. Merke dir das, und sage es auch deiner Mutter und deinen sonst sehr braven Geschwistern! Nun aber stehe auf und zeige dich deiner Mutter und deinen um dich noch sehr gewaltig trauernden Geschwistern, und sorget nun für unser Abendmahl!“

10. Hierauf erhob sich die Tochter schnell vom Bette, dankte Mir für solche große Gnade und begab sich dann sogleich hinaus zu der Mutter und zu den Geschwistern, die sich alle darauf vor lauter Freude nicht zu helfen wußten.

11. Die Tochter aber bekannte laut und sagte: „Der große Meister aus Nazareth hat mir das getan; aber er sagte auch, daß wir ihm darum nun sofort ein gutes Abendmahl bereiten sollten, – und so tun wir denn das auch vor allem!“

12. Da griff alles zu, und wir hatten bald ein reichliches Mahl vor uns. Der Wirt konnte vor lauter Dankbarkeit beinahe zu keinem Worte kommen.

13. Die neuen Jünger konnten auch nicht genug erstaunen über dieses Zeichen und sagten: „Das würde sicher den ganzen Tempel bekehren!“

14. Ich aber sagte: „Ein noch größeres Zeichen ähnlicher Art wird eben die Templer über Mich derart erbittern, daß sie dann alles aufbieten werden, um Mich zu töten. Mehr brauche Ich euch wahrlich nicht zu sagen! – Doch davon nun nichts Weiteres mehr, sondern seien wir nun alle wieder frohen Mutes und essen und trinken, was da vor uns ist!“

15. Darauf aßen und tranken die Jünger und hatten ihr Wesen mit allerlei Erzählungen aus dem Bereiche ihrer Erlebnisse und Erfahrungen.

74. Kapitel. Ein Schiff der Pharisäer in Seenot.

1. Die neubelebte Tochter, ihre Mutter und ihre Geschwister kamen auch zu uns und behorchten die Reden der Jünger, die diesmal viel von den argen Spukgeistern und Teufeln zu erzählen wußten und auch eine Behauptung aufstellten, der nach sich so manche Menschen vor den Verfolgungen dieser unsichtbaren, argen Wesen gar nicht zu schützen imstande wären. Man könne solche Zulassungen von Gott aus nicht gar wohl einsehen; es wären da die von den Teufeln Besessenen sehr in eine rechte Betrachtung zu ziehen, besonders da, wo das Besessensein schon bei den zarten Kindern vorkomme.

2. Da sagte auch unser Wirt: „Ja, das ist eben eine sehr sonderbare und durchaus nicht begreifbare Sache! Ich selbst habe Erscheinungen dieser Art schon gar oft bei Kindern in einem Alter von fünf Jahren gesehen, die auf eine erbärmlichste Weise von den sie besessen habenden Geistern zugerichtet wurden. Das Sonderbare dabei ist nur das, daß nahezu niemand mehr solchen Übeln abhelfen kann.“

3. Sagte Ich: „Meine alten Jünger sind da schon eingeweiht und können dir darüber Bescheid geben, namentlich Simon Juda – nun Petrus – und Jakobus und Johannes; sie können solchen Übeln auch sogleich abhelfen gleichwie Ich. Aber Ich Selbst rede nun nichts Weiteres darüber; denn Ich habe ehedem gesagt, daß Ich die etlichen Tage Ruhe nehmen werde im Lehren wie auch im Handeln. Ihr alle aber könnet reden und tun, was ihr wollet; nur machet Mich nicht ruchbar in der Gegend, und noch weniger in der Stadt!“

4. Die Jünger setzten dann ihre Erzählungen fort, und Johannes erklärte den Neujüngern die Erscheinung des Besessenseins, und als er so gegen die Mitte der Nacht hin damit zu Ende kam, da begaben wir uns alle zur Ruhe.

5. Am Morgen standen wir dennoch schon recht früh auf, und Ich ging mit den drei vorerwähnten Jüngern vor dem Morgenmahle hinaus ins Freie. Der Wirt kam uns auch bald nach; aber die andern Jünger blieben im Hause und zeichneten sich so manches auf. Wir aber besprachen uns über das Schicksal des Pharisäerschiffes, das sich noch in der Mitte des Meeres mit den mächtigen Wogen herumbalgte. Der Wirt meinte, ob der Wind es noch nicht hinter die Stadt Tiberias geschoben hätte.

6. Ich aber sagte: „Bis jetzt noch nicht; das wird ihnen erst in ein paar Tagen zuteil werden, das heißt, wenn sie ihre Gesinnung etwas ändern werden, – ansonst lasse Ich sie noch etliche Tage lang nahezu in der Mitte des Meeres stehen und vergeblich rudern!“

7. Der Wirt verstand nun, daß mit Mir durchaus kein Scherz zu treiben sei, und gab Mir recht, daß Ich die argen Verfolger Meiner Person also plage. Der Wirt aber war eben ein großer Feind der Templer und hatte darum eine große Freude, so über sie irgendeine namhafte Bedrängnis kam.

8. Wir sprachen nun weiter nichts mehr darüber und betrachteten die starken Wogen des Meeres und die vielen Scharen der Wasservögel, die bei so starkem Wogengange stets gegenwärtig sind und ihren Fraß suchen. Der Wirt fragte, wo diese Vögel denn dann sich aufhielten, so das Meer ruhig sei.

9. Und Petrus, als ein mit dem Meere sehr vertrauter Fischer, sagte: „Siehe, das sind im Grunde eine Art Wasserraubtiere, die nur dann so häufig und in großer Anzahl zu sehen sind, wenn es für sie etwas zu rauben gibt; sonst sitzen sie an den Gestaden des Meeres, die nicht zugänglich sind, weder von der Land- noch von der Wasserseite. An solchen Stellen gibt es eine Menge Insekten und Würmer, die diesen Tieren zur Nahrung dienen. Bei großen Stürmen aber verkriechen sich derlei Insekten und Würmer, und die Vögel ziehen dann hungrig auf den Raub der kleinen Fische aus, und so der Sturm sich gelegt hat, da kehren sie wiederum heim, wo sie ihre gut verwahrten Nester haben. Da hast du nun, was du noch nicht hattest; es liegt zwar nicht viel daran, aber es ist dennoch gut, auch derlei ganz gut zu wissen.“

10. Damit war unser Wirt ganz zufrieden und meinte, daß wir nun zum Morgenmahle zurückkehren könnten.

75. Kapitel. Jesus über die rechte Betrachtung der Natur.

1. Ich aber sagte: „Dazu haben wir noch eine Stunde Zeit, und es ist hier auf diesem Hügel ganz gut sein und zu betrachten, wie sich Gottes Gedanken vor unseren Augen verkörpern.“

2. Sagte der Wirt: „Herr, wie ist das wohl zu sehen?“

3. Sagte Ich: „Da hierherum, was du mit deinen Augen erschauest, mit den Ohren vernimmst und mit irgendeinem andern Sinn wahrnimmst, das sind lauter verkörperte Gedanken Gottes. Du siehst den mächtigen Wogengang. Wer treibt da das Gewässer so hoch und läßt es zu keiner Ruhe gelangen? Siehe, das ist Gottes Gedanke, belebt durch Seinen Willen! Sieh an die vielen Vögel, die mit den Wogen ihr Wesen treiben! Was anders wohl sind sie als pur verkörperte Gedanken Gottes?! Das ganze Meer, alle die Berge, alles Getier, alle Gräser, Kräuter und Bäume, alle Menschen, die Sonne, der Mond und alle die zahllos vielen Sterne sind nichts anderes. Ihr Dasein hängt ganz allein von der für dich jetzt noch völlig unbegreiflichen Beständigkeit des Willens Gottes ab.

4. Ich setze den möglichen Fall, der aus der endlosesten Freiheit des göttlichen Willens wohl erklärlich ist, daß Gott von einem dieser vor uns seienden verkörperten Gedanken abzöge Seinen Willen, so wäre es mit der Verkörperung auch schon im selben Momente gar. Der geistige Gedanke in Gott bliebe wohl, aber der Körper lösete sich gewisserart in ein pures Nichts auf. Wir aber haben hier vor uns dieses für den wahren Gottesfreund so hochwichtige Bestehen, Sein, Werden und auch Vergehen der Gedanken Gottes! Ist es nicht eine wahre Lust, diese zu betrachten und an ihnen von Tag zu Tag näher kennenzulernen die Liebe, Weisheit und Allmacht Jehovas?!

5. Seht dort im Osten die Wölkchen, wie sie sich bald vergrößern, bald wieder verkleinern und bald wieder gänzlich vergehen! Das sind ebenfalls Gottes Gedanken, die, von dem Willen nur ganz leise aus der Luft zusammengezogen und in eine flüchtige Körperlichkeit übergehend, uns in stets veränderlichen Formen zu Gesichte kommen. Diese Formen sind dem ursprünglichen geistigen Elemente offenbar näher denn die gefesteten Berge und alle die andern Gebilde, die uns allda nach allen Seiten hin umgeben; aber es ist ihr Sein dennoch ein unvollkommeneres, und sie müssen erst durch ein öfteres Auftauchen in eine andere Form, als zum Beispiel in den Tropfen des Regens, übergehen und dann als Nährstoff in einer oder der andern Pflanze eine bestimmtere und beständigere Form annehmen, und so bis zum Menschen herauf, von wo aus sie dann als völlig freie und selbständige und selbst frei denkende und frei wollende Wesen für ewig unveränderbar und bestandbar ins rein Geistige und Gottähnliche übergehen können und auch werden.

6. Sieh, wer also die Geschöpfe Gottes betrachtet, der findet eine große Lust und Freude daran! Und Ich sage es dir, daß solch eine Betrachtung dem Menschen mehr Kraft verleiht denn ein zu früh eingenommenes Morgenmahl. – Findest du das nun nicht auch also?“

7. Sagte der Wirt: „O ja, Herr und Meister! Aber zu solcher belebenden Betrachtung gehört auch Deine Weisheit; ich könnte da schauen ein Jahrhundert lang und würde das von Dir uns nun Geoffenbarte dennoch nicht herausgefunden haben! Von nun an wird es sich bei mir auch schon besser machen; denn ich bin ein Freund der Natur und ergötze mich gerne an ihren Gebilden und Formen. Nur wenn sie manchmal hie und da ausartet, dann bleibe ich ihr auch sehr gerne fern. Wenn große Stürme kommen und die Wolken uns mit Blitz und Donner zu vernichten drohen, da hat dann meine Naturfreundlichkeit auch ein Ende; aber so in ihrem stillen Wirken und Sein liebe ich sie außerordentlich. Zwar ist nun dieser Meereswogensturm auch kein stilles Wirken der Natur, aber er ist uns Festlandbewohnern eben nicht gefährlich und ist somit schon noch mit einem behaglichen Gemüte anzuschauen; würde aber ein gewaltiger Orkan das Meer zu einer solchen Bewegung nötigen, so wäre es hier eben nicht sehr behaglich, die Natur in ihrem Tun und Treiben zu beobachten und daraus den großen Gottesgedanken, belebt von Seinem Willen, zu erkennen.“

8. Sagte Ich: „Das ist schon ganz sicher also; aber es ist dieses von Mir dir nun Gesagte auch kein Gebot, sondern nur ein guter Rat, – denn sonst müßten die Menschen auch in die Tiefen des Meeres hinabsteigen und dort nach allen Richtungen die Verkörperungen der großen Gedanken Gottes beobachten. Wo es aber der Mensch ohne Gefahr und ohne Schaden an seinem Leben tun kann, da tue er es von Zeit zu Zeit, und er wird daraus so manchen Nutzen für Seele und Leib ziehen und auch mehr und mehr in sich den Geist der wahren Liebe zu Gott und also auch zum Nächsten erwecken.

9. Denn um Gott wahrhaft lieben zu können, muß man Gott stets mehr und mehr zu erkennen trachten. Wem daran nicht am meisten gelegen ist, der muß es sich am Ende selbst zuschreiben, wenn bei ihm das innere Gefühl und Bewußtsein über das ewige Fortleben der Seele nach des Leibes Tode nur ein höchst schwaches ist und bleibt; denn dieses wahre Lebensgefühl ist eben ja nur die Folge der wahren, lebendigen Liebe zu Gott und daraus zum Nächsten.

10. Gott in Sich als Vater ist ja eben in Seinem Urgrundwesen die Liebe und dadurch das Leben selbst, weil Liebe und Leben ein und dasselbe sind. Wer sonach die Liebe zu Gott in sich hat, welche allein das Lebenselement ist, der hat auch das wahre, göttliche, ewige Leben in sich. Wer aber solche Liebe nicht hat, der ist in sich tot; sein Leben ist nur ein Scheinleben und somit so lange ein Gericht, bis es nicht freiwillig die Liebe zu Gott in sich erweckt und selbsttätig belebt hat. Und siehe nun, eben darum ist es gut für den wahren Menschen, so er von Zeit zu Zeit tiefere Betrachtungen über das anstellt, was sich seinen Sinnen zur Wahrnehmung darstellt! – Verstehst du jetzt, was Ich dir gesagt habe?“

11. Sagte der Wirt: „Ja, Herr und Meister, jetzt ist mir auch das klar; nur ist das nun in der Welt sehr zu beklagen, daß die meisten Menschen von solchen allergewichtigsten Lebenslehren gar keine Ahnung haben! Aber ich werde es nicht an einem rechten Eifer ermangeln lassen, wenigstens das, was ich nun weiß, den empfänglichen Menschen bei guten Gelegenheiten beizubringen. Was aber mag da doch die Hauptursache sein, daß die Menschen in dieser Zeit gar so entsetzlich sinnlos geworden sind?“

76. Kapitel. Jesus über die Ursachen des Verfalles der Menschen. Theokratie und Königtum. Endzeit und Gericht.

1. Sagte Ich: „Denke nach, was Ich darüber schon gesagt habe; vor allem aber sind der Hochmut, die Trägheit, die Selbstliebe und die daraus erwachsene Herrschsucht die Ursachen solch eines Verfalles der Menschen.

2. Schon zu den Zeiten Samuels sind die Menschen träger und arbeitsscheuer geworden. Sie fingen an, sich vor gewissen Arbeiten zu schämen und ließen solche nur von gewissen gedungenen Knechten und Mägden verrichten. Die reichen Besitzer legten ihre Hände in den Schoß und ließen die anderen für sich arbeiten. Wer für sie am meisten gearbeitet hatte, der bekam auch den bessern Lohn, was denn auch recht war; aber bei dieser Gelegenheit haben sich nach und nach aus den Besitzern eine Art kleiner Herrscher gebildet, die durchaus keine noch so kleine knechtliche Arbeit in ihre Hände nehmen wollten, sondern sie befahlen nur den Knechten und Dienstmägden eine Arbeit, selbst rührten sie diese aber auch nicht mit einem Finger an.

3. Wie die Eltern waren, so wurden auch ihre Kinder, nämlich träge, selbst- und herrschsüchtig. Sie lernten befehlen über die Dienenden, aber ihre zarten Hände wollten sie nimmerdar besudeln mit einer knechtlichen, gemeinen Arbeit. Diese Unart wuchs bei den Menschen von Jahr zu Jahr und erreichte nur zu bald jene Stufe, auf der der ohnehin schon so wohlgenährte Hochmut keine hinreichende Sättigung mehr fand. Er, der Jude, blickte wehmütig auf den Glanz und auf die großen und hohen Würdenträger der heidnischen Völker, und unter einem Könige sah er eine der allerhöchsten Menschenehren und höchsten Würden. Kurz er wollte auch einen weltlichen König haben und war nicht mehr zufrieden mit der reinsten Herrschaft Gottes durch Seher und Richter!

4. Als das Volk, gegen alle guten Ermahnungen der Seher sich sträubend, von Samuel dennoch einen König verlangte, da trug der fromme Diener Gott das Begehren des törichten Volkes vor, da er aus sich nicht wußte, was er tun sollte.

5. Da sprach Jehova zu ihm: ,Sieh, zu allen Sünden, die dieses Volk schon vor Meinem Angesichte begangen hat, begeht es nun auch diese größte: daß es einen König verlangt! Gehe hin und salbe den größten Mann aus dem Volke! Dieser wird es züchtigen für seinen an Mir begangenen Frevel.‘

6. Siehe, das sind, ganz kurz zusammengedrängt, die Worte Jehovas auf das arge Begehren des Volkes! Die Folgen des dadurch stets mehr und mehr genährten Hochmuts des Volkes kannst du zum Teile lesen in dem Buche der Könige und in der Chronik, allwo in Kürze die schönen Geschichten aufgezeichnet sind, – zum größten Teile aber hast du sie nun eben vor deinen Augen.

7. Freund, nur in der wahren Demut liegt der Weg zum inneren Leben der Seele! Wer aber besitzt nun diese? Siehe, nicht einmal ein Diener seines Herrn; denn er bemißt sich den Dienern der andern Herren gegenüber nach der Ehre und nach dem Ansehen seines Herrn! Ist diese irgend um einen Grad höher denn die eines andern Dieners Herrn, so wird des geringern Herrn Diener schon gleich mit Verachtung angesehen, und es werden zwischen beiden wenig Worte gewechselt.

8. Ich sage es dir: „Solange nicht die wahre, reine Liebe und die ihr entsprechende Demut die Völker ordnen und leiten wird, so lange auch wird es im allgemeinen finster sein auf der Erde. Daß es immer einzelne geben wird, die im Lichte sein werden, das ist sicher und gewiß, aber deren wird es stets nur wenige geben. Denn solange es weltgroße und über alle Maßen stolze und ruhmsüchtige Herrscher in der Welt geben wird, so lange auch wird in allen Schichten der Menschheit der Same des Hochmuts und der Mitherrschgier fortwuchern, und es werden Nacht, Finsternis, Selbstsucht, Neid, Geiz, Verfolgung und Verrat als die wahren Elemente der Hölle vom Boden der Erde nicht weichen bis zu einer Zeit des großen Gerichtes, in der Ich die Erde von neuem durchs Feuer reinigen werde. Nach solcher Zeit wird kein König mehr herrschen über ein Volk der Erde, sondern allein das Licht Gottes. Im Fleische werdet ihr jene Zeit nicht erleben, wohl aber hell und überklar im Geiste in Meinem Reiche.“

9. Sagte der Wirt: „Herr, wann nach der Anzahl der Jahre wird jene glückliche Zeit kommen?“

10. Sagte Ich: „Darum weiß allein der Vater, und nach Ihm weiß es nur der, dem es der Vater wird offenbaren wollen. Mir hat es bis jetzt Mein Vater noch nicht geoffenbart, außer das, daß solches geschehen wird. Das aber könnet ihr alle als völlig wahr annehmen, daß nämlich nahe alle zweitausend Jahre auf der Erde eine große Veränderung vor sich geht. Und so wird es auch, von jetzt an gerechnet, werden. – Doch nun von dem nichts mehr weiter!“

11. Sagte der Wirt: „Herr, wenn es Dir genehm wäre, so dürfte nun das Morgenmahl wohl schon ganz bereitet sein!“

12. Sagte Ich: „Nun, so gehen wir denn hin und nehmen es ein!“

13. Darauf gingen wir heim, allwo das Morgenmahl schon unser harrte. Die zurückgebliebenen Jünger fragten uns, wo wir denn gewesen wären, daß sie uns nicht hätten finden können.

14. Ich aber sagte: „Wir waren gerade dort, wo wir waren, und ihr suchtet uns aber dort, wo wir nicht waren, und darin liegt der ganz einfache Grund, demzufolge ihr uns nicht gefunden habt. Nun aber essen und trinken wir!“

15. Es ward darauf das Morgenmahl eingenommen, und während des Essens bemerkte ein Judgrieche, daß Meine Antwort auf ihre Frage denn doch etwas sonderbar geklungen hätte, und sie wüßten nicht, wie sie dieselbe deuten sollten.

16. Da sagte Ich zu ihnen: „Gerade also, wie Ich sie euch gegeben habe! Wenn ihr tiefer darüber nachdenken wollet, so werdet ihr auch eine große geistige Wahrheit darin finden.“

17. Sagten die Jünger: „Das wird etwas schwer sein; denn das scheint nichts als eine ganz gute Wortstrafe für unser vorwitziges Fragen zu sein!“

18. Sagte Ich: „Oh, mitnichten! Ich will es euch aber sagen, was darin liegt, und was Ich damit habe sagen wollen. Und so höret Mich denn an!

19. Wahrlich, die Mich nicht dort suchen, wo Ich bin, die finden Mich nicht und werden Mich auch nicht finden. Es werden Mich mit der Zeit noch gar viele suchen und nicht finden! Es werden Zeiten kommen, in denen gar viele falsche Propheten und Messiasse aufstehen und zu euch sagen werden: ,Siehe, hier ist der Gesalbte!‘ oder ,Dort ist er!‘ Aber all denen glaubet es nicht, denn wo sie angeben werden, daß Ich zu finden sei, da werde Ich gerade am allerwenigsten schon eigentlich gar nicht und nimmer zu finden sein. Wer Mich suchen wird in irgend etwas, das nur im geringsten nach einer Welttümlichkeit riecht, der wird Mich nicht finden, sondern nur der, welcher Mich in der wahren Liebe, Demut und Selbstverleugnung suchen wird, der wird Mich auch sicher allzeit und allenthalben finden.

20. Ihr aber seid darum ein wenig ärgerlichen Gemütes hinausgegangen, Mich zu suchen, dieweil Ich euch zuvor nicht angezeigt habe, wohin Ich Mich heute morgen vor dem Mahle begeben werde. Und sehet, das war fürs erste nicht der rechte Ort, geistig in eurem Gemüte Mich zu suchen daselbst, und es konnte darum fürs zweite auch der rechte Ort äußerlich nicht gefunden werden, allwo Ich Mich befand!

21. Es hat aber das nun keinen Bezug auf euch gegen Mich, sondern Ich zeigte euch das nur in einem Bilde, wie die Sache dereinst werden wird. Daher soll, Mir gleich, denn auch ein jeder rechte Lehrer bei jeder Gelegenheit seine Worte also stellen, auch bei den geringfügigsten Sachen, daß sie als eine Grundlage zu einer neuen, wichtigen Lehre dienen mögen. Denn wahrlich sage Ich euch: Im Reiche der Geister, die da rein sind vor Gott, werdet ihr auch für jedes eitel leere Wort Rechnung legen müssen und vor dem reinen Lichte der Wahrheit aus Gott zuschanden werden!“

22. Diese Worte mundeten den Jüngern gerade nicht sehr angenehm; aber sie zeichneten solche dennoch ganz tief in ihr Gemüt.

77. Kapitel. Jesus auf einem Berge bei Kapernaum.

1. Nach dem bald eingenommenen Morgenmahle aber begaben wir uns alle auf einen ziemlich hohen Berg nahe bei Kapernaum. Auch der Wirt und die vom Tode erweckte Tochter gingen mit, und der Wirt befahl einem Knechte, daß er etwas Brot und Wein mittragen solle, da Ich zuvor zu ihm im stillen sagte, daß wir bis zum Abend hin auf dem Berge verweilen werden. Einem andern Knechte aber befahl er, zwei der größten Edelfische als ein Regale (Geschenk) dem Obersten zu übermitteln. Das geschah denn auch, und wir machten uns sofort auf den Weg und bestiegen in ein paar Stunden ganz leicht den Berg. Von der sehr günstig gelegenen Höhe des Berges übersah man einen großen Teil des Galiläischen Meeres, und man konnte sogar das Schiff ersehen, das noch seine große Not mit den Wogen des Meeres hatte.

2. Da sagte der Wirt: „Die tollen Menschen auf jenem Schiffe werden wahrscheinlich auch gar keinen Mundvorrat mehr besitzen und werden somit vom Hunger stark geplagt sein!“

3. Sagte Ich: „Etwas durchnäßtes Brot haben sie wohl noch, und das genügt für ihre Bosheit! Sie haben aber bereits ihren argen Plan aufgegeben und werden sich nun anschicken, eine Rückfahrt zu versuchen, und dazu soll ihnen ein Wind zu Hilfe kommen. Aber sie werden noch der Angst zur Genüge zu bestehen bekommen, bis sie ein Ufer erreichen werden; denn gar zu leichten Kaufes sollen sie noch nicht vom Wasser ans trockene und feste Land kommen!“

4. Sagte der Wirt: „Weißt Du, Herr, die argen Templer erbarmen mich gar nicht, – aber die armen Schiffer, die werden für ihre große Mühe und Angst nicht nur gar keinen Lohn, sondern noch eine Strafe bekommen, weil die Pharisäer ihnen alle Schuld geben werden, daß sie auf diesem Binnenmeere das Schiff nicht haben vom Flecke zu bringen vermocht!“

5. Sagte Ich: „Oh, sorge du dich nur darum nicht! Das sind handfeste Griechen aus der Gegend Tiberias; die werden nicht zu kurz kommen! Sie haben auch noch einen hinreichenden Mundvorrat bei sich, als geräucherte Fische, geräuchertes Schweinefleisch und doppelgebackenes Weizenbrot. Auch ein paar Schläuche Wein haben sie im Hinterteile des Schiffes, und da die Templer ihr durchnäßtes, ungesäuertes Brot nicht wohl essen können, so kaufen sie den Schiffern um ein teures Geld die Kost ab, und sonach leiden diese außer der Angst des möglichen Schiffuntersinkens gar keine anderweitige Not. Darum kümmern wir uns um sie auch gar nicht mehr; gegen den Abend hin sollen sie mit vieler Mühe und Anstrengung das Ufer erreichen! Also sei es!“

6. Damit waren alle zufrieden, und niemand wollte nun mehr des Schiffes gedenken.

7. Der Wirt aber kam wieder mit einer neuen Frage und sprach: „Herr, da Du gar um alles weißt, was da irgend ist und geschieht, so wirst Du auch wohl wissen, was etwa nun der vorgestern Dich verlassende Jünger Judas Ischariot macht, und wo er sich herumtreibt!“

8. Sagte Ich: „Auch den lassen wir gehen! Übermorgen wird er ganz sicher wieder zu uns kommen; denn Ich werde ihn daran nicht hindern. Nun aber genießen wir hier die sicher sehr schöne Aussicht, und ihr beachtet dabei die Lehre, die Ich euch heute morgen gegeben habe, und einer unterweise dabei den Unkundigen, und ihr werdet eine eitle und auch wahre Lust daran haben!“

9. Das wurde denn auch ins Werk gesetzt, und alle unterhielten sich dann bis gen Abend wohl damit, so zwar, daß sie dabei des mitgenommenen Brotes und Weines vergessen hätten, so sie daran nicht die Tochter des Wirtes erinnert hätte, weil sie selbst durch den eigenen kleinen Hunger und Durst daran erinnert ward.

78. Kapitel. Johannes.07,01 ff.;: Gespräch zwischen dem Wirt und dem Obersten über Jesus. Jesus im Norden von Galiäa.

1. Am Abend begaben wir uns wieder zurück, und als wir ins Haus traten, da war denn auch ein reichliches Abendmahl für uns bereitet, und vom Obersten, der die zwei Edelfische zum Geschenke erhielt, wartete ein Bote auf den Wirt, ihm zu überbringen des Obersten Dank und einen Korb voll frischer Eier, von den großen Hühnern des Obersten gelegt.

2. Der Wirt bedankte sich dafür und sagte: „So ich wieder einen solchen Fisch fangen werde, da werde ich auch wieder des Obersten gedenken.“

3. Da sagte aber der Bote: „Es wird das dem Obersten sicher eine große Freude machen; aber er erfuhr, daß sich hier der berüchtigte Prophet aus Nazareth zeitweilig aufhalten soll. Der Oberste möchte mit dir darüber selbst reden, und so würdest du ihn auch sehr erfreuen, so du zu ihm kämest und ihm darüber einen rechten Aufschluß gäbest. Wann kannst du zu ihm kommen? Bestimme selbst die Zeit!“

4. Sagte der Wirt: „Mein lieber Freund, gedulde dich nur ein paar Augenblicke! Ich werde mich zuvor noch mit einem Freunde beraten, weil ich von morgen an etliche Tage hindurch ein Geschäft mit ihm vorhabe, bis wann wir fertig werden, – dann werde ich schon kommen und dem Obersten den rechten Aufschluß geben über den seltenen, wunderbaren Menschen aus Nazareth, den ich wenigstens recht wohl zu kennen glaube.“

5. Hierauf kam der Wirt zu Mir in unser Speisezimmer und fragte Mich, was er da tun solle.

6. Ich aber sagte: „Gehe hin zu ihm heute noch, obwohl es schon abendlich geworden ist, und sage: Ich sei hier und werde hier verweilen, solange es Mir belieben werde. Wer aber wider Mich etwas hätte, der solle kommen und für sich mit Mir Selbst seine Sache abmachen. Denn Ich gebe für Mich Selbst Rechenschaft und sonst niemand in der ganzen Welt. Gehe hin und sage ihm das, und er wird mit dieser Auskunft ganz zufrieden sein! Sonst aber rede nicht viel von Mir zu ihm!“

7. Mit dem Bescheide ging der Wirt schnell zum Boten hinaus und mit ihm auch schnell zum Obersten, der eben nicht gar weit vom Wirte sein Wohnhaus hatte, freilich wohl innerhalb der Stadtmauer.

8. Als unser Wirt zum Obersten kam, da war dieser froh, weil ihn die Gier schon sehr plagte zu erfahren, was an der Sache mit Mir sei. Nach einer gegenseitigen freundlichen Begrüßung fragte der Oberste sogleich, was da daran sei, daß man sage, der berüchtigte Prophet halte sich bei ihm, dem Wirte nämlich, auf und treibe da sein unheimliches Wesen.

9. Darauf sagte der Wirt, was zu sagen Ich ihm zuvor in den Mund gab.

10. Darüber aber machte der Oberste eine finstere Miene und sagte: „Aber wie kannst du als ein bekannter Mann und Wirt einen solchen nun schon allgemein verfolgten Menschen in deinem Hause beherbergen?“

11. Sagte der Wirt: „Das ist als Gastwirt und Herbergsgeber meine Pflicht; denn ich darf vor niemand meines Hauses Türen schließen, sei er, wer er sei, und komme er, woher er kommen wolle. Ich habe nicht einmal das Recht, einen Dieb und Räuber hinauszuschaffen und ihn zu fragen, was er da wolle, weil eine rechte Herberge auch von ihm respektiert wird. Dazu ist meine Herberge eine ganz freie, in der volle sieben Tage hindurch sogar kein Verbrecher ergriffen und vor ein Gericht gestellt werden darf nach den Gesetzen Roms. Wenn aber das alles sich also verhält, warum sollte ich den berühmtesten Mann, den je die Welt hatte, nicht beherbergen, da er fürs erste nie jemandem etwas schuldig geblieben ist und fürs zweite der allerfreundlichste und beste Mensch ist, der mir je irgendwo und -wann vorgekommen ist?!

12. Er hat aber ja ohnehin am Sabbat in der Schule gepredigt. So du etwas wider ihn hast, so wäre da ja gerade der rechte Ort gewesen, ihn zu ergreifen und zur Rechenschaft zu ziehen! Ich als Wirt habe dazu kein Recht. Er ist aber nun noch bei mir; wenn du wider ihn etwas hast, so steht es dir so wie jedem andern Menschen ganz frei, selbst hinzugehen und dich mit ihm zu verständigen. Denn er sagte es mir ausdrücklich, daß da für ihn niemand in der ganzen Welt Rechenschaft zu geben habe; denn er stehe ganz allein für sich da, und soviel ich aus der Erfahrung weiß, scheut er niemanden und hat vor gar keinem Menschen irgendeine Furcht. Wohl aber dürfen die Menschen alle ihn fürchten, denn die Macht seines Willens geht ins Endloseste. Was er nur will, das geschieht und ist da.

13. Oder hat er nicht im vorigen Jahre deines Vorgängers Jairus Tochter vom Tode wieder zum Leben erweckt, was du sicher wissen wirst?! Und also ist er ein wahrster, wenn an und für sich auch unerforschbarer Wohltäter der Menschen. Was sollte ich da einen solchen Menschen nicht beherbergen, solange er bei mir die Herberge nehmen will?!“

14. Sagte der Oberste: „Du bist in deinem Rechte, das weiß ich sehr wohl, und niemand kann dir da etwas in den Weg legen. Nur laß du dich etwa nicht berücken, an ihn zu glauben, daß er der verheißene Messias der Juden sei! Denn er streut solche gotteslästerliche Lehre im Volke aus, und ich weiß es nur zu gut, daß nun schon gar viel Volkes an ihn glaubt, weil er seine Lehre mit allerlei Zaubereiwerken bekräftigt, die er zum größten Teile sicher mit Hilfe des Beelzebub bewerkstelligt. Nur das wollte ich dir eigentlich gesagt haben, und es war mir darum sehr angenehm, daß du noch heute zu mir gekommen bist.“

15. Sagte der Wirt: „Wahrlich, deshalb wäre es nicht nötig gewesen, mich zu dir rufen zu lassen! Denn da bin ich selbst ein in aller Welt zu erfahrener Mensch und besitze so viel Urteilskraft, um etwas Falsches vom Echten zu unterscheiden! Wir alle kennen den wunderbaren Menschen beinahe von seiner Geburt an und kennen seine Eltern, die da Menschen waren, die allzeit streng nach den Gesetzen lebten und handelten und somit wahre Muster des Gehorsams gegen Gott und gegen alle Seine Anstalten waren. Wenn sie aber das waren, wie sollte dann dieser eine, und zwar nach dem Zeugnisse Josephs, des frommen Zimmermanns, frömmste, wohlerzogenste und gehorsamste Sohn mit dem Beelzebub in Verbindung stehen und seine wahrhaft göttlichen Wunderwerke mit dessen nichtigster Hilfe verrichten?!

16. Wer über ihn ein vollgültiges Urteil schöpfen will, muß ihn nach allen seinen Seiten und Verhältnissen zu erkennen sich die Mühe geben; dann erst kann er mit Recht sagen und behaupten: ,So und so steht es mit dem Menschen!‘ Das ist so meine Ansicht. Aber einen Menschen gleich zu verdammen, ohne ihn selbst näher kennengelernt zu haben, finde ich gar keiner richterlichen, und am wenigsten einer priesterlichen Klugheit angemessen. Es wundert mich von dir, gleich den alten, bösen Weibern vom bloßen Hörensagen also zu urteilen über jemanden, den du nie gesehen und nie gesprochen hast. Gehe hin, und rede selbst mit ihm, – dann erst urteile über ihn!“

17. Hierauf wußte der Oberste nichts zu sagen und dachte bei sich nach, was er tun solle.

18. Nach einer Weile erst sagte er (der Oberste): „Du hast zwar recht, und wäre ich kein Oberster, so würde ich wahrscheinlich ebenso denken wie du; aber ich bin der Oberste von hier und muß tun nach meiner Pflicht. So ich aber jemanden vor mir habe, wie du da einer bist, so denke und handle ich dann auch nicht als ein Oberster, sondern als ein Mensch. Wäre ich aber mehr Templer als ich bin, so hätte ich laut Auftrag des Tempels den Menschen aufgreifen und ihn nach Jerusalem ausliefern müssen. Weil ich aber mehr Mensch als ein Oberster bin, so ließ ich ihn sogar in der Schule predigen und ging selbst nicht dahin, auf daß es den Schein habe, als hätte ich davon keine Kunde. Aber der sonst sehr klug und weise sein sollende Nazaräer habe da eine höchst mystische und für niemand verständliche Rede gehalten und soll am Ende beinahe allein in der Schule gewesen sein. Na, wenn ich abkommen kann, so komme ich morgen oder übermorgen einmal hinaus; denn wenigstens möchte ich ihn denn doch!“

19. Hierauf sagte der Wirt: „Tue das; ich stehe dafür, daß dich dessen niemals gereuen wird!“

20. Darauf empfahl sich der Wirt und kam bald zu uns und erzählte Mir, wie er mit dem Obersten geredet habe.

21. Ich aber sagte zu ihm: „Du hast ganz gut geredet, da Ich dir doch Selbst die Worte in den Mund gelegt habe; aber dessenungeachtet bleibt der Oberste dennoch Templer, und so er einen neuen Antrieb, Mich zu verfolgen, von Jerusalem bekäme, so würde er das mit allem Eifer tun. Aber also ohne Antrieb ist er ein zu großer Freund der lieben Bequemlichkeit und läßt uns gehen und tun, was wir gewisserart wollen. Ob er aber Meinetwegen hierher kommen wird, das ist eine Frage, auf die schwerlich eine Antwort erfolgen wird; denn so der Oberste morgen erwachen wird, da wird er sich dessen, was du mit ihm geredet hast, kaum mehr erinnern. – Nun aber lasset uns zur Ruhe gehen; denn der Berg hat des Leibes Glieder müde gemacht!“

22. Darauf erhoben sich alle von ihren Sitzen und begaben sich in die bestimmten Schlafkammern, die bei unserem Wirte ganz gut eingerichtet waren.

23. Von nun an blieb Ich noch zwei volle Tage allda, in welcher Zeit sich aber nichts von irgendeiner Bedeutung ereignete. Nur am dritten Tage morgens ging Ich mit den Jüngern und mit dem Wirte hinaus und gebot dem Meere Ruhe. Und alsbald legten sich die Wogen, und die Fischer eilten bald darauf an ihr Geschäft, da sie ohnehin schon bei fünf Tage lang hatten ruhen müssen, was ihnen eben auch nicht geschadet hatte.

79. Kapitel. Johannes.07,01: Jesu Abschied vom Herbergswirte zu Kapernaum. Das innere Wort als Geheimnis Gottes im Menschenherzen.

1. An diesem Morgen kam auch Judas Ischariot wieder zu uns und wollte zu erzählen anfangen, was er alles in Meinem Namen getan und geredet habe.

2. Ich aber sagte zu ihm: „Lasse das, denn Mir ist nichts unbekannt! Siehe zu, daß du nicht lügest! Damit aber das unterbleibt, so rede nicht; denn so du redest, so ist davon gut die Hälfte unwahr!“

3. Darauf ward er still und sah sich um, daß er etwas zu essen bekäme.

4. Ich aber sagte nun zum Wirte: „Höre, Freund, es ist hier nun nichts Weiteres mehr zu machen, und Ich werde Mich nach dem Mittagsmahle von hier begeben! Denn es werden heute gen Abend eine Menge Fremde hier ankommen, darunter viele aus Jerusalem, und mit denen will Ich aus sehr weisen Gründen die Zusammenkunft vermeiden. Lasse denn ein gutes Mittagsmahl richten; dann aber steht es dir frei, uns eine Rechnung zu machen, wennschon nicht für Mich und Meine alten Jünger, so doch für die zwanzig Neujünger, die da des Goldes und Silbers reichlich mit sich haben!“

5. Sagte der Wirt: „Nein, Herr und Meister, und wären Deine Jünger noch so viele zehn Jahre hindurch hier in dieser meiner Herberge, so dürfte mir keiner auch nur einen schlechten Stater bezahlen! Denn ich bin ja Dir, o Herr, ein so großer Schuldner geworden, daß ich Dir mit ganzen berggroßen Goldklumpen nimmer abzahlen könnte, was ich Dir schulde. Bedenke einmal den Fischfang, dann die wunderbare Zustopfung des großen Loches und endlich gar die Wiederbelebung meines liebsten Kindes! Mit welchen Schätzen der Welt könnte so etwas wohl nach Gebühr bezahlt werden?!“

6. Sagte Ich: „Nun so gehe, und lasse uns ein gutes Mittagsmahl bereiten!“

7. Und der Wirt ging und ordnete alles an.

8. Es traten aber nun die Jünger zu Mir und sagten: „Herr, wohin wirst Du nun wohl ziehen? Galiläa haben wir bereits von Ort zu Ort und von Haus zu Haus durchgemacht. Nur Judäa, Samaria und Kleinmesopotamia, wie auch Syria und die Gegend nach Damaskus hin, sind von uns noch wenig oder gar nicht betreten worden. Wie wäre es denn, so wir dahin zögen?“

9. Sagte Ich: „Daß die von euch benannten Lande des Lichtes bedürfen, und vor allem das am meisten entartete Judäa, das weiß Ich; aber Ich ziehe nun dennoch nicht dahin, weil man Mir da am meisten nach dem Leben strebt. (Joh.7,1) Wohl kann Mich vor Meiner bestimmten Zeit niemand ergreifen, wovon Ich euch schon eine Menge Beweise geliefert habe, – aber Ich will das Judäavolk auch nicht noch ärger machen durch Meine Gegenwart, als es ohnehin schon ist. Die anderen Lande aber sind für Mich noch zu wenig reif, und wir werden darum dennoch in Galiläa verbleiben und hier das Licht noch mehr anfachen.“

10. Es war das den Jüngern denn auch recht; denn auch sie wollten eben mit den eigentlichen Juden nicht besonders viel zu tun haben. Denn die Juden verachteten beinahe alles, was aus Galiläa herrührte. Die Neujünger meinten, daß Kleinmesopotamien, Syrien und Zölesyrien etwa wohl noch die tauglichsten Landschaften wären, in denen man das Licht der Himmel ausbreiten könnte mit vielem Nutzen.

11. Sagte Ich: „Lehret Mich nicht erkennen jene Lande! Da kommen auf einen – sage – schlechten Juden mindestens zehn Griechen und Römer, die da pur Heiden vom echten, gar finsteren Aberglauben sind! Wie würden diese das wahre, geistige Lebenslicht fassen?! In Samaria haben wir das Licht bereits ausgegossen, und es wächst dort ganz ansehnlich. Damaskus ist eine große Handelsstadt. Die Menschen dort denken nur, wie sie ihre Erzeugnisse irgend am besten absetzen könnten, und da ist mit dem Lichte vorderhand nur sehr wenig zu machen; später aber wird das Licht schon auch dahin kommen, und so bleiben wir nun in Galiläa, besuchen unsere Lichtfreunde und richten sie noch mehr auf!

12. Wenn ein Herrscher ein Volk beherrschen will, so gehört dazu, daß er sich zuvor eine feste Burg erbaue, die von seinen Feinden nicht besiegt werden kann. Und sieht da sein Volk, daß der Herrscher nicht besiegbar ist, so unterwirft es sich ihm und achtet seine Gebote. Und so soll uns auch Galiläa zu einer festen Burg werden, die der Feind des Lichtes nicht leichtlich zu Falle bringen wird. Ich bin als Selbst Galiläer der Grundstein, und euer Glaube ist der Fels, auf dem Ich die Burg Gottes erbaue. – Nun aber kommt auch schon der Wirt, uns zum Mahle zu beheißen. Und so gehen wir!“

13. Der Wirt kam und lud uns zum Mahle, obwohl es noch nicht um die Mitte des Tages war, und wir gingen und nahmen das wohlbereitete Mahl ein, bei dem noch so manches über unsere bevorstehende Reise gesprochen ward.

14. Nach dem Mahle aber erhoben wir uns schnell und machten uns auf die Füße. Der Wirt fragte Mich, ob er uns nicht bis zu einem nächsten Orte hin begleiten dürfe.

15. Ich aber sagte zu ihm: „Du bist nun auch einer Meiner Jünger geworden; denn du hast Mich wohl erkannt. Bleibe du für jetzt daheim, und du wirst Mir allda mehr zum Nutzen sein, als so du nun mitzögest! Es werden noch heute viele in deiner Herberge verbleiben, und du wirst Gelegenheit bekommen, Mich zu vertreten, und es wird sich das nun in dieser Zeit gar oft wiederholen. In einigen Wochen aber werde Ich wieder zu dir kommen und abermals einige Tage bei dir zubringen; da wirst du dann schon wieder Gelegenheit haben, von Meiner neuen Lehre noch ein mehreres zu überkommen. So du aber von nun an in Meinem Namen reden wirst, da brauchst du nicht zu denken, was du reden wirst, sondern Ich werde dir die Worte in den Mund legen, die du zu reden haben wirst!“

16. Sagte der Wirt: „Herr, wie soll, wie werde ich das fühlen und wahrnehmen?“

17. Sagte Ich: „Gedanken, so klar wie rein ausgesprochene Worte, wirst du in deinem Herzen empfinden und wirst sie dann ganz leicht aussprechen mit dem Munde. Darin liegt das Geheimnis Gottes im Menschenherzen. – Endlich aber sage Ich dir noch etwas:

18. So du irgend einen Kranken finden wirst, dem lege in Meinem Namen die Hände auf, und es wird besser werden mit ihm! Hast du aber jemanden geheilt auf diese Art, so lasse dir die Heilung nicht bezahlen, sondern sage zum Geheilten: ,Danke du Gott, dem Allmächtigen, in Seinem Sohne Jesus! Gehe hin und sündige nicht mehr! Halte die Gebote und tue Gutes!‘ Dadurch wirst du Mir viele Gläubige erwecken.“

19. Hierauf legte ich ihm die Hände auf und gab ihm dadurch Kraft, zu handeln in Meinem Namen.

80. Kapitel. Jesu Besuch beim Wirte in Kana. Heilung des kranken Kindes. Ein Evangelium für stillende Mütter.

1. Darauf zogen wir schnell von da (diesem Ort) weg und kamen gen Abend nach Kana in Galiläa, allwo Ich das Wasser zu Wein gemacht hatte. Wir kehrten in demselben Hause ein, da es auch eine bedeutende Herberge war. Daß wir allda auch mit der größten Freundlichkeit aufgenommen wurden, braucht kaum näher erwähnt zu werden.

2. Das junge Ehepaar hatte schon ein Kind, und zwar einen Knaben; aber das kaum etliche Wochen alte Kind litt an bösen Fraisen (Krämpfen) und zwar infolge eines Schrecks, den die junge Mutter noch im Wochenbette dadurch erlitt, weil in einem nachbarlichen Hause ein Feuer entstand, das aber bald gelöscht wurde. Die jungen Eltern, wie auch ihre noch lebenden Alten, versuchten alles, das Kind von diesem Übel zu heilen; aber da war alles vergebens.

3. Als Ich aber ins Haus trat und sie Mich wohl erkannten, da fielen sie vor Mir auf die Knie nieder und sagten (die jungen Eltern): „O Meister, Dich hat wahrlich Gott zu uns geführt, auf daß Du heilest unser einziges Kind! Oh, wir bitten Dich inbrünstigst darum! Daß Dir alles möglich ist, das wissen wir schon lange.“

4. Sagte Ich: „Stehet auf; denn es ziemet sich nicht, daß Menschen vor Menschen sich auf die Knie werfen!“

5. Sagte das junge Ehepaar: „O Meister, wir wissen es aber, daß Du mehr bist als nur ein Mensch, und so geziemt es sich wohl, daß man sich vor Dir auf die Knie wirft! O hilf unserm Kinde!“

6. Sagte Ich: „Nun, nun, so stehet auf, und bringet Mir her das kranke Kind!“

7. Da erhoben sich die Eltern schnell vom Boden und brachten Mir das Kind. Ich aber legte ihm die Hände auf und segnete es, und im Augenblicke ward das Kind also heiter und gesund, als so ihm nie etwas gefehlt hätte.

8. Darauf sagte Ich zur jungen Mutter: „Du aber sei vorsichtig in der Folge! So irgend etwas dein Gemüt stark erregt hat, und du hast noch ein Kind an der Brust, da lasse das Kind so lange nicht saugen, bis dein Gemüt wieder in eine völlige Ruhe zurückgekehrt ist! Denn mit der Muttermilch können allerlei Übel im Leibe und sogar in der Seele der Kinder entstehen. Dies merket euch! – Nun aber sorget, daß wir alle ein Abendmahl bekommen!“

9. Die Eltern dankten Mir über alle Maßen für diese Wohltat und gingen, um für uns ein Nachtmahl zu bereiten.

10. In einer Stunde war schon alles fertig, und wir wurden in einen großen und ganz neu erbauten Speisesaal geführt, allwo wir das sehr wohlbereitete Nachtmahl einnahmen. Nach dem Mahle aber fragte Ich den jungen Hauswirt, wann und wie, und von wem dieser sehr schöne und sehr geräumige Speisesaal erbaut wurde.

11. Da sagte der Wirt: „Ja, Herr, da ging es wahrlich auch nicht so ganz mit natürlichen Dingen zu! Die Baumeister waren Joses und Joel, respektive Söhne des Joseph und Deine Stiefbrüder. Aber es ging das sehr sonderbar zu. Sie hatten nur zwei Gehilfen, und als sie die Zedern zu behauen anfingen, da dauerte diese Arbeit, die sonst wenigstens zehn Tage vonnöten gehabt hätte, kaum einen Tag, und das Zusammenfügen der Bäume, das Aufstellen des Daches und das Legen der Böden, wie das Verfertigen alles dessen, was da im Saale sich vorfindet, kostete geradesoviel Zeit, als wie viele Tage nach Moses Gott der Herr zur Erschaffung des Weltteils benötigte.

12. Kurz und gut, nach der Meinung eines jeden Sachverständigen würde die Herstellung eines solchen Saales beinahe ein gutes halbes Jahr benötigen, und das mit mehr und sehr fleißigen Bauleuten, – und dieser Saal ward von nur vier Bauleuten in sechs Tagen also hergestellt, wie er nun dasteht, und das wird etwa doch auch ein offenbares Wunder sein!

13. Die beiden Brüder sagten es selbst: ,Da hilft uns unsichtbar der Geist unseres göttlichen Bruders!‘ Und es war sicher auch also, da mir das sogar Deine liebe Mutter Maria, die uns oft besucht, auch als etwas sicher Wahres anzeigte. – Ist es nicht also, Herr und Meister alles Lebens und Seins?“

14. Sagte Ich: „Nun ja, so soll es also auch sein! Aber nun sorget auch für Nachtlager; denn wir sind alle gliedermüde geworden! Morgen werden wir ein Weiteres darüber zu reden Zeit gewinnen.“

15. Das wurde denn auch schnell bewerkstelligt, und wir begaben uns zur Ruhe.

81. Kapitel. Jesus im Norden von Galiläa.

1. Ich blieb zu Kana in Galiläa bei sieben Tage lang, und Meine Jünger predigten das Evangelium dem Volke. Nach sieben Tagen aber zogen wir weiter, nachdem wir zuvor viel Gutes gewirkt hatten. Von Kana aus begleitete uns viel Volkes eine weite Strecke und kehrte voll Trostes wieder heim.

2. Wir zogen aber von da ganz an die nördlichsten Grenzen Galiläas, wohin wir zuvor noch nicht gekommen waren. Allda trafen aber wir eine Menge Heiden an, die sehr abergläubisch waren und auf allerlei Amulette große Dinge hielten. Sie betrachteten uns auch mit sehr verwunderlichen Augen und begriffen gar nicht, wie wir uns ohne solche Schutzmittel zu reisen getraueten. Als wir ihnen andere Beweise von unseren inneren Kräften zu geben anfingen, da fielen sie auf ihre Angesichter; denn sie hielten uns für Götter aus dem Olymp und getrauten sich nicht, uns anzusehen. Erst nach längerem Reden und Beweisen fingen sie wieder an, uns für Menschen zu halten, und es war von da an erst möglich, sich ihnen näher zu offenbaren.

3. Daselbst blieben wir wohl bei drei Wochen lang und bekehrten da eine große Anzahl Heiden zum reinen Judentume. Es waren aber das sonst ganz gute Menschen, und sie bedienten uns sorglichst mit allem, was sie nur immer besaßen. Als wir sie verließen, da ward viel um uns geweint; aber Ich stärkte sie, und dann ließen sie uns ruhig ziehen.

4. Auf daß aber der Leser dieser Schrift sich leichter orientiere, wo sich eigentlich diese Amulettheiden befanden, so sehe er auf einer alten Landkarte nach, und er wird in Kleinasien eine Landschaft finden, die da heißt Cappadocia (Cai pa dou ceio? = Was wollen diese hier?). Da, an der Grenze gen Süden, war eine Stadt unter dem Namen Melite (Mei liete! = Habe oder zähle die Jahre!) Diesen Namen bekam die Stadt von einem jungen Könige, der zwar recht weise und tapfer war, – als aber der alte König starb, so wollte sogleich der junge den Thron besteigen. Dabei aber stellte sich im Rate der Ältesten des Volkes heraus, daß der Sohn noch nicht das erforderliche Alter hatte, und man sagte zu ihm: „Mei liete!“ = „Habe die Jahre!“ Da ward der Sohn zornig, zog mit einigen tapferen Streitern gen Osten, eroberte eben die obbenannte Landschaft Cappadocia zur schon früher innegehabten Landschaft Cilicia (Ci lei cia = So sie nur will), und erbaute daselbst eine Stadt und gab ihr den triumphierenden Namen Mei liete nei (griechisch: Melitene = Habe die Jahre nicht), womit er dem Rate der Ältesten sagen wollte: „Da sehet her, ob ich nicht die Jahre habe!“

5. Nun, das gehört freilich wohl nicht so ganz in unser Evangelium; aber es schadet niemandem, auch so etwas zu wissen, weil er sich hernach in vielem leichter orientieren kann. –

6. Also von dieser alten Stadt westlich lag ein bedeutendes Gebirge an der Grenze von Syrien, und daselbst wohnten unsere Amulettgriechen. Wie Ich die Sache mit ihnen ab- und durchgemacht habe, ist in Kürze schon bekanntgegeben worden, und eines weiteren bedarf es da nicht.

7. Von diesen gemütlichen Menschen zogen wir südwestwärts und gelangten in ein Städtchen namens Chotinodora (Choti no dora = Im Winkel ackert oder pflügt man nicht). In diesem Städtchen wohnten viele Juden aus Bethlehem und trieben da Handel mit allerlei, betrieben auch mit besonderem Eifer das Wechselgeschäft. Zugleich aber waren da auch Griechen aus Armenien und trieben Holzhandel am Strome Euphrat bis nach Indien, da dies Städtchen, so wie ein gleich großes Nachbarstädtchen namens Samosata, eben an dem vorbenannten Strome lag.

8. „Nun, lauter Handelsleute! Da werden wir für unsere Sache wenig Geschäfte machen!“, so meinten die Jünger unter sich, und ein ältester Neujünger sagte zu Mir, als wir am Ufer des Stromes dem regen Tun und Treiben der Menschen zusahen: „Herr, diese Orte aber gehören doch nicht mehr nach Galiläa, und doch hast Du sie bereist, obwohl Du nur in Galiläa allein umherziehen wolltest! Wie kam das, und wie sollen wir das verstehen?“

9. Sagte Ich: „Das kam ganz natürlich, und das darum, weil nun nach der Ländereinteilung der Römer das alles bis an die Grenze von Kleinasien zu Galiläa gehört, und so sind wir nun noch in Galiläa und sehen uns nicht mehr nach den alten Namen um, sondern nur nach denen, wie sie nun bestehen! Dies Land, das in den Zeiten Jakobs und später unter den Richtern das Land der Trauer, ein Land für Verbannte war, ist nun ein Land der Freude geworden, und ob es schon früher klein war, so ist es nun aber dennoch größer geworden denn alle Länder vom ganzen großen Gelobten Lande. Wir sind nun zwar im alten Syrien, aber dennoch sind wir im neuen Galiläa (G = wie Sch ausgesprochen, lautet es ,Schalilia‘ = ein Ort der Trauer), das nicht ein Land der Trauer, sondern ein Land der Freude und der geistigen Auferstehung geworden ist. – Verstehet ihr das?“

10. Sagten alle: „Herr, das verstehen wir nun ganz gut, weil es in aller Wahrheit also ist! Aber es fragt sich jetzt nur, was wir hier machen werden. Es ist schon zu Ende mit dem heutigen Tage, und wir haben noch keine Herberge. Auch unser Mundvorrat ist ganz ausgegangen. Darum bitten wir Dich, o Herr, daß Du uns da Rat schaffen möchtest! Oder sollen wir hier im Freien übernachten oder uns umsehen in der Stadt, irgend etwas Brot zum Kaufen zu bekommen?“

11. Sagte Ich: „O ihr Kleinmütigen! Gehet und tut das letztere! Aber um eine Herberge brauchet ihr euch nicht umzusehen; denn sie wird noch von selbst kommen, wenn sie kommen will. Kommt sie nicht, so bleiben wir hier, und es wird niemandem irgend etwas zuleide geschehen. Morgen erst werden wir sehen, was da zu machen sein wird.“

82. Kapitel. Die Jünger und der strenge Zöllner.

1. Darauf erhoben sich einige der Altjünger, gingen in die Stadt und fanden bald einen Bäckerladen und kauften um zehn Pfennige Brot und um vier Pfennige gebratene Fische. Als sie mit diesem Einkaufe aus der Stadt gingen, begegnete ihnen ein Zöllner, der sie anhielt und fragte, wer da so viel Brotes und der Fische bedürfe.

2. Sie aber sagten (Die Altjünger): „Unser Herr und Meister will es also, und so tun wir es auch also!“

3. Fragte der Zöllner weiter: „Nun, wer ist denn euer Herr und Meister, und was treibt er für ein Gewerbe?“

4. Sagten die Jünger: „Gehe hin, und erkundige dich bei Ihm Selbst, – Er wird es dir schon sagen, wenn Er wollen wird! Aber er steht nicht gleich jedermann Rede! Dort, einige hundert Schritte am Ufer des Stromes, aber rastet Er samt den andern Jüngern. Gehe hin, und rede mit Ihm Selbst!“

5. Sagte der Zöllner: „Warum nehmet ihr denn hier nicht eine Herberge? Es gibt ja deren mehrere in unserer nicht gar kleinen Stadt!“

6. Sagten abermals die Jünger: „Gehe hin zu Ihm, und Er wird es dir sagen; denn wir wissen es selbst nicht, was Er hier alles machen will!“

7. Hier sagte der Zöllner: „Ja, da muß ich wohl selbst hingehen und mich bei ihm erkundigen, was da mit euch ist! Denn bei uns wird eine strenge Ordnung gehandhabt, und wir müssen wissen, wer irgendein Fremder ist, der sich unserer Stadt genähert hat.“

8. Hierauf zog der Zöllner mit den Jüngern zu Mir hin, und als er bei uns ankam, da fragte er gleich ganz richterlich strenge und ernst: „Welcher von euch ist wohl der Meister und der Herr?“

9. Sagte Ich: „Ich bin es! Was willst du von Mir und von Meinen Jüngern?“

10. Sagte der Zöllner: „Ihr seid Fremde, und solche können wir in der Nähe unserer reichen Stadt nicht dulden, so sie sich nicht näher äußern, wer und woher sie sind!“

11. Sagte Ich: „Ich kenne eure Gesetze und Rechte besser denn du, der du als ein purer Zöllner gar nicht das Recht hast, uns zu fragen, wer und woher wir seien! Siehe, wir sind von dem Tore der Stadt noch über siebenhundert Schritte entfernt, und dieser Platz, den wir nun einnehmen, ist nach euren Gemeindegesetzen von alters her schon bestimmt für Fremde, und so sind wir nach euren eigenen Gesetzen hier auf diesem Platze frei und sind sonach auch niemand irgendeine Rede und Antwort schuldig! Du selbst aber eile nun lieber in dein Haus zurück, sonst stirbt dein ältester Sohn, der schon sieben Jahre lang krank ist, eher, als du nach Hause kommst!“

12. Das machte nun den Zöllner äußerst stutzig. Er machte große Augen und fragte Mich, woher Ich das wüßte. Und so Ich das so genau wüßte, so wüßte Ich etwa vielleicht auch, ob denn seinem Sohne nicht mehr zu helfen wäre.

13. Sagte Ich: „O ja, das wüßte Ich auch und könnte ihm sogar helfen, – auch dann noch, so er schon gestorben wäre; aber da müßtest du einen stärkeren Glauben an den einigen, wahren Gott haben, als du ihn hast samt deinem ganzen Hause!“

14. Da sah Mich der Zöllner wehmütig und freundlich an und sagte: „Meister und Herr, wie dich also nennen, die mit dir sind! Siehe, ich selbst habe eine große Herberge, komme mit mir dahin samt deinen Gefährten, und wohne in meinem Hause! Es solle niemandem von euch etwas abgehen – und so ihr ein volles Jahr bei mir verweilen wolltet –, und wenn du meinen Sohn heilest, so will ich euch auch Gold und Silber geben, soviel ihr nur immer verlangen wollet; denn ich bin sehr reich an allerlei irdischen Gütern und möchte für die Heilung meines liebsten Sohnes wohl mehr denn die Hälfte davon geben. Willst du mit mir dich in mein Haus begeben?“

15. Sagte Ich: „So du glaubtest, da möchtest du dann auch etwas von der großen Macht und Herrlichkeit Gottes wahrnehmen! Aber nun gehe du allein nach Hause, und Ich werde mit den Meinen dir nachkommen! Denn wir wollen nun zuvor unser spärliches Mahl halten, da wir heute den ganzen Tag auf dem beschwerlichen Wege nichts eingenommen haben.“

16. Sagte der Zöllner: „Aber Herr und Meister! In meinem Hause sollet ihr alle sicher besser bedient werden denn mit diesen wenigen Broten und Fischen; was euch aber diese Brote gekostet haben, das will ich tausendfach wieder ersetzen!“

17. Sagte Ich: „Gehe du nun nur nach Hause, weil Ich es also haben will, und dein Sohn wird leben! Wir aber werden in einer Stunde nachkommen.“

83. Kapitel. Jesus erweckt den verstorbenen Sohn des Zöllners.

1. Hierauf ging der Zöllner eiligen Schrittes nach Hause und erkundigte sich daheim gleich nach dem Befinden seines so sehr geliebten Sohnes.

2. Die drei Ärzte aber sagten zu ihm: „Herr, mit deinem Sohne steht es sehr schlimm! Dem ist nicht mehr zu helfen! Wir haben wohl alles versucht, was uns nur immer Wissenschaft und Erfahrung eingaben, aber es war alles eine vergebliche Mühe. Wenn wir ihm noch eine Stunde das Leben erhalten können, so haben wir an ihm ein großes Wunder ausgeübt!“

3. Da ging der Zöllner zum Sohne, der schon auf dem Sterbebette lag; aber er sagte dennoch zu ihm: „Mein Sohn, diese drei Ärzte werden dir nicht helfen, aber es wird bald ein anderer Arzt kommen, der wird dir helfen; denn auf den setze ich nun all mein Vertrauen und meinen vollsten Glauben.“

4. Da hob der Kranke das Haupt auf und sagte mit gebrochener, schwacher Stimme: „Ja, der Tod wird mir helfen, – sonst kein Arzt mehr!“

5. Hier kamen dem Vater die Tränen, und er sagte zum Sohne: „Nein, nein, nicht der Tod, sondern das Leben wird dir helfen! Denn der fremde Arzt, den ich gesprochen und zuvor noch nie gesehen habe, wußte, daß du volle sieben Jahre schon krank seist, und er sagte es auch, daß er dir noch helfen könnte, so du auch schon gestorben wärest, und so glaube ich denn auch fest seinen Worten.“

6. Darauf sagte der Sohn nichts mehr, und die Ärzte sagten: „Lassen wir ihn in aller Ruhe; denn die geringste Anstrengung tötet ihn! Sieh hin, sein Gesicht hat schon alle Todesmerkmale!“

7. Es dauerte nun noch eine halbe Stunde, da seufzte der Kranke noch einmal auf und starb.

8. Da sagten die Ärzte: „Wo ist nun dein Arzt, der deinem Sohne helfen könnte, so er auch schon gestorben sein würde?!“

9. Da trat Ich in das Zimmer des Kranken und sagte laut: „Hier stehe Ich und bin kein Maulreißer, wie ihr es seid, sondern was Ich sage, das ist vollste und nie trügende Wahrheit aus den Himmeln Gottes!“

10. Da sprachen die erbosten drei: „Dahier liegt der Tote vor dir, du fremder Großsprecher! Hilf ihm nun, wenn dir das möglich ist, und wir wollen uns bis zur Erde vor dir verbeugen und selbst bekennen, daß wir nichts als eitel pure Maulreißer sind!“

11. Sagte Ich: „Ich brauche weder eure Verbeugung und noch weniger euer Bekenntnis, sondern Ich tue, was Ich tue, weil Ich es also tun kann und auch also tun will! So Ich aber sage, daß Ich das tun kann, so maße Ich Mir nichts an, da Ich das tue aus Meiner höchsteigenen Macht, die in Mir ist, und Ich bedarf dazu keines andern Mittels denn allein Meines allereigensten und freiesten Willens; ihr aber saget es aller Welt laut, daß ihr die ersten Meister eurer Kunst seid, – und was ist der Erfolg eurer Maulreißerei?

12. Da vor euch liegt er! Der junge Mensch bekam ein leichtes Fieber, – ein Löffel voll gebrannten Salzes mit sieben Löffeln voll Weines hätte den Menschen für immer geheilt! Ihr wußtet wohl um dieses Heilmittel; aber da dachtet ihr und sagtet dabei: ,Oh, das ist eines Reichen Sohn, der kann das leichte Fieber jahrelang herumtragen, und das trägt uns viel Geld ein! Wenn der Sohn alt genug wird, da wird ihn das Fieber ohnehin von selbst verlassen.‘ Ich aber sage es euch, ihr argen Ärzte: Das Fieber hätte den Sohn auch schon seit langem verlassen, allein ihr unterhieltet es eures Verdienstes wegen, machtet daraus ein Zehrfieber, das ihr nun nicht mehr zu heilen vermochtet, und somit waret ihr eurer schnöden Gewinnsucht wegen wahre Mörder dieses jungen Menschen!

13. Ihr nanntet Mich einen Maulreißer und habt Mich nie zuvor gesehen und erkannt; Ich aber kenne euch schon gar lange und sagte als euer ,Maulreißer‘ nun über euch die vollste Wahrheit und habe euch dadurch euer eigenes Bekenntnis zu machen erspart! Daß Ich aber über euch die Wahrheit nun geredet habe, davon soll die volle Wiederbelebung dieses verstorbenen Menschen das hellste Zeugnis geben!“

14. Da sagten die drei Ärzte, höhnisch lächelnd: „Na, da sind wir sicher von jeder Anklage befreit!“

15. Sagte Ich: „Das wird sich sogleich zeigen!“

16. Hier trat Ich zu dem Toten hin und sagte: „Jorabe, stehe auf von deinem Schlafe, und gib Zeugnis über die große Falschheit dieser drei, die Mich zuvor einen Maulreißer schalten!“

17. Augenblicklich erhob sich der Tote von seinem Lager und war so frisch und gesund, als ob ihm nie etwas gefehlt hätte. Der Vater ward darob so voll Freude, daß er nicht wußte, ob er Mir oder dem ihm wiedergegebenen Sohne sich zuerst aus Liebe und Dankbarkeit an die Brust hinwerfen solle.

18. Ich aber sagte zu ihm: „Lasse das nun noch; sorge aber dafür, daß der Sohn Jorabe etwas zu essen bekomme und darauf etwas Wein!“

19. Da wurde alles schnell angeordnet und für uns ebenfalls ein großartiges Mahl mit.

84. Kapitel. Abfertigung der drei pfuschenden Ärzte.

1. Die drei Ärzte aber standen nun wie versteinert da, und keiner konnte ein Wort über seine Lippen bringen.

2. Da fragte der Zöllner den ganz munteren Sohn, was er den dreien für ein Zeugnis gebe.

3. Sagte der Sohn: „Ganz dasselbe, das ihnen dieser fremde, wunderbare Heiland gegeben hat! Ihnen liegt gar nichts an der Genesung eines Kranken, sondern nur daran, daß er recht viel von ihren Heiltränkchen verschluckt und sie dafür dann recht viel Geld erhalten. Daß sie aber niemandem irgend wahrhaft geholfen haben, das weiß die ganze Stadt und Gegend. Wie sie aber mir geholfen haben, so haben sie schon gar vielen geholfen, – nämlich von dieser Welt in die andere! Ich meine, daß ich genug geredet habe.

4. Doch das ist wahrlich noch sehr bemerkenswert: Sie sind Juden, wie sie sagten aus Jerusalem, und brüsteten sich sehr mit ihrem Jehova, und daß sie nur dem für ganz gewiß helfen könnten, der an ihren Gott glaube und ein großes Opfer in Gold, Silber und Edelsteinen darbrächte, welches Opfer man ihnen in die Hände legen solle, auf daß sie es dann sendeten nach Jerusalem, allwo ein gewisser Hoherpriester in einer allerheiligsten Kammer des Tempels zu dem Jehova bete für den Kranken und diesem dann für bestimmt besser werden würde. Was sollen aber wir Griechen dazu sagen, die wir ohnehin schon viel zuviel Götter haben? Sollen wir noch einen Gott dazunehmen, auf daß auch der uns ebensogut nichts helfe, wie uns alle die andern noch nie in etwas geholfen haben, außer ihren schlauen Priestern, die für sie die reichsten Opfer mit wichtigen, den Göttern geweihten Mienen einnahmen und sie heimlich zu allerlei schlechten Dingen und Taten vergeudeten?!

5. Ich aber lege nun hier ein offenes Bekenntnis ab und sage: Dieser wunderbare Fremde ist nun und für alle künftigen Zeiten ein allein wahrer Gott für mich! Er ist ein Jehova der Juden und ein Zeus der Griechen, Römer und Ägypter. In ihm müssen alle Götter vereinigt sein. Wir haben schon oft allerlei Märchen erzählen hören, wie dieser oder jener Gott in den alten Zeiten etwas bloß durch seinen allmächtigen Willen hervorgebracht hat; aber wir Griechen als auch Menschen haben noch nie das Glück gehabt, so etwas mit den eigenen Augen zu erschauen. Aber dahier steht ein Mensch, der das vermag, und er ist von mir aus ein wahrster Gott, was ich nun fest glaube, und diesen Glauben werde ich auch mein ganzes Leben hindurch gleichfort behalten. – Was saget ihr andern dazu?“

6. Sagte der Zöllner: „Ja, mein Sohn, diesem deinem neuen Glauben werden auch ich und alle Menschen meines Hauses uns getreulichst anschließen! Denn einen völlig Toten kann nur ein Gott wieder ins Leben zurückrufen. Aber nun bestimme, du anbetungswürdigster, fremder Meister und – ich sage – Gott, was ich den drei Ärzten tun soll! Denn ihre Art, den Leidenden zu helfen, ist offenbar zu schlecht, als daß man sie ganz ungestraft solle dahingehen lassen!“

7. Sagte Ich: „Laß sie gehen; denn sie werden noch der gerechten Strafen in die schwere Menge finden! Fürs erste wird sie, so dies alles bekannt wird, sicher kein Mensch mehr begehren, und fürs zweite werden sie dann das Weite ehest von selbst suchen müssen. Nun aber sollen sie gehen und dir einen jeden Groschen zurückbezahlen, den du ihnen für ihre nichtige Heilung ausbezahlt hast!“

8. Hier machten alle drei ein ganz entsetzlich saures Gesicht; denn das Zurückzahlen von mehreren hundert Groschen, die sie vom Zöllner schon zum voraus erhalten hatten, ging ihnen durchaus nicht ein.

9. Aber der Zöllner bestand nun darauf und sagte: „Wahrlich, ich habe dieses Geld nicht im geringsten irgend vonnöten; aber ich will es den Armen dieses Ortes, deren es viele gibt, geben, und das wird besser sein, als daß ich es euch für nichts und wieder nichts beließe! Gehet denn und überbringet mir noch in dieser Stunde das Geld, ansonst ich euch, ihr elenden Wichte, den Gerichten übergebe!“

10. Da erhoben sich die drei Ärzte und machten sich zum Fortgehen auf.

11. Ich aber sagte: „Es genügt, daß von euch nur einer um das Geld hingeht, es zu holen, – die beiden andern aber verharren unterdessen als Bürgen hier; denn gingen nun alle drei, so hätten wir sie nun wohl das letzte Mal gesehen! Der jüngste von ihnen aber gehe, weil er noch der ehrlichste ist; denn ginge einer von den zwei älteren, so ließe er die hier Weilenden sitzen, und er würde sich mit dem Gelde für immer von hier empfehlen. Also geschehe es denn!“

12. Da erhob sich alsbald der jüngste der drei Ärzte, ging und brachte auch in Bälde das Geld.

13. Als der Zöllner das Geld übernommen und in Verwahrung gebracht hatte, sagte er zum Überbringer: „Höre, da du nach dem Zeugnisse dieses wahrhaft göttlichen Meisters noch der Ehrlichste bist, so magst du nun hier verbleiben; aber die beiden andern sollen sich augenblicklich von hier entfernen! Willst du aber mit ihnen gehen, so sollst du daran auch nicht im geringsten gehindert werden.“

14. Der jüngere Arzt aber sagte: „So ich darf, da bleibe ich, und ich weiß, was ich tun werde. In Gemeinschaft der andern bleibe und wirke ich nimmer; denn sie waren die Herren und ich gleichsam nur ihr Knecht und mußte mit ihnen nach ihrem Willen wider meinen Willen und wider mein besseres Erkennen Hand in Hand gehen. O Herr, das hat mir gar viele trübe Stunden und Tage bereitet! Aber was wollte, was konnte ich tun? Denn sich mit den zweien überwerfen, hieße sich den ganzen Tempel zu Jerusalem zum Feinde machen, und diese Feindschaft ist bekanntlich die allerärgste in der Welt. Stehe ich aber allein, und zwar aufgefordert von dir als dem ersten Vorstande der ganzen Stadt, dann lache ich über die Feindschaft des Tempels.“

15. Sagte der Zöllner: „Gut, so bleibe du, – und die beiden andern gehen!“

16. Die beiden andern aber waren schon fort und verließen diesen Ort mit schnellen Schritten; denn sie sahen ein, daß hier für sie kein weiteres Bleiben möglich sei, so Ich Mich etwa allda niederließe.

85. Kapitel. Jesus über die Kunst des Lebens.

1. Nach dem Abmachen wurden wir zum Mahle geladen und traten da in einen Speisesaal, der seinesgleichen in Jerusalem nicht hatte. In der Mitte des Saales war ein großer Tisch aus Zedernholz, bedeckt mit allerlei Speisen und mit den edelsten Weinen. Wir setzten uns denn dazu und aßen und tranken. Denn die früher gekauften Brote waren nicht gut und auch nicht groß, wie auch die etlichen armselig bereiteten Fische, – daher von uns davon auch nur ganz wenig genossen ward.

2. Während des Essens wurde nicht viel geredet; aber als der gute Wein den Gästen die Zunge löste, da wurde es bald ganz lebhaft um den Tisch. Ich redete jedoch nicht, denn Ich saß zwischen dem erweckten Sohne und dessen Vater; diese aber hatten eine zu große Ehrfurcht vor Mir und getrauten sich nicht, Mich zu stören, während Ich Selbst aß und trank.

3. Als Ich aber sagte, daß Ich nun zur Genüge gegessen und getrunken hätte, da erst fragte Mich der Zöllner, wie es Mir möglich wäre, sogar einem Toten das Leben wiederzugeben; denn es sei so etwas auf der Erde noch nie erhört worden.

4. Ich aber sagte zu ihm: „Freund, des Menschen Geist, so er einmal ordnungsmäßig erweckt worden ist, kommt hinter mannigfache Geheimnisse, und wenn er ganz im Vollichte wach geworden ist, da kommt er auch hinter das große Geheimnis des Lebens und erkennt, daß er der Urheber alles Lebens ist. Aber es ist das eben die größte Kunst des Lebens, sich selbst als solches zu finden und zu erkennen!

5. Du lebst auch und denkst, willst und wirst nach deinem Denken und Wollen tätig; aber du weißt nicht, was das Leben ist, wie es denkt und will, und wie es danach alle die Glieder in eine entsprechend tätige Bewegung setzt. Aber wer in sich das alles gefunden und wohl erkannt hat, der ist dann auch ein wahrer Meister seines Lebens, wie auch des Lebens seines Nebenmenschen geworden und kann dann auch das tun, was Ich an deinem Sohne getan habe. Ja, er kann noch mehr: Sieh, er kann sich selbst völlig unsterblich machen!

6. So man bei der gegenwärtigen Blindheit, Selbstsucht, Habsucht, Neid, Eifersucht und Herrschsucht der Menschen Mich fangen und sogar töten wird, so wird das den argen Menschen nichts nützen; denn bevor drei Tage verrinnen werden, werde Ich Mich Selbst wieder erwecken vom Tode, dann fortleben ewig und noch Größeres wirken denn jetzt. – Das, was Ich dir nun gesagt habe, ist so wahr und so sicher, als wie wahr es ist, daß dein Sohn Jorabe tot war und nun vollkommen wieder lebt. Glaubst du das?“

7. Sagte der Zöllner: „Daß du mir keine Unwahrheit verkündetest, dessen bin ich vollkommenst überzeugt; denn fürs erste lebt ja mein Sohn allein durch die Macht deiner geheimen Lebenskunst, die eine Folge deiner Wissenschaft sein wird, und fürs zweite haben solche Lehrsätze auch schon die alten, weisen Griechen aufgestellt. Ob sie aber je dir gleich hinter das große Geheimnis des Lebens mit ihrem Geiste gedrungen sind, das weiß ich nicht und erinnere mich auch nicht, je etwas davon gelesen oder sonst gehört zu haben.

8. Die Fabeln von unseren Göttern und Halbgöttern erzählen freilich wohl so manche Wunderchen, die sie sollen ausgeübt haben; aber wer von nur einiger klaren Vernunft kann so etwas glauben?! Auch in den mystischen Schriften erzählt man viel von einem allmächtigen Gott, der aber von einer zahllosen Menge von allerlei sehr mächtigen Geistern umgeben sei, die stets seine Befehle auf das pünktlichste im ganzen Universum ausrichten und auswirken. Sie seien für die Menschen nicht sichtbar, sowie auch der Gott nicht, hätten aber etwa dennoch den vollkommensten Verstand und einen allermächtigsten Willen. Vor vielen hundert Jahren sollen sie sich den frommen Menschen gleich also gezeigt haben wie den Altgriechen ihre Götter und besonders die Halbgötter.

9. Man ersieht bei einem ruhigen und unbefangenen Denken daraus, daß am Ende die Götter- und Lebenslehren der Griechen und Juden auf ein und dasselbe hinauslaufen. Alles ist in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt, und so viele und große Mühe sich auch die größten Weisen aller Zeiten und Völker gegeben haben, so haben sie dennoch nie vermocht, den höchst verhängnisvollen Schleier der Isis zu lichten, und wir Sterblichen stehen daher noch auf demselben unentwirrten gordischen Knoten, auf welchem unsere Vormenschen vor vielen tausend Jahren gestanden sind.

10. Du wärest nun wohl der einzige und alleinige, der diesen Knoten wahrhaftigst entwirrt hat, und so möchte ich dich als nun einen wahrsten Meister des Lebens bitten, mir und eigentlich schon uns allen die große Kunst zu zeigen, wie man denn ganz sicher hinter das Geheimnis des Lebens kommt, dasselbe erkennt und endlich selbst ein Meister des Lebens wird. Du hast es offenbar dahin gebracht und mußt dazu denn auch die Mittel und Wege wohl kennen. Weil du sie aber kennen mußt, so wäre es wohl eine große Gnade von dir an uns, wenn du uns solche näher bezeichnen möchtest.

11. Es ist diese Bitte von mir dir als einem so großen Künstler gegenüber wohl außerordentlich dreist, da ein jeder wahre Künstler seine Kunst als sein teuerstes Gut betrachtet und auch betrachten muß und ich auch gar wohl weiß, daß eine noch so große Kunst von ihrem großen Werte dadurch ein bedeutendes einbüßt, so sie allgemein unter den Menschen gang und gäbe wird; aber da solche deine Kunst wenigstens für den besseren Teil der Menschen eine allererste Hauptlebensfrage wäre und durch ihre sichere Lösung den Menschen das größte und unschätzbar wertvollste Lebensglück beschieden wäre, so möchte ich nur für einige Winke, wie man sicher hinter dieses Geheimnis kommt, zum Wohle der Menschen wahrlich drei Vierteile meiner größten Schätze dir geben. Du würdest dadurch offenbar nichts verlieren, und wir würden dadurch Unendliches gewinnen! – Was sagst du, großer Meister, zu diesem meinem dir nun gemachten Antrage?“

86. Kapitel. Jesus als Lehrer der Lebenskunst.

1. Sagte Ich: „Ich sage dir dazu nichts anderes, als daß Ich eigens darum in diese Welt zu den Menschen als Selbst Mensch gekommen bin, um sie diese allergrößte und allerwichtigste Kunst ohne alles Entgelt zu lehren, und Ich werde es auch euch lehren ohne Entgelt. Daß Ich aber solches tue den Menschen in vielen Landen und Orten und Meine Lehre mit den rechten Zeichen als vollwahr bestätige, dafür sind, die da mit Mir gekommen sind, Meine Zeugen durch Wort und Tat, da sie Meine Jünger sind. Sie sind schon sehr tief in dieses Geheimnis eingeweiht und können dir den Weg und die Mittel dazu an die Hand geben.

2. Wer das annimmt, glaubt und ganz entschieden danach lebt, tut und handelt, der kommt unfehlbar hinter das Geheimnis des Lebens und wird nach der erlangten förmlichen Wiedergeburt seines eigenen Lebensgeistes in sich selbst ein Meister seines Lebens und dadurch auch ein Meister des Lebens seiner Nebenmenschen, weil er ihnen dazu die Wege wird zeigen können und durch seine Lebensmeisterschaft auch dartun die großen Lebensvorteile solcher Meisterschaft.

3. Aber das sage Ich dir auch, daß da niemand über Nacht ein Meister wird und einem Menschen die puren noch so gediegenen Kenntnisse der Mittel und Wege zur Erlangung dieser größten Lebenskunst gar nichts nützen, so er sie nicht alle vollpraktisch in sein Leben aufgenommen hat. Da nützt die Theorie für sich gar nichts, sondern allein die Praxis.

4. Es geht aber Ähnliches auch bei der Erlernung der andern Künste vor sich. Du wolltest zum Beispiel ein Musikinstrument meisterlich zu spielen erlernen, wie etwa die vollkommene Lyra der Griechen oder die noch wohlklingendere Harfe der Juden, da müßtest du dir offenbar einen Meister dieser Instrumente nehmen. Dieser würde dir die Regeln, die zur Erlernung des Spiels eines dieser Musikinstrumente unerläßlich notwendig sind, vor allem ganz genau beibringen, so daß du dadurch genau wüßtest, was du zu tun und zu üben hättest, um mit der Zeit selbst ein Meistermusiker zu werden. Wärest du mit der alleinigen und noch so genauen Kenntnis aller Regeln, Mittel und Wege ein Harfen- oder ein Lyraspieler? Oh, sicher nicht! Du müßtest zuvor durch eine sehr fleißige Übung der Finger und der Ohren nach den dir bekannten Regeln dir erst mühsam die Fähigkeit erwerben, um durch sie dann ein Meister zu sein. Und geradeso geht es auch mit der Überkommung der Lebenskünstlerschaft.

5. Erst durch die Übung wird man ein Meister, und der mehr oder minder vollkommene Grad der erlangten Meisterschaft hängt genau von der größeren oder minderen Übung der erkannten Regeln ab. Je mehr Übung, desto mehr Meisterschaft! Daher glaube du nicht, daß du durch die Kenntnis der Lebenskunstregeln schon irgend etwas zu wirken imstande sein wirst, oder es werde dir schon dadurch der Schleier deiner Isis gelichtet werden! Ich sage es dir: durch die pure Erkenntnis wirst du nicht einmal die Möglichkeit nur von ferne hin begreifen, daß durch die Übung solcher Regeln dir dein Schleier der Isis gelichtet werden könnte! Nur durch die unausgesetzte und fleißige Übung wirst du erst zu der stets heller werdenden Überzeugung gelangen, daß die Regeln richtig und wahr sind und zum Ziele führen. Und hast du durch die Übung erst die Meisterschaft erreicht, dann erst wirst du den völlig gelichteten Isisschleier in und vor dir haben. – Siehe, das war die Voreinleitung zu den etwa nachfolgenden Regeln, durch deren Übung und Ausübung der Mensch zur wahren Lebensmeisterschaft gelangen kann! Was sagt dein Urteil dazu?“

6. Sagte der Zöllner: „Ich finde das alles in der vollkommensten Ordnung. Daß man durch die bloße Kenntnis der Regeln kein Meister, sondern kaum ein Jünger wird, das ist eine Wahrheit, die in der Erfahrung zahllose Bestätigungen findet; aber es ist ja schon dadurch unendlich viel gewonnen, wenn man zur Erreichung eines solchen Zweckes nur einmal die sicheren und untrüglichen Mittel und Wege hat. Das übrige ist dann ganz natürlich allein unsere Sache. Daß übrigens auch der angehende Jünger in sich noch lange nicht zu dem klaren Innewerden eines Meisters gelangen kann, sondern erst dann, wenn er durch viele Übung es selbst zur Meisterschaft gebracht hat, das ist alles ganz sonnenklar; aber daß ohne dich und vor dir noch kein Mensch irgend diese allerwichtigsten Regeln auch nicht von ferne hin hat auffinden können, das ist ein Etwas, das meinem Verstande durchaus nicht einleuchten will und kann. Weder Altägypten noch Kanaan, noch Griechenland und Rom, noch Persien und Indien haben irgendeinen Weisen vorzuführen, der für diese Kunst irgend die rechten Regeln finden konnte. Du bist somit der einzige, der diese Kunst nicht irgend gelernt, sondern offenbar aus sich selbst geschöpft hat! – Sage, wie war dir als einem Menschen das möglich?!

7. Denn daß du des Lebens Meisterschaft im vollsten Maße besitzest, dafür sitzt hier bei uns der allersprechendste und wahrste Beweis. Du konntest dazu auch sicher nur durch die Übung der dazu erforderlichen Regeln gelangen, die du aber zuvor auch selbst hast erfinden müssen. Nun, das ist eben dasjenige, was ich am allerwenigsten fassen und begreifen kann; denn ich bin in meinen jüngeren Jahren auch weit und breit in aller Welt herumgekommen und habe mich sorglich um alles erkundigt. Das Treiben der Essäer mit ihren Scheinwundern ist mir nur gar zu wohl bekannt, sowie alle die Zauberkünste und Wahrsagereien, deren Schule ich selbst vielfach mit- und durchgemacht habe; aber da ist kein Einverständnis, kein Zauberstab, kein mystischer Zauberspruch, kein Zaubertrank und keine Dämonenbeschwörung, sondern die allerprunk- und mittelloseste Wahrheit! Du sprichst und willst, und es ist da die Wirkung des Wortes und des Willens! Ja, das ist ein Etwas, das über all meinen Wissenshorizont überhoch hinausragt! Wirken ist sicher etwas ganz Leichtes, so man einmal ein Meister geworden ist; aber wie ohne Meister und Führer zur Meisterschaft und besonders zu den zu ihrer Erlangung notwendigen Regeln gelangen, – das ist eine ganz andere Sache! Sage mir denn doch, wie du dazu gekommen bist! Wer hat dir die Regeln gezeigt und gegeben?“

87. Kapitel. Jesus über die innere Entwicklung eines Geistesmenschen.

1. Sagte Ich: „Freund, daran liegt vorderhand wenig oder nichts! Es genügt, daß die Regeln aufgefunden sind, deren Echtheit und vollste Wahrheit du nicht in Abrede stellen kannst. Wer sie kennen und befolgen wird, der wird in sich wachrufen des Lebens Kraft und wird dann leben und wirken können aus dieser Kraft, und Ich werde ihn erwecken durch die Kraft des Geistes Meiner Worte am jüngsten Tage seiner inneren, geistigen Neugeburt.

2. Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Ich Selbst bin – nun da, wie überall – die Wahrheit und das Leben. Wer an Mich glaubt und nach Meiner Lehre tut, der wird für sich und in sich den Tod nicht sehen in Ewigkeit!“

3. Sagte der Zöllner: „Meister, diese deine Worte klingen sonderbar! Mir kommt es gerade also vor, als wärest du so eine Art höheren, göttlichen Wesens, zwar im Fleische und Blute der Erscheinlichkeit wegen seiend, aber im Grunde für dich dennoch ein purer Geist, der sich nach seinem Belieben mit der Materie umgeben kann, wie und wann er will. – Habe ich recht oder nicht recht geurteilt?“

4. Sagte Ich: „So und so, es liegt etwas daran! Aber was da eben daran liegt, das fassest du nicht. Was du aber zu fassen meinst, das ist es nicht! Denn Ich kann nun ebensowenig aus diesem Meinem Leibe treten wie du; will Ich als Geist aber hinaustreten, so muß dieser Leib zuvor getötet werden. Aber der Geist, der nun vollwach in Mir lebt und wirkt, kann ewig nicht getötet werden, sondern wird ewig fortleben und -wirken.

5. Du hast doch schon sicher oftmals die Schöpfung betrachtet in ihrem Sein und Wirken, und es kann dir nicht entgangen sein, daß darin eine gewisse Ordnung besteht, und daß die Formen eine Beständigkeit in sich nach allen Richtungen hin haben, aus der du stets leicht erkennen kannst, was dies oder jenes für ein Ding ist. Also erkennst du auch, welche Wirkung eines und das andere hervorbringt, und wozu es nach der erkannten Wirkung gut und also zu gebrauchen ist.

6. Wenn aber die ganze Schöpfung nach eurer neuen Weltweisheit nur ein Werk des blinden Zufalls wäre, würden da die Dinge in der Natur auch die gegenwärtige Seinsbeständigkeit nach allen Richtungen hin beibehalten? O mitnichten! Sieh, der Wind ist so eine mehr blinde Macht, obwohl nur zum Teile! Hast du schon je wann gesehen, daß er irgendeine bestimmte Form, die eine Beständigkeit hätte, allwo hervorgebracht hat? Er wühlt wohl den Staub auf und trägt ihn in losen Wolkenformen durch die Luft, wo sich die Formen in jedem Augenblicke verändern und nimmer als ganz dieselben je wieder zum Vorscheine kommen. Kannst du dir die Gestalt einer Wolke derart merken, daß du etwa nach ein paar Tagen sagen könntest: ,Siehe, das ist ebendieselbe Wolke, die ich schon vor ein paar Tagen gesehen habe!‘?! Oder kannst du am Meer irgend von einer Woge ein gleiches behaupten?!

7. Aus dem aber kannst du nun ganz leicht ersehen, daß eine blinde Kraft nie auch nur ein Moospflänzchen, das in derselben und ganz gleichen Form stets viele Jahrtausende hindurch wiederkehrt, hervorgebracht hat.

8. Wenn aber also, leuchtet da einem besseren Menschenverstande nicht von selbst ein, daß alles Werden, Sein und Bestehen, worin erstens eine bestimmte, unwandelbare Form, Beschaffenheit, Eigenschaft, Nutzwirkung und Endzweck gar absonderlich wohl und bestimmt zu erkennen sind, von einer solchen Kraft hervorgebracht werden muß, die eine unbegrenzte und unwandelbare, wennschon allumfassende Einsicht und Weisheit besitzt, ohne die du nie einen bestimmt geformten Gegenstand, sei es ein Stein, ein Metall, eine Pflanze oder ein Tier, je zu Gesichte bekämest?! Solch eine Kraft muß sicher eine einheitliche und ihrer selbst gar sehr wohlbewußte sein, weil ohne sie nichts eine bestimmte und in sich einheitliche Form annehmen könnte.

9. Und nun zweitens: Da du eine solche Kraft notwendig annehmen mußt, die als Ursein in sich allem Sein zugrunde liegt, so muß denn diese Grundurkraft ja doch auch einen entsprechenden Namen haben, durch den sie sich anfänglich in der Erinnerung und im Gedächtnisse der Menschen, die dazu da sind, diese Kraft zu erkennen, erhalten kann. Wer wird aber je nach der näheren Erkenntnis einer Sache fragen, von der er nicht einmal den Namen jemals gehört hat?! Wir wollen diese Urkraft allgemein einmal ,Gott‘ nennen. Haben wir aber nun einmal einen Gott, so werden wir weiter fragen und sagen: ,Wo ist denn dieser Gott, und wie sieht Er aus? Wie erschafft Er die Dinge, wie bringt Er als ein purster Geist die grobe Materie aus Sich zum Vorscheine?‘

10. Und sieh, wenn ein Mensch einmal also zu fragen beginnt, dann ist er schon auf einem besseren Wege! Er wird allen Geschöpfen eine höhere Aufmerksamkeit widmen und in ihnen forschen, wieviel von der göttlichen Urweisheit sich darin vorfinden möchte. Und je länger er also prüfen wird, desto mehr der göttlichen Weisheit und Ordnung wird er auch leicht und bald darin finden.

11. Hat er die gefunden, so wird er in seinem Herzen auch bald eine Anregung von Liebe zu Gott wahrnehmen und aus solcher Liebe stets mehr und mehr innewerden, daß Gott in Sich Selbst von der mächtigsten Liebe erfüllt sein muß, damit Er eine so große Lust und Freude hat, so wunderbar weise zu erschaffen eine unzählige Menge von Dingen und Wesen, die nicht nur Zeugen von Seinem Dasein, sondern vielmehr noch Zeugen von Seiner Weisheit, Macht und Liebe sind.

12. Wenn der Mensch in solchen Betrachtungen und Innewerdungen wächst und zunimmt, da nimmt er offenbar auch in der Liebe zu Gott zu und nähert sich Demselben mehr und mehr; je größer und gediegener aber solche Annäherungen eines Menschen zu Gott hin werden, desto mehr des Geistes Gottes sammelt sich auch in seinem Herzen, in welchem dadurch der eigene Geist genährt und stets mehr und mehr erweckt wird zur wahren Erkenntnis des eigenen inneren Lebens und seiner Kraft, im Vereine mit der Kraft des göttlichen Geistes in ihm.

13. Hat ein Mensch es einmal dahin gebracht, so ist er schon in der Lebensmeisterschaft, und es geht ihm da nur noch die völlige Einung mit dem göttlichen Liebe- und Willensgeiste ab. Bewerkstelligt er auch das, dann ist er ein ganz vollkommener Lebensmeister und kann alles das bewirken, was Ich nun bewirke und auch Größeres noch.“

88. Kapitel. Jesus über die Voraussetzungen zur geistigen Vollendung. Das Wesen Gottes.

1. (Der Herr:) „Du siehst daraus, daß da ohne den wahren und lebendigen Glauben an einen einigen und ewig wahrhaftigen Gott kein Mensch zur Lebensmeisterschaft gelangen kann. Daher ist es vor allem notwendig, an einen wahren Gott zu glauben; denn solange du nicht glaubst, daß es einen allein wahren Gott gibt, solange kannst du auch keine Liebe zu Ihm in deinem Herzen wachrufen. Ohne solche Liebe aber ist es unmöglich, sich Gott zu nähern und endlich nahe völlig eins zu werden mit Ihm.

2. Ohne das aber kann von einer wahren Lebensmeisterschaft ebensowenig die Rede sein, als daß da jemand ein Meisterspieler auf der Harfe werden sollte, der nie von ihr etwas hat reden hören und noch weniger irgendwo eine gesehen hat.

3. Wenn du aber noch immer fragst und sagst: ,Ja, wo ist denn Gott, und wie sieht Er wohl aus?‘, da sage Ich dir, daß das eigentliche Gottwesen niemand sehen kann und leben, – denn Es ist unendlich und somit auch allgegenwärtig und ist sonach als Reinstgeistiges auch das Innerste eines jeden Dinges und Wesens, das heißt in Seinem auswirkenden Willensmachtlichte; in Sich Selbst und für Sich aber ist Gott ein Mensch wie Ich und auch du und wohnt in einem unzugänglichen Lichte, das in der Welt der Geister die Gnadensonne genannt wird. Diese Gnadensonne aber ist nicht Gott Selbst, sondern sie ist nur das Auswirkende Seiner Liebe und Weisheit.

4. Wie du aber die Sonne dieser Welt wirken siehst dadurch, daß sie allenthalben gegenwärtig ist durch den beständigen Ausfluß ihres Lichtes nach allen erdenklichen Richtungen hin, also wirkt auch der Gnadensonne allenthalben wirkende Kraft als ein aus ihr strömendes Licht in allen Wesen schaffend und belebend gegenwärtig.

5. Wer nun versteht, recht viel des Lichtes aus der Gnadensonne der Himmel im Herzen seiner Seele aufzufangen, aufzunehmen und dann zu behalten durch die Macht der Liebe zu Gott, der bildet in sich selbst eine Gnadensonne, die der Urgnadensonne in allem völlig ähnlich ist, und die volle Innehabung einer solchen Gnadensonne ist dann eben soviel als die Innehabung der allein wahren Lebensmeisterschaft.

6. Die Klarheit und die lichte Fülle dieser wahrsten Lehre aber wirst du auch erst dann einsehen, wenn du auf diese Weise selbst zur Lebensmeisterschaft gelangen wirst; denn jetzt kannst du das noch nicht völlig fassen, obwohl du all das Gesagte ganz gut aufgenommen hast.“

7. Sagte der Zöllner: „Ja, du hast recht, lieber Meister! Ich habe wohl alles verstanden; aber ich weiß nun noch nicht, was ich damit beginnen soll. Das jedoch ist etwas Sicheres, daß die Erlangung der vollen Lebensmeisterschaft durchaus keine leichte Arbeit ist; denn da heißt es viel betrachten, viel erfahren, viel denken, wollen und handeln danach. – Aber nur eine Frage noch, lieber Meister!“

8. Sagte Ich: „So rede, obwohl Ich ganz genau weiß, was du Mich fragen wirst!“

9. Sagte der Zöllner: „O lieber Meister, so rede du nur gleich; denn ich zweifle nicht daran!“

10. Sagte darauf Ich: „Du zweifelst gar nicht daran, – aber so ein wenig möchtest du denn doch dich überzeugen, ob Ich das wohl wüßte, um was du Mich noch fragen möchtest! Allein das macht nichts, und Ich werde dir die Frage dennoch vorsagen! Sie lautet also: ,Meister, bist du auch auf diese Weise zu deiner Lebensmeisterschaft gelangt, und wer hat dir also wie du nun mir die gehaltvolle Anleitung gegeben?‘

11. Siehe, also lautet deine Frage Wort für Wort! Aber Ich kann dir darauf nur eine dich ebensowenig befriedigende Antwort geben als auf deine früheren ganz ähnlichen Fragen. Sieh, als purer Mensch habe Ich wahrlich ganz dasselbe wie du tun müssen; aber da Ich, aufrichtig gesagt, Meinem inneren Geistwesen nach etwas mehr denn ein purer Mensch bin, was du morgen schon noch früh genug erfahren wirst, so hatte Ich es eigentlich schwerer, weil Ich als Mensch dieser Erde nie einen eigenen Willen in Mir aufkommen lassen durfte, sondern stets den Willen Dessen auf das genaueste befolgen mußte, der durch Mich in diese Welt kommen und den Menschen das ewige Leben bringen und geben wollte. Davon jedoch wirst du morgen von Meinen Jüngern ein mehreres überkommen. Für heute aber werden wir unsere Sitzung beschließen und uns zur Ruhe begeben!“

12. Sagte der Zöllner: „Meister, so es dir genehm wäre, da könntet ihr alle gleich in diesem Saale die Ruhe nehmen; denn an den Wänden sind hier rundherum die allerbequemsten Ruhestätten angebracht!“

13. Sagte Ich: „Gut denn, so bleiben wir hier, und derlei Ruhestühle sind Mir lieber als die faulen Liegestätten, die sich höchstens für die Kranken schicken. – Und so stehen wir auf und begeben uns zur Ruhe!“

89. Kapitel. Gespräch zwischen Arzt und Wirt über Jesus.

1. Als wir unsere Ruhestühle für unsere Ruhe in Beschlag genommen hatten, da verließen uns auch sogleich der Zöllner, sein Sohn, seine andern Kinder und seine Weiber, deren er nach der morgenländischen Art und Sitte sieben hatte, auch seine vielen Beamten und andern Diener, und wir schliefen bald ganz gemächlich ein, da wir von der langen Reise wohl recht müde geworden waren. Aber die Hausleute blieben in andern Zimmern noch lange wach und redeten viel über unser Erscheinen in ihrem Städtchen.

2. Der zurückgebliebene jüngere Arzt sagte noch zuletzt zum Zöllner: „Freund, wenn es möglich wäre, so eine Lebensmeisterschaft sich zu eigen zu machen, da hätte man bald das Geld der ganzen Erde beisammen! Da würde ja so mancher König sein halbes Reich dem zum Geschenke machen, der ihm also das Leben sichern könnte! Nein, was doch auf der lieben Erde alles vorkommt!

3. Wie lange ist es denn, als etliche Magier, aus Ägypten kommend, bei Gelegenheit ihrer Durchreise nach Melite uns mit so manchen sonderbaren Zaubereien überraschten?! Aber alle ihre Stücke waren wohl mit Händen als falsche Wunder zu greifen und schafften niemandem außer ihnen selbst einen Nutzen. Man unterhielt sich wohl gerade nicht schlecht; aber niemand lernte etwas Gutes dabei. Sie brachten auch allerlei Apparate mit und Schlangen und Affen und Hunde, Kamele und Maultiere und Gefäße voll Salben und Öle. Diese nun kamen zu Fuß, brachten gar nichts mit und leisten Dinge, daß man sie wahrlich ganz leicht für Götter halten könnte! Darüber kann nichts noch Größeres mehr kommen!

4. Auch ihre Lehre an uns war ganz gut und ihrer Sache, die sie betreiben, angemessen; nur hat das alte Judentum stark herausgeleuchtet sowie die mir nicht unbekannten Grund- und Lehrsätze der alten jüdischen Prophetenschulen, aus denen auch ganz außerordentlich weise Männer, die man Propheten nannte, hervorgegangen sein sollen. Nun, ob man aber selbst durch die möglich genaueste Beachtung der uns ganz kurz kundgemachten Regeln im Ernste zu der wunderbaren Lebensmeisterschaft gelangen kann, das wird etwa wohl noch seine sehr geweisten Wege haben!

5. Irgendeine einzige und einige Gottheit gewisserart über alles im vollsten Lebensernste lieben, ist eine schwere Sache, weil man als ein reif denkender Mensch schon schwer glaubt, daß es irgend einen solchen Gott für völlig erwiesen wahr gibt. Sein Beweis für das Dasein eines alleinigen, wahren Gottes ist ganz gut und läßt sich gut anhören; aber es gehörete dazu von seiten des Lehrlings eine sehr fleißige Übung von der Wiege an, und das unter der beständigen Leitung eines erfahrensten Theosophen, ansonst auf diesem Wege schwerlich je jemand zu einer vollen Erkenntnis eines einigen und wahren Gottes gelangen dürfte.

6. Sei ihm nun aber schon, wie ihm wolle, und abgesehen von der uns gegebenen Erklärung von seiten des Hauptwundermannes, so ist er doch eine außerordentliche Erscheinung! Fürs erste einen Toten bloß durch ein Wort ins Leben zurückzurufen, und ganz gesund auch noch dazu, das ist ein Etwas, das in solcher Vollendung noch nie da war, – und fürs zweite auf ein Haar zu wissen, was man sich noch so geheim denkt, und einen zuvor nie gesehenen Menschen gleich bei seinem Namen zu nennen, – Freunde, das sind Dinge, die kein Menschenverstand zu fassen imstande ist! Wahrlich, obschon ich auf die Götter und Gottheiten eben keine zu großen Stücke halte, so wäre ich aber nun dennoch sehr geneigt, diesen Mann eher für einen Gott zu halten denn für einen puren Menschen!“

7. Sagte der Zöllner: „Dieser Meinung wäre ich auch, und man würde durch diese Annahme viel eher am Ziele sein als durch die noch so strenge Beachtung seiner uns gezeigten Regeln. Übrigens hat er ein paar Male so ziemlich laut durchblicken lassen, daß hinter ihm etwas mehr denn ein purer Erdenmensch stecke. Nun, morgen wird sich vielleicht noch so manches über diesen guten Mann aufhellen lassen! Sein Charakter scheint ein sehr biederer zu sein, und es läßt sich gut reden mit ihm. Wir werden sicher noch so manches von ihm erfahren! Für heute aber gehen auch wir zur Ruhe; denn morgen haben wir viel zu tun!“

8. Darauf ging nach und nach alles zur Ruhe und schlief fest bis zum Aufgange der Sonne.

90. Kapitel. Das Menschliche und das Göttliche in Jesus.

1. Ich aber war mit etlichen Jüngern schon vor dem Aufgange auf den Füßen und ging ins Freie nach Meiner Sitte und hin an den Euphrat, der hier schon eine ansehnliche Breite hat. Wir standen aber gar nicht lange, als schon ein großes Holzfloß in der Mitte des Stromes herabschwamm. In diesem Momente kam auch der Zöllner mit seinem Sohne Jorabe und mit dem Arzte uns nach, um uns zum Morgenmahle zu laden.

2. Es war aber auf dem Floße kein Mensch, der es leitete; denn es war durch eine schlechte Befestigung am Ufer von selbst gehend geworden, und der Zöllner sagte: „Es ist jammerschade um das schöne Holz, das durch die Fahrlässigkeit seiner Besitzer herrenlos geworden ist! Wenn es nur so weit vom Ufer dahinschwämme, daß man seiner noch habhaft werden könnte, so könnte es sogar sich fügen, daß nach einigen Tagen der rechtmäßige Besitzer nachkäme, und man könnte ihm dann das Holz gegen eine kleine Entschädigung zurückstellen. Aber also geht das ganze Floß dahin und natürlich verloren! Nun, vielleicht fangen es die Samosater auf!“

3. Sagte Ich, als das Floß uns gegenüber, auf dem Strome schwimmend, zu stehen kam: „Willst du das Holz?“

4. Sagte der Zöllner: „Allerdings möchte ich es, – aber wie es herausbekommen?“

5. Sagte Ich: „Sieh, ganz leicht! Wenn man ein Meister des Lebens ist, so müssen einem auch alle Elemente gehorchen, und so gebiete Ich dem Wasser, daß es das Holz an dieses Ufer zu uns herübertrage. Ich will es; es geschehe!“

6. Als Ich das ausgesprochen hatte, da floß das Wasser schnell zu uns herüber und stieg am Ufer um sieben Spannen hoch, setzte das ganze Holz samt dem Floße völlig ans Land und floß darauf gleich wieder seiner natürlichen Richtung nach ab und weiter.

7. Darüber entsetzten sich die drei ordentlich, und der Arzt sagte zu Mir: „Freund, Du bist kein Mensch von unserem gewöhnlichen Schlage und von unserer Natur, sondern Du bist ein Gott! Dich hat kein Mann der Erde in einen Mutterleib hineingezeugt! Ich möchte sogar behaupten, daß Du ein ungeborener Mensch und somit offenbar ein Gott bist!“

8. Sagte Ich: „Lasse du das gut sein; wer ein Fleisch trägt, der hat es aus einem Mutterleibe! Nur das erste Menschenpaar erhielt den Leib aus der Willenshand Gottes, – alle andern Menschen aber aus einem Mutterleibe. Und so ist auch dieser Mein Leib aus einer irdischen Mutter, wenn auch nicht durch einen irdischen Vater auf die gewöhnliche Art gezeugt, sondern allein durch den allmächtigen Willensgeist Gottes, was bei ganz reinen und gottergebenen Menschen sehr wohl möglich ist. Vor alters bei den noch ganz unverdorbenen, einfachen und Gott sehr ergebenen Menschen war das eben nichts Seltenes, und es geschieht solches dann und wann auch noch in diesen Zeiten.

9. Daß solche auf einem rein geistigen Wege gezeugten Menschen denn auch geistiger sind als jene auf dem gewöhnlichen Wege gezeugten, das ist klar; denn Kinder sehr starker und völlig gesunder Eltern werden auch stark und gesund, – Kinder schwacher und kranker Eltern werden gewöhnlich auch schwach und kränklich. Ich als Mensch, wie Ich nun vor euch dastehe, bin kein Gott, wohl aber ein Gottessohn, was eigentlich ein jeder Mensch sein soll; denn die Menschen dieser Erde sind berufen, Kinder Gottes zu werden und zu sein, wenn sie nach dem erkannten Willen Gottes leben.

10. Einer von ihnen aber ist von Gott aus und von Ewigkeit her bestimmt, der Erste zu sein, das Leben in Sich zu haben und es jedermann zu geben, der an Ihn glaubt und nach Seiner Lehre lebt. Und dieser Erste bin Ich!

11. Aber Ich habe solches Leben aus Gott nicht etwa vom Mutterleibe aus in diese Welt gebracht! Der Keim lag wohl in Mir, aber er mußte erst entwickelt werden, was Mich nahe volle dreißig Jahre Zeit und Mühe gekostet hat. Nun stehe Ich freilich als vollendet da vor euch und kann euch sagen, daß Mir alle Gewalt und Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, und daß der Geist in Mir völlig eins ist mit dem Geiste Gottes, darum Ich denn auch solche Zeichen wirken kann, die vor Mir noch nie ein Mensch gewirkt hat. Aber es ist das für die Folge eben kein besonderes Privilegium ausschließlich nur für Mich, sondern auch für jeden Menschen, der an Mich glaubt, daß Ich von Gott darum in diese Welt gesandt bin, den Menschen, die nun alle im Finstern wandeln, zu geben das Licht des Lebens, und der sodann handelt nach Meiner Lehre, welche den Menschen im hellsten Lichte zeigt den Willen des Geistes Gottes, der freilich wohl in aller Fülle in Mir wohnt.

12. Dieser Geist ist wohl Gott, doch Ich als purer Menschensohn nicht; denn wie schon gesagt, so habe Ich als solcher auch, jedem Menschen gleich, durch viele Mühe und Übung erst Mir die Würde eines Gottes erwerben müssen und konnte Mich als solcher erst einen mit dem Geiste Gottes. Nun bin Ich wohl eins mit Ihm im Geiste, aber im Leibe noch nicht; doch Ich werde auch da völlig eins werden, aber erst nach einem großen Leiden und gänzlicher und tiefst demütigender Selbstverleugnung Meiner Seele. –

13. Und so, Mein Freund und Arzt von besserem Willen, als da waren deine Gefährten, kannst du nun schon wissen, wer Ich bin, und was du von Mir zu halten hast! Glaube das, und lebe nach der Lehre, die du von Meinen Jüngern bald vernehmen wirst, so wirst du leben und in allem deinem Tun und Lassen wandeln im Lichte und nicht mehr in der Nacht der Sünde deines Fleisches und Blutes! – Verstehst du das?“

14. Sagte der Arzt: „Ja, großer Meister, das verstehe ich, obwohl Deine Worte ganz anders lauten als jene der Priester im Tempel zu Jerusalem, von dem ich selbst auch abstamme, und meine geringe Kunst auch dort erlernt habe! In dir liegt offenbarst Göttliches zugrunde, und dennoch willst Du vor uns nicht mehr sein als ein Menschensohn, während die Pharisäer im Tempel sich gerade also benehmen, als hätten sie Gott die Welt und andere Wesen erschaffen helfen, und als hinge allein von ihnen das Wohl und Wehe der Menschen dieser Erde ab. Ja, Deine Worte, großer Meister, klingen wohl wie Gottes Worte; denn es liegt in ihnen eine ganz eigentümliche Kraft und Macht, die dem Gemüte wohltut, es erhebt und ganz neu belebt und erleuchtet, während der Pharisäer seinsollendes Gotteswort das Menschengemüt im hohen Grade verletzt, betrübt, verfinstert und gar tötet! Denn wer nach ihrer Lehre lebt und handelt, der wird mit der Zeit so dumm und so sinnlich, hochmütig, selbstsüchtig und herrschgierig, daß er am Ende ganz vergißt, daß auch er nur ein Mensch ist. Sich selbst nur hält er für eine höchste Menschenpotenz, – alles andere ist tief unter ihm. Aber nach Deinen Worten, großer Meister, scheint gerade das blankste Gegenteil zu sein und zu werden von dem, was die Pharisäer lehren, und was sie aus den Menschen eigentlich machen wollen! – Habe ich recht oder nicht?“

15. Sagte Ich: „Ja, ja, da möchtest du wohl recht haben; aber nun nichts Weiteres mehr davon! Das Floß mit dem Holze ist gerettet und ist da am ganz trockenen Ufer, und du, Freund Jored, kannst nun damit machen, was du willst; denn der Besitzer wird nicht darum irgendwann kommen, da er zu weit von hier daheim ist und der Verlust dieses Holzes ihn auch nicht arm machen wird, weil er sehr reich ist. Gib aber deshalb ein Opfer den Armen und benutze das Holz nach deinem Gutdünken!“

16. Sagte der Zöllner Jored: „Meister, ich danke Dir sehr darum, und die Armen sollen bei mir nicht zu kurz kommen! Aber nun gehen wir zum Morgenmahle; denn es wird nun schon völlig bereitet sein!“

91. Kapitel. Ein Arzt erhält von Jesus die Kraft, durch Händeauflegen Kranke zu heilen.

1. Darauf gingen wir wieder in Joreds Haus, wo in dem schon bekannten Saale ein reichlichstes Morgenmahl unser harrte samt den Jüngern, die am Morgen daheim geblieben waren. Wir setzten uns an den Tisch und aßen und tranken. Die Speisen bestanden in Fischen, Honigbrot und Lämmerfleisch, und der Wein war aus Rom, und zwar von einer besonderen Güte. Es wurde auch mit Griechenlands Wein, besonders aus Zypern, aufgewartet und dazu mit ganz weißem Weizenbrot und Butter, was besonders den Judgriechen überaus wohl mundete. Wir blieben bei zwei Stunden lang beim Tische sitzen, und es wurde da viel geredet, aber mehr von allerlei landwirtschaftlichen Dingen.

2. Erst nach dem Mahle wurde vom Jünger Johannes allen in diesem Hause wohnenden Menschen beiderlei Geschlechtes Meine Lehre von der Liebe zu Gott und zum Nächsten vorgetragen.

3. Nach dem Vortrage gelobten Mir alle, diese Lehre genau zu beachten und danach zu handeln, und Ich sagte: „Glaubet und tut das, so werdet ihr auch leicht und bald zur Meisterschaft des Lebens gelangen!“

4. Darauf legte Ich allen die Hände auf und stärkte sie für ihre gute und ernste Vornahme.

5. Der Arzt aber sagte darauf: „O Meister, siehe, ich bin nun der einzige Arzt hier im Orte, in dem es immer eine Menge Kranke gibt, so wie auch in der weiten Umgebung! Da Dir nichts unmöglich ist, so könntest Du mir nur ein wenig von Deiner Wunderheilkraft verleihen, und ich würde sie dann bei meinen Kranken anwenden, besonders bei den Armen, die da nicht haben, sich eine kostspielige Arznei zu kaufen.“

6. Sagte Ich: „Jesus ist Mein Name; in diesem Namen lege du den Kranken die Hände auf, und es wird besser mit ihnen werden, so das ihrem Seelenheile nützt! Den Reichen aber gib du nur Arzneien wie zuvor; denn nur für die Armen verleihe Ich dir diese Kraft!“

7. Als Ich dem Arzte solches sagte, da dankte er Mir darum und ging darauf gleich hinaus, denn er hatte einige arme Kranke, denen er nun auf einmal helfen wollte. Und er half ihnen auch; denn es ward mit einem jeden besser im Augenblicke, als er ihm in Meinem Namen die Hände auflegte. Nach einer Stunde kam er wieder zurück, dankte Mir noch einmal für diese ihm erteilte Kraft und erzählte uns von den großen Verwunderungen der Geheilten, die doch mit allerlei Übeln behaftet waren.

8. (Der Arzt:) „Sie konnten nicht begreifen, daß ihnen zuvor alle Arzneien nichts halfen und sie jetzt auf einmal durchs bloße Händeauflegen so gesund geworden seien, wie sie zuvor niemals waren. Sie fragten mich, wie ich nun auf einmal zu dieser nie erhörten Heilungsweise gekommen sei, und warum ich sie nicht schon früher angewendet hätte. Ich aber sagte: ,Diese Heilungsweise ist mir erst von einem fremden und großen Heilande gezeigt worden, und ich heile damit die Kranken aber nur dadurch, daß ich Seinen Namen anrufe und Er Selbst dann mit mir will, daß da dem Kranken geholfen werde!‘ Alle aber fragten dann nur um Dich und hegten sehr den Wunsch, Dich persönlich kennenzulernen; denn sie meinten, Du müßtest da offenbar mit göttlichen Kräften versehen sein, ohne die so etwas rein unmöglich wäre. Ich sagte dazu nichts und ließ sie bei ihrer Meinung.

9. Aber ich werde nun bei meinen reichen Kranken eine Not haben; denn diese neue Heilart wird schnell in der ganzen Stadt verbreitet werden, und die Reichen werden dann von mir auch auf dieselbe Weise geheilt werden wollen. Was werde ich ihnen erwidern, so sie von mir das verlangen werden, was zu tun mir von Dir, o Meister, gewisserart verboten ist?“

10. Sagte Ich: „Nun, da stelle ihnen Bedingungen, die sie als Geheilte dir und den Armen zu leisten haben werden! Gehen sie freudig und willig in die ihnen gemachten Bedingungen ein, so lege auch ihnen die Hände auf; gehen sie aber in diese nicht ein, so laß sie in ihrer Krankheit, und gib ihnen Arzneien, wenn sie solche haben und nehmen wollen! – Bist du nun damit zufrieden?“

11. Sagte der Arzt: „O lieber Meister, ganz vollkommen! Aber nun kommt eine andere Frage, und diese lautet: Wie und womit kann ich Dir dafür dankbar sein? Ich bin freilich nicht reich und jetzt schon am allerwenigsten, wo meine beiden gestern durchgegangenen Genossen mir sicher nicht viel werden zurückgelassen haben; aber dennoch möchte ich das Äußerste tun, was nur immer in meinen Kräften steht! Herr und Meister, ich bitte Dich, verlange Du von mir doch irgendein Entgelt oder ein Opfer!“

12. Sagte Ich: „Lasse das; denn in der Welt kann Mir niemand etwas geben, das er nicht zuvor von Gott empfangen hätte, und somit auch du nicht! Aber halte du die Lehre, die euch allen hier gegeben wurde, liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst, und halte die dir bekannten Gebote Mosis, und lehre auch die Griechen sie kennen, so wirst du Mir das beste und wertvollste Opfer darbringen! Und das sollen auch alle die andern Menschen tun, so werden sie leben in der Wahrheit und in der Gnade Gottes, des Schöpfers und Vaters aller Menschen!

13. Wenn Ich von den Menschen, denen Ich Gutes tue, wollte Geld annehmen, da würde Ich schnurgerade wider Mich zeugen, und Ich wäre Der nicht, der Ich bin; denn so Ich Schätze aus den Himmeln bringe und gebe, weil Ich die Macht dazu habe, so kann Ich Mich darum nicht mit der toten Materie bezahlen lassen. Aber ihr Menschen könnet das mit Maß und Ziel; denn auch Moses hat verordnet, daß die Priester und Richter vom Volke sollen ernährt und erhalten werden und den zehnten Teil von allem haben sollen, was da geerntet wird auf den Äckern und in den Weinbergen und also auch von den Haustieren. Aber Ich nun und Meine Jünger werden dessen nicht vonnöten haben; denn wer Mir gleich ein Meister des Lebens wird, der wird hinfort dieser Erhaltungsmittel nicht bedürfen. Wohin sie auch ziehen werden, da wird ihnen von oben gegeben werden alles, dessen sie bedürfen werden. Denn um was Gutes immer ihr den Vater im Himmel bitten werdet in Meinem Namen, das wird Er euch auch geben ohne Vorenthalt.“

92. Kapitel. Der Christ als Geschäftsmann. Vom Schutzzoll und Sklavenhalten. Das Verhalten zu den Götzenpriestern.

1. (Der Herr:) „Wenn aber in den späteren Zeiten Meine Nachfolger gleich den Pharisäern sich werden für ihre Lehren und Gebete mit Geld und allerlei anderen Dingen zahlen lassen, dann wird der Vater im Himmel ihre Bitten auch gar nicht mehr erhören und wird sie sinken lassen in allerlei Sünden und große Übel. Ich gebe euch allerlei Gaben umsonst, und so sollet ihr sie den andern Menschen auch wieder umsonst geben. Aber als Arzt kannst du dich von den Reichen schon zahlen lassen, – nur von den Armen nicht!

2. Wenn du aber jemandem gelegentlich Meine Lehre gibst, so sei das deine Bezahlung, daß er die Lehre mit freudigem Herzen annimmt und danach lebt. Denn hat jemand einmal die Lehre angenommen, so wird er ohnehin derart dein Freund werden, daß er sagen wird: ,Was mein ist und war, das ist nun auch dein, und du sollst mir keine Not leiden!‘

3. Ich sage es euch: Was euch die Menschen Meiner Lehre wegen selbst aus freudigem Herzen tun und geben werden, das nehmet nur an und gebrauchet es zu eurem und eurer Nächsten Besten, und die Gnade Gottes wird euch darum nicht benommen werden, welcher Art sie auch sein möchte! Aber so ihr von jemandem dafür ein Entgelt verlangen würdet, da würde euch die Gnade Gottes sofort benommen werden, so wie die Gnade nun auch den Pharisäern und starren Juden benommen und den Heiden gegeben werden wird. Also das merket euch und tut danach, und ihr werdet euch dadurch sammeln gar große Schätze der Gnaden aller Art aus den Himmeln, die euch mehr nützen werden denn alle Schätze dieser Welt! – Verstehet ihr das?“

4. Sagte Jored: „Meister, das verstehen wir nun ganz gut; aber wie steht es mit meinem Zöllnergeschäfte hier zu Wasser und zu Lande? Da sieht eigentlich von der Nächstenliebe blutwenig heraus! Aufgeben aber kann man es doch nicht so ganz und gar, weil das eine öffentliche Staatssache ist; denn lasse ich es aus, so wird es ein anderer nehmen, der die reisenden Handelsleute und besonders die Fremden noch mehr drücken wird denn ich, der ich doch schon so manchen, der nichts hatte, habe umsonst die Zollschranke passieren lassen. Was wäre denn da Dein Wille?“

5. Sagte Ich: „Was du bist, das bleibe du! Aber sei billig im Verlangen gegen die Armen; dafür können aber die Reichen schon um ein bedeutendes mehr geben!

6. Die Zölle aber sind gut für das Land, da sonst bald große Karawanen mit allerlei Waren euer Land überziehen und dasselbe bald von seinen eigenen Lebensmitteln entblößen würden. Daher sollst du eben die vielen fremden Handelsleute noch mehr besteuern, damit ihnen die Lust vergehe, zu oft mit ihren Waren in dieses Land zu kommen. Aber bei den Einheimischen sei dafür um so billiger! Nun weißt du auch, was du in dieser Hinsicht zu tun und zu beachten hast.

7. Auch deine Herberge ist gut; beachte aber auch da das gleiche! Sei billig gegen die Nächsten und gerecht gegen die Fremden! Verlange von den Einheimischen, was die Sache wert ist, und von den Fremden einen gerechten Gewinn!

8. So aber ein Fremder kommt und hat nicht, daß er dich bezahlen könnte, dem schenke die Zeche, und wenn er etwa annähme Meine Lehre, da gib ihm noch ein Reisegeld obendrauf, so wird der Vater im Himmel dir das reichlichst vergelten! Dasselbe beachte auch ein jeder Kaufmann und sei gerecht im Maß und Gewicht; denn mit welchem Maße die Menschen ausmessen, mit demselben Maße wird ihnen vergolten werden!“

9. Sagte der Zöllner: „Jetzt aber noch eine Frage, Herr und Meister! Du weißt, daß wir hier zumeist mit Griechen wohnen und allerlei Handel treiben, leider mitunter sogar mit Menschen, wie solches unter uns Heiden schon von alters her üblich und gebräuchlich war. Ja, ich habe mir meine Weiber alle kaufen müssen! Sie waren zuerst nur meine Sklavinnen; da sie aber fleißig waren und auf meinen Vorteil sahen, so gab ich ihnen die Freiheit und nahm sie dann zu Weibern. Die Hälfte meiner Diener und Arbeiter sind noch Sklaven. Soll das auch so bleiben, oder soll auch da eine Änderung bewerkstelligt werden?“

10. Sagte Ich: „Was durch die Staatsgesetze besteht, das kannst du nicht ändern, und so mag es bleiben, bis der Staat selbst da eine Änderung machen wird. Du aber sei auch gegen die Sklaven gut, billig und gerecht; denn auch sie sind Menschen und Kinder ein und desselben Vaters im Himmel. Wenn du wieder einen Sklavenmarkt besuchst, so kaufe du sie nur immerhin nach deiner Herzenslust, und behalte sie, und mache aus ihnen freie, gottergebene Menschen, so wirst du dir darob einen großen Schatz im Himmel bereiten! Aber du sollst keinen je wieder verkaufen; denn Menschen verkaufen ist ein Greuel vor Gott! Wo aber Meine Lehre einmal Wurzel fassen wird, da wird auch solch schnöder Sklavenhandel von selbst aufhören. – Da hast du wieder etwas, das du auch beachten wirst!

11. Du hast aber noch eine Frage in deiner Seele, dernach du auch nicht weißt, was du nun mit den heidnischen Götzenpriestern machen sollst, die auch zumeist deine Gäste sind und sich bei dir gerne einfinden. Ich sage dir: die laß du vorderhand sein, wie sie sind! Sie selbst glauben an ihre Götzen wohl noch weniger, denn du ehedem geglaubt hast; aber sie haben als das, was sie vorstellen, ihr Amt und ihr Brot und werden darum von dem nicht leichtlich abstehen, was sie sind. Aber mit der Zeit kannst du dem einen oder dem andern schon so ganz gemächlich etwas von Meiner Lehre kundtun, und sie werden euch wenig oder gar keine Anstände machen. Nach und nach werden auch die Götzentempel fallen. Aber Ich gebe euch dennoch kein Gebot, daß ihr sie zerstören sollet; denn es genügt vollkommen, daß sie in euren Herzen zerstört sind.

12. So aber irgend ein solcher Priester jemanden mit Gewalt dazu anhalten sollte, an seine Götzen zu glauben und ihnen das verlangte Opfer darzubringen, so saget ihm die volle Wahrheit! Will er sich aber nicht bescheiden lassen, so rufet Mich im Geiste an, und wirket ein Zeichen in Meinem Namen vor seinen Augen! Wird er das sehen, so wird er wohl glauben, so er einigen Wahrheitssinn in seinem Gemüte hat; glaubt er aber nicht, da lasset ihn gehen – und ihr bleibet bei der Wahrheit Meiner Lehre! Denn wie jetzt die Statthalter Roms denken und auch handeln, so sind die Menschen völlig frei im Wissen, Denken und Glauben.

13. Wenn aber solch ein heidnischer Priester euren Lichtglauben annimmt, so unterstützet ihn als ein Glied der neuen Gemeinde Gottes auf Erden, so er einer Unterstützung bedürftig ist, und sorget für sein zeitliches Fortkommen; ist er aber dessen nicht bedürftig, so sei er euer Freund!

14. Nun, da ist auch für diesen Fall gesorgt also, daß ihr leicht und sicher euch bei jedem Meiner Lehre hinderlich werden könnenden Falle zu richten wisset! Und da wir nun nichts mehr zu beraten und zu verhandeln haben, so gehen wir wieder ins Freie hinaus. Vielleicht stößt uns da oder dort etwas auf, was uns Gelegenheit gibt, darüber tiefere Betrachtungen zu machen!“

15. Dieser Antrag war allen recht, und wir gingen hinaus ins Freie.

93. Kapitel. Jesu Besuch des heiligen Haines und die Vernichtung der Götzenstatuen.

1. Als wir aber die Straßen der Stadt durchzogen, da fehlte es natürlich nicht an allerlei Neugierigen, die uns von allen Seiten angafften und emsig fragten, wer wir etwa doch wären. Der Arzt, der Zöllner und seine mitgehenden Kinder, besonders der vom Tode erweckte Sohn Jorab, mußten sich von den Fragenden viel gefallen lassen, da die Menschen nicht begreifen konnten, wie dieser, der volle sieben Jahre krank war und gestern dem Verlauten nach gar gestorben sei, nun ganz gesund dahergehe. Allein die Fragenden wurden freundlich mit dem abgefertigt, daß sie in den nächsten Tagen schon alles erfahren würden, und sie gaben sich damit zufrieden.

2. Aber am Ende einer langen Gasse begegneten uns drei Priester des Apollo, dann ein Zeus- und ein Minervapriester in ihren abenteuerlich und sehr magisch aussehenden Priesterornaten.

3. Sie blieben vor uns stehen, und ein Apollopriester fragte uns, ob wir als Fremde etwa in den heiligen Hain, in welchem den allerersten und allerhöchsten drei Gottheiten ein Kommunetempel erbaut sei, gehen wollten. So das unsere Absicht wäre, da würden sie uns dahin geleiten und uns gegen Entrichtung eines kleinen Opfers zur Besänftigung der drei Götter alles zeigen, was es darin Sehenswertes und Wunderbares gebe.

4. Da sagte der diesen fünf Priestern nur zu wohlbekannte Zöllner Jored: „Das sind meine Gäste; die werde schon ich freihalten, und so wollet uns denn den Tempel und eure Merkwürdigkeiten zeigen!“

5. Damit waren die Priester ganz zufrieden und führten uns freundlich in den Hain, in dessen Mitte auf einem kleinen Hügel ein runder Tempel von einer ziemlichen Ausdehnung stand. Die Hälfte des Tempels war offen, und sein Dach ruhte auf zehn Säulen; die andere Hälfte aber war eine geschlossene Mauer und bildete einen festen Halbkreis. An dieser Mauer waren die marmornen Statuen der obbenannten drei Götzen angebracht. In der Mitte saß auf einem Throne der Zeus, zu seiner Rechten stand die Minerva in ihrer Kriegsrüstung und zu seiner Linken der Apollo, aber bloß mit der Leier; denn ein Apollo mit dem Sonnenwagen und mit den Pferden wäre für diese kleine Stadt zu teuer zu stehen gekommen.

6. Als wir zum Tempel kamen, da sagte der Zeuspriester: „Wollen die Herren etwa, daß eine von den drei Gottheiten etwas reden soll, so bitte ich gefälligst, mir eine Frage gütigst anvertrauen zu wollen!“

7. Sagte Ich: „Freund, dessen hat es für uns wahrlich keine Not; denn wir kennen als sehr erfahrene Menschen alle diese Vorkehrungen und wissen nur zu genau, auf welche Weise diese Statuen reden. Daher lassen wir das, und du erspare dir diese Mühe! Aber da heute niemand mehr hierherkommen und diese Götter um einen Rat fragen wird, so lasset die drei Sprecher hinter den Götzen frei, und sie sollen als sonst ganz ehrliche Menschen zu uns herausgehen!“

8. Hier stutzte der Priester und sagte mit einem gewissen magisch-priesterlichen Pathos: „Freund, du bist ein Fremder; daher rate ich dir freundlich, den ernsten Göttern gegenüber ja nicht zu freveln, da dir darum leicht etwas Übles begegnen könnte! Denn ich sage es dir, daß da hinter den Göttern kein Sterblicher lauert und Fragen für die Götter beantwortet.“

9. Sagte Ich: „Dieweil du Mich nicht kennst, so vergebe Ich dir deine Lüge; aber überzeugen muß Ich dich denn doch, daß nur Ich, und nicht du, ganz das vollste Wahrheitsrecht habe! Sieh, Ich will nun, daß diese drei Götzen im Augenblicke zunichte werden und die drei armen Sprecher frei werden und zu uns hervorgehen!“

10. Hier sagte der Priester: „Wenn du das imstande bist, dann fallen wir vor dir nieder und wollen dich als den Gott aller Götter und Menschen anbeten!“

11. Sagte Ich: „Dessen bedarf Ich nicht, und dennoch sollt ihr eine andere Herrlichkeit der Macht des wahren Gottes, verbunden mit der Macht des Menschengeistes, dadurch kennenlernen, und Ich sage nun: Ich will es, und also sei es!“

12. Sowie Ich das ausgesprochen hatte, da war von den drei Götzen auch keine allerleiseste Spur mehr vorhanden, und die drei in engen Nischen hockenden Sprecher waren sichtbar geworden und krochen ganz erschreckt und verblüfft aus ihren finsteren Verstecken ans helle Tageslicht hervor.

13. Als die fünf Priester das sahen, wurden sie sehr betrübt, und einer, der unter ihnen der beherzteste war, sagte zu den andern: „Brüder, gegen die Allmacht des Willens eines Gottmenschen ist kein Schwert zu ziehen, sondern da ist es am geratensten, sich in seinen Willen zu ergeben! Wir sind nun freilich auf einmal erwerbs- und somit auch brotlos; aber was wollen wir machen? Wir aber sind diesem Amte stets mit aller Würde vorgestanden und haben durch den kleinen frommen Betrug nie jemandem geschadet, haben über die Gebühr auch nie von jemandem ein Opfer erpreßt, haben die Menschen stets über so manches belehrt und sind ihnen stets mit einem guten Beispiele vorangegangen. Und so hoffe ich mit Zuversicht, daß uns dieser wahrhaft allmächtige Gottmensch nicht ganz verstoßen wird, so wir ihn darum bitten.“

14. Sagten die andern: „Das wäre schon alles recht; aber was wird nun das Volk, das zum größten Teile doch noch große Stücke auf unsere drei Götter hielt, dazu sagen, so es herkommen und nicht mehr finden wird seine alten, treuen Götter? Was werden wir dann zum Volke sagen?“

15. Sagte der eine: „Auch das wollen wir diesem allmächtigen Gottmenschen anheimstellen, dann wird sich dafür wohl auch noch irgendeine gute Entschuldigung auffinden lassen, und es wird das um so leichter gehen, als nun bei dieser außerordentlichen Begebenheit unser erster Vorsteher Jored zugegen war. Es handelt sich nun vor allem nur einzig und allein darum, was wir in diesem Augenblicke machen sollen.“

16. Sagte Ich: „Leget vor allem eure lächerlichen Kleider ab, und ziehet euch als ordentliche Menschen an! Kommet dann wieder zu uns, und wir werden dann schon noch weiter reden über diesen Punkt!“

17. Hier gingen die fünf schnell in ihr Wohnhaus, das gleich hinter dem Tempel erbaut war, zogen sich um und kamen alsbald mit ihren Weibern und Kindern zu uns. Weiber und Kinder aber machten ein großes Gejammer, als sie den Tempel ganz leer fanden, und fragten nach Mir, der Ich ihnen ein so großes Unglück bereitet habe.

18. Da trat Ich zu ihnen hin und sagte: „Ich bin, den ihr suchet! Wollt ihr euch denn nicht lieber mit dem Werke der Wahrheit als mit diesen Werken des Betruges und der losesten Lüge ernähren?“

19. Da sagten die Weiber: „Das wollten wir allerdings lieber; aber wer wird uns für Werke der Wahrheit etwas geben?! Wir wissen es schon lange, daß an unseren Göttern nichts Wahres mehr haftet. Aber was nützet uns das?! Wo nehmen wir denn bessere und wahrere her? Diese unwahren haben uns doch ernährt; wie werden uns denn die wahren ernähren, die wir noch nicht haben?“

20. Sagte Ich: Darum habt ihr Weiber euch nicht zu sorgen und zu kümmern; das werden schon eure Männer tun, wenn sie, anstatt Götzenpriester zu sein, Priester und Diener des lebendigen Wortes Gottes werden!“

21. Sagten die Weiber: „Und wer wird ihnen solches geben?“

22. Sagte Ich: „Auch um das habt ihr euch nicht zu kümmern! Ich aber sage nun euch albernen Weibern: Gehet mit euren Kindern nun nur fein wieder dahin, von wannen ihr gekommen seid, ansonst Ich genötigt wäre, euch dazu zu zwingen; denn ihr habt noch zu essen und zu trinken genug! Wenn ihr nichts mehr haben werdet, dann wird schon gesorgt werden, daß ihr mit euren Kindern nicht verhungern werdet! Gehet einmal hinaus auf eure Äcker, Gärten und Wiesen, und arbeitet auch ein bißchen! Das wird euch dienlicher sein als eure Götterwascherei und Göttermacherei aus Lehm und Wachs.“

23. Hier schoben die fünf Priester ihre Weiber und Kinder zurück in ihre Wohnungen; sie selbst aber kamen bald voll Freundlichkeit zu uns zurück.

94. Kapitel. Bitte des Priesters um Wiederherstellung der Götzenstatuen. Der heilige See.

1. Und der Minervapriester, als der beherzteste und auch wissenschaftlich gebildetste, trat zu Mir hin und sagte: „Herr und Gottmensch, oder wer du auch seist, ich habe aus deinen wenigen Worten an unsere unbändigen Weiber entnommen, daß du ein guter, weiser und höchst billig denkender Mann bist, der mit sich wahrscheinlich auch ein billiges Wort wird sprechen lassen! Und da ich das als ganz sicher voraussetze, so bitte ich dich, mich gefälligst und mit einiger Geduld anzuhören. Sieh, ich weiß es, daß das, was du uns für diesen alten Heidenkram geben wirst, sicher ums unaussprechliche besser sein wird als das, was wir auch als das Allerbeste in unseren Erkenntnissphären aufzuweisen haben; aber es handelt sich hier nicht um das, sondern um ganz etwas anderes, und das ist es eigentlich auch, warum ich dich um dein geneigtes Gehör gebeten habe!

2. Sieh, es handelt sich hier erstens um die mögliche Aufrechterhaltung der Staatsgesetze mit Hilfe von allerlei guter Lehre über das Dasein übersinnlicher Kräfte und Mächte in der Natur, die wir im allgemeinen Götter nennen! Um sie dem Volke zu versinnlichen, haben wir sie ihm in entsprechenden Bildern vor seine Augen gestellt in reinen, kunstgerechten Formen. Das Volk hat sich schon von der Wiege an daran gewöhnt und hat sich bei ihrem Anblicke stets erbaut und sicher so manche gute und fromme Betrachtung dabei angestellt. Wir Priester haben aber auch unter Hinweisung auf die erhabenen Bilder ein leichtes gehabt, dem Volke so manche gute und nützliche Lehre beizubringen, was ohne diese Bilder sicher eine viel schwierigere Aufgabe gewesen wäre.

3. So das Volk an einem bestimmten Tage sich hier versammeln und die altgewohnten drei Gottheitsbilder nicht mehr sehen wird, so weiß ich da wahrlich nicht, wie die Geschichte ablaufen wird. Wir würden uns wohl ganz sicher sehr lebhaft und mit den glühendsten Worten mit dir ausreden und feierlichst entschuldigen; aber wo wirst du als ein fremder Reisender in derselben Zeit sein? Wir haben freilich zum größten Glücke hierortige höchst angesehene Zeugen aufzuweisen; aber es wird uns am Ende auch mit denen gegen ein wild gewordenes, gemeines Volk nicht viel gedient sein, und so hätte ich dich nur noch auf eine kurze Zeit um die dir leicht mögliche Wiederherstellung der drei Statuen der guten Sache wegen flehentlichst gebeten. Wir aber werden dennoch deine Lehre ganz und mit dem dankbarsten Gemüte annehmen und sie auch dem Volke überliefern und so die drei Gottheiten hier ganz entbehrlich machen, dessen du völlig versichert sein kannst; aber nur jetzt auf einmal und mit einem Schlage wird das schwer oder eigentlich schon gar nicht gehen!

4. Daher wolle du, guter Gottmensch, diese meine aufrichtige Bitte gewähren, was dir sicher ein ebenso leichtes ist wie das, was du früher mit den drei Götzenbildern gemacht hast! Ich weiß wohl, daß wir dich ehedem beleidigt haben dadurch, daß wir die von dir angegebenen Sprecher ableugnen wollten, – allein wir hatten damit ja doch nichts Schlechtes und Böses im Sinne; denn wir wußten es ja nicht, wer du sein könntest. Deine Wundertat hat uns dann freilich gleich eines andern belehrt; aber da war es denn auch schon zu spät. Aber da du noch hier bist, so vergib uns unsere frühere Übereiltheit, und gewähre uns gnädigst die an dich von mir in unser aller Namen gestellte Bitte!“

5. Sagte Ich: „Ja, was soll Ich mit euch Blinden tun? So euch die Nacht lieber ist denn der Tag des Lebens, so habt denn wieder eure toten Götzen! Aber das werdet ihr auch erleben, daß die Zeit bald hereinbrechen wird, in der das Volk hierherkommen und selbst Hand an diese Götzen legen wird, – aber auch an euch! Hättet ihr aber mit Hilfe erstens dieser bewährten Zeugen und zweitens auch mit Meiner unsichtbaren Hilfe euch an das gehalten, was Ich euch vorderhand kurz angedeutet habe, so wäret ihr gerettet; so ihr aber eure Götter alles dessen ungeachtet lieber wollt, so werden sie auch augenblicklich auf ihren alten Plätzen stehen!“

6. Sagte der Sprecher: „Herr und Gottmensch, laß uns noch eine kleine Beredungszeit, und wir werden dir treuherzigst unseren Entschluß kundgeben!“

7. Hier sagte der Zöllner: „Meine Lieben, da beratet euch, und kommet nachher zu mir in mein Haus, dort wollen wir die Sache ausmachen; denn hier wird es uns wahrlich schon so öde wie in einer ägyptischen Katakombe!“

8. Damit waren die Priester einverstanden, und wir zogen weiter dahin, wo ein kleiner See war, der eine große Tiefe hatte, was bei den asiatischen Seen beinahe durchgehends der Fall ist.

9. Als wir zu diesem See kamen, da sagte Jored: „Herr, sieh, das ist eine wahre Merkwürdigkeit in dieser unserer Gegend! Zur Nachtzeit sieht man da, besonders an den hohen Sommertagen, stets eine Menge Lichtlein über der ganzen Fläche des Wassers umherschwimmen; einige bewegen sich langsam, einige wieder schneller. Nun, die Sache da näher zu untersuchen, ist eben da wohl nicht leicht möglich, da man sich dem See wegen seiner sehr sumpfigen Ufer nicht nahen kann. Die Priester aber wissen diese Erscheinung, da dieser See noch auf ihrem heiligen Haingebiete liegt, ganz gut zu benutzen; denn wenn die Zeit, die jetzt nicht mehr ferne ist, kommt, so werden große Reden gehalten über die Ankunft der Genien aus dem Elysium, die darum erscheinen, um den Menschen Gnaden zu erteilen. Sie hätten sich darum nur diesen See erwählt, weil er der reinste auf der Welt sei.

10. Daß der See ein ganz reines Wasser haben wird, ist leicht begreiflich – denn es kann ja nichts hinkommen, was es trüben könnte –; aber mit den elysäischen Genien wird es da wohl seine sehr geweisten Wege haben! Es wäre mit der Erscheinung gar nichts so Besonderes, und sie wird auch sicher ganz natürlicher Art sein; aber die Priester, die da ganz geschickte Redner sind, wissen daraus etwas zu machen, daß man am Ende selbst – wenigstens für den Moment – ganz verblüfft wird, besonders zur Nachtzeit, wo man stets magisch erregter ist denn am Tage. Die starke Umschränkung des Sees aber hat ihr Gutes. Denn nur wenige Schritte über die gesetzten Pfeiler und die durch dieselben gezogenen Schranken wäre es niemandem mehr rätlich, sich zu wagen; denn wer da einsänke, der wäre ohne alle Rettung verloren.

11. Nun, Herr und Meister, da wäre auch so eine Erklärung notwendig, und zwar erstens: Warum muß ein so gefährlicher und eigentlich ganz nutzloser See auf dem Erdboden bestehen? Er ist mit keinen Schiffen zu befahren und hat noch nie auch nur einen Fisch zum Vorscheine gebracht. Er hat weder irgendeinen sichtlichen Zufluß und ebensowenig irgendeinen Abfluß und ist daher auch zur Bewässerung der Gegend gar nicht zu gebrauchen. Und zweitens dient er nach Deiner uns gegebenen heiligwahren Lehre nur zur Abgötterei durch seine wahrhaft magischen Lichterscheinungen, gegen die ich an und für sich nichts einzuwenden habe, aber nun in der moralischen Hinsicht sehr vieles. Denn so nun auch die drei plumpen Statuen durch Deine wunderbare, lebensmeisterliche Wunderkraft hinweggeschafft worden sind, so bleibt die Abgötterei sicher also fortbestehen wie ehedem. Wäre es Dir denn nicht auch ein ebenso leicht mögliches Ding, diesem abgöttischen See dasselbe Ende zu machen wie den drei Statuen?“

12. Sagte Ich: „Oh, allerdings, und Ich werde es auch tun, dieweil du es aus einem guten Grunde wünschest! Aber es hat dieser See eben keine so unwichtige Bestimmung für die Erde, wie du meinst, da er mit dem inneren Organismus dieses Erdkörpers zusammenhängt und von hier aus bis zu seinem Grunde eine Tiefe von mehr denn dreihundert Stunden weiten Weges hat. Er ist ein Kühlungsaufsatz über eine gar heiße Herzader der Erde, aus welchem Grunde sein Wasser ein sehr kaltes ist.

13. Der See hat einen unterirdischen Zufluß, aber keinen Abfluß, weil sein Überfluß von Wasser stets von der inneren Hitze verzehrt wird auf dem Wege der fortwährenden Verdampfung, die zur inneren mechanischen Belebung ebenso notwendig ist wie die Verdampfung der Speisesäfte im Menschenmagen, und so hat solch ein See freilich wohl keinen außerirdischen Nutzen, aber einen desto größeren innerirdischen.

14. Du magst nun freilich sagen: ,Ja, aber warum muß er denn gerade hier in einer sonst so fruchtbaren, schönen Ebene bestehen? Er könnte ja auch irgend woanders in einer Wüste bestehen!‘ Ja, da hast du gerade auch nicht ganz unrecht; aber diese Gegend war vor noch kaum zweitausend Jahren auch eine Wüste, die später in diese weiten Flächen verbannte Menschen durch den großen Fleiß ihrer Hände erst urbar und fruchtbar gemacht haben.

15. Nun, das kann aber auch mit gar vielen Wüsten dieser Erde geschehen, in denen oft 20-30 solcher Seen vorkommen! So jene Wüsten urbar gemacht werden, so werden dann dort die Menschen sicher auch also fragen: ,Ja, warum muß denn gerade da dieser oder jener gefährliche See bestehen?‘ Ich kann dir da nichts anderes sagen als das: Weil ein solcher zur Unterstützung des mechanischen Erdlebens höchst nötig ist, so muß er auch irgendwo auf der Erde sein, und so ist dieser einmal zufälligerweise nach der Ordnung der Weisheit Gottes hier, und mehrere Tausende sind auf eine gleiche Weise irgend woanders, und die allermeisten sind unter dem Meere und unter den Hochgebirgen.

16. Nun, was seine zumeist im Julius-Cäsar-Monde vorkommenden Lichterscheinungen betrifft, so sind das nichts als leuchtende Insekten, die zur Nachtzeit die vom Wasser aufsteigenden leichten Dämpfe einsaugen und sich damit sättigen. Gehe nach Indien, dort wirst du noch ganz andere nächtliche Lichterscheinungen entdecken!

17. Allein, das machte alles zusammen nichts aus, denn der See kann fest umschränkt werden, was dann seine Gefährlichkeit aufhebt, und es könnte sogar den Menschen die gewisse Lichterscheinung ganz gut und einleuchtend erklärt werden; aber weil wir diesen Priestern zulieb hier auch alles aus dem Wege räumen wollen, womit sie die Menschen ohne viele Mühe leicht betrügen und in allerlei Irrtümer noch weiter verleiten könnten, so werden wir denn auch diesen See bis auf tausend Mannshöhen tief mit fester Erde überdecken und seine notwendige Öffnung irgendwo mit einem andern großen See in Verbindung setzen, und so wird dadurch euch genützt und dem mechanischen Leben der Erde nicht geschadet sein. Und also sei es und geschehe es!“

18. In diesem Augenblick war von keinem See irgend mehr etwas zu entdecken, sondern alles war ein festes Erdreich. Man konnte des Sees Umfang nun nur nach den noch stehengebliebenen Schranken bemessen.

19. Daß das bei allen, die da mit waren, eine ungeheuer große Sensation erregt hat, läßt sich leicht denken. Aber als wir nun heimkehrten und uns aber noch in der Gegend des Sees befanden, da einige die Festigkeit des neuen Bodens mit ihren Füßen versuchten, da kamen auch die fünf Priester uns nach, da sie vorher schon beim Tempel gewahrten, daß wir etwa auch dem heiligen See einen Besuch machen dürften.

20. Als sie eilenden Schrittes an Ort und Stelle anlangten, da schlugen sie die Hände über den Häuptern zusammen und schrien (die Priester): „Aber um aller Götter willen! Was ist da nun geschehen? Vorher die drei Hauptgötter weg – und nun auch ihr reinster heiliger See! Wehe uns; denn nun sind wir verloren! Es müssen hier die großen Götter irgend gar stark beleidigt worden sein, und sie ließen darum nun zu, daß ein Hauptmagier uns das angetan hat aus ihrer Kraft in ihm, mit der sie ihn werden versehen haben. Oh, wenn uns doch nur der See geblieben wäre! Oh, wer wird uns jetzt helfen und ernähren?“

21. Sagte Ich: „Gehet nun mit zum Jored; dort werden wir das Weitere besprechen, – hier ist der Ort und die Zeit nicht dazu!“

22. Damit waren die fünf Priester sehr zufrieden und zogen mit uns zum Jored, allwo schon ein reichliches Mittagsmahl unser harrte.

95. Kapitel. Jesus beim Mahl im Hause des Zöllners Jored. Seine Lebenslehre.

1. Der Zöllner Jored lud die fünf Priester natürlich auch zum Mittagsmahle, welche Einladung sie sogleich freundlichst annahmen, und sie setzten sich an unseren Tisch. Unter dem Mahle ward allda nach griechischer Sitte wenig oder auch nichts geredet; aber nach dem Mahle, als der Wein einmal die Zungen gelöst hatte, da ging dann das Reden schon an, und es ward bald sehr lebhaft an dem Tische.

2. Die fünf Priester aber horchten nur und redeten wenig; denn sie wollten so aus den Reden der Jünger und anderen Gäste geheim ablauschen, wer Ich denn eigentlich wäre und von woher gekommen. Aber es wollte sich nichts von derlei aus den verschiedenen Reden der Gäste vernehmen lassen.

3. Mit der Zeit ging den fünfen die Geduld aus, und sie fingen an zu fragen, ob sie nun nicht etwas reden dürften, und zwar eben wegen ihres künftigen priesterlichen Verhaltens, auf daß sie mit dem Volke gleich würden.

4. Da sagte Ich zu ihnen: „Redet nichts als die Wahrheit, wie es war, und wie es geschah, und berufet euch auf die Zeugen, deren ihr hier eine ziemliche Menge habt, und es wird euch darum kein Haar gekrümmt! Dann aber fasset Meine neue Lehre auf, und traget sie dann euren Menschen vor, und sie werden sich alle dessen hoch erfreuen, so sie endlich einmal ganz andere Menschen und Lehrer ersehen werden, als es bisher je der Fall war! Meinet ihr denn, daß euch eure eurem Tempel zuständigen Menschen irgend mehr etwas geglaubt haben? Ich sage es euch: unter Hunderten nicht zwei mehr! Sie liefen euch nur aus alter Gewohnheit zu und ergötzten sich an eurer Spektakelmacherei; aber geglaubt hat euch schon lange beinahe kein Mensch mehr ein Wort! Ihr habt also hiermit nichts verloren, sondern nur vielfach gewonnen.

5. Wie aber Meine Lehre lautet, das werden euch Meine Jünger bis gen Abend hin gar leicht beibringen und euch auch sagen, wie ihr es anzufangen habt, um sie dem Volke beizubringen. Aber vor allem müsset ihr auch das tun, was die Lehre verlangt; denn erst dadurch könnet ihr zur Vollendung des Lebens gelangen und in solcher dann auch tun, was Ich nun tue und so ihr ganz vollkommen werdet, auch noch Größeres und mehreres.

6. Denn der wahre, große, einige Gott hat den Menschen nicht erschaffen, daß er, den Tieren gleich, nur tätig sei wegen der Befriedigung seiner natürlichen Bedürfnisse, sondern vielmehr der inneren, geistigen wegen. Und wer im Geistigen tätig wird und übt durch Wissen, Glauben und Tat des Geistes Kräfte, der wird im Geiste auch stark und mächtig werden.

7. Wer aber da vor allem des Geistes Kräfte übt, der erbaut in sich das Reich Gottes, und das ist im Menschen dann das wahre, ewige Leben, Gott, dem Schöpfer, verwandt und in allen Eigenschaften ähnlich.

8. Hat der Mensch aber solchen seligsten Lebenszustand in sich erreicht und seinen Willen mit dem erkannten Willen Gottes geeint, so kann er auch alles tun, was Gott tut, und er ist also in sich ein Herr des Lebens und ein mächtiger Gebieter über alle Kräfte der Natur. Daß ihr solches nun noch nicht völlig verstehen werdet, das sehe Ich; so aber Meine Jünger euch näher belehren werden, da werdet ihr auch das, was Ich euch nun gesagt habe, heller begreifen denn jetzt.“

96. Kapitel. Jesus über Astrologie.

1. Hier sagte der Minervapriester: „Höre, du Gottmensch, wir haben vor allem auch das Geschäft der täglichen Zeitbestimmung, die Ordnung und Zählung der Tage, Wochen, Monde und Jahre inne, und wir haben zu erforschen und zu bestimmen des Jahres regierenden Planeten und die zwölf Zeichen des Himmels! Es ist das ein Geschäft, zu dem viele Kenntnisse, Erfahrungen und Arbeit gehören, und es ist das für die gesamte Menschheit etwas höchst Notwendiges, da sie ohne solche unsere Wachsamkeit, Sorge und Arbeit ehest in die größte Unordnung in ihren mannigfachsten Arbeiten geraten müßte.

2. Also machen wir auch die Sanduhren und die Sonnenuhren nach dem Stande der zwölf Himmelszeichen. Nun, so wir deine neue Gottes- und Lebenslehre selbst beachten und sie auch dem Volke beibringen, dürfen wir daneben auch dieses Geschäft nicht mehr betreiben?“

3. Sagte Ich: „O ja, dieses Geschäft ist ganz in der Ordnung und ist gut; daher dürft ihr es auch betreiben bis auf eure Sterndeuterei und bis auf das, daß ihr aus den Sternen die Schicksale der Menschen herauslesen und bestimmen wollet, und dann auch bis auf das, daß ihr unter den Sternbildern lauter Götter sehet, sie anbetet und ihnen Opfer darbringt. Also, das hinweg, dann könnet ihr rechnen, wie ihr wollet, und zählen die Tage, Wochen, Monde und Jahre und könnet auch Uhren machen, soviel ihr nur immer möget, so ihr euch dabei aller Abgötterei und Wahrsagerei enthaltet! Dieses Geschäft allein ist euch von Mir aus nicht widerraten, obwohl Ich euch offen gestehen muß, daß bei eurem zeitbestimmenden Geschäfte die Bestimmung eines das Jahr regierenden Planeten eine ganz leere und dumme Sache ist. Denn sehet und habet acht:

4. Ihr zählet zu euren regierenden Planeten auch die Sonne und den Mond. Ich will aber vom Monde noch nichts sagen, da als er ein steter Begleiter dieser Erde, die wohl ein Planet ist, also ein Mitplanet ist. Aber die Sonne ist doch kein Planet, sondern sie ist ein Fixstern, wie es deren zahllos viele im endlosen Schöpfungsraume gibt. Sie ist gut um mindestens tausendmal tausend Male größer als diese Erde und für ihre um sie bahnenden Planeten eine feste, unverrückbare Lichtwelt, was ihr von Meinen Jüngern auch noch näher werdet kennenlernen.

5. Wenn das alles aber unstreitig sich also verhält, wie möget ihr eure Planeten zu gewissen Regenten eines und des andern Jahres machen?! Sehet, darin liegt eine schon von den alten heidnischen Priestern ganz fein berechnete Abgötterei! Denn so zum Beispiel in diesem Jahre bei euch Jupiter – oder euer Zeus – der regierende Planet ist, so muß ihm als einem Gotte in diesem Jahre besonders viel geopfert werden, damit er guten Mutes bleibe und des Jahres Früchte wohl gedeihen lasse. Sehet, das ist Abgötterei und darf nicht sein, wo die Menschen den wahren, lebendigen und einigen Gott erkennen sollen und leben und handeln nach Seinem treu geoffenbarten Willen; denn es steht im alten Buche der Weisheit geschrieben: ,Ich allein bin euer Gott und Herr; darum sollet ihr keine nichtigen, fremden Götter neben Mir haben und verehren!‘

6. Gott ist also nur einer, der alles, was da ist, aus Sich heraus erschaffen hat. An Den allein müsset ihr glauben, Seine Gebote, die Ich euch bekanntgebe, halten und Ihn lieben über alles in der Welt!

7. So ihr aber das tuet, um zu erhalten das, was Ich euch verheißen habe, da ist's mit den regierenden Planeten nichts mehr; denn Gott allein ist der Regent aller Dinge, aller Elemente und aller Zeiten.

8. Wer das glaubt und fest und ungezweifelt annimmt, und getreu lebt nach dem erkannten Gotteswillen, der wird auch in sich bald klarst innewerden, daß diese Worte, die Ich nun zu euch rede und geredet habe, Gottes Worte sind und so sicher zur Erreichung Meiner euch gegebenen Verheißung führen, als wie sicher Ich bloß durch Meinen Willen alles bewirken kann, was Ich will. – Habt ihr das nun wohl verstanden?“

9. Sagten die fünf Priester: „Herr, Meister und völlig wahrer Gottmensch, wir haben das nun wohl verstanden und sagen und bekennen es offen, daß du in allem ganz vollkommen recht hast und die reinste Wahrheit redest! Aber dennoch sind wir bezüglich unseres Geschäftes der Meinung, daß die Beibelassung der regierenden Planeten bei unseren Zeit- und Jahresberechnungen etwa bloß unter dem fortdauern könnte, so wir nur die altgewohnten Namen beibehalten; wir würden unsere Menschen schon dahin unterweisen, daß dies nur pure Namen sind, mit denen wir die gewissen Wandelgestirne bezeichnen. Es ist das nur wegen der ordnungsmäßigen Feststellung des Zyklus von sieben zu sieben Jahren, nach dem System der alten Ägypter bearbeitet. Das, meinen wir, würde dem Aufblühen deiner Lehre nicht schaden.“

10. Sagte Ich: „Ja, ja, wenn also schon nicht schaden, aber auch nichts nützen; denn wozu ist fürs erste der Zyklus von sieben Jahren gut? Es hat schon der von sieben Wochen und von sieben Monden gar nichts von irgendeiner Bedeutung in sich, – um wieviel weniger ein Zyklus von sieben Jahren! Aber ihr habt einmal die Zahl Sieben zu einer magischen und also bedeutungsvollen Zahl gemacht und ihr allerlei Wirkungen zugeschrieben und das ganze Volk damit betört, und so steht es nun, daß ihr von den allerleersten Torheiten nicht ablassen könnet. So ihr aber alles das schon beizubehalten nach eurer Meinung bemüßigt zu sein wähnet, so unterweiset aber doch dahin ernstlich das Volk, daß die alten Götternamen nun weiter nichts als eitel leere Namen der gewissen Wandelgestirne sind!

11. Ich sage es euch: Alle eure Berechnungen da oben am gestirnten Himmel sind pur Lüge und Trug. Meine Jünger können euch dafür ein vollgültiges Zeugnis geben. Ich habe es ihnen auch enthüllt, und sie wissen, was die Sonne, der Mond und all die andern Sterne sind. Fraget sie nachher darum, und sie werden euch auch darüber ein rechtes Licht geben! Aber ihr werdet daraus ersehen, wie überaus falsch und lächerlich dumm alle eure Berechnungen und Bestimmungen sind.

12. Wie gesagt, von eurer Zeitberechnung sind nur die sieben zu sieben Tage sich stets ändernden Mondviertel, die daraus hervorgehende Woche, die Zeit eines Mondes und die Dauer des Jahres etwas Wahres und Richtiges, – alles andere ist eine allerleerste Faselei. Ihr wisset nun auch, was an eurer Berechnung ist, und es steht nun völlig bei euch, zu tun, was ihr wollet!“

13. Als die fünf solche Worte über ihre ihnen so wichtig scheinende Zeit- und Sternberechnung vernommen hatten, machten sie alle große Augen und sprachen geheim also untereinander: „Von Ägypten hat der sich seine Weisheit und magische Willenskraft nicht geholt; denn sonst müßte er über Ägyptens alte und beste Sternkunde doch anders reden! Er aber verwirft schon gleich alles, bloß das nicht, was ohnehin ein jeder noch so einfache Mensch für sich ganz leicht an den Fingern nachzählen und berechnen kann. Er muß seine Gründe dafür haben. Wir werden uns darüber wohl mit seinen Jüngern verständigen!“

14. Sagte darauf der erste Apollopriester, der der eigentliche Hauptastronom war: „Ich habe doch zu Diathira in Oberägypten unter dem großen Zodiakus im Tempel des Chronos die Zeitrechnung, die Astronomie und die wunderbare Astrologie mit allem Fleiße studiert, und das nach dem neuen System des großen Ptolemäus, und jetzt ist das auf einmal nichts?! Was soll man aber dann denken bei dem Anblick der wunderbaren Sternbilder des Himmels? Sollen diese denn im Ernste keine andere und höhere Bedeutung haben, als bloß durch ihren Schimmer zur Nachtzeit dieser Erde ein spärlichstes Lichtlein zu spenden?! Warum dann ihre so mannigfachen Gruppen, die sich stets gleichbleiben? Wozu ihre verschiedenen Größen und ihre Farben? Wahrlich, das ist nun eine harte Probe für uns! Allein, sei es nun, wie es wolle, wir werden sehen, was uns seine Jünger Neues erzählen werden!“

97. Kapitel. Jesus heilt Kranke in einem Fischerdörfchen.

1. Darauf erhoben wir uns vom Tische, da es ohnehin nahe um die vierte Stunde des Nachmittags war, und Ich beorderte nun Andreas und Nathanael, diesen Priestern den erforderlichen Unterricht zu erteilen, und ging mit den anderen Jüngern und Hausleuten ins Freie.

2. Da kam aber auch der Zeuspriester nach; denn er sagte zu den andern vieren: „Habt ihr wohl acht, was die beiden Männer euch sagen werden; ich aber werde dem Meister nachgehen und sehen und hören, was er irgend tun und reden wird.“

3. Und also kam er uns nach, als wir längs des Euphrat dahinwandelten, an dessen rechtem Ufer – an dem der Ort lag – sich auch eine Menge seltener und heilsamer Kräuter befanden. Wir kamen eine Stunde Weges am Strome abwärts, allwo sich ein Fischerdörfchen befand, dessen Einwohner sich zumeist vom Fischen ernährten; denn der Boden war steinig und sandig, hie und da nur mit spärlichem Grase und andern Kräutern bewachsen, auf dem kaum einige wenige Ziegen ihr Nährfutter zur Genüge fanden, und er war darum zum Ackerbau nicht geeignet.

4. Als wir hier ankamen, da gingen uns sofort eine Menge Menschen entgegen und grüßten den ihnen sehr bekannten Zöllner Jored, baten ihn aber auch um Nachsicht und Geduld, da sie ihm noch einen Teil ihres Fischerpachtschillings schuldeten.

5. Der Zöllner aber erließ ihnen denselben ganz und sagte noch dazu: „Nicht nur den Pachtschilling, den ihr mir schuldet, erlasse ich euch, sondern ich enthebe euch auch für alle Zukunft jeder weiteren Zinszahlung; nur den kaiserlichen Zinsgroschen allein werdet ihr als von nun an volle und freie Eigentümer dieses Dörfchens und der Fischerei selbst entrichten, und den werdet ihr durch den Verkauf der Fische schon IN COMMUNE gewinnen können. – Seid ihr damit zufrieden?“

6. Aus großer Dankbarkeit fielen nun Männer und Weiber auf ihre Angesichter nieder und lobten mit lauter Stimme die große Güte Joreds. Jored aber behieß sie, sich zu erheben vom Boden und kein solches Wesen zu machen für eine so geringe Wohltat.

7. Als sie sich vom Boden erhoben hatten, da stellte er ihnen den vom Tode erweckten Sohn vor und gab ihnen kund, wie es hergegangen war. Da drangen diese Menschen zu Mir herüber, da Ich mit dem Arzte ganz knapp am Wasser stand, und fingen an, Mich zu loben und sehr zu preisen, weil Ich des Jored Sohn vom Tode erweckte und er ihnen sicher darum nun solche große Wohltat erwiesen habe, was er sonst, obwohl er allzeit ein sehr guter und billiger Mann war, doch sicher nicht getan haben würde.

8. Darauf fragten sie Mich in ihrer schlichten Einfalt, wer Ich denn sei, daß Ich so etwas Unerhörtes zu bewirken imstande wäre.

9. Ich aber beruhigte sie und sagte zu ihnen: „Wer und was Ich bin, das werdet ihr alle noch früh genug erfahren. Soviel aber möget ihr vorderhand aus Meinem Munde erfahren, daß Ich ein allein wahrer Weltheiland für alle Menschen bin und nicht nur die Macht habe, jeden Menschen dem Leibe nach gesund zu machen bloß durch Meinen Willen und durch Mein Wort, sondern der Menschen Seelen vom langen Irrsal erlösen und ihnen das ewige Leben geben kann. Habt ihr aber etwelche Kranke in eurem Dörfchen, so bringet sie hierher, und Ich werde sie alle gesund machen!“

10. Da dankten die armen Leute schon zum voraus und sagten: „O du lieber Weltheiland, wir haben der Kranken genug, und selbst wir sind im ganzen nicht so gesund, als wie wir noch teilweise aussehen; aber unsere Kranken sind zumeist wohl mit solchen Gebrechen behaftet, daß bei ihnen nicht viel mehr irgend etwas zu heilen sein wird!“

11. Sagte Ich: „Gehet und bringet sie nur alle hierher, und ihr sollet die Kraft und Herrlichkeit Gottes, die Er dem Menschen gegeben hat, zum ersten Male in eurem Leben kennenlernen!“

12. Hierauf eilten diese Menschen in ihre dürftigen Wohnungen und brachten bei zwanzig Kranke; darunter waren Lahme, Krüppel, Gichtbrüchtige, Blinde, Taube, Aussätzige und sogar ein Mensch, der keine Arme hatte. Dieser Mensch war sonst zwar gesund und kräftig; aber da er schon als Kind die beiden Arme durch die Unachtsamkeit seiner Wärterin verloren hatte, so war er als ein armloser Mensch keiner ordentlichen Arbeit fähig, außer, was er mit seinen Füßen notdürftigst zu tun imstande war.

13. Als die Kranken nun alle auf einem sparsamen Rasen dalagen, da trat Ich zu ihnen hin und sagte: „Möchtet ihr wohl alle von euren Übeln geheilt sein, und glaubet ihr es, daß Ich euch heilen kann?“

14. Da sagte ein gichtbrüchiger Greis: „Guter, lieber Weltheiland, so es dir möglich war, den Sohn Joreds vom Tode zu erwecken, so glauben wir auch, daß du auch uns wieder wirst gesund machen können! Daß wir arg Leidende aber alle wieder frisch und gesund werden möchten, das versteht sich schon lange von selbst. Wenn du, o guter, lieber Weltheiland, uns gesund machen willst, so wolle uns damit deine Liebe und Gnade erweisen! Geben können wir dir zwar nichts darum; denn du siehst ja unsere große Armseligkeit. Wir haben zwar schon alle Götter angerufen, aber sie wollten uns nicht erhören, weil wir sicher kein genügendes Opfer dafür darbringen konnten. Wenn du uns aber heilst, so bist du mehr und besser denn alle Götter des Himmels!“

15. Hier machte der anwesende Zeuspriester große Augen und sagte zum Arzte: „Wenn er das kann, dann ist er kein Mensch mehr, sondern wahrhaftigst ein Gott!“ Am meisten neugierig aber bin ich auf den armlosen Menschen! Kann er auch dem die beiden verlorenen Arme wiedergeben, so ist er dann schon ganz unfehlbar ein Gott, und wir müssen ihn anbeten!“

16. Hier hob Ich Meine Augen empor und sagte laut: „Vater, Ich danke Dir, daß Du Mich abermals erhört hast! Ich weiß es wohl, daß Du Mich allzeit erhörst; aber Ich sage und tue das darum, auf daß auch diese Heiden Dich erkennen, an Dich und an Mich glauben sollen und dann allein preisen Deinen heiligen Namen!“

17. Hierauf wandte Ich Mich zu den Kranken und sagte: „Stehet auf und wandelt!“

18. Da erhoben sich alle; denn sie wurden alle in ein und demselben Augenblicke völlig gesund.

19. Nur der Armlose hatte seine Arme noch nicht bekommen und kam darum zu Mir und sagte: „O du guter Weltheiland, da es dir möglich war, durch deinen wunderbarst allmächtigen Willen alle diese Kranken zu heilen, so dürfte es dir wohl auch sicher möglich sein, mir die beiden Arbeitshände zu geben, damit ich mir dann durch allerlei Arbeit mein Brot verdienen könnte! Oh, laß mich nicht leer von dieser Stelle ziehen, auf daß auch ich in den vollsten Dankesjubel mit den andern Geheilten aus vollstem Herzen einstimmen kann!“

20. Sagte Ich: „Warum zweifeltest du in dem Momente, als Ich die anderen heilte? Siehe, die alle glaubten und wurden geheilt; hättest du nicht gezweifelt, so wärest du nun auch schon im Besitze deiner Hände!“

21. Sagte der Armlose: „O guter Weltheiland, nimm mir doch das nicht für ein Übel, da ich ja nun vollauf glaube, daß du auch mir helfen kannst!“

22. Hier machte hinter Meinem Rücken der Zeuspriester zum Arzte die geheime Bemerkung: „Ich habe es mir gleich gedacht, daß es mit diesem Armlosen einen Heilungsanstand haben werde! Denn es ist ein ganz anderes, Menschen, die noch alle Glieder, wenn auch noch so verkrüppelt, haben, durch eine magische Wort- und Willensmacht zu heilen, als einem Menschen ein ganz fehlendes Glied als ganz neu erschaffen wiederzugeben!“

23. Sagte der Arzt: „Der Meinung bin ich nicht; denn wer drei kolossale steinerne Statuen in einem Moment in ein purstes Nichts verwandeln kann und den See zudecken mit fester Erde bis in eine große Tiefe, der kann auch solch einem Menschen die Arme wiedergeben, so er nur will!“

24. Auf diese Worte des Arztes sagte der Zeuspriester nichts mehr; aber es trat Jored zu Mir und sagte: „Herr, wenn es Dein Wille ist, so gib auch diesem Menschen seine Hände, und ich will ihn dann in meinen Dienst nehmen, und er soll bei mir gut verpflegt sein!“

25. Sagte Ich zum Jored: „Sei du ruhig, Ich werde ihm die Hände geben; aber nun muß Ich noch des Zeuspriesters wegen ein wenig zögern, denn der hat gemeint, daß Mir solches nicht gelingen werde, und Ich werde darum zuvor mit ihm noch ein paar Worte wechseln.“

26. Hierauf wandte Ich Mich um und sagte zu dem Priester: „Höre, du schwachsinniger Mensch, wie urteilest du über die göttliche Weisheit, Kraft und Macht?! Wer hat denn den ersten Menschen in die Welt gestellt ohne Zeugung und Mutterleib und hat dem, der zuvor nicht war, gegeben alle seine Glieder in der möglichsten Vollendung? Siehe, das war Der, welcher nun wirket in Mir, wie du dich hast überzeugen können bei den etlichen Zeichen, die Ich hier bereits gewirkt habe! Siehst du denn das nicht ein, daß ein purer Mensch aus sich das nicht wirken kann, was Ich dahier nun wirke, sondern nur der Geist Gottes, der in Mir ist und eins ist mit Meinem Willen?! Ein Priester sein und das nicht auf den ersten Blick einsehen, wie solche Taten, die Ich nun wirke, möglich sind, ist im Ernste für einen Zeuspriester, der doch alle möglichen Schulen durchgemacht und den Plato, Sokrates u. dgl. a. durchstudiert hat, nicht sehr rühmlich! Sage es Mir, ob du vollernstlich meinst, daß Ich dem Armlosen seine Arme nicht wiederzugeben vermag!“

27. Sagte der Priester: „Das, mein wirklich allmächtiger Freund, habe ich eigentlich denn doch nicht gemeint, obwohl es mir also vorkam, als würdest du bei bresthaften Menschen nur jene Leibesteile wieder gesund machen können, die noch da sind, aber die durch irgendeinen bösen Zufall verlorenen nicht mehr! Denn ich dachte mir: Du kannst wohl mit der rohen und toten Materie, die ihren verwandten Stoff in der Luft und im Wasser hat, als ein in alle unsichtbaren Naturkräfte tiefst Eingeweihter leicht agieren, und sie müssen dir offenbar gehorchen; aber die schon seit langem verlorenen Arme eines Menschen seien ganz etwas anderes, da ihre Grundstoffe doch sicher von den ersten Urelementarstoffen schon sehr weit entfernt sind und aus der Luft und aus dem Wasser nicht so leicht zusammenzubringen sein sollen. Aber es wird dem schon nicht also sein, und dir wird das eine so gut wie das andere möglich sein! Ich habe zuvor wohl dem Arzte meine ein wenig zweiflerische Meinung angesagt, aber er hat mich selbst vom Gegenteile meiner Meinung mit wenigen Worten völlig überzeugt, und so glaube ich nun, daß du dem Armlosen seine Arme geben könntest, so du sie ihm auch aus irgendeinem Grunde nicht geben würdest.“

28. Sagte Ich: „Ah, das ist nun eine ganz andere Sprache, und Ich habe gar keinen Grund, diesem Menschen seine Arme nicht wiederzugeben; darum will Ich, daß er sie in diesem Augenblicke habe!“

29. Als Ich solches kaum ausgesprochen hatte, da hatte der Armlose auch schon seine beiden ganz kräftigen Arme und konnte sich ihrer auch sogleich also bedienen, als hätten sie ihm nie gemangelt.

30. Das machte bei allen Anwesenden eine so ungeheure Sensation, daß sie alle zu schreien anfingen: „Das ist kein Mensch, sondern das ist ein wahrer Gott! Dem wollen wir Tempel erbauen und ihm allein die reinsten und die besten und wertvollsten Opfer bringen!“

31. Ich aber beruhigte sie und erklärte ihnen, so wie tags zuvor dem Jored, des Menschen Lebenskraft im Vereine mit der Kraft des Geistes durch den Glauben und danach durch die höchste Liebe zu Gott, der ewig war, ist und sein wird. Die einfachen Menschen glaubten und begriffen das ganz leicht und bald.

98. Kapitel. Gewandte Verteidigungsrede eines Heidenpriesters.

1. Darauf behieß Ich die Jünger, daß sie den Leuten die Hauptsätze Meiner Lehre kundtun sollten. Als auch das bald und leicht geschehen war, da dankten alle gar inbrünstigt Mir für solche ihnen erwiesene große Wohltat. Dem Zeuspriester sagten sie aber auch gleich, daß sie seinen toten und niemand etwas helfenden Göttern völlig absagen und hinfort den Tempel nicht mehr besuchen würden.

2. Aber der Priester sagte: „Da bin ich euch schon zuvorgekommen! Wir werden uns aber nun fürder in dieser neuen Lehre noch gar oft sehen und uns gegenseitig erbauen in dieses lebendigen Gottes Namen. Denn unsere alten, steinernen Götter bestehen schon gar lange nicht mehr, das heißt, der Zeit und der Wahrheit nach haben wir Priester schon gar lange nichts mehr darauf gehalten, und sie waren für uns auch schon gar lange so gut wie gar nicht da; aber sie bestehen jetzt auch nicht mehr, denn dieser Allmächtige hat sie mit seinem Willen vernichtet und hat auch den heiligen See für alle Zeiten der Zeiten mit fester Erde zugedeckt. Wir selbst sind nun auch seine Jünger geworden und werden euch dann anstatt der alten Lüge die neue, kernfeste Wahrheit vortragen und werden euch nützen durch allerlei nützlichen Unterricht, und so werden wir die alten, guten Freunde verbleiben!“

3. Hier sagte der Vorsteher dieses Dörfchens: „Es wäre nun denn also schon alles recht; doch eines gefällt mir von dir, besonders bei dieser wunderbaren Gelegenheit, nicht! Du sagtest, daß ihr Priester sowohl der Zeit als auch der Wahrheit nach schon lange nichts mehr auf die Götter gehalten habt. Das war ganz gut und weise für euch und für eure Säcke; denn weil ihr eben keinen Glauben an die alten Götter hattet, so habt ihr ihnen andichten können, was euch beliebt hat. Ihr repräsentiertet euch uns als die Vermittler zwischen den Göttern und uns armseligen, dummen und blinden Menschen und sagtet: ,Das und jenes verlangen die Götter als Sühnopfer, damit sie uns nicht heimsuchen mit dieser und jener harten Plage!‘ Wir opferten dann als Narren willig, – und ihr verschlanget anstatt der Götter, die nie und niemals irgend bestanden haben, die oft sehr reichlich euch für die Götter dargebrachten Opfer! So ihr selbst aber schon so lange an die Götter nicht geglaubt habt, warum triebet ihr denn hernach einen so ungerechten Unfug, und warum betroget ihr uns? Wie werdet ihr das an uns wieder gutmachen?

4. Was ich hier rede als selbst ein armer Fischer und als Vorsteher dieser kleinen Gemeinde, das rede ich nicht für mich, sondern für die ganze Gemeinde, und du, als mir bekannt der erste von euch fünf Priestern, wirst uns darüber wohl Rede stehen müssen und sagen, aus welchem Grunde ihr mit uns also gehandelt habt, als wäret ihr schon gleich die allmächtigen Götter gewesen, und beleget den mit harten Strafen, der als ein selbst vernünftiger Mensch euch irgendeine Widerrede gegeben hat. Wenn ihr uns da nicht die genügenden Aufklärungen geben werdet, so wird es mit unserer künftigen Freundschaft einen schweren Bestand haben!“

5. Sagte der Priester: „Lieber Freund, fürs erste haben wir euch die Götterkunde nicht gegeben, sondern ihr seid schon in derselben geboren und erzogen worden, und fürs zweite frage ich dich nun, was ihr dann mit uns gemacht hättet, so wir auf einmal aufgestanden wären und hätten mit guter Rede euch eure alten Götter für null und nichtig erklärt. Wir mußten also das, was wir taten, nur euretwegen tun und nach Möglichkeit suchen, euren alten Aberglauben an die Götter aufrechtzuerhalten, da ihr uns im Gegenfalle ganz sicher nicht sehr freundlich an den Leib gegangen wäret. Solange also der alte Glaube an die vielen Götter bestand, waren wir genötigt, euch als Narren zu dienen, und waren sonach als sonst mit allen Wissenschaften ausgerüstete Menschen doppelt unseres Lohnes wert.

6. Zudem haben wir auch aus politischen Rücksichten für den Staat das, was wir taten, tun müssen. Hätten wir etwas Entgegengesetztes getan, so hätten uns bald die römischen Gerichte gefragt, warum wir der alten Götterkunde entgegenarbeiten und dem Volke eine andere Lehre geben, die nirgends als vom Staate sanktioniert erscheint. Wir wären darauf sicher unserer Ämter verlustig geworden, und euch wären andere Priester gegeben worden, die mit euch sicher nicht so glimpflich wie wir umgegangen wären. Und wer steht nun dafür, daß, so wir abtreten, ihr nicht vom Staate aus bald neue Priester hierherbekommt, die euch dann ganz arg plagen werden?

7. Freilich haben wir alte es nun leichter, indem wir nun so viele Zeugen haben für das, was hier von einem wahrsten und lebendigen Gott bewirket wurde, und so wir von nun an unerschütterlich fest das glauben und tun, was uns die neue Lehre zeigen wird, und wir dann selbst mit unserem geläuterten Willen etwas Besonderes zu bewirken imstande sein werden, so werden wir uns durch das alles vor den allenfalls auf uns aufmerksam gewordenen Gerichten leichter verantworten können, und die Gerichte werden dann ihr Schwert wieder in die Scheide stecken können.

8. Daher sage ich dir als dem Vorsteher dieses Ortes: So wir als Freunde nun also bleiben, wie wir waren, so werden wir sicher eine geraume Zeit hindurch ungestört uns in der neuen Lehre üben können, bis wir darin durch die uns sicher zuteil werdende Gnade dieses wahren, neuen Gottes eine Festigkeit dahin werden erreicht haben, daß auch uns so manches gelingen wird, wovon bis jetzt noch kein römischer Richter einen Begriff hat und haben kann, und dieser wird uns dann, wie ich schon früher bemerkte, in Ruhe lassen. – Rede du nun, ob ich recht habe oder nicht!“

9. Sagte der Vorsteher: „Da hast du recht geredet, – aber die hauptsächlich Betrogenen waren dennoch immer wir; denn ihr wußtet, daß an der alten Götterlehre nichts ist, wir aber wußten das nicht und hielten große Stücke auf sie, weil ihr uns solches durch eure gewählten Reden gut einzuprägen verstandet. Aber nun lassen wir das gehen, da uns allen durch diesen Weltheiland ein so unerwartet großes Heil widerfahren ist, und seine Jünger befassen sich noch obendrauf damit, uns in der Lehre zu unterweisen, wie ein Mensch zu solchen außergewöhnlichen und eigentlich noch nie dagewesenen Fähigkeiten des Lebens gelangen kann! Aber ich muß nun selbst davon etwas vernehmen.“

10. Hier begab sich auch der Priester zu den lehrenden Jüngern und hörte die kräftig Lehrenden bei zwei Stunden lang mit der größten Aufmerksamkeit an und ersah erst aus den Worten der Jünger, die hier ganz offen redeten, wer Ich sei, und was Ich mit den Menschen wolle.

11. Ich Selbst aber besprach Mich unterdessen mit dem Jored, mit dem Arzte, mit dem Sohne Jorab und mit dem früher armlosen Menschen, den nun Jored seinem Versprechen nach zu sich nahm, und machte ihnen so manches begreiflich, was sie sonst wohl kaum je hätten begreifen können.

99. Kapitel. Joreds armes Fischerdörfchen wird von Jesus gesegnet.

1. Nachdem aber die Jünger ihren Unterricht beendet hatten, da kam alles wieder zu Mir und dankte Mir mit hoch aufgehobenen Händen für die Heilung und ganz besonders für die Lehre, durch die sie nun zum ersten Male zu der Einsicht gelangt seien, was eigentlich der Mensch ist, und wozu er bestimmt ist.

2. Ich aber sagte zu ihnen: „Meine Lieben, tuet danach, dann erst wird euch völlig klar werden, daß die Lehre, die ihr vernommen habt, nicht aus dem Munde eines puren Menschen stammt, sondern wahrhaftest aus dem Munde Gottes, und sie in sich die höchste und reinste Wahrheit und also das Leben selbst birgt!“

3. Sie versprachen alle auf das teuerste, das alles strengst zu beachten, nur um das einzige baten sie Mich, daß Ich, da es Mir sicher auch möglich sein müßte, ihr Dörfchen dahin nur ein wenig segnen möchte, daß sie hinsichtlich ihrer natürlichen Bestehung nur um ein ganz geringes leichter auskämen und nicht gar so mager und elend leben müßten. Wenn sie so wie bis jetzt nur unter den größten Anstrengungen sich ihre kargste Nahrung fort und fort erwerben müßten, so könnten sie zu dieser neuen und so ernsten Lebenssache viel zuwenig Zeit erübrigen, was für sie nun etwas sehr Schmerzliches wäre.

4. Da sagte Ich: „Nun, was möchtet ihr wohl? Möchtet ihr recht fette Wiesen für eure Ziegen und Schafe, und möchtet ihr auch Obstbäume und Fruchtäcker und eine reichlichere Fischerei haben und daneben etwa auch ein wenig bessere Häuser und Wirtschaftsgebäude?“

5. Sagte der Vorsteher: „Oh, Herr und Meister des Lebens und aller Dinge, das alles wäre sehr gut und für uns überaus wünschenswert, aber wir sind alles dessen noch gar lange nicht würdig! Daher wären wir vorderhand schon mit einer nur ein wenig fetteren Weide für unsere mageren Ziegen und Schafe mehr als vollkommen zufrieden. Wenn dann und wann uns auch ein reichlicherer Fischfang könnte beschieden sein, so wären wir ja ohnehin die glücklichsten Menschen auf der Erde!“

6. Sagte Ich: „Höret, bei euch kommt es nun im Ernste auf das alte Sprichwort an, das also lautet: ,Wer das Kleine nicht ehrt, ist auch des Größeren nicht wert!‘ Da ihr aber das Kleine ehret, so seid ihr auch des Größeren wert. Und so denn werde euch alles, was Ich zuvor ausgesprochen habe!“

7. In diesem Augenblicke standen ganz niedliche Häuser mit ganz guten Wirtschaftsgebäuden da, die ganze weite Sand- und Geröllsteppe ward zur üppigsten Wiesenflur, und strichweise waren die fruchtreichsten Weizenäcker zwischen den Wiesenfluren zu sehen. Um die Häuser prangten mit guter Umzäunung die edelsten Obstbäume von allerlei Art und Gattung, sogar die Rebe fehlte nicht, und was das Fischwasser betrifft, so ward es auch derart gesegnet, daß man nun schon bis ans Ufer die schönsten Fische in großen Gruppen streifend ersah, und die freien Wiesen waren voller Ziegen und Schafe; aber auch innerhalb der neuen Zäune, die ganz zierlich um die Wohnhäuser, Wirtschaftsgebäude und Obstbäume liefen, bemerkten die Einwohner eine Menge Geflügel, wie es sonst bei den reichen Griechen üblich war.

8. Als die armen Einwohner das alles auf einmal ersahen, da wußten sie anfangs gar nicht, ob das wohl Wirklichkeit oder ein schöner Traum sei. Erst nach einer Weile kamen sie zu sich und fingen an, ein ordentliches Dankgeheul anzustimmen.

9. Aber Ich beruhigte sie wieder und ermahnte sie, erstens sich nun darum nie und niemals zu übernehmen, da sonst gar leicht ein Hochgewässer ihnen das alles wieder nehmen könnte, – zweitens sollen sie das nicht aller Welt, die dadurch herkommen könnte, zu laut verkünden, wie sie dazu gekommen sind, da die Welt solches nicht fassen könnte, sie höchstens verlachen würde und nicht unterließe, ihnen zu schaden. Sie sollen nur sagen, daß dies ein Lohn ihres besseren Lebenseifers sei. Und drittens sollen sie untereinander liebreich und sehr verträglich sein, und keiner solle je seinen Nachbarn um ein etwa möglich größeres Glück beneiden, sondern sie sollen alle untereinander voll Liebe und voll Diensteifer sein, einer für den andern, und sollen führen ein reines, keusches und dadurch Gott wohlgefälliges Leben, und es werde da der gegenwärtige Segen nie von ihnen weichen.

10. Sie gelobten das alles auf das teuerste und unter lautem Weinen und Schluchzen vor Freude.

11. Nun aber sagte Ich abermals zu ihnen: „Gehet jetzt in eure neuen Wohnungen, und nehmet von allem Besitz, was ihr darin finden werdet!“

12. Sie aber baten Mich, daß Ich ihnen nun die neuen Wohnungen als diesem und jenem eigentümlich seiend gnädigst anzeigen möchte, da sie sich nun gar nicht auskennten, wem das eine oder das andere gehöre.

13. Da beschied Ich die Jünger, daß sie diesen Menschen das tun sollten. Und die Jünger taten das, und es war diese Sache also bald in eine gute Ordnung gebracht.

14. Da aber die Bewohner in den neuen Wohnhäusern auch eine reichliche Versorgung vorfanden, so wollten sie alle noch einmal zu uns zurück, um ihren abermaligen lautesten Dank vor Mir auszusprechen; aber die Jünger sagten ihnen, daß sie das nur ganz still im Herzen tun sollten, und daß Ich sie gar wohl verstehen werde, da Mir selbst der allerleiseste Gedanke eines auch in der größten Ferne seienden Menschen nicht fremd sei und bleibe. Daher sie sich das auch zu Herzen nehmen sollen, ja keine schlechten Gedanken in sich aufkommen zu lassen, da Ich darum augenblicklich wissen würde.

15. Da gaben sich die Einwohner zufrieden und fingen an, alles in den seligsten Augenschein zu nehmen, was ihnen durch dieses Wunderzeichen alles zuteil geworden war.

100. Kapitel. Jesu Rückkehr nach Chotinodora.

1. Darauf kamen die Jünger wieder zu uns bis auf Judas Ischariot. Dieser nahm sich noch die Mühe, für sich die Bewohner den Gebrauch der verschiedenen Gerätschaften zu lehren, und aß und trank von Haus zu Haus; denn er wollte für seine Unterrichtsmühe denn doch auch etwas haben. Wir aber ließen ihm seine Freude und zogen unter manchen guten Gesprächen hinauf nach Chotinodora. Als wir allda ankamen, hatte sich die Sonne schon sehr dem Untergange genaht, und wir waren denn auch schon ein wenig müde geworden und gingen ins Haus Joreds, und zwar in den schon bekannten Saal. Da waren auch die beiden Jünger mit den vier Priestern, die daheim von ihnen unterwiesen wurden, und es kamen bald eine Menge Menschen des Hauses und der Stadt und erkundigten sich emsigst, was etwa bei der kleinen Reise nach dem Fischerdörfchen sich alles zugetragen habe.

2. Nun, da gab es gegenseitige Erzählungen und Verwunderungen in die schwere Menge bis nahe in die sinkende Nacht. Nur das hereingebrachte Nachtmahl brachte die Zungen zu einiger Ruhe, und die Bürger der Stadt verließen uns auch nach und nach, so daß wir das Mahl in einer größeren Ruhe genießen konnten.

3. Als wir mit dem Mahle zu Ende waren, da erst kam Judas Ischariot uns nach und machte so ziemlich forschende Augen, ob das Mahl erst angefangen oder schon beendet sei. Er fand es aber schon beendet und ergab sich darum willig in sein Schicksal. Es wollte ihm aber Jored etwas richten lassen; das ließ Judas Ischariot jedoch nicht zu und bat ihn bloß um etwas Brot und Wein, was er auch sogleich bekam.

4. Aber unser Thomas konnte es ihm dennoch nicht ganz nachsehen, da er durch Mich innewurde, daß Judas Ischariot in dem neuen Dorfe dem dortigen Wunderweine ganz kräftig zugesetzt hatte. Aber diesmal tat Judas Ischariot also, als hätte er den Thomas gar nicht vernommen, ging aber dennoch, als er seinen tüchtigen Becher Wein geleert hatte, hinaus, und wir sahen ihn diese Nacht nicht wieder. Er hatte draußen einen Bürger gefunden, der sich mit ihm über die Geschichten dieses Tages unterhielt und ihn dann auch mit in sein Haus nahm, wo es für ihn dann einen guten und reichlichen Nachtschmaus absetzte.

5. Als wir aber noch so am Tische saßen, da kamen die Weiber und Kinder und andere Diener der fünf Priester, um nachzuforschen, was mit ihnen geschehen sei, da sie sich den ganzen Nachmittag nirgends hatten sehen lassen, wo ihre Angehörigen hinzukommen pflegten.

6. Und die Weiber erhoben denn auch ganz ernste Worte, was denn nun in der Folge werden solle, da nun alles zerstört sei, was sonst zu ihrem Dienste gehörte.

7. Die Priester aber verwiesen ihnen solche Fragen ernstlich und sagten: „Wir – und nicht ihr – waren die Priester der menschlichen alten und unverbesserlichen Blindheit und gräßlichsten Dummheit! Wir wissen nun etwas anderes und werden auch erzfest bei dem verbleiben. Haben uns aber die nichtigen, alten und total falschen Götter ernährt und erhalten für unseren leeren Dienst, so wird uns wohl der eine und vollwahre, allmächtige Gott auch erhalten, so wir nun alle Ihm allein wahrhaft dienen! – Und nun fraget um nichts Weiteres mehr; morgen ist auch noch ein Tag, an dem eure weibliche, alberne Neugier befriedigt werden kann!“

8. Auch diese ganz gute und ernste Rüge der fünf Priester an ihre Familien machte eine gute Wirkung; sie schwiegen und begaben sich ganz geduldig wieder nach Hause.

9. Hierauf ward noch so manches Gute besprochen, und die zwanzig Neujünger sagten unter sich: „Oh, wäre dieser Ort Jerusalem, welch ein seliges Leben wäre da! Aber geschähe das in Jerusalem, was alles heute hier geschehen ist, so würde das die Templer noch ärger aufregen, und keiner von uns wäre eine Stunde mehr seines Lebens sicher. Und dort sollen die Kinder Gottes wohnen, und hier sind pur finstere und lichtlose Heiden?! Höret uns auf mit den Kindern Gottes in Jerusalem! Dahier sind nun die wahren Kinder Gottes – und zu Jerusalem Kinder des Satans!“

10. Sagte Ich: „Na, na, ereifert euch nicht zu sehr! Ihr habt wohl recht geurteilt; aber hier ist nicht der rechte Ort dazu. Darum redet lieber von etwas anderem!“

101. Kapitel. Jesus erläutert die Visionen Daniels.

1. Sagte einer von den zwanzig, der ein Schriftgelehrter des Tempels war: „Herr, da Dir alle Dinge bekannt und möglich sind, so könntest Du uns wohl aus dem Propheten Daniel, und besonders dessen siebentes Kapitel, ein wenig erklären! Dieser merkwürdige Seher gibt zwar eine eigentümliche Erklärung über sein Gesicht der vier Tiere, – aber die Erklärung ist ebenso unbestimmt und dunkel wie das geschaute Bild, das dem Seher Grauen erregte. – Könnten wir denn über dieses Gesicht von Dir keine nähere Aufklärung erhalten?“

2. Sagte Ich: „Oh, allerdings; aber auch dazu ist hier der Ort nicht, da diese Menschen von unserer Schrift wenig oder auch gar nichts wissen. Dann seid auch ihr selbst noch viel zuwenig in euren – sage – jenseitigen Geist eingedrungen und mit ihm noch zu wenig eins geworden, um das Gesicht des Sehers Daniel einzusehen und aus dem Fundamente zu fassen. Denn würdet ihr auch die zwei ersten Tiere zur Not begreifen, so könntet ihr doch nicht die zwei letzten begreifen, weil ihr Sein und Wirken den künftigen Zeiten aufbewahrt ist. Wie könnte man aber eurem noch bloß natürlichen Verstande etwas als hell erleuchtet darstellen, was auf der Erde noch nicht da war, sondern erst nach vielen Jahrhunderten sich abspielen wird?!

3. Das einzige kann Ich euch sagen, daß die vier sonderbaren Tiere nicht etwa vier nebeneinander bestehende Reiche darstellen, wo vom letzten dann noch zehn Königreiche entstehen nach der Zahl der zehn Hörner, in deren Mitte dann noch ein elftes auf dem Haupte des Tieres hervorkam, dessentwegen drei der früheren zehn Hörner dem Tiere ausgerissen wurden, sondern nur vom Anfange der Menschenzeiten auf dieser Erde vier große aufeinanderfolgende Völkerseinsperioden bezeichnen, zu deren Vergangenheitserforschung viel chronologische Geschichtskenntnis und zu deren Zukunftsdurchschauung ein voll geöffnetes Geistesauge erfordert wird, das über Zeit und Raum hinausblicken kann im Lichte des Lichtes und im Leben des Lebens.

4. Sehet, also soll das letzte Tier eiserne Zähne haben und alles um sich auffressen, und das elfte Horn habe Augen wie Menschenaugen und einen Mund und spräche große Dinge!

5. Ja, Ich sage es euch, daß es unvermeidlich also kommen wird; aber so Ich es euch jetzt auch ein wenig erklären wollte, so würdet ihr von Meiner Erklärung ebensowenig verstehen, wie der Daniel selbst von jener Erklärung, die ihm der Geist gemacht hat, im Grunde des Grundes etwas verstanden hat.

6. Es war Daniels fromme Seele wohl ganz geeignet, solche Gesichte zu schauen wie in einem lebhaften Traume, aber sie konnte sie auch nicht fassen, weil ihr jenseitiger Geist aus Gott mit ihr nicht eins werden und sein konnte, da Ich noch nicht im Fleische da war, um solch eine völlige Einigung zu ermöglichen. Diese volle Einigung aber wird auch erst dann völlig möglich sein, wenn Ich werde aufgefahren sein in Meine alte und nach dem auch ganz neue Heimat.

7. Aus dem aber könnet ihr nun schon ganz klar entnehmen, daß euch Meine Erklärung über das ganze siebente Kapitel Daniels gar nichts nützen würde.“

8. Sagte nun Petrus: „Aber Herr, so wir irgendeinmal wieder ganz allein untereinander sind, dann könntest Du uns wohl einige Winke darüber geben! Denn ich sage nun selbst: Die Propheten, namentlich die vier großen, haben vieles niedergeschrieben, wie auch Moses, Elias, David und Salomo, – aber für wen? Bis auf uns hat sie kein noch so weiser Schriftgelehrter ordentlich verstanden, wir verstehen auch das wenigste davon, und den nach uns Kommenden wird es sicher auch um kein Haar besser ergehen. Und doch sind jene Bücher für die Menschen und für kein anderes Geschöpf geschrieben worden. Was nützen sie aber den Menschen, wenn sie solche nie und niemals ordentlich verstehen?“

9. Sagte Ich: „Oh, da irrst du dich ganz gewaltig! Wären jene Bücher der inneren Geistesweisheit also geschrieben, daß sie für jeden natürlichen Weltverstand schon auf den ersten Blick durch und durch verständlich wären, so würde sie der Mensch dann bald zur Seite legen und nicht einmal mehr ansehen. Welchen Nutzen hätte er dann davon?!

10. So aber enthalten sie durchgreifend Geistiges von der einfachsten Kreatur bis in das tiefst Himmlisch-Göttliche und können daher von keinem natürlichen Weltverstande je völlig begriffen werden, sondern allein von dem reinen, vollkommen jenseitigen Geiste des Menschen.

11. Eben das Nichtverstehen solcher Schriften ist ein Wecker des Geistes im Menschen und zeigt ihm, was und wie vieles ihm von der eigentlichen Lebensvollendung abgeht. Er wird daher solche Schriften öfter zur Hand nehmen und darüber Betrachtungen anstellen, wobei ihm von Zeit zu Zeit doch eines und das andere etwas klarer wird. Wenn er also durch seine Mühe und durch seinen Eifer hinter ein Lichtlein des Geistes gekommen ist, so wird er dann schon emsiger und emsiger im Forschen nach den inneren, geistigen Wahrheiten und wird sogestaltig zu stets mehr und mehr Licht und auch zu einer innigeren Verbindung mit seinem inneren, jenseitigen Geiste gelangen und wird dann auch seinen Nebenmenschen ein helleres Licht zu geben imstande sein, das ihnen sehr wohltun wird.

12. Das aber würde nie geschehen, so diese Schriften in einer bloß rein naturmäßigen Art gegeben wären; und wären sie also gegeben, so könnte kein Geistiges und Himmlisch-Göttliches in ihren Worten zugrunde gelegt sein, wie Ich euch solches schon zu öfteren Malen ganz klar gezeigt habe.

13. Was würdet ihr nun dazu sagen, so Ich euch kundgäbe, daß nach nahe 2000 Jahren, von jetzt an gerechnet, erstens diese Meine Lehre im allgemeinen noch ein viel schlechteres Gesicht haben wird denn jetzt das ärgste Heidentum und noch ärger sein wird als das nun blindeste Pharisäertum zu Jerusalem, das von nun an keine fünfzig Jahre mehr bestehen wird?! Was werdet ihr sagen, so Ich es euch eröffne, daß die Menschen in jener Zeit große künstliche Augen erfinden und machen werden, mit denen sie in große Tiefen des gestirnten Himmels hineinblicken und eine ganz andere Rechnung aufstellen werden, als sie die Ägypter aufgestellt haben?! Ja, die Menschen werden eiserne Wege machen und werden mit Feuer und Dampf in eisernen Wagen dahinfahren, so schnell, als wie da schnell fährt ein abgeschossener Pfeil durch die Luft! Sie werden mit ehernen Feuerwaffen einander bekämpfen und werden ihre Briefe durch den Blitz in alle Welt hinaustragen lassen, und ihre Schiffe werden sich ohne Segel und Ruder durch des Feuers Macht bewegen auf dem großen Weltmeere, so schnell und leicht, als wie schnell und leicht da fährt ein Aar durch die Luft; – und noch tausend und abermals tausend Dinge, von denen ihr euch keinen Begriff machen könnet.

14. Und sehet, das alles fasset das vierte Tier in sich und kann von euch nun nicht verstanden werden, weil ihr auch das, was Ich euch jetzt gesagt habe, nicht verstehen könnet! Aber im Geiste werdet ihr in kurzer Zeit das alles wohl verstehen und werdet aber auch niemandem eine andere Erklärung zu geben imstande sein, als wie Ich sie euch nun bei dieser Gelegenheit gegeben habe. Aber Ich werde euch später bei einer schicklichen Gelegenheit doch noch auch darüber etwas Näheres sagen. Für heute aber haben wir des Rechten und Guten zur Genüge getan, und so wollen wir uns denn nun wieder zur Leibesruhe begeben!“

15. Mit dem ward dieser Abend beschlossen, und alles begab sich zur nötigen Ruhe; denn es war schon ziemlich spät an der Zeit. Nur die fünf Priester und Jored haben in einem andern Zimmer noch lange miteinander verkehrt über all das Gehörte, Gesehene und Geschehene.

102. Kapitel. Die listigen Weiber der Heidenpriester.

1. Am Morgen warteten aber schon eine Menge Menschen vor dem Hause, daß sie Mich sähen; aber Ich blieb mit den Jüngern im Saale und ging diesmal vor dem Morgenmahle nicht ins Freie.

2. Es kam aber dennoch Jored zu uns, um nachzusehen, ob wir noch schliefen. Und da er uns völlig wach fand, so sagte er zu Mir (Jored): „Herr und Meister, das Morgenmahl ist bereitet; so es Dir genehm wäre, möchte ich es sogleich hereintragen lassen! Auch die fünf Priester und unser Arzt sind schon da und möchten Dich sehen und grüßen. Dann umlagert mein Haus eine ordentliche Volksmasse und verlangt nichts, als Dich nur einmal zu sehen. Herr, was ist da Dein Wille?“

3. Sagte Ich: „Laß das Morgenmahl hereintragen und die Priester und den Arzt zu uns hereintreten und natürlich auch deine Mir gar recht liebgewordene Familie! Das neugierige Volk aber soll harren; denn das verliert und gewinnt vorderhand nichts durch das, daß es Mich beschaut. Tue also das; nach dem Mahle werden wir schon sehen, was da zu machen sein wird!“

4. Darauf geschah sogleich das, wie Ich es angeordnet hatte. Der Arzt und die Priester traten ein, und wir setzten uns an den Speisetisch. Da wurden sogleich die Eßwaren als ganz wohl bereitet aufgetragen, da die sieben Weiber des Jored ganz gute Köchinnen waren, und wir aßen und tranken abermals recht wacker und tranken den Wein nach den Fischen.

5. Nach einer halben Stunde war das Morgenmahl beendet, und einer der Priester bat Mich, ob er reden dürfe.

6. Ich aber sagte zu ihm: „Mein Freund, du kannst für dich reden, soviel es dir beliebt; aber Ich mache dir hier die Bemerkung, daß Ich es ohnehin von Wort zu Wort genau weiß, was du Mir sagen und um was du Mich fragen möchtest, und so kannst du dir die Mühe wohl ersparen, in solch einer höchst unbedeutenden Angelegenheit den Mund aufzutun!

7. Siehe und höre! Als ihr in der Nacht – freilich schon beim Morgengrauen – nach Hause kamet, da habt ihr in eurem Haine heulen und wehklagen hören. Ihr ginget mit einiger Furcht tiefer in den Hain und vernahmet sogar drohende Worte dahin, wie sich die Götter, die ihr meineidig verlassen habet, an euch rächen würden. Ihr eiltet dann mit keiner geringen Furcht zu euren Weibern und erzähltet ihnen das, was ihr vernommen hattet, und habt dadurch erst so recht das Wasser auf ihre Mühle getragen. (Es gab schon zu Jakobs Zeiten derlei Mühlen.)

8. Wisset ihr, warum eure pfiffigen Weiber und Kinder und Diener euch gestern abend holen gekommen sind? Sehet, sie hatten euch einen solchen Spuk bereitet und hätten euch schon früher gerne ins Bockshorn gesetzt! Sie waren darum also erbittert, weil ihr ihnen für ihren euch bereiteten Schreck zu lange verzoget.

9. Obwohl Ich gestern so gut wie jetzt davon nur zu klar wußte, was die Weiber im Sinne hatten, so ließ Ich es doch geschehen, aber nicht etwa, um euch von euren Weibern ein paar Stunden lang ängstigen zu lassen, sondern um eben heute dadurch euch zu helfen, eure Weiber und Kinder und Diener auf den rechten Weg zu setzen.

10. Ich habe darum eurer Weiber Listwerkzeuge auf ihren Plätzen bis dahin festgebannt, bis wir nun bald dahin kommen werden und eure Weiber ins Angesicht überzeugen, welche Wunder sie zur Nachtzeit mit den in den Gebüschen an den Schweifen fest angebundenen Katzen und mit einigen gedungenen feilen Knechten und Dirnen, die sich auf den dicken Baumästen befanden, für euch gewirkt haben.

11. Als ihr euch am Morgen zu Mir herbegabet, da eilten eure Weiber, Kinder und Diener behende in den Hain, und sie geben sich nun alle erdenkliche Mühe, ihre für euch bereiteten Spukwerkzeuge freizumachen; aber es geht das nun so lange nicht, bis wir dahin kommen werden und zuvor den Spukkünstlerinnen einige sehr vernehmbare und kräftige Worte ins Gesicht sagen und dann erst ihre Zauberwerkzeuge in die Freiheit setzen werden. Nun, Freund, rede du, ob es nicht also sich verhält, und ob es nicht das war, was du Mir hast sagen wollen!“

12. Sagte der Priester: „Ja, großer Herr und Meister, gerade also war es! Ich danke Dir allerinbrünstigst für diese Aufhellung; denn wahrlich, wir waren gestern in keiner kleinen Angst und dachten uns: Na, wenn das so fortgeht, so haben wir binnen kurzem noch einmal den alten Götterkrieg zu erleben, an den wir de facto wohl nie geglaubt haben, wohl aber dahin etwas darauf hielten, daß in jener Urzeit auf dieser Erde gar große Erd- und Elementarrevolutionen vor sich gegangen sein mögen, deren Dasein und Geschehen die damaligen, sicher sehr einfachen Naturmenschen in allerlei Bildern und wunderlichen Sagen für ihre Nachkommen aufbewahrt haben. Aber gestern hätten wir schon beinahe an die Wirklichkeit jener Fabel zu glauben angefangen, und das um so leichter, da wir gestern gesehen und gehört haben, was eine göttliche Macht, auch nur in einem Menschen wohnend, alles zu bewirken imstande ist. Wir sahen Dich und Deine Jünger schon ordentlich brennende Berge und riesenhaftest große Eichen mit furchtbarer Kraft gegen den Himmel schleudern. Nun ist uns aber solch eine Dummheit auch schon ganz vergangen, und ich Redner freue mich nun ganz absonderlich darauf, wie Du, o Herr und Meister, unsere zu verdummten Weiber in eine bessere Ordnung bringen wirst!“

13. Sagte Ich: „Du sagst mit Recht, daß eure Weiber zu verdummt sind; aber die Schuld an ihrer Verdummung traget ihr. Ihr habt sie also zugerichtet, und somit ist an dem, daß eure Weiber und Kinder nun also sind, wie sie sind, die Schuld an euch selbst, und ihr müsset nun denn, aber mit Liebe und Geduld, das an ihnen selbst wieder gutmachen, was ihr an ihnen verdorben habt! Ich werde das Meinige schon tun, dann aber müßt ihr auch das Eurige tun. Mit Liebe und Geduld werdet ihr vieles ausrichten, – aber mit eurer altgewohnten Strenge gar nichts!“

14. Sagte der Zeuspriester: „Herr und Meister, an unseren Weibern haben wir unmöglich viel verderben können; diese waren schon von ihrer Kindheit an so sehr in die Götter eingezwängt, daß sie stets unsere Korrektoren machten, so wir irgendwann etwas unterließen, was gewisserart nur als eine pure Nebensache zu unserem zeremoniellen Kultus gehörte, und was man ganz sicher hätte auslassen können.“

15. Sagte Ich: „Das ist nun zwar wahr, aber ihr werdet euch nun auch gar wohl noch an die Zeit erinnern können, in der ihr um eure Weiber freitet! Da fandet ihr, daß sie als Töchter eines Priesters in Sidon die Schrift der Juden lasen und große Stücke auf sie hielten, wie auch ihr Vater selbst, wenn auch nur geheim für sich. Damals lobtet ihr das, um euch die Töchter geneigt zu machen; als sie aber eure Weiber waren, da finget ihr an, ihnen die Lehre der Juden von Tag zu Tag mehr und mehr zu verdächtigen, zeigtet ihnen allerlei falsche Wunder und behauptetet, daß solches alles die Götter bewirkten. Dann suchtet ihr durch allerlei Mittel der Weiber Phantasie bis auf den höchsten Kulminationspunkt zu treiben, wodurch sie am Ende allerlei Träume und Gesichte bekamen. Diese Träume und Gesichte aber wußtet ihr dann durch eure Redekunst stets also zu deuten, daß sie gerade das bedeuten und anzeigen mußten, was ihr so ganz eigentlich habt haben wollen. Bedenket nun das, und saget dann, wer an der Verdummung eurer Weiber die Hauptschuld trägt!

16. Aber Ich sage euch nun noch etwas hinzu, und das besteht darin: Gar so dumm, wie ihr es meinet, sind so ganz geheim für sich eure Weiber ganz und gar nicht; denn wären sie das und hielten bei sich etwas auf die Hilfe der Götter, so würden sie sich nimmer getraut haben, so im Namen der Götter, die sie dadurch erzürnen müßten, euch einen ganz natürlichen Spuk zu bereiten. Weil sie aber eben ganz heimlich bei sich auf alle die Heidengötter nie besonders viel gehalten haben, und jetzt schon am allerwenigsten, da sie von euch bei guten Gelegenheiten als eure vertrautesten und notwendigen Helferinnen in allerlei von euren Zauberkünsten sind eingeweiht worden, so haben sie denn ja doch einsehen lernen müssen, wie und auf welche Weise eure Götter ihre Wunder verrichten. Also sehet und bedenket, wer eigentlich an der vermeinten Verdummung eurer Weiber die Schuld trägt!

17. Aber es macht das nun nichts; denn in der Folge werden eure Weiber, Kinder und Diener euch auch in der Wahrheit, die nun durch Mich bei euch aufgegangen ist, bei weitem übertreffen. Aber nun gehen wir in den Hain hinaus, und Ich will alldort eure Weiber, Kinder und Diener von ihrer großen Verlegenheit und nahen Verzweiflung befreien! Denn nun fangen sie selbst an zu glauben, daß die Götter sie nun darum züchtigen, dieweil sie ungläubig in dem heiligen Haine wider dieselben gefrevelt hätten. Und so erheben wir uns denn und gehen behende hinaus!“

18. Wir verließen alsbald den Saal und zogen hinaus in den heiligen Hain, wählten aber dazu einen Hinterweg, damit uns nicht das viele Volk, das noch vor der Hauptfront des Hauses Joreds auf Mich harrte, dränge und auf dem Fuße nachfolge.

19. Unter dem Volke aber befand sich auch unser Judas, der Mich demselben um einige Groschen Gewinnes zeigen wollte, da Mich die Menschen persönlich ja doch nicht kennen konnten. Dieses ward aber dem verräterischen und gewinnsüchtigen Jünger dadurch ganz vereitelt, daß wir einen Hinterweg hinaus in den gewissen Hain wählten.

103. Kapitel. Das gute Zeugnis der Priesterweiber über Jesus.

1. Wir kamen nun draußen an und trafen die Weiber und Kinder und Diener in der größten Tätigkeit, die bezahlten Wehklager auf den Baumästen und die Katzen in den Gebüschen loszumachen; aber die Wehklager auf den Ästen waren wie angenagelt, und den Katzen durfte sich niemand nahen, da sie gar grimmig waren und entsetzlich um sich bissen und kratzten ob des erlittenen Schmerzes.

2. Als die fünf Priester ihre Weiber in solch einer verzweiflungsvollen Nähe antrafen, da fragten sie dieselben, was sie denn da machten.

3. Eines der Weiber, nämlich das des Priesters der Minerva, war noch am meisten beherzt und sagte zu ihrem Gemahle: „Ach, siehe, wir haben uns gestern eine List wider euch ausstudiert, um euch wieder zu dem alten, viel Gewinn gebenden Göttertume zurückzubringen! Du siehst hier einige Heuler und Wehklager auf den Ästen der Bäume hocken und in den Gebüschen mehrere Katzen, die alle gestern nacht bei eurer Ankunft das Geheul machen mußten, um euch darum zu erschrecken, weil ihr wegen der großen Zaubertaten des fremden, vorgestern hier angekommenen Künstlers die Götter verlassen und unsere gute und sehr einträgliche Stellung mit einem Hiebe gänzlich vernichtet habt.

4. Aber wir sind mit unserer List schmählich und eigentlich schon ganz entsetzlich eingegangen. Siehe, entweder haben wir durch diesen Frevel im heiligen Haine die alten Götter hart beleidigt oder den großen Zauberkünstler; denn die Strafe für unseren Frevel ist mehr als augenscheinlich vor unseren Augen! Die Heuler und Wehklager auf den Baumästen sind durch eine unsichtbare Macht wie angenagelt und können trotz aller Anstrengungen nicht von ihren Stellen, und den Katzen in den Gebüschen kann sich kein Mensch nahen; denn sie sehen mehr den grimmigsten Furien als irgendeinem Haustiere ähnlich, beißen und kratzen ganz entsetzlich um sich und können darum um keinen Preis der Welt losgemacht werden. Wir wissen uns nun nicht mehr zu raten und zu helfen. Was sollen wir da nun tun?! O des unglückseligsten Gedankens, durch den wir uns dazu haben verleiten lassen!

5. Was wäre denn da mit dem großen Wundermanne?! Könnte der uns nicht helfen, da doch er an all dem die eigentliche Schuld trägt dadurch, daß er durch seine unbegreifliche Willensmacht uns die Götterbilder vernichtet und den heiligen See in ein festes Erdreich umgewandelt hat?! Gehe du hin zu ihm und ersuche ihn darum in unser aller Namen!“

6. Sagte der Priester: „Das wird da wenig nützen, sondern ihr alle müsset selbst darum zu Ihm hingehen! Er steht dort in der Mitte Seiner Jünger. Er weiß gar wohl darum und hat uns solches im Hause Joreds eröffnet, ansonst wir nicht hierher gekommen wären. Er will und wird euch helfen; aber ihr müsset zuvor selbst zu Ihm hingehen und Ihn um Vergebung bitten.

7. Ihr habt dadurch, daß ihr solches hier angestellt habt, euch nicht an den alten Göttern, die nie und nirgends – außer in der Phantasie der blinden Menschen – bestanden haben, versündigt, sondern rein nur an dem großen, allmächtigen Gottmenschen, der in Seiner großen Liebe zu allen Menschen eigens darum auch zu uns gekommen ist, um uns aus unserer lange dauernden, großen Irre zu erlösen und uns zu zeigen und zu geben das allein wahrste Licht des Lebens. Durch Ihn und in Ihm wirkt der wahre, ewig unerforschlich weise und allmächtige Gott. Das ist eine Wahrheit, die von niemand mehr, der von Seinen Taten nur von fernehin Zeuge war, geleugnet werden kann. Und hat jemand Seine Taten, die nur einem Gotte möglich sein können, selbst auch nicht geschehen, sondern allein Seine Lehre angehört aus eines andern Munde treu und unverfälscht, so wird er daraus bald und gar leicht gewahren, daß solch eine Lehre niemals von einem Menschen, sondern nur von dem einigen und ewigen Gott abstammen kann; denn nur ein Gottesmund kann solche Worte reden, die wie lebendige Flammen in das Herz der Menschen dringen und im selben ein Bewußtsein schaffen, von dem zuvor nie irgendein Mensch eine Ahnung hat haben können. Darum gehet selbst in aller Demut und Liebe zu Ihm hin, bittet Ihn, und Er wird euch nicht unerhört von Sich lassen!“

8. Auf diese für einen Priester der Minerva wahrhaft gute und wahre Beredung eilte sein Weib zu ihren Kolleginnen hin und sagte ihnen dasselbe, was ihr ihr Gemahl gesagt hatte. Das hatte eine gute Wirkung, und die Weiber mit ihren Kindern und Dienern kamen zu Mir her und baten Mich, auf ihren Knien liegend, um Vergebung, und daß Ich die auf den Baumästen und die gewissen Tiere in den Gebüschen frei machen möchte.

9. Ich aber sagte: „Wer nicht weiß, was er tut, der hat auch keine Sünde, – und somit habt ihr auch keine Sünde! Aber in der Folge, da ihr nun wisset, wer Ich bin, würdet ihr in grobe Sünden verfallen wider alle göttliche Ordnung, die euch das ewig Beste anordnet und will, daß ihr ganz selig werden sollet, nicht soviel zeitlich, aber desto mehr für ewig.

10. Wie aber der Mensch alles das erreichen kann in diesem Erdenleben, das werden euch eure Männer kundtun. Und nun gehet hin und sehet, ob eure Gefangenen schon frei sind!“

11. Da dankten die Weiber, die Kinder und Diener und gingen hin. Und als sie hinkamen, da fanden sie alles, was da gefangen war, in der vollsten Freiheit und hatten eine große Freude daran.

12. Sie kehrten jedoch alsbald wieder und dankten Mir auf ihren Knien, daß Ich sie befreit habe von solcher großen Angst.

13. Ich aber hieß sie, sich vom Boden zu erheben, und sagte zu ihnen: „Was ihr nun gesehen habt und wisset aus dem Munde eurer Männer, das lehret auch in aller Geduld und Sanftmut eure Kinder und Diener, und später auch die Kinder anderer Eltern, und gründet sonach eine wahre Lebensschule in Meinem Namen, den ihr auch von euren Männern erfahren werdet, und ihr werdet von Segen aus den Himmeln umflutet sein – also, wie da umflutet ist eine Insel im Strome von dem Wasser des Stromes und zur Nahrung ihrer Pflanzen, Gesträuche und Bäume eines Weltregens aus einer finstern und das Licht der Sonne verhüllenden Wolke nicht bedarf. Merket euch das und tut danach, so werdet ihr vom Tode dieser Welt zum Leben des Geistes also durchdringen, wie Ich Meinem irdisch- menschlichen Teile nach Selbst vom Gottesgeiste durchdrungen bin! Und so ihr wahrhaft glauben werdet an Meinen Namen, so wird euch in allem von Gott aus geholfen werden; denn Ich bin das lebendige Band zwischen Gott und den Menschen.“

14. Als die Weiber, Kinder und auch die Diener das Heil dieser Meiner Worte in sich wahrnahmen, sagten sie: „Ja, wahrlich, wahrlich, also kann kein Mensch reden wie Du, o großer, gottvoller Meister! Wer Dich allein hört, der bedarf weiter keines andern Zeichens mehr, da ihm schon die Worte den allerklarsten Beweis dahin liefern, wer hinter Dem verborgen sein muß, der da solche Worte auszusprechen imstande ist. Du scheinst wohl ein Mensch zu sein, bist aber eigentlich doch nur Deiner geheiligten Haut nach ein Mensch für unsere Augen; aber unter Deiner Haut ist bei Dir alles Gott, und die Ohren, die bestimmt sind, das zu vernehmen, was inwendig im Menschen ist – als seine Gedanken, Wünsche und Entschlüsse, die er durch laute Worte ausdrückt –, vernehmen aus Deinem Munde nur rein Göttliches, und so bist und bleibst Du, o großer Herr und Meister, für uns der alleinige Gott! Und unsere späten Nachkommen werden es sicher noch mit der größten Lebenswärme und -glut erzählen, wie wir als ihre Voreltern wahrhaft Gott gesehen und mit Ihm geredet haben, von Ihm Selbst belehrt worden sind, und wie wir Ihn wohl erkannt haben an Seinen Worten und Zeichen, die Er vor unseren Augen gewirkt hat.“

15. Sagte Ich: „Gut also! Bleibet in dem, und Ich werde im Geiste allzeit bei euch sein und bleiben – schon in dieser Welt und jenseits in Meinem Reiche, das Ich für Meine diesirdischen Freunde nun eigens zubereite und einrichte im Innern eines jeden Menschen, der eines guten Willens ist, und es wird unseres rein geistigen und seligsten Zusammenseins ohnehin nimmer ein Ende sein!“

104. Kapitel. Die Zweifel der gelehrten Weiber am Jenseits.

1. Sagten die Weiber und auch ihre schon recht mündigen Kinder: „O du großer Herr und göttlicher Meister, wenn es für uns sterbliche Menschen nur in irgendeinem Jenseits nach dem Leibestode ein anderes, ewiges Leben gäbe! Freilich wünscht sich das wohl ein jeder Mensch, sei er jung oder alt; aber wo, wo liegen die sicheren und untrüglichen Beweise dafür?! Die Weisen aller Völker und Zeiten haben darüber viel pro und contra geredet und geschrieben; die Zeit aber hat sie alle verschlungen, und nichts blieb von ihnen als irgend ihre Werke in einer in unseren Zeiten auch schon sehr verstümmelten Weise, in der die gegenwärtigen Völker nichts als lauter unauflösliche und unzusammenhängende Rätsel entdecken.

2. Wahrlich, du großer Herr und gottvollster Meister, unser griechischer Weise, der bekannte Mann im Fasse hat bis jetzt die volle Wahrheit dieses unseres Menschenlebens noch am meisten entdeckt, indem er das Nichtsein des Menschen vor der Geburt und nach dem Tode mit vielen Beispielen nur zu hell dargestellt hat, und wir alle waren bis jetzt unter uns völlig seiner Ansicht, obwohl wir unter uns oft des Plato, des Sokrates und sogar des alten ägyptischen Weisen Moses gedachten, dessen Schriften wir teilweise auch zu lesen bekamen, als wir noch in Sidon waren. Ja, wir lasen sogar die Schriften der Indier, Birmanen, der Parsen und Gebern; aber – alles vergeblich! Denn unser Lehrer in Sidon, ein in allen Schriften durch und durch bewanderter Mann, bewies uns mit vielen tausend allertriftigsten Worten und Beispielen anderer Völker, wie die gewisse Seele des Menschen nach dem Tode des Leibes für sich allein unverwüstbar fortlebe in einer besseren oder aber mitunter auch schlechteren Welt, und er schwor uns bei allem, was ihm heilig war, daß, so er vor uns stürbe, er als Geist zu uns kommen und uns dadurch eben den größten und untrüglichsten Beweis von der Wahrheit seiner Lehre geben werde.

3. Und siehe, er starb; aber den versprochenen Beweis ist er uns noch bis zur Stunde schuldig geblieben. Ja, geträumt hat uns gar oft von ihm, und wir fragten ihn, wann er kommen und sein Versprechen einlösen werde. Und er sagte stets und beteuerte so lebhaft wie im Leben: ,Ich kann nicht anders denn nur also zu euch kommen!‘ Aber dann wurden wir wach und ersahen, daß nur unsere stets wache und rege Phantasie uns im Traume sein redend Bild erzeugt hatte, das wahrlich sonst nichts war als ein lebhafter Gedanke an ihn! Denn die Träume sind doch nichts anderes als beschauliche Gedanken des Gehirns, die so lange irgendein flüchtiges Dasein haben, als des Menschen Augenlider geschlossen sind; aber wenn der Mensch einmal völlig tot ist und sein Herz nicht mehr pulst, da haben auch seine Gedanken und seine Träume ein Ende genommen für alle Zeiten der Zeiten.

4. Und so sind wir schon mit allem eher zu vertrösten als mit dem Leben der Seele nach des Leibes Tode! Es ist wohl alles möglich; aber bis jetzt haben wir dafür wahrlich noch keine anderen als nur Wortbeweise von noch hier lebenden Menschen bekommen!

5. Noch keiner von all den zahllos vielen Hinübergegangenen ist irgend gekommen und hat gezeigt, daß und wie er jenseits fortlebt! Solange aber das nicht geschehen wird, wird der Glaube an ein jenseitiges Fortleben auch stets nur ein höchst schwacher und schon so gut als gar keiner verbleiben. Freilich war bis jetzt seit Menschengedenken auch noch keiner da, der dir, gottvollster Meister, gliche, und so du uns etwas sagst, werden wir auch allen Grund haben, dir den vollsten Glauben zu schenken; aber sonderbar bleibt es immer, daß von drüben gar kein Wesen mehr zu uns herüberkommen will und sagen: ,Freunde, die ihr noch hier euer schweres Fleisch herumschleppet wie ein müdes Lasttier seine schwere Bürde, sehet, ich lebe glücklich, – da gibt es keinen Tod mehr, und wir zahllos vielen leben so und so!‘ Das wäre ja doch etwas ganz Leichtes! Aber nein, es geschieht so etwas nie und nimmer auf eine solche Weise, die uns Menschen gar leicht überzeugte, daß es eben so und so ist, und nicht anders!

6. Gottvollster Meister, wenn es jenseits ein Fortleben der Menschenseele gibt – worauf beruhend sich doch am ehesten und sichersten alle sittlichen Bestrebungen der Menschen auf dieser Erde untereinander ordnen ließen –, warum geschieht denn da von seiten irgendeiner bestehenden Geisterwelt, als rückwirkend auf uns noch sterbliche Menschen, eigentlich gar nichts?! Ist doch kein Mensch schuld daran, daß er in diese Welt geboren worden ist; so er aber schon als ein vernünftiges Wesen da ist und sein muß, so sollte ja doch jene höchst weise Macht, die ihn wider seinen Willen ins Dasein gerufen hat, dafür auch eine genügende Sorge tragen, daß er von einer wirklich irgendwo bestehenden Geisterwelt aus dahin belehrt würde, warum er da ist, und was er zu erwarten hat.

7. Siehe, du gottvollster Meister, wir sind nur Weiber; aber wir sind nicht ohne Verstand, da wir stets vieles gelernt haben, und mit uns zu reden, dürfte einem jeden Weisen mit der Zeit ein wenig schwer werden! Wir sind gut und haben Achtung vor jedem Menschen; denn wir bedauern jeden herzlich, daß er uns gleich sich auch in dieser Welt befindet zur Abschlachtung und zum elenden Futter für die gefräßige und nimmer zu sättigende Zeit. Aber das ist nicht gut, daß irgendeine höhere, ewige, allwaltende Gottmacht sich um die Menschen und alle Geschöpfe dieser Erde nicht um ein Haar mehr kümmert als wir Menschen um den Kot, den wir als Kinder vom Leibe ließen. Aber was wollen wir Schwachen machen?! Gottes Macht wirkt über den Sternen im endlos Großen und kümmert sich um die weinenden und klagenden Würmer dieser Welt nicht! Daher müssen sich die armen Menschen selbst trösten und stärken so lange, bis der Tod sie von der Erde vertilgt; dann kommt die Ruhe in dem ewigen Nichtsein, das ewig und immer des armen Menschen endliches und größtes Glück ist.

8. Du bist nun zwar ein gottesmachtvollster Mensch und Meister; aber nach etlichen Hunderten von Jahren wird die Welt höchstwahrscheinlich von dir auch nicht viel mehr wissen, als daß du da warst. Wenigstens unsere Nachkommen, wie wir schon gesagt haben, werden dieses Angedenken sich lebendigst bewahren, obschon in deinen Worten mehr denn in deinen wunderbaren Taten ein Geist weht, der von einem gottgeistigen Dasein in dir ein großes Zeugnis gibt. Es hat aber schon gar viele große Geister als Menschen in dieser Welt gegeben, und ihre auch gar unbegreiflich großen Wundertaten bezeugten, daß sie mehr als pur gewöhnliche Menschen waren; aber sie sind auch alle gestorben, und keiner ließ sich je wieder sehen als ein fortlebender Geist, daß er dadurch bestätigte die volle Wahrheit seiner Lehre, die er den armen Menschen oft unter Donner und Blitz gegeben hat.

9. Nun bist du zu uns armen sterblichen Menschen gekommen und hast uns auch ein jenseitiges, ewiges Leben verheißen! Wir zweifeln nicht einen Augenblick, daß du uns solches auch beweisen wirst auf eine sehr begreifliche Weise, – aber sicher auch nur auf so lange, als wir in dieser Welt fortleben! Sind wir einmal gestorben, na, da bedürfen wir sowieso keines Beweises mehr; denn leben wir fort, so ist jeder weitere Beweis überflüssig – und, leben wir nicht fort, noch überflüssiger! Die Hauptsache ist, daß wir armen Menschen nur bis auf unsere diesirdische Lebensdauer wenigstens in der fixen Idee dahin erhalten werden auf dem Wege des noch so blinden Glaubens; denn das würzt dann wenigstens für einen Teil der Menschen dieser Erde ihr handspannenlanges Leben und macht ihnen ihre Leiden erträglich. Am besten daran aber sind immer die Narren und Blindgläubigen, und man kann aus der tiefsten Erfahrung sagen, daß die Götter einen Menschen sehr hassen mußten, den sie mit der Weisheit begabten.

10. Vielleicht geht es endlich dir als dem mit aller Weisheit und Macht Begabtesten besser, als es deinen vielen großen Vorgängern ergangen ist, woran wir jedoch sehr zweifeln! Aber gerade als unmöglich wollen wir die Sache auch nicht bezeichnen und wünschen, darüber eben von dir selbst – und nicht von unseren Männern – ein Näheres zu vernehmen. Wenn es dir gefällig wäre, so möchten wir dich anhören!“

105. Kapitel. Jesu Mißfallen an den hochmütigen, kritischen Priesterfrauen.

1. Sagte Ich: „Meine wahrlich mit recht vielem Verstande begabten Weiber! Hier auf diesem Flecke werde Ich nicht reden, sondern im Hause Joreds, alldahin ihr euch begeben könnet, so ihr wollet. Aber Ich sage es euch zum voraus, daß es bei euch schwer hergehen wird, bis ihr in euch erkennen werdet, daß euer Fleisch allein nur sterblich ist, nicht aber auch eure Seele, weil ihr euch schon von eurer Jugend an in die Materie des Fleisches hinein begründet habt und dann nichts mehr sehen, fühlen, wahrnehmen und empfinden konntet als allein das nur, was euch die gröbste Materie vor die Augen des Fleisches stellte. – Doch jetzt nichts Weiteres mehr von dem!“

2. Hier dankten Mir die Weiber, ihre Kinder und Diener noch einmal für das, was Ich ihnen hier getan hatte, und begaben sich dann in ihre sehr stattlichen Wohnungen.

3. Es fragte Mich aber Jored, ob er sie etwa zum Mittagsmahle einladen solle.

4. Sagte Ich: „Das eben nicht, denn Ich liebe die Gesellschaft von gar so superklugen Weibern nirgends minder als gerade bei einem Mahle; denn wenn bei denen einmal die Zunge in Schwung kommt, da vergessen sie Essen und Trinken, und unsereiner käme, ohne ihnen zuvor die Zunge auf eine Zeit hin gelähmt zu haben, sicher zu keinem Worte. Diese fünf Weiber hätten wahrlich der Fähigkeiten zur Übergenüge, jemanden förmlich totzureden.

5. Erstens sind sie Töchter eines sehr gelehrten griechischen Oberpriesters des Gottes Apollo und des Gottes Merkur, das heißt nach ihren heidnischen Begriffen.

6. Zweitens haben sie einen in allen Wissenschaften wohlbewanderten Mentor gehabt, der ihnen die Köpfe erst recht verdreht hat; denn er hatte sie alle alten Weisen ganz vom Grunde aus kennen und verstehen lehren wollen, bedachte aber nicht, daß alle diese alten Weltweisen aller bekannten Völker und Nationen sich im höchsten Grade widersprechen, daß bei der Kenntnis und Anhänglichkeit an alle diese Weisen sich nie ein einheitliches Lebenssystem erzielen läßt, und daß aus solchen Menschen nichts als eine Art hochmütiger Vielwisser werden kann, die am Ende kein anderes Bedürfnis in sich fühlen, als gelegentlich zu zeigen, wie sehr sie in allem Wissen und an Erfahrungen jedem andern Menschen überlegen sind. Und das ist auch bei diesen Weibern und sogar schon bei ihren Kindern und Dienern der Fall. Rede du nur mit solch einem Diener, und du wirst sehen, welch eine Fertigkeit er mit seiner Zunge entfalten wird!

7. Endlich drittens sind sie Weiber der Priester und gleichsam selbst Priesterinnen und müssen da schon EX OFFICIO so gescheit und weise sein, daß da schon gar kein anderer Mensch sich ihnen irgend nahen kann, – darum denn auch ihre Kinder und Diener als Aushängeschilder ihrer Weisheit ihnen wie leuchtende Herolde vorangehen und die Menschen am Ende fühlen und sagen müssen: ,Ja, wenn diese schon so weise sind, wie weise werden dann erst die Priester und Priesterinnen selbst sein!‘ Ja, Mein Freund, bei solch einer inneren Lebensbeschaffenheit läßt sich freilich der Geist ihres Mentors nicht herbei, um bei ihnen sein Versprechen einzulösen!

8. Hast du es nicht bemerkt, wie sie Mir kaum den Dank dargebracht haben, und – als Ich ihnen versprach, daß Ich ihnen, so sie bei Meiner Lehre verbleiben würden, auch allzeit helfen würde und, so sie anrufen würden Meinen Namen, den sie samt der Lehre von ihren Männern erfahren würden, Ich sie trösten und stärken wolle – wie sie da gleich ihre Bedenken über die Unsterblichkeit der Seele auszukramen anfingen?! Meinst du da, daß es ihnen im Ernste darum zu tun war, von Mir einen Gegenbeweis mit lebendiger Sehnsucht zu vernehmen? O nein, sondern nur darum war es ihnen zu tun, Mir zu zeigen, wie großartig weise sie sind und wie sehr geeignet zur Errichtung einer neuen Lebensschule in Meinem Namen! Aus dem aber kannst du schon sehen, daß Ich gerade am Mittagstische nicht gerne mit derlei Weibern zusammen bin. Nach dem Mahle aber mögen sie schon kommen, was du ihnen durch ihre Männer sagen lassen kannst.“

9. Sagte Jored: „Siehe, Herr und Meister, gerade also habe ich mir diese Weiber aber immer vorgestellt, und ich konnte sie auch nie gar zu besonders gut leiden, weil sie mit ihrem Wissen stets mindestens um tausend Jahre voraus sein wollten! Denn sagte man etwas, das man denn doch auch gelernt und erfahren hatte, so hieß es allzeit, wennschon in einem ganz artigen Ton: ,Ich bitte wohl darüber zu schweigen, ansonst wir uns entfernen müßten; denn das verstehst du nicht und wirst es auch nie verstehen!‘ Ja selbst ihre Männer mußten sich ganz absonderlich zusammennehmen, um in einem Diskurse mit ihnen eben von ihren Weibern nicht korrigiert zu werden. – Das waren denn nur so meine inneren Gefühle bei gar manchen Gelegenheiten, und jetzt sehe ich es erst klar ein, daß mich meine Gefühle nicht getäuscht haben, und so werde ich sie etwa so bei drei Stunden nach dem Mahle zu mir zu kommen bitten.“

10. Sagte Ich: „Ganz gut! Gehe aber nun hin und sage den Männern, daß einer oder der andere auf ein paar Worte zu Mir kommen solle!“

11. Da ging Jored hin und berief den Minervapriester. Und der kam sogleich zu Mir und fragte Mich, was Ich von ihm verlange.

12. Und Ich sagte: „Freund, heute zu Mittag bleibet daheim bei euren Weibern, sonst kommen sie Mir euretwegen am Mittagstische mit ihrer stereotypen Weltweisheit über den Hals, was Ich eben nicht wünsche, weil Ich am Tische während des Essens gerne Ruhe habe! Aber um die dritte Mittagsstunde könnet ihr mit euren hochgelehrten Weibern schon herkommen. Unterweiset sie aber zuvor ein wenig in dem von Mir, was ihr bereits wisset, auf daß sie uns, wenn Ich reden werde, keine Einwürfe und keine Einstreuungen bringen! Denn eure Weiber sind Anhängerinnen der Lehren des Diogenes, und mit denen ist hart eine tiefere Rede zu führen; sie sind aber auch Skeptikerinnen obendrauf, und das ist noch schlimmer! Darum tut das, was Ich euch nun gesagt habe! Sie werden uns noch am Nachmittage genug zu schaffen geben!“

13. Der Priester dankte Mir für diesen Rat und versprach Mir, daß er den Weibern das schon ganz gehörig beibringen werde, und er stehe dafür, daß sie sich im Saale Joreds ganz bescheiden benehmen würden.

14. Darauf ging er hin und hinterbrachte solches auch seinen Kollegen, die damit ganz einverstanden waren, obwohl es ihnen um vieles lieber gewesen wäre, so sie nun auch mit uns wieder hätten zum Jored hinziehen können, da es nun ohnehin schon nahe am Mittage war.

15. So ward denn diese nicht unwichtige Sache auch geschlichtet und der schlimmste Teil des Heidentums dieses Ortes auf einen besseren und lichteren Weg gestellt.

106. Kapitel. Ein Schriftgelehrter unterstützt die Ansichten der Priesterfrauen.

1. Dieser Ort war darum ein gar wichtiger, weil der Tempel für gar viele Heiden, die zu Zeiten dahin wallfahrteten, ein zweites Orakel zu Delphi war, und diese Priester und Priesterinnen hatten sich schon große Schätze gesammelt. Von da aus konnte denn auch über einen großen Teil der asiatischen Griechen und Römer ein besseres Licht ausgegossen werden, und deshalb verweilte Ich denn hier auch ein wenig länger als an den früher berührten Orten des kleinen und eigentlichen, wie auch des großen und uneigentlichen Galiläa.

2. Wir begaben uns nun auf demselben Hinterwege zurück ins Haus des Jored, um dem Judas Ischariot ja seinen erhofften Verdienst zu vereiteln; denn über den Mittag hinaus warteten die vielen Menschen nicht mehr, und einige gaben dem Jünger sogar bittere Worte, dieweil er sie so hingehalten habe und sie Mich doch nicht zu Gesichte bekamen. Der Jünger aber verbarg sich im Haus, da er fürchtete, daß er nun anstatt seiner erhofften Groschen gar leicht eine andere Bezahlung überkommen könne.

3. Wir kamen nun in den Saal, und es war das Mittagsmahl auch schon bereitet und sogleich auf den Tisch gebracht.

4. Ich aber sagte zuvor allen: „So der Jünger kommt, da lasset ihn gehen und tut, als wäre er gar nicht abwesend gewesen!“

5. Ich hatte das aber kaum ausgeredet, so kam er auch schon in den Saal und grüßte alle freundlich und tat auch, als hätte er uns vormittags gar nie vermißt. Wir aber taten desgleichen und aßen und tranken ganz heiteren Mutes.

6. Während des Essens ward wenig geredet, – nur unsere zwanzig Neujünger besprachen sich über die Rede der Priesterweiber; denn sie hatten so ganz steinfeste Stoiker noch nie zu genießen bekommen. Einer von ihnen machte diese und ein anderer eine andere Bemerkung.

7. Der Schriftgelehrte unter ihnen, der auch ein Kabbalist war und das in der Folge ganz in Verlust geratene Buch der ,Kriege Jehovas‘ wohl innehatte – das in dieser Jetztzeit die Altindier aber doch noch unter dem Namen Sen scrit (,Ich bin verborgen‘) besitzen –, sagte: „Man muß vor den fünf Weibern dennoch Respekt haben; denn gelernt haben sie bei weitem mehr als oft die gelehrtesten Juden, und von unserem natürlichen Lebenszustande aus betrachtet, kann man ihre ganz absonderlich gediegenen Ansichten durchaus nicht tadeln.

8. Der sichtliche Tod aller Kreatur ist eben ein Etwas vor den Augen eines scharfen Denkers, das dem Schöpfer viel von Seiner großen Glorie und Majestät nimmt! Kann Er mit Seiner Allmacht die Erde mit ihren Bergen und Meeren, den Mond, die Sonne und alle die Sterne erhalten, warum denn nicht auch wenigstens den Menschen, wie er ist, mit Leib und Seele?

9. Und soll der Mensch schon mit der Zeit den Leib ablegen und in ein stets reineres geistiges Wesen übergehen, so könnte das bei der Allmacht des Schöpfers ja auf eine Art geschehen, daß der Leib nach und nach geistiger würde und endlich ohne die geringste Störung des Bewußtseins seiner selbst in das rein Geistige überginge, oder daß wenigstens der Mensch in einem gewissen reifen Alter in sichtbaren Verkehr mit den schon ganz hinübergegangenen Menschenseelen träte, auf daß er dadurch eine volle Sicherung für das Leben nach dem Tode für sich und für seine Nächsten überkäme. Aber so ist von alldem auf dieser Erde nahezu keine Spur anzutreffen.

10. Der Mensch wird erstens dümmer und unbehilflicher denn jedes Tier zur Welt geboren und muß von seinen Eltern jahrelang gepflegt und ernährt werden, bis er zu jener Kraft und Einsicht gelangt, sich selbst zu erhalten, – und zweitens, so er dann ein Mensch geworden ist, wo er sich frei bewegen können soll, wird er dann mit einer großen Menge von allerlei Gesetzen derart verpalisadiert (eingeschlossen) und so physisch und geistig geknebelt, daß ihm kaum noch ein freier Atemzug übrigbleibt. Und ich frage: Was hat er denn eigentlich dafür für eine Entschädigung? Nichts als den lieben Glauben, daß es ihm, wenn alle die schwer zu haltenden, durch das Gesetz aufgebürdeten Lebensbedingungen erfüllt sind, nach dem Tode besser und sogar überaus gut gehen werde. Ja, das wäre schon alles ganz recht, wenn der Mensch dafür eine sichere Bürgschaft hätte! Aber da stinkt es eben am meisten bei allen Menschen!

11. Man liest wohl in den Büchern, daß die einfach-sittlichen Vormenschen solche Bürgschaften gehabt haben. Ja, das ist auch ganz gut, und es ist ihnen wahrlich sehr zu gratulieren, wenn sie solche gehabt haben! Aber uns gegenwärtigen Menschen ist gar nicht zu gratulieren; denn uns mangeln derlei Bürgschaften gänzlich, und doch sind wir ebensogut Menschen, wie es unsere Vormenschen waren. Man sagt uns freilich, daß solches darum bei uns nicht mehr stattfinden könne, weil wir zu grob sinnlich und materiell geworden seien; ich aber meine, daß gerade da, wo der Mensch, entweder durch seine Schwäche geleitet oder durch irgendeinen unsichtbaren Teufel verlockt, auf Irrwege geraten ist, dergleichen Bürgschaften aus irgendeiner Geisterwelt am meisten auftauchen sollten, um die Irrwandelnden auf den rechten Weg zu bringen. Aber da geschieht im allgemeinen eben erst recht gar nichts von etwas dergleichen.

12. Daß wir wenigen nun gerade das große Glück genießen, Dich, Herr und Meister, unter uns zu haben, der Du uns durch Worte und Zeichen zeigst, daß und wie ein Mensch zu einem ewigen und rein geistigen Leben berufen und bestimmt ist, das gilt aber noch lange nicht für alle Menschen in der Welt und selbst für uns nur so weit, als wir es Dir glauben müssen, daß es also ist, weil unserem Glauben Deine rein göttlichen Zeichen und Werke eine feste Stütze verleihen. Aber des Moses Werke waren auch großartig und zwangen die Menschen besonders seiner Zeit zum vollen Glauben; aber nachderhand hörten alle die außerordentlichen Zeichen auf, und die Menschen wurden schwächer und schwächer im Glauben und stehen darum nun vielfach auf dem Punkte, ein ewiges Nichtsein für das größte Glück anzusehen und schon im voraus ordentlich zu fühlen. Denn für das gänzliche Vergehen der Dinge haben sie täglich zahllos viele Beweise, aber für das ewige Fortbestehen auch nicht einen!

13. Daß sich aber die Sachen in dieser Welt also verhalten, wird hoffentlich wohl niemand in Abrede stellen können, und man kann es wahrlich den Priesterinnen in dieser Zeit nicht verdenken, wenn sie also urteilen und ihre Ansichten auf die Weise laut werden lassen, wie sie solche aus aller Natur bei einem ganz emsigsten Forschen erprobt haben. Warum kam denn der Geist ihres verstorbenen Mentors nicht also, wie er es ihnen noch bei seinen Lebzeiten auf das teuerste versichert hatte? Und warum gehorchte dann Samuels Geist dem Machtspruche der Hexe von Endor und weissagte dem Saul sein Ende? Ja, das sind denn doch so sonderbare Dinge, aus denen ein Mensch auf einem natürlich- vernünftigen Wege wohl ewig niemals klug wird!

14. Man kann einem Menschen durch Worte und Lehren zwar viel Licht und Beruhigung verschaffen und sie durch wunderbare Zeichen festen; aber von einer Überzeugung im eigenen lebendigen Bewußtsein ist da noch lange keine Rede! – Was sagst Du, Herr und Meister, zu dieser meiner sicher sehr verzeihlichen Ansicht?“

107. Kapitel. Kontakte ins Jenseits. Beweise über das Fortleben nach dem Tode.

1. Sagte Ich: „Vorderhand wenig oder gar nichts; denn da bist du noch lange nicht fähig, von allem Geistigen einen wahren, klaren und richtigen Begriff zu bekommen!

2. Meinst du wohl, daß von Gott aus die Menschen also verlassen sind, daß sie nun aus der Geisterwelt gar keine Kunde mehr erhielten? Oh, da irrst du dich sehr; aber die Menschen haben sich eigenwillig von Gott abgewandt, haben angefangen, in der Materie ihr alles zu suchen und allein dafür tätig zu sein, und haben sich also vom Geistigen ganz abgewandt. Was Wunder, wenn sie darum von den an sie abgesandten geistigen Bürgschaften über das Leben nach des Leibes völligem Tode nichts mehr wahrnehmen und eigentlich nichts mehr wahrnehmen wollen!

3. Wie oft sind von den Juden und Pharisäern solche Menschen, die mit den Geistern und mit den Engeln Gottes Zwiesprache gehalten haben, als freche Lügner zu Tode gesteinigt worden, da sie von einem sie mahnenden Geiste nichts hören und wissen wollten! Wenn aber gar viele hunderttausend Male also, was Wunder, daß dann ein jeder harmlose Seher innehielt und seine Gesichte und Überzeugungen für sich behielt?

4. Waren der alte Simeon und die alte Anna im Tempel nicht ein großes Licht aus der Geisterwelt, da beide täglich stundenlang sich mit den Engeln Gottes unterhalten und besprechen konnten? Wer glaubte ihnen denn? Man wollte selbst an einem bestimmten Tage mit den Geistern der Himmel verkehren mit Augen, Ohren und mit dem Munde; auch das wurde auf die Bitte Simeons gewährt. Was sagte man aber von jener großartigen Erscheinung im Tempel? Simeon und Anna hätten im geheimen Bunde mit den Essäern und ägyptischen Zauberern solch einen frommen Spuk bereitet! Da sind doch Hunderte der Templer Augen-, Ohren- und Mundzeugen gewesen! Warum glaubten sie es denn nicht?!

5. Der spätere Hohepriester Zacharias hatte Gesichte. Wer glaubte ihm? Als man aber selbst merkte, daß die Gesichte des Zacharias volle Wahrheit sind, was tat man da mit ihm?!

6. Als sein vom Gottesgeiste durchdrungener Sohn in der Wüste predigte und die Juden sich von der vollsten Wahrheit seiner Reden durch allerlei Zeichen überzeugten, hätten sie dann nicht also tun können, wie er sie belehrt hatte? O nein, sie wurden nur voll Zorns und giftigsten Ärgers, ergriffen ihn, warfen ihn ins Gefängnis, und – das andere wisset ihr!

7. Nun bin Ich mit dem allerhöchsten Geiste Gottes da und zeige euch durch Worte und Taten, daß es also ist, und dennoch zweifelt ihr an der Wahrheit Meiner Worte! Saget nun selbst: was für noch größere und noch haltbarere Bürgschaften über ein jenseitiges Leben soll Ich euch denn noch geben?

8. Oder müssen Menschen, die durch die unbegrenzte Liebe des Vaters bestimmt sind, völlig Seine Kinder zu werden, nicht ohne alles Gericht ihrem Seelenteile nach in diese Welt geboren werden ohne irgendeine schon ausgebildete höhere Lebensfähigkeit? Müssen sie nicht erst durch allerlei Unterricht und Übung sich allerlei Kenntnisse und Fertigkeiten nach ihrem ganz freien Willen erwerben und dadurch an ihrer gottähnlichen Lebensvollendung wie junge, angehende Schöpfer selbst arbeiten, wozu ihnen der Vater im Himmel stets alle möglichen Hilfsmittel in die Hände gab und noch immer gleichfort gibt?!

9. Warum sage Ich denn zu euch: ,Tut nach Meiner Lehre, so wird sich das ewige Leben in euch selbst allerhellst offenbaren!‘? Wenn aber also, wie mögt ihr denn hernach noch so blind sein und sagen, die höchst stoischen Weiber dieser Priester hätten im Grunde recht, daß sie also redeten? O ihr sehr blinden Toren! So Ich es wollte und es euch irgendeinen Nutzen brächte, so könnte Ich euch im Augenblick die innere Sehe öffnen, und ihr würdet von einem Heere von Geistern nach allen Richtungen hin euch umlagert sehen! Aber was würdet ihr dann sagen? Ich sage es euch: nichts anderes als die stoischen Weiber! Ihr würdet da, wenigstens in euch, also urteilen: ,Ja, solange wir leben, fühlen und sehen, ist es leicht, uns einen blauen Dunst vorzumachen; aber man gehe hin in die Begräbnisstätten und mache den Toten das vor, – die werden davon doch nichts mehr hören, sehen und fühlen!‘ Und Ich sage euch: Da habt ihr vollkommen recht; denn diese sind auch durchaus nicht mehr bestimmt zu leben, obwohl auch in ihnen noch gerichtete Seelenlebensspezifika vorhanden sind, die nach ihrer völligen Ausreifung auch noch einmal für ein anderes Individuum zu einem freien Leben erweckt werden.

10. Zum möglichen ewigen Fortleben ist nur allein des Menschen Seele bestimmt; die Materie aber als Materie kann nicht zum ewigen Fortbestehen bestimmt sein, weil sie in sich nur ein gerichtetes Geistiges ist, also nur auf eine bestimmte Zeit fixierter Wille Gottes, der nicht immer also bleiben kann, weil in Gott nebst allem andern auch ganz besonders der Wille frei ist und einen Gedanken Gottes nur so lange festhält, als derselbe zur Erreichung eines höheren Zweckes nötig ist.

11. Ohne Gott und außer Gott kann ewig niemals und nirgends etwas sein. Was da ist in der ganzen, ewigen Unendlichkeit, das ist aus Gott, und also im Grunde des Grundes völlig geistig. Daß es in einer Welt als eine feste Materie erscheint, das macht die beharrliche Festigkeit des göttlichen Willens; hörte dieser auf, einen Gedanken Gottes festzuhalten, so wäre von ihm auch für kein materielles Auge mehr irgendeine Spur zu entdecken, obwohl der auf diese Art aufgelöste Gedanke Gottes in Gott geistig ewig fortbestehen müßte.

12. Saget, wo habe Ich denn das Erdreich hergenommen, mit dem Ich den See zugedeckt habe, oder woher jene Stoffe, mit denen Ich gestern abend den armen Fischern ihre irdischen Besitzungen verbesserte, und wohin ist die Materie der drei Götter gekommen? Beim See und bei den Fischern ist Mein Gedanke durch Meinen Willen fixiert und bei den Statuen Mein fixierter Wille ausgelassen und Mein Urgedanke frei und wieder geistig gemacht worden. Und darin besteht somit auch die Erklärung Meiner hier vor euch gewirkten Zeichen. Daß Ich aber auch ein Herr der Geister und alles Lebens bin, dafür steht als ein fester Zeuge dieser von Mir vorgestern abend vom vollen Tode wieder zum Leben erweckte Sohn Jorab. Kann Ich euch wohl noch mehr Beweise für das Fortleben der Seele nach dem Abfalle des Leibes geben?“

13. Sagte nun der Schriftgelehrte: „Nein, mein Gott, mein Herr und Meister! Nun bin ich über alles vollends im klaren. Ja, also ist es und kann ewig unmöglich anders sein! Aber Herr, wenn nun bald die Weiber der Priester kommen dürften, so lasse gnädigst mich eine Weile mit ihnen reden, und ich werde ihnen ihren Diogenes schon hinaustreiben auf eine solche Art, daß sie nachher sicher nicht mehr je an einen Diogenes denken werden!“

14. Sagte Ich: „Ja, ja, tue das, denn Mir ist es ohnehin schon sehr widerlich, mit allen Arten von Stoikern zu tun zu haben! Aber gib acht, daß am Ende nicht du den kürzern ziehst; denn diese Weiber sind in ihrer Art da ganz tüchtig und wissen ihre Sache zu vertreten.“

15. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr, das wird mit Deiner Hilfe schon meine Sache sein!“

16. Als er solches ausgeredet hatte, da kamen auch schon die fünf Priester mit ihren Weibern an.

108. Kapitel. Die atheistische Rede eines redegewandten Priesterweibes.

1. Die Priester und ihre Weiber grüßten uns und machten vor Mir ihre tiefe Verbeugung, und Jored wies ihnen sogleich Plätze an unserem Tische an und setzte ihnen Brot und Wein vor. Als sie der Ehrung halber etwas Brot und Wein zu sich genommen hatten, da fingen die Weiber bald an laut zu werden, und ganz besonders das gar überkluge und weltweise Weib des Minervapriesters. Diesem Weibe gerade gegenüber saß der judgriechische Schriftgelehrte und konnte schon beinahe die Zeit nicht erwarten, in der er mit dem Weibe wortgemein würde; denn es sprach nun von ganz anderen und gleichgültigen Dingen.

2. Etwa nach einer kleinen Stunde erst wurde das Gespräch auf einen anderen Gegenstand von einiger Bedeutung geleitet, und zwar auf das Orakel zu Delphi und auf das seit alters bestehende Weltorakel zu Dodona. Bei dieser Gelegenheit erst fand unser Schriftgelehrter einen Moment, in welchem er mit dem Weibe in einen Wortwechsel treten konnte, worüber er aber schon ganz ärgerlich wurde, weil er so lange auf eben diesen Moment hatte warten müssen.

3. Aber um so intensiver ging jetzt das Wetter los. Das Weib behauptete nämlich, daß diese Anstalten für die gemeine Menschheit noch immer eine große Wohltat wären, weil eben durch sie die Menschen noch am meisten beim blinden Glauben an eine Lebensfortdauer der Seelen nach dem Tode erhalten worden seien. Denn allda hätten die blinden und schwachsinnigen Menschen, sich gegen ein kleines Opfer in eine Besprechung mit ihren verstorbenen Freunden einzulassen, eine noch immer ganz gute und durch den alten Glauben autorisierte Gelegenheit, und das sei und bleibe immer gut, da man den Menschen bis jetzt noch nichts Besseres hätte bieten können.

4. Mit der stoischen Wahrheit, die sie freilich nur als die einzige und durch alle Erfahrungen bestätigte anerkennten, wäre dem ungebildeten Volke wenig geholfen, und es sei darum auch gut, daß diese Wahrheit allein nur den Priestern anheimgestellt sei, auf daß sie weise seien und desto mehr allerlei fromme Betrügereien fürs Volk erfinden könnten, durch deren Effektuierung das Volk für die kurze Lebenszeit ganz glücklich gemacht werde. Die Priester könnten so ein Glück freilich nie genießen, dafür aber bedürften sie der Opfer, um ihr sonst trauriges und elendes Leben leichter zu ertragen, und sie müßten sich mit dem kommenden gefühl-, schmerz- und sorgenlosen Nichtsein vertrösten.

5. „Ich sage nicht“, sprach die Priesterin weiter, „als könnte für dieses Gute nichts Besseres gegeben werden; aber solange das nicht geschieht, ist das Bestehende noch immer das bei weitem Beste. Die rechte Weisheit lehrt uns Menschen, durch jedes zweckmäßige, aber stets geheim zu haltende Mittel die allgemeine Menschheit in einen möglichst wohlerträglich glücklichen Lebenszustand zu versetzen und sie im selben zu erhalten. Dadurch bekommt dann der Mensch erst den sittlichen Wert und wird fähig, ein brauchbares Glied der menschlichen Gesellschaft auszumachen. Darum ist aber dann auch der in sich höchst traurige Priesterstand, der sich für sich im Anschauen der reinen, aber sehr traurigen Wahrheit befindet, von seiten aller laien Menschen nie genug zu achten; denn allein von dem sich für die Menschheit opfernden Priesterstande hängt alles Wohl und Wehe der Menschen ab.

6. Ich setze den möglichen Fall: Alle Priester und Priesterinnen würden sich einmal dahin gegen das Volk verschwören, daß sie ihm die volle und reine Wahrheit sagten und ihm den ganzen Kram des frommen Betruges entdeckten. Das würde in der Welt sicher eine der allergräßlichsten Unordnungen unter den Menschen bewirken. Nichts wäre dann einem Menschen mehr heilig, und der Stärkere würde den Schwächeren wie ein reißendes Tier anfallen und zerreißen, ja, man würde die neugeborenen Kinder schlachten und sie den Hunden zum Fraße vorwerfen. Kurz und gut, der Mensch würde bald sein eigener Feind und ein fürchterlicher Feind alles Lebens, wie es im Grunde auch wir selbst für uns und unter uns der vollen Wahrheit nach sind.

7. Denn wir kennen keinen Gott – außer nur den, der aus unserer Phantasie seinen Ursprung nahm. Wir kennen wohl etwas, und das besteht darin, daß es in der großen Natur geheime Kräfte gibt, denen unter vielen und verschieden zufällig sich entwickelt haben Umständen auch der Mensch sein trauriges Dasein verdankt; aber diese Kräfte sind ebensowenig irgend intelligente und ihrer selbst bewußte Gottheiten, als wie wenig das Wasser darum eine Gottheit ist, weil es durch seine ganz stumme und blinde Kraft der Schwere stets der Tiefe zueilt, was man aus der alten Erfahrung wohl weiß, weil man noch nie irgendeinen Bach auf einen Berg hinauf hat fließen und rinnen sehen. Darum sind tausend Götter mit dem dicksten Aberglauben dem Menschen um unaussprechbar vieles heilsamer und nützlicher denn alle noch so reine Wahrheit. He, was liegt daran, was ein Mensch von der Wiege bis zum Grabe hin für einen Glauben gehabt hat, wenn der Glaube ihm nur eine wohldargestellte Versicherung auf ein erträgliches und fortwährendes Leben der Seele nach des Leibes Tode gab?

8. Was kann uns da irgendein dummer Wahrheitszelote sagen und was erwidern, so wir sagen: ,Jede Götterlehre für die Menschen, welche sie zum Glauben an irgend höhere Gottwesen bringt und ihnen die volle Versicherung auf ein ewiges Leben der Seele nach dem Tode bietet, ist gut!‘? Falsch und erlogen ist in sich jede Götterlehre, nur die davon abgeleiteten Sittengesetze sind gut. Darum ist aber auch – so es ein Leben nach dem Tode gibt – noch nie ein Mensch zurückgekommen, daß er uns Priester deshalb zu einer Verantwortung zöge und allenfalls sagte: ,O ihr bösesten Wichte, warum habt ihr mich denn mit so kolossalen Lügen, mit falschen Lehren auf die schmählichste Art betrogen?‘

9. Wahrlich, gäbe es ein Leben der Seele nach dem Tode, so würden solche von uns so tief betrogenen Seelen schon gar lange sich an uns sichtbar und glaubbar gerächt haben, oder sie würden, unser Elend einsehend, uns eine nähere Aufklärung über Gott und über das Leben der Seele nach des Leibes Tode gegeben haben! Aber weil es nach dem Tode des Menschen, wie jedes Tieres, kein Leben mehr gibt und geben kann, so kommt auch kein Geist mehr zum Vorschein und rächt sich an uns dafür, daß wir ihn in dieser Welt gar so sehr belogen und betrogen haben, und wir dürfen uns darob auch durchaus keine unnötigen Sorgen machen.

10. Die Menschen haben hier auf dieser Erde nach den klimatischen Boden- und Wasserverhältnissen verschiedene Talente und Eigenschaften. Der eine ist riesenstark, der andere schwach wie eine Fliege. Der eine hat einen scharfen Verstand, und ein anderer daneben ist dumm wie die Nacht. Der eine hat ein scharfes Gesicht wie ein Aar, und sein Nächster ist blind. So hat einer vermöge seiner durchgängigen Scharfsinnigkeit eine kaum glaubliche Beobachtungs- und Kombinationsgabe, dringt leicht in alle Tiefen des Wirkens der geheimen Naturkräfte und weiß es bald anzustellen, es ihnen irgend im kleineren oder größeren Maßstabe nachzutun, und die andern, solcher Eigenschaften baren Menschen staunen dann über ihn und halten ihn beinahe für einen Gott. Andere wieder dürfen tausend Jahre die stets rege und tätige Natur beobachten, und sie finden und erfinden nichts, obwohl sie eben auch Menschen sind.

11. Aber trotz allen den oft gar überaus wunderbarsten Eigenschaften, mit und unter denen schon oft die Menschen auf dieser großen Erde gewandelt sind, haben sie am Ende dennoch sterben müssen, und kein sterbliches Auge hat von ihnen je einmal wieder etwas gesehen. Und so sagen wir, obwohl wir eure wunderbarsten, in der Machtgröße noch kaum je dagewesenen Fähigkeiten im höchsten Grade bewundern, daß auch ihr alle samt uns also vergehen werdet von dieser Erde, wie alle eure großen Vorgänger vergangen sind. Nur ihre mannigfachen Lehren und ihre Taten und Werke sind noch bei ihren Nachfolgern in der Erinnerung geblieben, und das wird in der Zeitenfolge auch mit euch der gleiche Fall sein, was euch freilich nichts nützen wird, weil ihr als nicht mehr Seiende auch nichts mehr brauchen werdet.

12. Das ist so unsere durch die Erfahrung aller Völker der Erde wohlbegründete und bis jetzt allein wahrste Ansicht über das Sein und über die Bestimmung des Menschen. Daß es außer dieser allein vollwahren Lebensanschauung wohl bei allen Völkern eine Menge recht schöner Phantasien über eine ewige Lebensbestimmung der Menschenseelen nach des Leibes Tode gibt, das wissen wir recht gut; aber wer bürgt für ihre Wahrheit? Etwa die Bilder der Träume der Menschen oder jene Phantome einer fieberig erhitzten Phantasie? Oh, das sind alles nur Wirkungen der verschiedenen Lebensstadien des Menschen, solange sein Herz pulst! Hat das aufgehört, tätig zu sein, dann haben auch die Träume und die Fieberhitzphantome aufgehört und mit ihnen das Dasein des Menschen und seine oft so schönen Hoffnungen! – Ich habe nun geredet, und nun redet ihr, Meister aus dem Reiche der Götter, und gebet uns etwas Besseres!“

13. Über diese ziemlich gedehnte, rein atheistische Rede der Priesterin war der Schriftgelehrte schon ordentlich grimmig, weil er der gleichfort und bündig redenden Priesterin nicht irgend ins Wort fallen und ihr den Mund stopfen konnte. Nun erschien für ihn der gar so ersehnte Moment, und er konnte nicht tief genug Atem schöpfen, um der Priesterin so recht zentnerschwere Gegenbeweise mit aller Kraft und Kürze entgegenzudonnern.

14. Als er mit dem Atem einmal glücklich in der Ordnung war, so sagte er mit einer sehr bedeutungsvollen Miene (der Schriftgelehrte): „Höre, du höchst lebens- und gottlose Minerva von einer Priesterin! Hast du als eine so überaus weise Heidin das römische Sprichwort niemals vernommen, das also lautet: QUOD LICET IOVI, NON LICET BOVI!?

15. Sagte geschwind die Priesterin: „Lieber Freund, willst du das auf mich oder auf dich in Anwendung bringen? In der gegenwärtigen Lage aber scheint es wahrlich auf dich mehr zu passen denn auf mich; denn mir sei es wohl ferne, je mit einem ungewählten und ungeprüften Worte jemanden beleidigen zu wollen, – was bei dir nun soeben doch der Fall zu sein scheint. Wenn es einen Jupiter gibt, dann wird schon er Sorge tragen, daß seine Sache ihm der Ochs nicht nachahmen wird; gibt es aber keinen Jupiter, dann steht der Ochse offenbar, als wenigstens daseiend, höher denn der nicht daseiende Gott. Wahrlich, Freund, wenn in solchen hierher höchst unpassenden Mottos deine ganze Weisheit besteht, dann möchte ich deine Lehrer wohl gekannt haben! Die müssen sich beim Sonnenlichte eben nicht gar zu ästhetisch ausgenommen haben! Weißt du mir vielleicht noch mehrere solche Sprüche vorzubringen?“

109. Kapitel. Meinungsaustausch zwischen dem Schriftgelehrten und dem Priesterweibe.

1. Diese ziemlich bissigen Bemerkungen der Priesterin brachten den Schriftgelehrten zu einer besseren Besinnung, und er sah nun ein, wie plump sein römischer Spruch war und wie sinnlos hier angewandt.

2. Er besann sich und sagte (der Schriftgelehrte): „Na, na, liebe Freundin, so habe ich es ja doch nicht gemeint, sondern nur also, daß es dir, weil du von einer Seele und von einem Fortleben derselben auch nach des Leibes Tode und also auch von einem allein wahren Gott gar nichts weißt und uns nur den ewigen Tod vorpredigst, nicht geziemt, also zu reden, als ob du allein alle Weisheit der ganzen Welt in dir hättest, und als ob du uns, die um ein zehntausendfach Besseres wissen, mit deinem alten Diogeneskrame belehren wolltest, gerade als ob wir noch nie etwas davon gehört hätten, sondern wir wollen nun nur euch armen Blinden etwas Besseres geben; und unter diesem Punkte nur geziemte sich das für dich nimmer, was sich für uns nun geziemt euch gegenüber! Ihr müsset ja nur uns anhören, nicht aber wir euch, da wir ja ohnehin nur zu gut wissen, wie ihr stehet, und worin eure innere diogenesische Weisheit besteht, die bei euch auszufegen unsere Aufgabe ist. Und darin liegt auch so annäherungsweise eben die Bedeutung meines Sprichwortes.“

3. Sagte die Priesterin: „Sei die Bedeutung deines Sprichwortes nun, wie sie wolle, so hast du es dennoch nicht als ein dem Anscheine nach seiender Grieche, der auf Bildung, Art, Sitte und Humanität alles halten soll, sondern als ein so recht roher Jude hier angewandt. Allein ich sage dir nun das also, damit du sehen kannst, daß wir uns hier auf einem feineren sittlichen Boden bewegen, als auf welchem vielleicht bei euch zu Jerusalem das Volk Gottes sich bewegt.

4. Es wäre wahrlich der Mühe wert, den Gott näher kennen zu lernen, der sich solch ein Völkchen zu dem Seinen erwählt hat! Wahrlich, das sage ich dir: der Gott wäre ein sehr bedauerliches Wesen! So du uns belehren und uns den Diogenes ausfegen willst, da mußt du ganz anders mit mir zu reden anfangen, sonst wirst du als nur ein Jünger des großen Meisters – und das sicher gerade nicht der bevorzugteste – mit uns eben nicht die besten Geschäfte machen! Nimm dich daher ein wenig besser zusammen!“

5. Sagte der Schriftgelehrte: „Lassen wir nun das, und gehen wir gleich zu der Hauptsache über! Siehst du aber nicht ein, daß wir Jünger alle an einen wahren Gott und an die Unsterblichkeit der Seele des Menschen glauben? Ja, warum denn hernach ihr nicht? Wir sind hiervon alle vollkommen überzeugt und sind doch auch Menschen! Wie kommt es denn hernach, daß ihr gar keine Überzeugung habt von allem dem, was nun doch schon von jedem nur ein wenig tiefer denkenden Menschen als eine ausgemachte Sache betrachtet und auch ganz gründlich eingesehen wird?

6. Sehet, ich kann es euch sagen, woher das kommt: das ist eine Strafe von dem wahren Gott Israels für euch, daß ihr euch darum stets von dem schrecklichen Gefühle des ewigen Todes plagen lassen müsset, weil ihr die einst gehabte höhere Lebenswahrheit den Völkern vorenthalten und sie, statt mit der lichten Wahrheit, nur mit allerlei Lug und Trug wegen eures zu großen Wohllebens und Nichtstuns abgespeist habt!

7. Ihr habt euch dem Volke als die wahren Diener und unsterblichen Freunde der Götter gezeigt und verlangtet oft große und mitunter sogar höchst grausame Opfer von dem armen, von euch durch und durch belogenen und betrogenen Volke; dafür aber hat Gott euch das innere, überzeugende Gefühl des Seelenlebens genommen und das Gefühl des ewigen Todes in euch gelegt, und darin besteht nun eure große Weisheit, daß ihr fühlet und klar gewahret, daß der ewige Tod in euch haust!

8. Aus eben diesem Grunde könnet ihr auch nicht mehr irgend dahinterkommen, wo der noch gleichfort bestehende Verkehr zwischen den hier lebenden Menschen und den abgeschiedenen Seelen noch ebenso fortbesteht, wie er allzeit bei Menschen bestanden hat, die bei der alten Wahrheit geblieben sind.

9. Nun aber sei euch noch etwas gesagt! Das überaus lächerlich dumme Heidentum ist bei euch nun ausgefegt, und ihr werdet es hoffentlich fürder nimmer aufrichten; nehmet daher die Lehre, die ihr von euren braven Männern schon erfahren werdet, in eure Herzen auf und lebet und tut danach, so wird das in euch wieder zurückgekehrte Leben überzeugende Gefühl des Lebens der Seele nach des Leibes Tode sich schon wieder einfinden und wird euch erkennen lassen den einigen, wahren Gott und Herrn, der euch nicht für den ewigen Tod, sondern nur fürs ewige Leben erschaffen hat, so ihr euch desselben würdig machen wollet auf dem Wege einer ganz anderen Weisheit als auf dem eures dümmsten Diogenes! – Hast du mich verstanden?“

10. Sagte die Priesterin: „O ja, recht gut! Hast wohl recht klug geredet nun, aber leider nur Worte, wie wir ähnliche auch gar oft von unserem verstorbenen Mentor vernommen haben! Die Worte an und für sich sind recht gut, – nur schade, daß sie für uns keine irgend überzeugende Kraft und Macht haben! Wenn sich einst, etwa schon vor einigen tausend Jahren, unsere Eltern von irgendeinem wahren Gotte abgewandt haben, so können wir dafür doch unmöglich eine Schuld tragen, derentwegen derselbe einige und einzig wahre Gott auf uns schuldlose Nachkommen jener gewesen sein sollenden Frevler noch immer einen solchen Haß haben sollte, der unsere Gemüter in einem fort mit dem ewigen Tode plagt! Nun, wenn so, da danken wir euch für euren einigen, wahren Gott! Da gibt uns unser Diogenes mit der Lehre der zu erwartenden ewigen Vernichtung einen viel größeren Trost als du uns nun mit der Aussicht auf die Wiedergewinnung des Gefühles ewigen Lebens in unseren Seelen! Nein, das wäre mir ein schöner allweisester und allmächtiger Gott, der einen so unbändigen Zorn gegen ein Geschöpf festhalten könnte, daß denselben alle die vielen tausend vergangenen Winter nicht endlich einmal abzukühlen imstande sein sollen!

11. Ich könnte mir einen wahren Gott höchstens nur unter dem Begriffe einer höchsten und reinsten Liebe vorstellen, weil die Liebe das eigentlich alles zeugende und belebende Element ist; aber unter dem Begriffe eines höchsten Zornes mir einen Gott vorstellen, das wäre für mich etwas rein Unmögliches und Undenkbares! Wir Heiden haben wohl auch Zorngötter, – allein die haben als symbolische Bilder ihren Sitz in der Unterwelt, weil von dorther selten etwas Gutes zum Vorscheine kommt; denn in den unterirdischen Löchern und Höhlen wohnen gewöhnlich Schlangen, Drachen und reißende wilde Bestien, und auch Schwefel, Pech und fürchterliches alles verheerendes und verzehrendes Feuer haben darin ihre Wohnstätten. Weil darin so böse Dinge hausen, so haben wir alle die schlechten und bösen Leidenschaften unter den finsteren Zerrbildern in die Unterwelt gesteckt.

12. Aber unsere Begriffe von den guten Göttern sind alle derart, daß sie sich aus der reinen Liebe ganz gut ableiten lassen. Mächtiger und weiser Ernst, mit Liebe gepaart, ist das, was wir uns als einen gültigen Begriff für einen Gott aufstellen, der irgend in oder über den Sternen wohnt, und für den Begriff des häßlichen Zornes und der verabscheuungswürdigen Rache haben wir die Symbole der Furien. Und so, Freund, haben wir Heiden immer noch die besseren und vor jeder reinen Menschenvernunft billigeren Begriffe von einem wahren Gottwesen! – Was sagst du nun dazu?“

110. Kapitel. Rede des Schriftgelehrten über das Wesen Gottes.

1. Sagte der Jünger: „O du meine liebe, weise Heidenpriesterin! Du redest zwar nach deinem Begriffe weise und hast von der guten Gottheit eben keinen verwerflichen Begriff, – aber du kennst dessenungeachtet das wahre Wesen Gottes nicht, und würdest du es kennen, dann würdest du mit den Weisen der Vorzeit ausrufen: ,Schrecklich ist es für den Sünder, in die Hände des allmächtigen Gottes zu geraten!‘ Gott ist wohl voll der höchsten Liebe gegen jene, die Ihn erkennen, lieben und Seine Gebote halten, – aber tausendmal Wehe denen, die Ihn nicht erkennen wollen oder, so sie Ihn schon erkennen und um Seine Gebote wissen, sich aber in ihrem Herzen doch von Ihm abwenden und Seine Gebote nicht halten!

2. Siehe, die Geschichte weist uns gar erstaunliche Beispiele von den glühendsten Zorngerichten über ganze Völker, die Gott nicht mehr erkennen wollten und nur taten, was ihren Sinnen frönte! Weil aber Gott derlei grobe und ganz verstockte Sünder und Gegner Seines heiligen Willens allzeit mit den unnachsichtlichsten, schärfsten Strafen heimsuchte und dieselben oft auf Kinder und Kindeskinder ausdehnte, so können wir nicht umhin, als ganz bestimmt anzunehmen, daß in dem einzig und alleinig wahren Gott auch Zorn und Rache wohnt, und das um so bestimmter, als solche Eigenschaft auch in allen Seinen Geschöpfen nur zu vorherrschend anzutreffen ist!

3. Es kommt nun bei uns Geschöpfen nur darauf an, in welche der in uns vorhandenen Eigenschaften wir uns vorwaltend hineingelebt haben und nach denselben handeln; denn in denselben und gleichen Eigenschaften wird sich auch Gott gegen uns verhalten. Sind wir gut, weise, liebevoll gegen Gott und unsere Nebenmenschen und barmherzig, demütig und geduldig, so wird Gott gegen uns eben auch also sein zu jeder Zeit. Er wird in uns erwecken das Bewußtsein des ewigen Lebens, und wir werden strotzen von allen Segnungen. Sind wir aber das Gegenteil, dann wird auch Gott gegen uns gleich also sein und uns züchtigen in einem fort, und das auf so lange, als wir uns nicht völlig nach Seinem Willen gebessert haben. Und siehe, darin besteht denn auch die höchste Gerechtigkeit Gottes, ohne welche Eigenschaft Gott unmöglich ein vollkommen wahrer Gott wäre!

4. Denn Gott, der allsehende, allwissende und allfühlende, muß ja sicher doch auch zu beurteilen imstande sein, was da gut und böse ist, das heißt, was da ist entweder in Seiner ewigen Ordnung, oder was da ist wider dieselbe, und muß dann das Geschöpf, das Er mit Vernunft und freiem Willen begabt hat und zu einem höheren Lebenszwecke auf dieser Erde erheben will, durch eine gerechte Erziehung auch entweder belehren oder strafen.

5. Unser allein wahrer Gott ist daher alles in allem. Er ist die höchste und reinste Liebe, aber auch die höchste und unerbittlichste Gerechtigkeit Selbst. Meine Liebe, so du Myriaden von Jahren fortlebtest, handeltest aber immer wider den erkannten Gotteswillen, so würde Er dich nicht erhören, so du Ihn auch Tausende von Jahren auf den Knien bätest, daß Er dich von deinem Elende befreien möchte. Aber sobald du dich ermannst, allen Ernstes Seinen Willen zu dem deinen durch die Tat zu erheben, dann wird dich Gott auch erhören und wird dir helfen nach dem Maße, in welchem du Seinen Willen angenommen hast. Siehe, das ist ein wahrer und richtiger Begriff von dem allein wahren Gott, der den Himmel und diese Erde und alles, was da ist, aus Sich erschaffen hat! – Was sagst du nun dazu?“

6. Sagte die Priesterin: „Ja, ja, das klingt ein wenig besser und hat viel aus der Natur Begründetes für sich! Aber ich bin denn ein selbständig denkendes Wesen, habe Verstand und Vernunft, und ich suche und finde keinen Gott, – und wo ist der, der mir kundtäte den erwiesen wahren Gotteswillen, auf daß ich dann nach demselben handeln könnte? Oder habe ich vor diesem meinem Dasein je mit dem treuest wahren Gott irgendeinen Kontrakt abgeschlossen, in dem die Bedingungen festgestellt worden wären, unter denen ich in diese Welt hätte geboren werden sollen, und was dann tun?

7. Nein, von dem ist nirgends etwas zu erfragen, sondern der Mensch kommt ohne sein Wissen und Wollen in diese Welt, muß zuerst wegen seiner Unbehilflichkeit und Schwäche sich gar viel von seinen starken Eltern gefallen lassen, was jedoch gut ist, weil der höchst schwache Kindmensch ohne ihre Hilfe sicher in der kürzesten Zeit zugrunde gehen müßte. Mit der Zeit aber wird das Kind ein starker Mensch, und das zu strenge Gehorchen dem elterlichen Willen wäre da bedeutend gemäßigter, – aber da kommt nun der Gehorsam gegen einen höheren Willen Gottes und hemmt den Menschen in allen seinen freien Lebensrichtungen bis zum Grabe hin. Nun, das wäre denn ja schon recht, wenn man sich zuvor einem Gotte dafür verbindlich gemacht hätte; aber von dem ist nirgends auch nur eine Silbe zu erfahren und zum lebendig erinnerlichen Bewußtsein zu bringen!

8. Wir Menschen sind offenbar durch eine große Macht und Kraft ins Dasein gerufen. Das lehrt uns unser Selbstbewußtsein. Wer aber diese Kraft ist, und wie sie beschaffen sein mag, das ist eine ganz andere Frage. Wir bringen höchstens so viel heraus, daß sie irgend da sein muß, weil denn doch eine jede Wirkung ihre Ursache haben muß. Aber wo liegt diese Ursache, was ist sie, wie sieht sie aus, und wie wirkt und handelt sie? Wer kann sie suchen, wer kann sie finden und wer vernehmen ihre Stimme und ihren Willen und wer ihr Angesicht schauen?

9. Was wir von dieser Kraft und Macht wissen, das wissen wir bis jetzt nur aus dem Munde und aus der frommen Phantasie der Menschen, und zumeist von solchen, die durch ihre eigentümlichen Fähigkeiten auch mit den geheimen Kräften der großen Natur näher vertraut waren und sich dieselben oft auch in einer staunenswerten Ausdehnung auf ihre Lebenszeit dienstbar machen konnten. Diese Art freilich seltener Menschen, die wir gewisserweise Halbgötter nannten, benutzten ihre Naturgabe denn auch gewöhnlich dahin, daß sie den Menschen im Namen eines oder auch mehrerer Götter Lehren und Gesetze gaben, und die leichtgläubigen und blinden Völker glaubten ihnen denn auch ungezweifelt fest und halfen den Wundertätern noch, über sie und ihre Nachkommen nicht selten unerträglich harte Gesetze zu machen und sie mit den grausamsten dies- und jenseitigen Strafen zu sanktionieren. Wenn dann auch ebenso weise und mit vielen außerordentlichen Eigenschaften begabte Menschen dem alten, verrosteten Unsinne mit dem besten Willen von der Welt ein Ende zu machen sich vornahmen, so wurden sie bald oft ganz traurige Opfer der alten, grausamen Gesetze. Und das ist stets also gewesen auf dieser Erde und wird auch fürder also bleiben, weil unserer Erde Natur und Temperatur also ist, daß auf ihrem Boden etwas wahrhaft Gutes nie lange währt, aber desto hartnäckiger und beständiger das Schlechte und Arge.

10. Streue aus den reinsten Samen in ein sorgfältig gepflegtes Erdreich, und es wird zwischen demselben dennoch stets eine Menge Unkraut zum Vorscheine kommen! Streue des Unkrautes Samen in ein Erdreich, und du wirst nicht eine Weizenähre mitten aus dem Unkraute von selbst emporkommen sehen! Also muß der Mensch das Gute stets mit einem besonderen Fleiße pflegen, und er hat dabei vollauf zu tun, um es vor allerlei Verderben zu beschützen. Aber trotz allem Fleiße und Eifer so mancher sehr achtenswerter Menschen geht dann mit der Zeit dennoch alle ihre große Mühe derart in Trümmer wie eine große, schöne Stadt, die einst der Glanz der Erde war, von der man später aber kaum mehr weiß, wo sie gestanden ist.

11. Ich sage es dir, daß du mir ehedem wahrlich eine ganz annehmbare Definition des Begriffes Gott gegeben hast; aber du als Redner bist ein Mensch, und ich, deine Zuhörerin, bin auch nichts anderes, und ich kann dir da nichts anderes sagen als: deine Erörterung war gerade der reineren Vernunft nicht zuwider, – aber es fehlt ihr dennoch das Wichtigste, nämlich der notwendig klare Beweis, daß es im Ernste einen solchen Gott gibt, von dem du recht Gutes und Annehmbares ausgesagt hast. Kannst du das, dann hast du an uns allen ein gutes Werk getan, und wir werden dich zu loben wissen.“

12. Sagte der Schriftgelehrte: „Diesen von dir verlangten Beweis kann dir niemand anders geben als nur du allein dir selbst, – auch Gott nicht; denn der muß erst durch die Tätigkeit nach dem wahren, geoffenbarten Willen Gottes in dir selbst wach werden! Denn darin liegt eben jenes Wahrzeichen für die Erlangung des ewigen Lebens als eine lebendig wahre Bestätigung, daß der den Menschen geoffenbarte Wille Gottes nicht eines Menschen, sondern des ewig wahren und lebendigen Gottes Wort ist, das in sich selbst Leben, Liebe, Kraft und Weisheit ist. – Mehr kann ich dir nicht sagen, da dieses allein jedem genügt, der danach leben und tun will; mit allem Hin- undherkritisieren aber läßt sich für das Leben der Seele ohnehin nie etwas gewinnen. Willst du aber noch mehr, da wende dich nun nur an unseren Herrn und Meister, der wird dir schon noch ein mehreres zu sagen sehr imstande sein!“

13. Sagte die Priesterin: „Freund, das hätte ich auch ohne solchen deinen hier ganz unnötigen Rat gewußt! Du aber hast gleich mit uns zu reden angefangen, und so verlangte es die bessere Lebensart, mit dir zu reden; nun aber scheint es mit deiner Weisheit am Ende zu sein, und so verweisest du mich an den großen und weisesten Meister! Ist auch recht; aber hättest du das gleich anfangs getan, so wäre das mir und uns allen lieber gewesen.“

111. Kapitel. Der Weg zur Gotteserkenntnis und Gottesliebe.

1. Hierauf sagte der Schriftgelehrte nichts mehr; aber Ich sagte zu der Priesterin: „Höre, du stark weltweise Priesterin, es war das einerlei, ob Ich oder dieser Jünger mit dir geredet hat; denn ein jeder Meiner Jünger, der irgend in Meinem Namen den Mund auftut, kann nicht anders reden, als wie ihm von Mir Selbst die Worte in den Mund gelegt werden! Er hat dir gerade das gesagt, was Ich dir gesagt hätte! Daß ihr gar losen Stoiker nichts als den Tod und die endliche völlige Vernichtung eures Daseins in euch fühlet, daran schuldet niemand denn ihr selbst.

2. Warum gibt es denn gar viele Heiden, die so gut wie die besten Juden an das Fortleben der Seele nach dem Tode nicht nur fest und ungezweifelt glauben, sondern alles dessen in sich auch fest und lebendig bewußt sind?! Warum seid denn ihr das nicht?

3. Ich werde euch aber sagen, was bei und in euch daran schuldet! Sehet, daran schuldet euer Hochmut, eure Selbstliebe und die Gier, vor den Menschen als hochtrabende Viel- oder gar Alleswisser zu glänzen und jeden andern mit den alten, weltweisheitlichen Brocken in den Staub hinabzureden! Wer soll euch denn etwas sagen oder raten, wenn ihr allzeit nur darauf euer Gewicht leget, daß ein jeder nur von euch belehrt werden kann, – ihr aber von niemandem? Darin aber besteht der allergefährlichste Hochmut, dem der Spruch gilt: Wem nicht zu raten ist, dem ist auch nicht mehr zu helfen!

4. Solange ihr aber in diesem Hochmute verharren werdet, ebenso lange werdet ihr auch anstatt des Lebens nur den ewigen Tod in euch fühlen; denn der Hochmut treibt die Seele mit aller Gewalt in ihres Leibes Fleisch, und diese, sich in sich selber stets mehr und mehr aufblähend, wird dadurch ordentlich völlig eins mit ihrem Fleische und kann in solch einem Zustande dann nichts anderes fühlen und empfinden als den Tod des Fleisches.

5. Wo aber die Seele von ihrem Hochmute absteht und sich demütigt, da isoliert sie sich auch stets mehr von ihres Leibes grobem Fleische und steht mit demselben nur allein durch den ihr verwandten Nervengeist im Verbande. Ist das bei einer Seele einmal eingetreten, dann wird sie auch schon lebensfühlend in sich werden, und bestrebt sie sich, auch mehr und mehr in der Nächstenliebe und dadurch auch in der reinen Liebe zu Gott, den sie in ihrer Demut auch bald und leicht finden wird, recht tüchtig zu werden, so ruft sie dadurch auch ihren jenseitigen Geist aus Gott wach und fängt an, sich mit demselben zu einen. Wenn das aber einmal vor sich geht, dann geht sie schon in das vollkommene, ewige Leben ein und wird dadurch Gott ähnlicher und ähnlicher in allem, und das ewige Leben ist in ihr zur großen Klarheit geworden.

6. Solange aber eine Seele in ihrem Welthochmute verharrt und sich von ihren Nebenmenschen über alle die Maßen nur Weihrauch über Weihrauch streuen läßt, so lange versenkt sie sich selbst auch stets mehr in ihr grobes Fleisch und somit auch notwendig stets mehr und mehr in des Fleisches Tod. Welche Worte und welche Taten und Zeichen aber sollen dann einer todvollen Seele den Beweis liefern können, daß sie nach des Leibes Tode fortlebt, und daß es einen einigen und wahrhaftigen Gott gibt?!

7. Du meinst nun freilich, daß ein höchst weiser, allwissender und allmächtiger Gott solchem Menschen doch auf irgendeinem Wege ein Licht geben könnte, daß er gewahr würde, daß es mit ihm also steht. Das tut Gott immer; aber der Hochmut des Menschen läßt es nicht zu, daß der Mensch alles dessen in sich innewerden möchte.

8. Ich sage es euch: Wer immer einmal anfängt, daran zu denken, daß es einen Gott gibt, der alles, was da ist, erschaffen hat und alles erhält und leitet, der wird auch bald einsehen, daß alles, was da ist, gut und zweckmäßig eingerichtet ist. Er wird aus der weisen Einrichtung auch bald dahin ins klare kommen, daß der Schöpfer alles dessen, was da ist, höchst gut sein müsse. Denkt der Mensch recht oft daran und beurteilt also Schöpfer und Geschöpfe, so wird er den Schöpfer zu lieben anfangen, und von Tag zu Tag, immer mehr und mehr wird sich die Liebe zu Gott im Herzen des Menschen mehren und festen, und diese Liebe ist dann eben der jenseitige Geist des Menschen, von dessen Lichte die Seele durchdrungen und von dessen Lebenswärme sie belebt wird. Und ist das beim Menschen einmal der Fall, so ist es ihm dann auch nicht mehr möglich, sich je irgend einen Tod in sich zu denken.

9. Daß aber das leicht ein jeder Mensch mit und in sich bewerkstelligen kann, könnt ihr aus dem entnehmen, daß ein jeder Mensch Augen hat zum Sehen, Ohren zum Hören und den Geruchsinn, den Geschmack, das Gefühl und zu allem dem Verstand, Vernunft und Hände und Füße und einen freien Willen, durch den er nach Belieben seine Glieder in eine Tätigkeit setzen und seine Liebe ordnen kann. Also ausgerüstet, sieht er die Sonne auf- und niedergehen, – also den Mond. Er sieht die Sterne und zahllos viele Arten und Gattungen der Geschöpfe, die er betrachten und aus denen er Gott den Herrn stets mehr und mehr erkennen kann.

10. Ein jeder Berg, eine jede Ebene mit den vielen Früchten, ein jeder Strom, alle die verschiedenen und mit aller Schönheit geschmückten Gräser, Pflanzen, Gesträuche und Bäume und die gesamten Tiere geben ihm ja doch Stoff zur Genüge, der ihn über ihr Entstehen und Bestehen zu denken nötigt.

11. Denkt aber ein Mensch darüber nach, so wird ihm eine innere Stimme sagen, daß alles das nicht irgend von und aus sich selbst hat entstehen können, sondern daß da ein höchst weiser, liebevollster und allmächtiger Schöpfer dagewesen sein muß, der alles dieses geschaffen und geordnet hat, es jetzt noch forterhält und in einer stets veredelteren und vervollkommneteren Art ewig forterhalten wird, weil Er es schon seit für den Menschenverstand undenklichen Zeiten bis jetzt erhalten hat.

12. Wer also sich einen Gott und Schöpfer vorstellt, der muß dann ja doch auch eine große Achtung vor Ihm und Liebe zu Ihm stets mehr in sich wachrufen. Ist aber diese einmal da, so ist auch der Anfang zum inneren Lebendigwerden der Seele in ihrem Geiste da, und wächst dann fort mit der Zunahme der Liebe zu Gott, welche Zunahme um so leichter stattfindet, weil der Liebegeist die Seele stets mehr erleuchtet und sie über das Wesen Gottes in eine stets größere Klarheit gelangt.

13. Hat ein Mensch auf diese Weise den Weg zu Gott und somit zum wahren, ewigen Leben gefunden, so kann er dann aus Nächstenliebe solchen auch seinen Nebenmenschen zeigen und ihnen einen rechten Führer abgeben, und er wird dafür von Gott aus mit noch mehr Licht und Weisheit begabt werden, und seine Jünger werden ihn lieben und mit allem Nötigen unterstützen.

14. Hättet ihr das von jeher getan – wie ihr schon eben durch euren Mentor, der Platoniker war, auf ganz gutem Wege euch befandet –, so würdet ihr uns nun nicht mit eurem Diogenes vollends totreden wollen; denn ihr hättet da selbst schon eine große Lebensfülle in euch. Aber euer Diogenes und euer geheimer großer Hochmut haben euch ganz verkehrt, und so werdet ihr nun nach Meiner euch hier gegebenen Lehre ganz von vorne euer inneres Leben zu bilden anfangen müssen. Mit recht viel Eifer und Liebe werdet ihr bald große Fortschritte machen; aber so ihr in eurem Eigensinne verharren werdet, so werdet ihr auch verharren in eurem inneren Tode. – Habt ihr das wohl begriffen?“

15. Sagte die Priesterin: „Ja, Herr und Meister, das war klar, und ich habe die Wahrheit alles dessen nun ganz wohl eingesehen; aber es wäre das von seiten eines einigen, wahren und allmächtigen Gottes ja eben auch ein leichtes gewesen, uns den Geist unseres verstorbenen Mentors erscheinen zu lassen, weil er uns das als den endgültigen Beweis seiner Seelenlebenslehre oft auf das feierlichste unter Eid versprochen hatte. Wäre er uns erschienen, so wären wir in seinen Lehren befestigt worden und hätten nach ihnen auch unser ganzes Leben eingerichtet; aber da er uns das bis jetzt noch schuldig geblieben ist, so ist es selbstverständlich, daß wir darum an der Wahrheit seiner Lehren zu zweifeln haben anfangen müssen. Warum erschien er uns denn nicht?“

16. Sagte Ich: „Er ist euch sieben Male im Traume erschienen und hat euch stets den gleichen Grund angegeben, warum er euch nicht anders denn nur im Traume besuchen kann. Warum glaubtet ihr ihm denn nicht? Weil ihr als sehr schöne Töchter eines Oberpriesters schon zu eitel und zu hochmütig geworden seid und euren braven Mentor schon bei seinen Lebzeiten nur mehr belacht denn irgend mit einem freudigen Lebenseifer angehört habt! Eure Seelen verkrochen sich zu mächtig ins Fleisch; dadurch verloret ihr die zum Geistersehen notwendige Außenlebensäthersphäre, und da war es dem Geiste unmöglich, sich euch ersichtlich zu zeigen.

17. Wer aber durch die Fülle seines inneren Lebens auch außer seinem Leibe eine Lebensatmosphäre überkommt, der kann die Seelen verstorbener Menschen sehen und sich mit ihnen über die wichtigsten Lebensdinge besprechen, wann und wie oft er will. Aber dazu gehört freilich eine innere, nahe gänzliche Lebensvollendung.

18. Nun aber denket darüber nach, besprechet euch mit euren Männern, die Meine Lehre bereits überkommen haben, und ihr werdet dann schon in euch zu einem rechten Urteile kommen! Ist das einmal geschehen, so werden wir am Abend schon noch etwas hinzutun, das euch etwas mehr erleuchten wird.

19. Die Menschen dieser Erde haben die große Bestimmung, selbstmächtige Kinder Gottes zu werden; daher müssen sie auch in aller Selbsttätigkeit aus sich selbst geübt und gebildet werden. – Und nun gut vor dem Abend!“

20. Da wurden die Weiber still, und ich begab Mich mit den Jüngern und Hausleuten hinaus ins Freie.

112. Kapitel. Der abergläubische Fischereimeister am Euphrat.

1. Wir gingen zu dem Strome hin, und zwar an die Stelle, wo sich das aufgefangene Holzfloß befand, das noch in seiner ganzen Größe unaufgelöst dalag, und wo gerade die Fischer des Jored ihre Netze zu einem größeren Fischfange ausgeworfen hatten. Wir sahen ihnen zu, wie sie einen Zug um den andern vergeblich machten.

2. Da sagte Jored zu dem Fischmeister: „Ja, was ist denn das heute? Sind denn gar keine Fische mehr in unserem sonst so fischreichen Strome?“

3. Sagte der alte Fischmeister: „Herr, das ist mir selbst ein Rätsel! Es wäre die Zeit sonst sehr günstig, und es kommen auf des Wassers Oberfläche stets eine Menge Bläschen zum Vorscheine, was sonst eines der besten Zeichen zum Fischfange ist. Also haben wir auch keinen Wind, und die Sonne steht gerade in der rechten Neigung; dazu kommt noch, daß der Mond im Aufnehmen und in das Himmelszeichen der Fische getreten ist, was wieder zum Fischfangen außerordentlich gut ist. Sonst habe ich bei so überaus günstigen Umständen stets einen reichen Fang gemacht mit geringer Mühe, heute aber ist alles wie rein verhext. Wir haben nun schon fünf Züge gemacht, und das beinahe über den ganzen breiten Strom, und ich habe den Neptun und der Triton und alle Nymphen dieses Stromes angerufen, aber alles rein umsonst! Nicht ein Fisch kommt uns in die guten Netze! Es ist schon rein zum Verzweifeln!

4. Da unten die Fischer in Malaves sollen gestern eine ungeheure Menge Fische gefangen haben; sie müssen einen Zauberer unter sich haben. Aber auch ich verstehe mich auf allerlei Fischverzauberungsdinge und habe bereits schon alle angewandt; aber es nützt heute alles nichts! Alle Auspizien (Voraussetzungen) sind gut, und doch kein Erfolg! Jetzt sage mir ein Mensch, was denn doch da um aller Götter willen dahinter stecken mag! Am Ende sind die Götter alle auf uns zornig geworden, weil der fremde Magier ihre Statuen, die wir verehrten, auf einen Wink vernichtet haben soll, – was ich gehört, wovon ich mich aber noch nicht selbst überzeugt habe. Wenn die Sache wahr wäre, mein Herr, da möchte es mit uns bald sehr schlimm aussehen; denn die einmal erzürnten Götter sind so leicht nicht wieder zu besänftigen. Das würde uns große Opfer kosten! Aber ich will nun doch noch ein paar Züge versuchen; fallen die auch leer aus, so tue ich heute nichts mehr!“

5. Sagte Jored: „Tue das, vielleicht kommt doch etwas zum Vorscheine!“

6. Darauf ordnete der Fischmeister schnell wieder einen neuen Zug an. Es ging alles in der besten Ordnung, und als das Netz an das Ufer gebracht ward, da war es wieder wie früher leer, was dem Fischmeister viel Ärger machte, und worauf er sagte (der Fischmeister): „Ich sage es ja: heute ist ein verhexter Tag, und da ist jede Arbeit und Mühe vergeblich! Wenn ich nun noch einen Zug anordne, so wird er sicher wieder genau also ausfallen, wie dieser ausgefallen ist, und ich glaube, daß man für heute diese Arbeit einstellen sollte. Wenn du für heute Fische benötigst, so können sie von Malaves hergeschafft werden; denn die dortigen Fischer sollen gestern einen großen Vorrat gefangen haben. Auch soll ein Magier durch einen geheimen Zauberschlag ihre Häuser in einem Moment derart hergestellt haben, daß sie uns Stadtbewohner ganz ordentlich auslachen könnten! Was in dieser lieben Welt doch alles zum Vorscheine kommt, – ja, es kennt sich jetzt schon kein ordentlicher Mensch mehr aus! Was meinst du, Herr, sollen wir uns noch einmal die sicher sehr vergebliche Mühe machen, oder sollen wir lieber diese Arbeit für heute einstellen?“

7. Sagte nun Ich: „Höre, du Mein alter, sehr abergläubischer Fischer, solange aus dem Wasser die gewissen Bläschen aufsteigen, ist das fürs Fischen nie ein gutes, sondern allzeit ein schlechtes Zeichen, weil das ganz natürlich anzeigt, daß die Fische am Boden ruhen. Denn um das zustande zu bringen, müssen, durch ihren Instinkt geleitet, sich ihre Luftsäcke, die sie im Leibe haben, der Luft entledigen, und das macht bei einem fischreichen Wasser stets die Erscheinung des Aufsteigens der gewissen von dir bemerkten Bläschen. Wenn du diese Bläschen vermissest, dann erst wirf die Netze aus, und du wirst Fische in Menge bekommen! Denn wenn der Fisch aus seinem Luftsacke keine Luft mehr ausstößt, dann braucht er sie, weil er nur durch sie auf die Oberfläche heraufkommen kann.

8. Siehe, nun hat das Aufsteigen der Bläschen aufgehört, und die Möwen und Reiher fangen an, ins Wasser zu stoßen! Jetzt mache noch einen Zug, und du wirst ohne alle Zauberei Fische in die schwere Menge bekommen!“

9. Dem Fischmeister wollte das zwar nicht sehr einleuchten, doch weil es ihm auch sein Dienstherr Jored befahl, so ordnete er noch einmal einen Zug an, warf die Netze aus und bekam eine solch kolossale Menge Fische, daß er die Netze kaum ans Ufer zu bringen imstande war. Nun gab es natürlich Arbeit über Arbeit, um die vielen und zumeist sehr großen Fische in den Behältern unterzubringen.

10. Nach einer Stunde waren diese untergebracht, und der Fischmeister konnte sich nicht genug verwundern über diesen nun auf einmal so überreichen Fischfang und sagte am Ende seines Staunens: „Das soll zwar keine Zauberei gewesen sein, – aber ich sage: Das war dennoch die höchste und noch nie dagewesene Zauberei aller Zaubereien! Der Mann, der mir riet, noch einen Zug zu machen, scheint mir mehr zu wissen und zu kennen, als bloß die reiche Fischfängerei aus dem Ausbleiben der Bläschen und aus der Aktion der gewissen Wasservögel einem alten Fischmeister zu verkünden. Am Ende ist eben er derjenige, der die Statuen des Tempels wegzauberte und den Malavesern bessere Wohnungen hinhauchte! Aber lassen wir nun das, und ich frage nun bloß, ob wir noch einen Zug wagen sollen!“

11. Sagte Ich: „Tuet das, und ihr seid dann auf Wochen lang versorgt!“

12. Da beeilten sich die Fischer und machten noch einen Zug, der ebenso reich ausfiel wie der frühere.

13. Als die Fische in den großen, leeren Behältern untergebracht worden waren, da befahl der Fischmeister seinen Dienern, die Boote und das Fischerzeug in Ordnung zu bringen, und er trat darauf zu Mir hin und sagte: „Höre, du mir bis jetzt noch ganz unbekannter Mann! Du kannst und verstehst mehr, als was sonst ein gewöhnlich erfahrener, kluger Mann kennen und verstehen kann! Du mußt die große Magie irgendwo tief in Hinterindien studiert haben; denn hier unter den Griechen und teilweise Römern und Juden ist so etwas völlig unerhört. Diesen reichen Fischfang hast allein du uns in die Netze hineingezaubert! Ich bin ein alter Fischer; aber noch nie habe ich, selbst in der allerbesten Fischzeit, einen solchen Fang – und das von lauter Edelfischen – gemacht. Oh, mit dir möchte ich wohl so manches und vieles reden; denn du mußt viel gelernt und viel erfahren und auch schon von der Geburt an viele Talente besessen haben! Dich müssen die Götter wahrlich sehr stark angehaucht haben, weil in dir dein Wille zu einer solchen Macht gediehen ist!“

14. Sagte nun Jored: „Ganz gut, mein alter, treuer Diener, wir werden davon einmal allein noch vieles reden! Aber nun sorge du, daß für den heutigen Abend noch einige der schönsten und besten Fische in die Küche geschafft werden; denn wir wollen noch heute davon einen Genuß haben! Sorge aber auch, daß ihr mir nicht irgend zu kurz kommet!“

15. Das tat der Alte sogleich, war aber darauf bald wieder bei uns, indem wir unterdessen uns an den Floßholzstämmen gelagert hatten, um von da zu betrachten, wie eine große Menge von großen Möwen und Reihern ihre Auskundschaftungen über die großen und offenen Fischbehälter anzustellen anfingen und unter sich gewisserart einen Rat hielten, wie aus diesen ein Fisch zu bekommen wäre.

16. Da fragte Mich der Fischmeister, sagend: „Du lieber Mann, was wäre denn da gegen diese befiederten Fischdiebe zu unternehmen, damit sie uns in den Behältern keinen Schaden anrichten können? Denn sieh, wenn diese Tiere dir auch keinen von diesen großen Fischen aus dem Wasser zu heben imstande sind, so verwunden sie aber die Fische dennoch mit ihren langen und spitzigen Schnäbeln durch ihr pfeilschnelles Herabstoßen. Die Fische werden dadurch krank und sind nicht mehr so gut für den menschlichen Genuß, oder sie verenden gar nach einer stärkeren Verwundung, werden von diesen Vögeln als auf der Wasseroberfläche tot schwimmend derart zerfleischt, daß sie am Ende zu Boden sinken und das Wasser im Behälter verpesten, was dann für die gesunden Fische auch nachteilig wirkt. Dir wird dagegen sicher auch ein Mittel bekannt sein! Habe doch die Güte und gib es mir kund!“

17. Sagte Ich: „Du meinst noch immer, daß Ich ein Zauberer sei; aber Ich sage es dir für ganz wahr und bestimmt, daß das bei Mir nicht im geringsten der Fall ist und sicher nie war. Daher werde Ich dir da bloß als ein naturkundiger Mensch auch ein ganz natürliches Mittel ansagen, und dieses besteht darin: Decke die Behälter mit einem alten Fischnetze zu, dergleichen ihr genug habt, und diese Vögel werden durch das Netz den Fischen nichts mehr anhaben können! Siehe, das ist ganz wahr etwas Natürliches und leicht ohne alle Zauberei Ausführbares, und wenn es gut und fleißig gemacht ist, so ist es auch von einer entschieden guten Wirkung!“

18. Hier ging der Alte wieder, da er die Sache gut fand, berief seine Diener und setzte Meinen Rat schnell ins Werk und hatte darauf selbst eine Freude, dadurch den gefräßigen Vögeln einen solchen Riegel vor ihre lüsternen Schnäbel gesteckt zu haben.

113. Kapitel. Die rechte Art reigiöser Belehrung.

1. Meine Jünger aber meinten und fragten Mich, warum Ich denn diesem Fischer Mich nicht näher geoffenbart habe.

2. Ich aber sagte: „Das weiß und verstehe Ich am allerbesten! Für den ist es besser, daß er es später von den hiesigen Lehrern noch früh genug erfahren wird, mit wem er es in Meiner Person zu tun gehabt hat. Er ist zu sehr in seiner Idee, daß Ich ein Zauberer sei, befangen, und mit derlei Menschen ist da für weiter in der kurzen Zeit nicht wirksam gut zur Genüge auszukommen. Er wird nachderhand von diesen Hausleuten über uns, und namentlich über Mich, schon belehrt werden, und das zumeist von dem Arzte, der alles am meisten aufgefaßt hat, und dem Ich auch die Fähigkeit erteilte, mittels Auflegung der Hände allerlei Krankheiten zu heilen. Dann wird er seinen Zauberer bald verabschieden und von Mir den rechten Begriff bekommen.

3. Ich sage es euch allen: Wenn ihr jemand von den Heiden belehret, so dürfet ihr nirgends gleich samt der Tür ins Haus fallen, sondern ihr müsset zuvor den Menschen genau erforschen und daraus erkennen, von welcher Seite er zugänglich ist; denn habt ihr ihn bei einer unzugänglichen Seite gefaßt, so habt ihr euch die Arbeit nur selbst erschwert, und ihr werdet dann zu tun haben, um solch einen Menschen auf den rechten Weg zu bringen. Daher kann Ich euch nicht oft genug sagen: Seid klug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben!

4. Ihr wisset es nicht, welche Gewalt eine falsche Begründung eines Menschen über sein Gemüt ausübt. So ihr aber erfahret, worin diese besteht, so dürfet ihr den Menschen niemals direkt bei solcher seiner am meisten gepanzerten Seite anpacken, sondern nur dort, wo er am allerschwächsten ist, was ihr bald herausfinden könnet. Habt ihr ihn da überwunden, nun, so wird es dann gar nicht mehr schwer sein, sich auch seiner starken Seite zu bemächtigen. Ihr müsset euch also allzeit so verhalten und müsset auch also handeln wie ein geschickter und sehr gewandter Feldherr. Ein geschickter und gewandter Feldherr wird durch seine verläßlichen Spione den Feind auskundschaften lassen, wo derselbe irgend seine schwächsten Seiten hat. Weiß er nun das, so wird er dem Feinde auf seiner stärksten Seite nur ganz unbedeutende Beschäftigungen geben, um ihn zu täuschen; aber von seiner schwächsten Seite wird er ihm in den Rücken fallen und ihn ohne weiteres schlagen und besiegen.

5. Auch müsset ihr euch also verhalten wie ein sehr geschickter Arzt, der die Krankheit eines Menschen und ihren Sitz wohl erkannt hat. Was tut er? Seht, da, wo die Krankheit sitzt, tut er nichts und kann oft auch nichts tun! Aber er gibt dem Kranken solche Mittel, die die Krankheit ableiten auf die gesunden Teile des Leibes, von da zum Teil durch den Schweiß und zum Teil durch den Magen und die Gedärme, – und der Kranke wird gesund. Wo die Krankheit als der Feind sich stark hingesetzt hat, da ist mit ihr nichts anzufangen, sondern man zerteile sie durch gute und rechte Mittel, und man wird sie dann leicht in ihrer Schwäche besiegen.

6. Sehet und höret weiter! Dieser Fischmeister – der nun nicht hier ist, darum Ich mit euch auch also ganz frei reden kann – ist in seiner stärksten Begründungsseite ein Magier. Er glaubt an gewisse Sprüche, Amulette, Salben, an die Mondstände und -viertel, an die Sonne, Wolken, Luft und Vogelzüge und noch an tausend andere Dinge so fest, daß er dem ganz entsetzlich gram werden würde, der ihm da schnurgerade entgegenträte. Mit solch einem Menschen würde er dann sicher sehr wenig irgendwann mehr verkehren, weil er ihn für zu dumm und seiner Weisheit unwürdig halten würde.

7. Aber er ist sonst ein ganz guter und ehrlich treuer Mensch und hat seine Freude daran, von jemandem etwas Neues und Besonderes zu erfahren, – und sehet, das ist eben seine schwache Seite! Bei der muß man ihn fassen und ihm die Dinge in einem ganz naturwahren Zustande darstellen und erklären, und er wird dann schon geheim bei sich selbst den Zauberer hinauszuschaffen anfangen, weil er auf der andern Seite stets mehr und mehr einzusehen anfangen wird, daß seine ganze Zauberei auf lauter hohlem Boden basiert ist.

8. Es ist darum auch gut, die Menschen, die man für die Wahrheit gewinnen will, sich vorher ganz vom Grunde aus ihrer falschen Begründungen entäußern zu lassen. Haben sie das mit aller Energie – wie die Weiber der Priester – getan, dann haben sie in sich keine weitere Hauptkraft mehr und fangen dann erst an, ein aufmerksames Ohr auf den Gegner zu haben, fangen dann auch an, in seine höheren Wahrheiten einzugehen, verwerfen von selbst ihre falschen Begründungen, und man hat sie gewonnen.

9. Darum nehme es euch nicht wunder, so Ich mit derlei Menschen nur ganz wie ein natürlicher Mensch rede; denn Ich sehe ja jeden Menschen gleich durch und durch und erkenne nur zu klar seine starken und schwachen Seiten und weiß denn auch, was Ich ihm zu sagen und zu tun habe! Und wenn das menschliche Gemüt nicht zu sehr vom Hochmute und vom Geize gefangengenommen ist, kann ein jeder für die Wahrheit gewonnen werden; aber der Hochmut und der Geiz sind bei den Menschen stets am schwersten zu besiegen. Das merket euch denn auch, und so ihr danach handelt, so werdet ihr leicht handeln und stets die besten Erfolge erzielen!“

114. Kapitel. Die Schlange als Vorbild der Klugheit.

1. Sagte Petrus: „Herr, wie sagtest Du: daß wir klug sein sollen wie die Schlangen? Die Schlange ist ja doch das Sinnbild alles Bösen und Schlechten, ein Symbol des Satans, der durch seine Arglist in der Gestalt einer Schlange das erste Menschenpaar verführte! Die Schlange mag in ihrer bösen Tücke immerhin sehr listig sein; aber welcher ehrlich gute Mensch wird sie gegen seine Nebenmenschen in ihrer Tücke nachahmen wollen?! Kurz, dieses Dein Gleichnis verstehe ich noch immer nicht so recht! Erkläre uns das!“

2. Sagte Ich: „Wie lange werde Ich euch denn noch ertragen müssen! Sehet ihr denn auch das noch nicht ein, was doch so sonnenklar vor euren Augen liegt? Sagte Ich denn nicht, daß ihr die kluge List der Schlange euch aneignen sollet, aber nicht auch ihre damit verbundenen bösen Zwecke, darum ihr im Besitze solcher Klugheit aber dennoch gut und sanft gleich den Tauben verbleiben sollet?

3. Betrachtet aber nur einmal eine Naturschlange, und ihr werdet finden, daß eben dieses Getier klüger ist denn jedes andere der Erde. Die Naturkundigen sagen, daß der Löwe der König der Tiere sei, und Ich sage euch, daß das die Schlange ist; denn wenn schon der Löwe vermöge seiner Stärke alle andern Tiere in einem Kampfe besiegt, so flieht er aber doch vor der Schlange, und so sie ihn auf ihrer Lauer umringt hat, dann ist er verloren und wird ihr zu einer erbärmlichen Beute. Kurz und gut, die Schlange besitzt die größte Überlegung und sucht sich den Platz zu ihrer Jagd mit der möglichsten Vorsicht und förmlicher Berechnung aus, und die Beute, für die sie sich auf irgendeine Lauer gestellt hat, entgeht ihr nie. Nur allein der Mensch ist ihr Herr, sonst aber kein Geschöpf auf der Erde, besonders wenn sie einmal erwachsen ist und ihre volle Kraft erreicht hat. Ich rede hier von den wirklichen Schlangen und nicht von ihren kleinen Abarten, die aber auch noch klüger sind denn gar viele große Tiere.

4. In Indien und auch in Afrika, wo es viele von allerlei reißenden Tieren gibt – als Löwen, Panther, Tiger und Hyänen, also auch böse Affen und noch andere böse Tiere –, werden die Schlangen von den Menschen zu ihren sichersten und verläßlichsten Wächtern abgerichtet. Wo um eine Wohnung der Menschen, wie sie auch immer beschaffen sein mag, die Schlangen Wache halten, dahin kommt sicher nie irgendein Raubtier; sogar der Elefant und das mächtige Nashorn haben eine große Scheu vor diesen Hauswächtern. Sie tun aber auch den Haustieren keinen Schaden, so sie von den Menschen sonst mit dem nötigen Futter versehen werden. Sowie aber die Menschen sie hungern lassen, da verlassen sie dann ihre Wohnungen und gehen auf den Raub aus.

5. Zugleich sind die Schlangen durch einige Mühe derart zu zähmen und abzurichten, daß sie auf ein gegebenes Zeichen alles tun, was man – nach ihrer Fähigkeit – von ihnen verlangt. Das ist denn doch auch ein Zeichen von der ganz besonderen Intelligenz dieser Tiere. Je mehr Intelligenz aber irgendein Tier besitzt, desto leichter ist es zu irgendeinem guten Gebrauche abzurichten, und um so klüger ist es auch in sich und für sich selbst.

6. Ich habe euch nun einen förmlichen Naturlehrer gemacht, und so denket auch darüber nach, auf daß ihr Mich dann nicht wieder um eine Erklärung angehet, so Ich euch irgend bei einer andern Gelegenheit auf dieses Gleichnis aufmerksam machen werde! – Habt ihr Mich aber wohl auch verstanden, was Ich euch damit habe sagen wollen?“

7. Sagte Petrus: „Ja, hochgelobt sei Dein Name; denn Dir sind alle Dinge wohl bekannt, und so Du etwas erklärst, da wird es dem Menschen klar, und mir ist darum auch dies alles höchst klar! Wir werden uns aber in der Folge auch allenthalben also zu benehmen wissen.“

115. Kapitel. Die Floßdiebe.

1. Als Petrus solches geredet hatte, da ersah man mehrere Flöße die stromabwärts gerudert wurden, damit dieselben schneller schwammen, als da von selbst fließt das Wasser.

2. Da fragte Petrus den Jored und sagte: „Freund, warum rudern denn diese also, wie man es bei einem Strome, der ohnehin einen schnellen Lauf hat, nicht zu tun pflegt?“

3. Sagte Jored: „Das sind Flößer, die wahrscheinlich noch heute nach Samosata kommen wollen. Es ist aber hier ein alter Brauch, daß Flößer am Tage, das heißt solange die Sonne noch nicht untergegangen ist, hier zollfrei vorüberfahren können; wenn sie aber daherkommen, wenn die Sonne schon untergegangen ist, so müssen sie hier landen und den Zoll entrichten, ansonst sie bestraft werden. Siehe, darin liegt der Grund, warum diese ihre Flöße nun gar so sehr stromabwärts treiben! Wenn sie so fortfahren, so sind sie in zwei Stunden leicht in Samosata und kommen dort noch in der straflosen Zeit an. Um eine halbe Stunde später müßten sie dort schon eine Strafe bezahlen. Siehe, also stehen diese Sachen!“

4. Sagte Petrus: „Ja, aber warum da eine Strafe? Bei mir am Galiläischen Meere kann ein Schiff ankommen, wann es kann und mag, so braucht es darum keine Strafe zu bezahlen; denn man kann ja für zufällige und unvorhergesehene Hindernisse nicht, durch die man auf dem Wasser gar oft im Vorwärtskommen beirrt werden kann. Warum da eine Strafe?“

5. Sagte Jored: „Freund, du hast zwar in deiner Weise recht; aber auch diese Strafe hier ist recht und gerecht. Denn alle die Wasserfahrer an diesem mächtigen Strome bis dahin, wo er schiffbar wird, wissen es genau bei jedem Stande des Wassers, wann sie von ihrem Stapelplatze abzugehen haben, um zur rechten Zeit an einem nächstbestimmten Orte anzukommen. Halten sie diese Ordnung nicht ein, so können sie bei einer zu lange in die Nacht hineindauernden Fahrt leicht ein Unglück haben, da der Strom viele recht gefährliche Stellen hat, wo sich selbst alterfahrene Flößer am Tage zusammennehmen müssen, um unbeschadet durchzukommen. In der Nacht dürfte es wohl sehr schwer sein, solche gefährlichen Stellen ohne Unglück zu passieren. Um die aus der Nichtbeachtung der allgemein bekannten Stromfahrtgesetze leicht erfolgenden Unglücke soviel als möglich zu verhüten, hat man eben mit Einstimmung des Kaisers diese Stromfahrtgesetze sanktioniert und deren Übertreter mit einer angemessenen Geld- oder Warenstrafe belegt, verwendet diese Strafgelder aber dann zur Erhaltung guter Landungsplätze und zur Hinwegschaffung zufällig im Strome entstandener Hindernisse, zu welchem Zwecke auch teilweise die Wasserzollgelder und Landungszinsen verwendet werden. Und siehe, Freund, also ist diese ganze Sache ja doch eine gerechte?!“

6. Nun aber sagte Ich: „Freund Jored, was ist denn dann, wenn zum Beispiel – wie es hier der Fall ist – Diebe mit schon auf dem Wasser zusammengebundenen Flößen, die zur Abfahrt zu einer bestimmten Zeit bereitstehen, zur Nachtzeit die Floßwache unschädlich machen, die Flöße ablösen und eiligst davonfahren, was jetzt bei dem etwas höherem Wasserstande ganz leicht möglich ist?“

7. Sagte Jored: „Herr, was sagst Du?! Wenn also, da müßten wir sie ja augenblicklich anzuhalten und einzufangen trachten! Sie kommen nun gerade schon in unsere Nähe!“

8. Sagte Ich: „Lasse das nur fein gut sein; denn sie wären schon lange bei uns vorübergefahren, so Ich sie trotz aller ihrer Tätigkeit nicht an ihrem Weiterkommen behindert hätte! Aber nun kommen sie ganz langsam dennoch nahe an uns heran, und wir werden sie dann schon aufzuhalten verstehen!“

9. Sagte Jored: „Na wartet, ihr bösen Spitzbuben, euch soll euer Handwerk gelegt werden! – Herr, haben sie die Floßwächter etwa gar ermordet?“

10. Sagte Ich: „Allerdings, aber diese bestanden in Wachhunden. Diese Tiere verteidigten die Flöße gar grimmig, und es wurden zwei der Diebe von ihnen gebissen; aber am Ende des Gefechts mußten die Tiere den Hieben dieser Diebe erliegen, wurden ins Wasser geworfen, und die Diebe lösten schnell die Flöße und fuhren eher ab, als die Menschen, durch den Hundelärm geweckt, herbeikommen konnten. Es sind ihnen wohl gleich darauf Menschen zu Wasser und zu Land nachgefolgt, haben sie aber bis jetzt noch nicht einholen können. Die zu Wasser werden nun wohl nicht gar lange auf sich warten lassen; aber die zu Lande werden kaum bis um die Mitternacht hier ganz erschöpft anlangen. Wir werden sie, diese Flößer nämlich, hierher ans Ufer ziehen, sowie die Sonne untergeht, was sogleich erfolgen wird, und du, Jored, fordere ihnen durch deine Beamten gleich den Landungszins ab! Währenddessen werden die sie verfolgenden Eigentümer dieser Holzflöße nachkommen, und es wird das eine ganz absonderliche Geschichte abgeben! Laß nun deine Beamten nur ans Ufer treten; denn sie werden nun bald ans Ufer stoßen müssen, weil Ich es also haben will!“

11. Jored beorderte nun schnell seine Beamten, und diese kamen und erwarteten die Flöße, ohne aber zu wissen, welchen Gelichters die Flößer seien. Es kam das erste Floß dicht ans Ufer, und der Beamte forderte von den vier darauf befindlichen Flößern das Geld.

12. Aber diese (die Flößer) sagten: „Wir wollten ja weiter, – aber es hielt uns da eine unsichtbare Macht auf und zog uns völlig ans Ufer her; darum zahlen wir nichts, da wir ohne unser Wollen hier behindert worden sind. Auch haben wir kein Geld und werden erst, so wir zurückkommen, unseren Zins bezahlen.“

13. Sagte der Beamte: „Das geht bei uns nicht an! Könnt oder wollt ihr nicht zahlen, so bleiben die Flöße unterdessen als Pfand hier, bis ihr sie auslösen werdet!“

14. Da wollten die Flößer doch zahlen; aber man sollte sie sogleich wieder weiterfahren lassen, denn sie wären gute und sehr geschickte Nachtfahrer.

15. Aber der Beamte verweigerte ihnen solches und sagte: „Zahlet, und fahret morgen zur gesetzlichen Zeit ab! Zahlet ihr jetzt nicht, so ihr Geld habt, so werdet ihr am Morgen das dreifache zu zahlen haben!“

16. Als die Floßdiebe das vernahmen, da zahlten sie dennoch den Zins und banden das Floß ans Ufer; aber vom Floße herab wollten sie nicht treten. Dasselbe geschah auch mit den noch nachfolgenden fünf Flößen, und als also der Landungszins bezahlt war, da bemerkte man auch schon das diesen sechs gestohlenen Flößen nacheilende Floß mit acht Menschen, die auch gar gewaltig stromabwärts ruderten. Es dauerte kaum einige Augenblicke, und das Floß stieß an unser Ufer.

17. Diese acht Flößer erkannten sogleich ihre gestohlenen Flöße und sagten mit zornglühenden Augen: „Haben wir euch, ihr uns schon lange bekannten schlechten Spitzbuben?! Na wartet, euch soll euer Floßstehlen von nun an sicher für alle Zeiten vergehen! Dieses Holz ist nach Serrhe zu einem wichtigen Baue bestimmt, und wir haben es selbst gar aus Cappadocia, und zwar aus Arasaxa, Tonosa und Zaona bis nach Lacotena in Mesopotamien, allwo wir zu Hause sind, mit großen Kosten bezogen, und ihr gewissenlosesten Schurken habt es uns auf eine gar so schnöde Weise stehlen wollen, ohne selbst zu eurer Sicherheit so weit gedacht zu haben, daß ihr uns mit diesem schweren Holze nicht entkommen könnet und wir die Mittel haben, euch bis tief nach Indien zu verfolgen! Diesmal werdet ihr eurer gerechten Strafe nicht entgehen!“

18. Hierauf ersahen sie den ihnen sehr bekannten Zöllner Jored, gingen hin und zeigten es ihm an.

116. Kapitel. Die Floßbesitzer und Jesus.

1. Jored aber sagte zu ihnen: „Seid nun vor allem froh, daß ihr das Holz wieder habt; was ihr mir aber hier anzeiget, das habe ich vor nahe einer Stunde schon gewußt durch einen Fremden, der Sich mit Seinen Jüngern schon ein paar Tage bei mir aufhält. Dem aber habt ihr es auch allein zu verdanken, daß ihr zu eurem teuren Holze wieder gekommen seid; denn ohne Den wäre euer Holz wahrscheinlich schon über Samosata hinaus. Denn diese wären Tag und Nacht bis tief nach Persien oder gar Indien fortgefahren, und hättet ihr sie auch eingeholt, so hätte euch das auch nichts genützt, da sie, als vierundzwanzig Mann an der Zahl, euch dreimal überlegen gewesen wären. Darum seid vor allem froh, daß ihr euer Holz wieder habt, und danket dafür dem einen Manne; denn ohne Den wäret ihr nie wieder zu eurem Holze gekommen!“

2. Sagten die Flößer: „Ja, ja, Freund, das werden wir allerdings tun, und der gute Mann wird mit uns sicher sehr zufrieden sein; aber zuvor muß denn doch dafür gesorgt werden, daß diese elenden Schurken den Gerichten überantwortet werden?!“

3. Sagte Jored: „Sehet sie an auf den Flößen! Keiner von ihnen kann sich entfernen und irgendeine Flucht ergreifen! Wer hält sie fest? Ich sage es euch: bloß der eine Mann; denn hielte Der sie nicht, so wären sie schon lange ins Wasser gesprungen und hätten als sicher gute Schwimmer das jenseitige Ufer erreicht, und wir hätten ihnen auf dem Wege nicht nachsetzen können! Aber so will es der eine Mann, und es kann nicht anders geschehen, als wie gerade nur Er es will. Und ich sage euch das, daß ihr nicht Hand an die Diebe leget, sondern alles Gericht über sie dem einen Manne anheimstellt, und ihr werdet da das Beste tun!“

4. Sagten die Flößer: „Wenn also – womit wir ganz einverstanden sind –, so führe uns zu dem merkwürdigen Manne hin, und wir wollen selbst mit ihm reden!“

5. Sagte Jored: „Sehet, dieser hier knapp an meiner Seite ist es!“

6. Hier knirschten die Diebe aus Zornwut Mir ihre Zähne entgegen und hätten Mich gerne laut zu verwünschen angefangen; aber Ich hatte ihnen schon zuvor den Mund gesperrt, das heißt zum Reden, und so glichen sie den Stummen, die auch nichts reden können.

7. Die Flößer aber verneigten sich tief vor Mir und sagten: „Freund, daß dir ungemeine Kräfte und Eigenschaften innewohnen, das haben wir aus dem ersehen, was uns unser Freund Jored von dir ausgesagt hat! Wer du bist, und wie du zu solchen wunderbarsten Eigenschaften gekommen bist, das geht uns Lacotenaer nichts an; aber da wir durch die Freundlichkeit des lieben Oberzöllners Jored es erfahren haben, daß wir allein dir alles zu verdanken haben, und daß wir es ganz allein dir überlassen sollen, die Schurken nach Gebühr zu richten und zu züchtigen, so bitten wir dich als allzeit ehrliche Bürger aus Lacotena, du wollest uns gütigst bestimmen, was wir dir für deine unschätzbare Bemühung zu unserem großen Vorteile schulden, und daß du nach deinem sicher allzeit gerechtesten Ermessen die argen Diebe richten möchtest.“

8. Sagte Ich: „Seid ruhig, – was Ich tue, das tue Ich ohne Entgelt! Ihr aber habt Arme in eurer Stadt; denen erweiset Gutes und denket, daß auch die Armen Menschen und eure Erdenbrüder sind! Seid nicht karg gegen sie, und gebet ihnen gerne von eurem großen Überflusse, und ihr werdet dadurch am allerergiebigsten eure Gegend vor Dieben und Räubern sichern und reinigen! Vor allem aber sei euch gesagt, daß eben auch diese Diebe sehr arme Tröpfe sind, und daß sie nicht so sehr ein böser Wille, sondern nur ihre Armut zu dieser und noch anderen, schon früheren, kleineren Diebereien genötigt hat.

9. Wenn diese Menschen, die recht kräftige Arbeiter sein könnten, irgend von gerecht und bieder denkenden Dienstgebern in eine angemessene Arbeit gegen eine verhältnismäßige Belohnung genommen würden, so würden sie sicher sehr gerne dies ihr schnödes Treiben aufgeben. So aber das der Fall nicht ist, da bleibt ihnen denn auch wahrlich sonst nichts übrig, als bei dem zu verbleiben, was sie nun notgedrungen sind.

10. Sie können kein Feld bebauen, weil sie keines haben; denn alles Feld und alle Wälder und Berge gehören euch, und ihr lasset sie viele Stunden weit brachliegen, weil ihr sie nicht bearbeiten könnet. Warum gebt ihr nicht den Armen Felderstrecken zur nützlichen Bearbeitung?! Dadurch würden diese Leute dann auch etwas haben und euch noch obendrauf, so einmal die nun wüsten Felder und Berge kultiviert wären, einen mäßigen Tribut bezahlen. Saget selbst, ob das nicht besser wäre, als so ihr wenigen Reichen am Ende alles selbst besitzen wollt, was euch keinen Nutzen bringt, sondern nur einen kaum glaublichen Schaden!

11. Ich will aber mit diesen vierundzwanzig Dieben kein Wort reden, weil diese nun schon zu tief in ihren Diebssinn verfallen sind; aber ihr habt in eurem Orte und in eurer großen und weitgedehnten Umgegend noch eine Menge ähnlicher Leutchen. Tut ihnen das, was Ich euch nun geraten habe, und ihr werdet bald über keine Diebereien mehr zu klagen haben!

12. Stellet so viele Wächter aus, als ihr wollet und könnet, und ihr werdet damit wenig oder nichts erreichen; denn ihr werdet dadurch die Armut noch mehr zum Zorne reizen, und sie wird Tag und Nacht studieren, wie sie euch nur immer auf die empfindlichste Weise irgend schaden könnte! So ihr aber Meinen Rat befolget, so werden eben die von euch versorgten Armen selbst eure besten Wächter sein.“

117. Kapitel. Die Geschichte vom reichen Mann und seinen Arbeitern.

1. (Der Herr:) „Sehet, es war vor alters ein Mann, der mit seiner Familie in ein einsames, noch von keinem andern Menschen bewohntes Land auswanderte und sagen konnte: ,Soweit das Auge reicht, ist nun alles mein Eigentum!‘ Er errichtete sich bald eine ganz erkleckliche Wohnung und nährte sich von der Milch der dort gefundenen großen Anzahl wilder Ziegen, die gar nicht scheu waren, weil sie noch nie von irgendeinem Jäger verfolgt worden waren. Mit den Jahren hatte sich auch seine Familie vermehrt, und es ward aus der früheren schlichten und sehr einfachen Wohnung förmlich eine feste Burg errichtet. Das geschah aber darum, weil er in solch seinem Lande eine große Menge gediegenen Goldes und eine noch größere Menge der edelsten Steine fand, welche Schätze er sich nun nicht mehr getraute in seiner früheren einfachen Wohnung zu beherbergen.

2. Als sich aber durch sein fleißiges Sammeln seine Schätze von Gold und Edelsteinen noch mehr vermehrten, da suchte er durch Boten in bewohnte Länder seine Schätze gegen andere ihm für seinen Haushalt nötig dünkende Sachen umzutauschen. Er machte anfangs gute Geschäfte und ließ auch mehrere andere Menschen in sein Land kommen, die ihm zu dienen bestimmt waren.

3. Da er ihnen aber nur wenig Lohn bot und sie für ihn und die Seinen nach seinen Geboten beinahe Tag und Nacht arbeiten mußten, so wurden sie unwillig und begehrten mehr Lohn und eine bessere Behandlung. Der nun reiche Mann aber sagte: ,Geduldet euch, bis ich mein Haus werde besser eingerichtet haben, – dann werde ich euch schon geben zu eurer Zufriedenheit!‘ Da vertrösteten sich die Arbeiter und gingen an ihre Arbeiten.

4. Der reiche Mann aber dachte bei sich: ,Ich habe zwar nun Angst vor euch; aber ich werde meine vertrauten Boten wieder aussenden, daß sie mir Wachen und Streiter bringen. Diese werde ich etwas besser halten, und sie werden dann dem Übermute der Arbeiter schon zu steuern wissen.‘ – Das tat er denn auch, und als die Arbeiter das sahen, wurden sie sehr betrübt und schworen dem harten reichen Manne Rache.

5. Nun sandten sie heimlich auch in ihr Land um Hilfsleute. Diese kamen bald, weil sie eine reiche Beute zu erwarten hatten. Als die Arbeiter also sehr verstärkt waren, da kamen sie abermals zu dem reich gewordenen Manne, der nun ein großes Land sein eigen nennen konnte, und verlangten voll Ernstes eine rechte Besserung ihres Lohnes und die ihnen schon lange gebührende Behandlung.

6. Allein der reich gewordene Mann rief die Wachen, die die Arbeiter ihres Frevels willen züchtigen und sie in allem noch mehr beschränken sollten. Da brach den Arbeitern die Geduld, und sie sprachen: ,Herr, durch unseren Fleiß bist du so reich geworden! Unsere Hände haben dir diese feste Königsburg erbaut, errichteten allerlei Werkstätten, bebauten das Land mit Getreide und haben Weingärten angelegt. Wir sammelten für dich Gold, Silber und allerlei Edelsteine und trugen sie für dich in alle Welt hin auf den Markt, und du willst uns dafür nun noch härter halten und behandeln?! Na, warte du, das werden wir dir wohl vergehen machen!

7. Jeder Mensch auf dieser Erde muß das Klaub- und Sammelrecht für sich haben; dient er aber einem Nebenmenschen, so muß dieser ihn ganz gut verpflegen, da er ihm das eigene Klaub- und Sammelrecht abgetreten hat. Wir vielen haben dir das getan und haben dir unsere gerechten Vorteile zugewandt, und dafür willst du uns nun also belohnen?! Weißt du, harter Mensch, daß wir von dir für alle unsere Mühe und unseren Fleiß nicht nur beinahe gar keinen Lohn, sondern dazu noch eine schlechte Behandlung hatten, die nun in der letzten Zeit schon gar dahin ging, daß du frechstermaßen durch deine Schergen unsere Hütten durchsuchen ließest, um zu ersehen, ob wir etwa nicht auch für uns irgendeine Kleinigkeit gesammelt hätten? Und ist bei jemand irgend etwas gefunden worden, so hast du ihm nicht nur alles weggenommen, sondern du hast ihn durch deine Wächter noch sehr grausam züchtigen lassen und hast sogar förmlich ein Gesetz verkünden lassen, dem nach ein jeder, der von den Schätzen etwas verheimlichen würde, mit dem Tode bestraft werden solle.

8. Wenn du, elender, alter Wicht, uns das auch noch zu tun imstande wärest, ohne nur im geringsten zu bedenken, daß auch wir so gut Menschen sind wie du und von einem Gott aus auf ein Haar dieselben Rechte auf diesen Erdboden haben wie du, – so verlangen wir nun von dir, daß du uns alle die Schätze, die wir für dich mit großer Mühe gesammelt haben, herausgibst; denn sie sind durch unsere Mühe auch unser Eigentum! Die Erde hat sie uns gegeben, und es gab nirgends weder einen Gott noch einen Menschen, der sie uns zu nehmen verweigert hätte, und sie sind vollkommen unser Eigentum. Du aber bist uns gegenüber nur ein Dieb und sogar ein Räuber, so du sie uns vorenthalten würdest! Wir nehmen dir aber nur, was und wieviel wir gesammelt haben, und begehren für das ohnehin nichts, daß wir dir mit großer Mühe diese Burg erbaut haben und damit sieben Jahre hindurch geplagt waren. Gib nun gutwillig her, was da unser ist, sonst brauchen wir Gewalt und nehmen dir alles und zerstören dir auch noch diese feste Burg!‘

9. Als der reiche Mann nun sah, daß er mit den vielen Arbeitern durch irgendeine Gewalt nichts ausrichten könne, da besann er sich und sagte: ,Seid ruhig! Ich sehe mein an euch begangenes Unrecht ein, und ich will euch von nun an ganz so behandeln, als wäret ihr meine eigenen Kinder, und erteile euch das vollkommene Klaub- und Sammelrecht, und ihr habt mir als dem, der dieses Land mit Mühe und vielen Ängsten und Sorgen aufgefunden hat, nur den zehnten Teil von all dem Gesammelten abzuliefern, wofür ich euch aber allen Schutz und allen Schirm nach allen meinen Kräften werde angedeihen lassen.‘

10. Da sagten die Arbeiter: ,Wärest du ein Mann von Wort, so glaubten wir dir, aber da du bis jetzt noch nie das gehalten hast, was du uns versprochen hattest, so glauben wir dir auch diesmal nicht! Denn dein großer Geiz läßt es dir niemals zu, dein Wort zu halten. Wir würden dir das nun wieder glauben, – aber wir wissen nur zu gut, daß du bei unserem ruhigen Abzuge für diesen unseren Gewaltschritt in deine Burg sogleich deine Wachen ums Zehnfache verstärken würdest und uns dann über alle Maßen von deinen uns leicht und bald überlegenen Wachen züchtigen ließest. Darum gib uns unser dir erwiesenes Eigentum heraus, und wir ziehen dann von hier weg für alle Zeiten der Zeiten!‘ Der Mann aber zauderte und wollte nicht; da nahmen sie ihm darauf von selbst alles und zogen von dannen.“

118. Kapitel. Die Schuld der Floßherren.

1. (Der Herr:) „Nun frage Ich euch, Meine Freunde, und sage: Hatten hier unter solchen Umständen die Arbeiter recht an ihrem Dienstherrn gehandelt oder nicht recht?“

2. Sagten die acht Floßherren: „Ja, ja, unter solchen Umständen hatten die Arbeiter ein in aller Natur ganz wohlbegründetes Recht! Denn das sehen wir auch ein, daß ein jeder Mensch von einiger Vernunft und von einigem Verstande ohne weiteres das Recht zu klauben und zu sammeln haben muß, da er einmal auf dieser Erde Boden gesetzt ist und eine Nahrung und eine notdürftige Wohnung ohne weiteres haben muß. Aber daneben solle dann ein anderer Mensch kein solches Recht mehr haben, dem Klauber und Sammler das Zusammengeklaubte und Gesammelte wegzunehmen!“

3. Sagte Ich: „Hat der Reiche selbst geklaubt und gesammelt? O nein! Das haben seine Arbeiter getan, die auch so gut Menschen waren wie er! So sie aber für ihn gearbeitet, geklaubt und gesammelt und somit ihr gutes persönliches Recht gegen den verheißenen Lohn an ihn allein übertragen haben, er ihnen aber den verheißenen Lohn vorenthalten und sie noch tyrannisiert hat, so hatten sie am Ende ja ganz das volle Recht, ihr Eigentum von dem zu verlangen und zu nehmen, für den sie geklaubt und gesammelt hatten.

4. Freilich, so zum Beispiel der A fleißig geklaubt und gesammelt hatte und sich dadurch einen Vorrat bereitete, so hat der träge B kein Recht, sich an dem Vorrate des fleißigen A zu vergreifen. In Meiner Parabel ist aber eben der reiche Mann der träge B, und die Arbeiter sind der fleißige A. So sie aber das sind, so haben sie auch das Recht, wenn ihnen für ihre Mühe und Arbeit keine andere Entschädigung geleistet wird, ihr Eigentum von dem unrechtmäßigen Besitzer zurückzuverlangen.“

5. Sagten die reichen Floßherren: „In dem Falle ohne weiteres; aber da hat dann ja auch kein Monarch ein Recht, von uns allerlei Steuern und Abgaben zu verlangen! Denn er arbeitet auch nichts und klaubt und sammelt nichts, und so wir Untertanen stärker wären denn seine Wache, da könnten wir ihm ja auch wegnehmen, was nach den Rechten der Natur unser Eigentum ist!“

6. Sagte Ich: „Oh, da seid ihr in einer großen Irre! Bei einem Herrscher ist das ganz anders; denn er ist nur ein höchster und allgemeinster Gemeindenvorsteher und hat von allen Gemeinden das gekrönte Recht, für ihre innere Ordnung und Sicherheit alle Sorge zu tragen, und somit auch das Zepter der Gewalt und das Schwert des Gesetzes und allgemeinen Rechtes. Er muß nicht nur für sich, sondern vielmehr für alle die vielen Gemeinden gar viele Wachen bestellen und halten, für deren notwendige Erhaltung er nicht allein mit seinen Händen klauben und sammeln kann.

7. Da aber die Gesetze, die Richter und die vielen Wachen nur zumeist zum Frommen der Gemeinden stets aufrechterhalten werden müssen, so müssen auch die Gemeinden dazu gerne und willig beitragen, daß der Monarch stets in jenem entsprechenden Vermögenszustande dasteht, damit er alles das bestellen und errichten lassen kann, was da allen Gemeinden frommt. Und also sind da eure Steuern und Abgaben eine ganz gerechte Sache.

8. Nur dann, so ein tyrannischer Herrscher gar zu große und mutwillige Erpressungen den Gemeinden auferlegte, hätten auch diese das Recht, solch einen Tyrannen vom Throne zu entfernen. Denn die Gemeinden haben von Anbeginn an das Recht gehabt, sich einen König zu wählen und ihn auszurüsten mit aller nötigen Macht, Kraft und Gewalt. Was sie aber im Anbeginn hatten, das haben sie noch.

9. Dennoch aber ist es jeder Gemeinde besser, auch unter einem Tyrannen eine Zeitlang zu dulden, als sich mit ihm in einen Krieg einzulassen; denn die Tyrannen sind gewöhnlich nur auf eine kurze Zeit von Gott aus zugelassene Geißeln, durch welche die einen wahren Gott schon lange völlig vergessenden Gemeinden wieder daran erinnert werden, daß es einen allweisen und allmächtigen Gott gibt, der am Ende ganz allein noch jedem bedrängten Volke helfen kann, wenn dieses sich allen Ernstes um Hilfe flehend und gläubig an Ihn wendet. – Sehet, also stehen die Sachen! Da ihr aber nun solches von Mir vernommen habt, so urteilet nun selbst, was wir nun mit diesen euren vierundzwanzig Dieben machen sollen!“

10. Sagten die acht Floßherren: „Ja, die müssen nach den Gesetzen denn doch ganz exemplarisch bestraft werden!“

11. Sagte Ich: „Ganz recht; aber was soll dann mit ihnen geschehen, wenn sie einmal abgestraft worden sind?“

12. Sagten die Floßherren: „Nun, dann verweise man sie des Landes oder verkaufe sie als Sklaven irgend nach Afrika oder Europa hin!“

13. Sagte Ich: „So! Ich sage es euch, ihr denket als Menschen nicht übel, – aber weil ihr also denket, so muß Ich euch doch noch etwas ganz Besonderes kundtun.

14. Sehet, diese Diebe, die nun schon länger ihr durchaus nicht löbliches Handwerk treiben, waren vor fünf Jahren noch eure Arbeiter und dienten euch nach ihren Kräften und Fähigkeiten ganz gut! Wie aber habt ihr ihnen euer Versprechen gehalten? Ihr hattet nichts Emsigeres nach jeder von ihnen getanen Arbeit zu tun, als nur nachzuforschen, um Mängel der Arbeit zu entdecken. Habt ihr auch keine gefunden, so habt ihr solche erdichtet und den Arbeitern den wohlverdienten Lidlohn (Gesindelohn) stark verkürzt oder solchen ihnen ganz vorenthalten.

15. Wer gab euch denn das Recht, diese Menschen dahin zu bemüßigen, für euch zu arbeiten, für euch zu klauben und zu sammeln, und sie dadurch zu berauben ihres persönlichen freien Menschenrechtes?!

16. Wenn sie dann sahen, daß euer Verhalten gegen sie ein höchst ungerechtes war, so mußten sie ja doch offenbar auf ein anderes Mittel zu sinnen anfangen, und zwar auf ein solches, wie sie sich bei euch und bei noch manchen andern für ihre von euch ihnen geraubten Rechte entschädigen möchten! Mit Gewalt konnten sie euch nichts anhaben, weil ihr die bedeutend Mächtigeren waret; also mußten sie sich an die Diebeslist halten. Diese gelang ihnen auch bis jetzt vollkommen und wäre ihnen ohne Mich auch diesmal vollkommen gelungen.

17. Ich aber sage euch noch etwas: Diese Diebe haben also ein natürliches Recht gehabt, sich selbst bei euch zu entschädigen; aber sie fehlten dennoch durch solche ihre Handlungsweise, weil sie euch auf dem gesetzlichen Richterwege auch dazu hätten anhalten können, und das um so leichter, weil eben der römische Richter ein streng rechtlicher Mann ist, der sich durch nichts als nur durch das trockene Gesetz bestechen läßt. Aber ihr habt gar kein Recht, sie darum zu richten, dieweil ihr noch ihre großen Schuldner seid! Mehr als viele hundert solche Flöße in Serrhe wert sind, schuldet ihr ihnen noch an dem verheißenen Liedlohne; darum bezahlet ihnen zuvor solchen Lohn, – dann erst richtet sie, so sie sich jemals wieder an euren Gütern vergreifen sollten!

18. Für jetzt aber gebe Ich diesen Dieben keine andere Strafe als: Stehlet in der Folge niemandem mehr etwas, und seid freie, ehrliche und tätige Menschen! Aber nach Lacotena gehet nicht mehr hin, sondern bleibet hier in diesem Orte, und ihr werdet samt euren Weibern und Kindern Arbeit in Menge finden! – Ihr Floßherren aber werdet darauf bedacht sein, diesen euren Dienern den schuldigen Lohn nachzutragen und ihre Weiber und Kinder wohlversorgt hierher zu bringen! Und so könnet ihr nun eure Flöße wieder in euren Besitz nehmen! Aber dieser Mein Richterspruch muß von euch genauest befolgt werden, sonst könnte es euch von Mir aus sehr schlecht ergehen!“

19. Als die Floßherren solches vernahmen, fingen sie gar sehr zu stutzen an und versprachen, Meinem Ausspruche ganz Gehorsam zu leisten.

20. Darauf behieß Ich den Jored, die vierundzwanzig Diebe gut zu bewirten; aber von den achten solle er sich nur alles ganz gut zahlen lassen, was sie benötigen würden. Darauf begaben wir uns wieder in das Haus, allwo schon die wohlbereiteten Fische auf uns warteten.

119. Kapitel. Die Ehrfurcht der Priesterfrauen vor Jesus.

1. Als wir in unseren Saal eintraten, da gingen Mir die fünf Priesterinnen voll Ehrfurcht entgegen und baten Mich um Vergebung darum, daß sie ehedem Mir und Meinen Jüngern gar so hartnäckig widersprochen hätten; denn sie hätten es ja doch nie ahnen können, daß Ich Der sei, der Ich wäre.

2. Denn die Priester hatten es ihnen geradeheraus gesagt, daß Ich in Meinem geistigen Teile Gott der Einige und Alleinige Selbst bin und darum einen äußeren Leib habe und trage, um Mich den Menschen mehr anschaulich und zugänglich zu machen. Mein Leib sei zwar begrenzt wie der Leib eines jeden Menschen –, aber Mein Geist durchdringe alles nahe und ferne und brauche darum nur zu wollen, und es geschehe nahe und ferne, was Ich nur immer wolle. Wolle Ich etwas, so sei es auch schon da und bestehe so lange fort, als wie lange Ich es als bestehend haben wolle. Wolle Ich es aber fürder nicht mehr als bestehend, dann bestehe es auch nicht mehr, und das also, als wäre es nie dagewesen. Also wisse Mein innerer Gottgeist auch um alles, was irgend noch so verborgen da sei, ja, Ich wisse sogar um die allergeheimsten Gedanken aller Menschen auf der ganzen Erde und auch um alles, was irgend noch so geheim geschehen sei.

3. Das belegten sie alles mit tatsächlichen Beweisen, so, daß die Weiber nimmer umhin konnten, alles das fest und ungezweifelt zu glauben, was ihnen ihre Männer über Mich gesagt hatten, und darin lag denn auch der Grund, demzufolge sie Mir nun mit einer so unbegrenzten Ehrfurcht entgegenkamen.

4. Aber Ich sagte ganz ruhig zu ihnen: „Wenn ihr, Meine lieben Kinder, nun das durch eure Männer wisset und glaubet, daß Ich Der und Der bin, so ist eure Art, Mir nun entgegenzukommen, eine ganz in keiner Ordnung seiende. Eine zu große und unbegrenzte, das menschliche Gemüt ganz zerknirschende Ehrfurcht vor einem Gottwesen ist ebenso unvorteilhaft wie eine zu geringe; denn so ihr jemand zu außergewöhnlich mit Furcht und Zittern hochachtet, so fraget euer Herz, ob ihr ihn wohl auch lieben könntet! Achtet ihr aber jemanden gar nicht, so werdet ihr ihn auch nicht lieben können. Aber so ihr jemanden wohl erkennet in seinen vielen guten und besten Eigenschaften und Fähigkeiten, so werdet ihr ihn in euren Herzen ganz entzückt bewundern und über alle Maßen zu lieben anfangen; und sehet, das eben ist dann die ganz rechte Ehrfurcht, die ihr einem Gottwesen ebenso schuldet wie einem jeden Menschen, der euer Nächster ist allenthalben, wo euch einer entgegenkommt!

5. Lasset also ab von eurer nunmaligen zu übertriebenen Ehrfurcht! Setzet euch zu Tische, und esset und trinket ganz heiteren und fröhlichen Mutes mit Mir! Denn so ihr gar oft bei euren Festmahlen habt heiter sein können, wo und wann noch der Tod in euren Herzen hauste, da werdet ihr nun wohl um so heiterer sein können, da der Tod von euch gewichen und das Leben in eure Brust eingekehrt ist! – Was meinet ihr dazu?“

6. Sagten die Priesterinnen: „Ja wohl, ja wohl, – aber wir sind noch zu ergriffen von Deines Geistes Macht und Größe! Wir werden uns schon auch in diesem Stücke des Lebens die möglichste Mühe geben, vor Dir nicht zu beben, sondern Dich wahrhaft zu achten und sicher über alles zu lieben. Dir allein also von uns alle Ehre und alle unsere Liebe!“

7. Sagte Ich: „Nun, nun, es ist schon gut also; aber nun setzen wir uns nur gleich alle zu Tische und essen und trinken in aller Heiterkeit! Nach dem Mahle aber wollen wir dann von allerlei Dingen reden und uns erheitern und erbauen!“

8. Darauf setzten sich nun alle zu Tische und aßen und tranken mit Herzenslust. Nach dem Mahle wurde dann von allerlei gesprochen, und die Priesterinnen wußten eine Menge recht sonderlicher Dinge zu erzählen, und es kam die Rede auf den Mond und seine oft unheilbare Einwirkung auf die Erde und auch auf gar viele Menschen.

9. Eine Priesterin erzählte, wie sie einen Mondsüchtigen gekannt hätte, der namentlich in den Vollmonden zur Nachtzeit mit festverschlossenen Augen aus seinem Zimmer hinausging, seine Hände nach dem Monde ausstreckte und darauf bald mit der größten Sicherheit die steilsten Wände so leicht emporstieg, als ginge er auf dem ebensten Boden fort und vorwärts. Nur eines war für den erstaunten Zuseher dabei zu beachten, nämlich sich möglichst still und ruhig zu verhalten, weil ein menschlicher Laut dem Mondwandler das Leben kosten würde.

10. (Die Priesterin:) „Nun, was ist wohl das für eine besondere Eigenschaft des Mondes auf gewisse Menschen, und wie kommen die Menschen dazu?“

120. Kapitel. Jesus erklärt die Mondwelt und das Wesen der Mondsucht.

1. Sagte Ich: „Daß der Mond als ein der Erde nächstes Gestirn eine Wirkung auf diese Erde ausübt, das ist ganz sicher; aber im allgemeinen wirkt er auf Menschen und Tiere, Pflanzen und Mineralien nicht ein, sondern nur sonderheitlich auf das, was auf dieser Erde irgend aus ihm abstammt. Habt recht wohl acht, besonders ihr Kalendermacher!

2. Seht, der Mond ist beinahe so eine Welt wie diese Erde und eben dieser Erde steter Begleiter bei ihrer Jahresreise um die Sonne, um die auch die andern Planeten in ungleichen Zeiten kreisen; die der Sonne näheren brauchen weniger Zeit als die Erde und die weiteren natürlich eine längere Zeit. Jupiter und Saturn haben auch Monde um sich, aber als viel größere Welten mehrere denn diese Erde, während die noch kleineren Planeten gar keine Monde um sich haben. Bei dieser Erde bewirkt ihre tägliche Umdrehung Tag und Nacht, und ihr Lauf um die Sonne ein Jahr.“

3. Hier stutzten die Heiden, da diese Meine Erklärung zu stark über ihren Wissenshorizont hinausragte, und ein Priester sagte: „Herr, wir danken Dir für alles, aber da erkläre uns nichts weiter; denn wir können es ja unmöglich verstehen, weil wir uns das nicht versinnlichen können!“

4. Da sagte Ich: „Nun denn, wenn es sich um eine Versinnlichung handelt, so soll diese sogleich dasein!“

5. In einem Moment ersahen alle über dem Tische im freien und hohen Saalraume die Sonne, den Mond mit der Erde und also auch alle die andern Planeten mit ihren Monden, und alles das in entsprechender Bewegung. Da war des Staunens kein Ende, und Ich erklärte ihnen alles auf das genaueste bei zwei Stunden lang, und sie verstanden nun alles und hatten eine große Freude daran. Nebst dem mathematischen Teile aber zeigte Ich ihnen auch die Bewohnbarkeit der Sonne und aller Planeten und ihrer Monde und ganz ausführlich die Bewohnbarkeit unseres Erdmondes und sagte dann besonders:

6. (Der Herr:) „Da ihr nun das einsehet und begreifet, so kann Ich euch nun auch so manches sagen über das Vorkommen des Übels der Mondsucht. Die Bewohner des Mondes haben als höchst einfache und in sich gekehrte Menschen vorzüglich die Gabe des Hellschauens, und das namentlich zur Zeit ihrer volle vierzehn Erdentage langen Nacht, die sie in ihren unterirdischen Wohnhöhlen zumeist schlafend zubringen. In diesem Schlafe aber bleiben dennoch ihre Seelen völlig wach und sehen da alles weit und breit um sich, und sonach auch diese Erde, der sie eigentlich mehr oder weniger angehören, welche sie aber der natürlichen Stellung des Mondes wegen im Wachzustande als an ihrem langen Tage niemals sehen können; denn die Mondmenschen bewohnen nur den der Erde abgekehrten Teil des Mondes, nicht aber den der Erde zugekehrten Teil, da der Mond, wie Ich es euch schon erklärt habe, aus ganz natürlichen Gründen auf der der Erde zugekehrten Seite keine Luft und kein Wasser hat, und so es auch hie und da in den vielen Vertiefungen eine Art Luft gibt, so reicht sie dennoch nicht aus, um im Fleische lebenden Wesen zum nötigen Einatmen zu dienen, und taugt dazu auch nicht, weil ihr das Element des Salzes (der Sauerstoff) gänzlich fehlt.

7. des Mondes Menschen haben in ihrem Naturzustande auch keine Sehnsucht danach, da sie ja ohnehin in ihrem Traumleben, das ihnen das liebste ist, alles sehen können und auch erfahren, was zum Heile ihrer Seelen taugt. Sie haben denn danach auch zuallermeist die Sehnsucht, bald Einwohner dieser Erde zu werden, was denn so ganz eigentlich auch ihre Bestimmung ist. Und haben sie auf ihrer Welt den Leib abgelegt, so wandern ihre Seelen, wenn sie sich in ihrem Fleischleben dafür würdig gemacht haben, alsogleich auf diese Erde und werden bei entsprechenden Gelegenheiten in einen Mutterleib eingezeugt, als Kinder dieser Erde wieder geboren und wachsen dann auf und genießen die Erziehung der Erdenmenschen, wodurch sie wenigstens die Fähigkeit erreichen, entweder schon hier oder jenseits auf den Weg der Kinder Gottes gestellt zu werden.

8. Nun, dieser Menschen Seelen bestehen aus der Substanz des Mondweltkörpers und haben somit, besonders in ihrem Traumleben, einen hervorragenden Zug dahin, von wo sie ausgegangen sind, was sich besonders zu der Mondvollichtzeit am stärksten wirkend zeigt, weil sich durch das Mondlicht eine größere Menge substantieller Seelenspezifika zur Erde senken und die bezeichneten Mondseelenmenschen erregen und anziehen.

9. Allein es kann auch diesem Übel bald und leicht abgeholfen werden, und zwar durch die glaubensvolle Auflegung der Hände und durch den Gebrauch von kalten Bädern.“

121. Kapitel. Eigentümlichkeiten der auf der Erde inkarnierten Mondseelen.

1. (Der Herr:) „Übrigens schadet dem Menschen solch eine Eigenschaft durchaus nicht, und am allerwenigsten seiner Seele; denn solche Menschen sind gewöhnlich ganz guter und sanfter Gemütsart, und es ist mit ihnen sehr leicht auszukommen. Aber es kann sich manchmal bei diesen Menschen ereignen, daß ihr Leib noch von einer andern, im Erdluftraume noch frei herumvagierenden Seele in der Gegend der gröberen Eingeweide in Besitz genommen wird, ja oft auch von mehreren, und das zumeist von solchen Seelen, die schon eine Fleischlebensprobe auf dieser Erde durchgemacht haben, aber ihrer großen Sinnlichkeit und Selbstsucht wegen für ihr jenseitiges Lebensheil nicht nur nichts gewonnen, sondern nur noch dazu vieles verloren haben.

2. Diese Seelen werden gewöhnlich nach ihrer zu einer Besserung sich hinneigenden Eigenschaft wieder irgend bei einer rechten und tauglichen Gelegenheit zu einer abermaligen Fleischlebensprobe zugelassen. Aber da gibt es welche, die dann nicht mehr erwarten können, bis sie irgend in einen Mutterleib gelegt werden, und dann sagen: ,Ei was, Fleisch ist Fleisch! Wir wollen nun des nächstbesten Menschen Fleisch in Besitz nehmen und es kasteien, soviel es nur möglich ist! Und wenn das Fleisch einmal vor lauter Kasteiung zugrunde geht, so können wir es als völlig geläuterte Seelen verlassen und zur Seligkeit eingehen!‘

3. Derlei Seelen täuschen sich zwar sehr gewaltig, weil ihnen solch eine Art Afterbesitzung des Fleisches nicht nur nichts nützt, sondern nur schadet, weil sie dann wieder gar lange warten können, bis sie zu irgendeiner wahren abermaligen Einzeugung in einen Mutterleib zugelassen werden können. Aber es werden solche Afterbesitznahmen des Fleisches anderer Menschen dennoch zugelassen, weil eine jede einst völlig lebensfrei werden sollende Seele am Ende nur allein durch ihren höchsteigenen, freiesten Willen gebessert und gefestet werden kann, der freie Wille aber unmöglich anders als durch allerlei bitterste Erfahrungen zu jener bescheidenen Nüchternheit zu bringen ist, durch die er sich endlich in den lichtvollen Willen eines besseren Geistes fügt und so erst dann wahrhaft aus sich heraus gebessert werden kann.

4. Und sehet, da sind dann eben unsere Mondseelenmenschen zeitweilig etwas übel daran, weil sie von solchen frei herumvagierenden, noch immer argen Seelen – die man gut noch Teufel (Ouvraci = Wendlinge zum Bessern) nennen kann – zuerst und am leichtesten in zeitweiligen Besitz genommen werden, wovon jedoch des Leibes eigene Seele nie irgendeinen Schaden leidet, sondern ein solcher Zustand schafft ihr noch obendrauf den Nutzen, daß sie dadurch sehr gedemütigt wird und am Leben ihres Fleisches wenig oder schon gar keine Lust mehr empfindet, was für die Mondseelenmenschen ganz gut ist. Denn erstens sind sie trotz ihrer Hellseherei zumeist sehr eigensinnig und stark in die geschlechtliche Liebe vergraben, und zweitens sind sie sehr rechthaberisch und zanksüchtig, verschlossen und heimtückisch, obschon gerade nie völlig bösartig.

5. Aber auch dieses Besessensein ist zu heilen durch Gebet, durch die Anrufung Meines Namens, durch Fasten und durch die Auflegung der Hände in Meinem Namen. – Und damit habt ihr nun auch in dieser Hinsicht alles, was euch vorderhand zu wissen not tut; alles Höhere und Weitere wird euch euer Geist lehren, den Ich erfüllen werde mit Meinem Geiste zu seiner rechten Zeit.“

122. Kapitel. Jesus warnt vor dem Rückfall ins Materielle. Das Wesen der Materie. Die Unendlichkeit Jesu.

1. (Der Herr:) „Ich habe euch nun gezeigt, was und wer der Mensch ist, und was er zu tun hat, um zu erreichen das ewige Leben. Von nun an hängt es ganz von euch ab, danach zu handeln. Sehet aber zu, daß ihr nicht etwa der Welt wegen wieder in euren alten Unsinn und dadurch in euren alten Tod verfallet, denn dann wäret ihr noch um vieles schwerer auf den rechten Weg zu bringen denn jetzt! Ich kann nun persönlich nicht länger mehr bei euch verbleiben; aber so ihr tätig verbleibet in Meiner Lehre, so werde Ich auch im Geiste wirkend bei euch und in euch verbleiben, und um was ihr diesen Meinen Gottgeist bitten werdet in Meinem Namen, das wird euch auch gegeben werden.

2. Aber um rein weltliche Dinge kommet Mir ja nicht; denn dies seelentötende Gift werde Ich euch nicht geben, und würdet ihr Mich auch jahrelang darum bitten! Denn Meine Sache ist es, euch in euren Seelen von aller Welt völlig frei zu machen, nicht aber, euch noch mit derselben zu verbinden. – Ihr wisset nun, was ihr zu tun und was ihr zu glauben habt, und eines mehreren bedarf es vorderhand nicht.

3. Nun aber kommt noch etwas anderes! Siehe, du Mein Freund Jored, wir waren nun bei drei Tage bei dir und haben viel verzehrt in deinem Hause! Was meinst du denn, was wir dir dafür schulden?“

4. Sagte Jored ganz gerührt: „Herr, alles, was da ist, ist ja ohnehin nur Dein, und nur ich sollte Dich fragen und sagen: O Herr, ich bin Dein übergroßer Schuldner! Wann und wie werde ich Dir diese meine große Schuld abtragen können? Wenn Du tausend Jahre mit noch tausendmal so vielen Jüngern hier verbleiben möchtest und essen und trinken Tag und Nacht, so wäre ich selbst nach tausend Jahren Dir ein noch ebenso großer Schuldner, als ich es jetzt bin; daher sei Du mir fortan bloß gnädig und barmherzig, – alles andere ist nichts und kostet auch ewig nichts! – Aber eine Bitte möchte ich Dir, o Herr, dennoch unterbreiten!“

5. Sagte Ich: „Erspare dir die Worte; denn Ich weiß es ja ohnehin, was du auf eine Zeitlang hier in diesem Saale erhalten möchtest! Siehe, diese Gestirne möchtest du also erhalten! Ja, sie sollen zu eurer weiteren Belehrung noch ein Jahr lang also verbleiben! Während dieser Zeit bildet sie euch künstlich nach; nachher aber sollen diese Wunderbaren vergehen, wie auch dereinst dieser ganze sichtbare Himmel und diese Erde vergehen werden, so sie alles, was in ihnen gefangen ist, ganz werden hergegeben haben.

6. Denn höret: Alles das, was der ganze unendliche Raum als Materielles in dieser Zeit innefaßt, ist gefangenes und gerichtetes Geistiges! Es sind Geister im Gerichte der Kraft und Macht des göttlichen Willens bis zu einer geordneten Zeit hin, wo sie als von der göttlichen Allwissenheit wohlerachtet jenen Grad der für sich selbst beständigen Festung erreicht haben, auf dem dann erst die geistig selbständige Lebensfortbildung angebahnt werden kann. Das versteht ihr jetzt zwar nicht und könnet es auch nicht verstehen; aber ihr werdet es einmal dennoch verstehen.

7. Ich aber habe euch solches nur darum gesagt, auf daß ihr auch als Heiden einsehen möget, daß Ich der eigentliche ewige Ich bin und im Grunde des Grundes alles Ich ist, was die Unendlichkeit umfaßt. Aber behaltet das vorderhand bei euch, bis euch der ewige Geist der Wahrheit darüber eines Näheren belehren wird!

8. Nun gebe Ich euch in dieser Nacht noch eine kurze Frist. Wer da noch etwas zu fragen hat, der frage! Morgen vor dem Aufgange ziehe Ich weiter; denn Ich habe gar viele Kindlein, die Ich als ein wahrer Lebensvater noch besuchen will, um auch ihnen des ewigen Lebens froheste Botschaft zu verkünden.“

9. Hier stand ein Priester auf und sagte: „Herr, morgen darfst Du uns noch nicht verlassen; den jetzt erst hast Du uns recht entzündet, und wir werden dann noch gar vieles haben, wobei wir Deines heiligen Rates bedürfen!“

10. Sagte Ich: „Bin denn Ich das Ich oder ist es Mein innerer Geist? Ich habe es euch ja gesagt, daß dieser bei euch verbleibt, und so ihr etwas benötiget, so wird er es euch geben ohne Vorenthalt. Meine Persönlichkeit ist euch fürder kein nütze, sondern allein der Geist, der euch nimmerdar verlassen wird, so ihr ihn nicht verlasset.“

11. Sagte der Priester: „Herr, das glauben wir nun alle völlig ungezweifelt fest; aber wir alle haben nun eine große Liebe zu Dir gefaßt, weil wir Dich in der Fülle erkannt haben, und gerade jetzt willst Du uns auch schon wieder verlassen?! Wenigstens nur einen Tag noch, Herr, bleibe Du persönlich bei uns, und wir alle sind dadurch ja unendlich glücklich!“

12. Sagten auch Jored und sein Sohn: „Ja, ja, Herr, also ist es! Bleibe wenigstens nur noch einen halben Tag bei uns, und wir wollen Dir dann das Geleite geben, wo Du auch nur immer hinziehen willst!“

13. Sagte Ich: „Nun denn, so will Ich denn bei euch morgen früh noch das Morgenmahl nehmen, dann aber wohl ohne Rückhalt ganz schnell von hier weiterziehen!“

14. Darauf sagte der vom Tode erweckte Sohn Jorabe: „Höret, meine Lieben alle! Diesen allein und ewig wahrsten Gott hält nur allein die Liebe zurück! Diese ist die einzige Macht, der Er sogar in Sich Selbst gehorcht! Daher fassen wir eine rechte Liebe zu Ihm, und Er bleibt uns auch bis Mittag!“

15. Sagte Ich: „Du hast ganz richtig geredet – denn das hat dir nicht dein Blut, sondern das hat dir dein Geist eingegeben –; aber Ich kann dennoch nicht anders, als wie Ich es ehedem ausgesprochen habe. Aber um euch allen zu genügen, so werde Ich erst nach dem Aufgange der Sonne von hier fortziehen, aber im Geiste dennoch bei euch verbleiben. Es fragt sich jetzt nur, ob ihr alles verstanden habt, und ob niemand von euch irgend mehr um etwas zu fragen hat.“

123. Kapitel. Vom rechten Gebet und Gottesdienst.

1. Sagte die Priesterin der Minerva: „O Herr, zu fragen gäbe es eine Ewigkeit hindurch in einem fort; aber was nützet uns das, da wir Deine Antworten in unserem jetzigen Zustande ja doch nie fassen könnten! Aber sende Du uns nur ehestens Deinen verheißenen Geist, der uns in alle Wahrheit leiten wird, so sind wir schon mit allem dem mehr als vollends zufrieden, was uns bis jetzt von Dir zuteil geworden ist. Nur eines wäre da noch einer Erwähnung wert, und es wäre gut, daß wir auch in dieser Hinsicht aus Deinem Munde eine rechte Anweisung bekämen.

2. Siehe, wohl in allen Gotteslehren ist an die Menschen die ganz löbliche Anforderung gestellt, daß ein Gottwesen von uns Menschen anzubeten ist! Nun, für unsere falschen Götter haben wir eine ganze Legion von gutgeheißenen und auch nicht gutgeheißenen Gebeten gehabt. Die gutgeheißenen und somit auch wirksamen Gebete waren von den Priestern – natürlich höchsten Ranges – gemacht und durften auch nur von den Priestern während einer gewissen Zeremonie und nur zu einer bestimmten Zeit des Tages gebetet werden und gehörten zum mysteriösen sogenannten Götterdienst. Ein solches Gebet durfte der Laie und Ungeweihte bei strengster Strafe niemals selbst beten, sondern er mußte da zu einem Priester gehen und ihm ein bestimmtes und für alle Fälle fest taxiertes Opfer bringen, damit der Priester dann für ihn irgendein solches gutgeheißenes Gebet in einem Tempel mit der dazu bestimmten Zeremonie ganz monoton und völlig gedankenlos herabmurmelte. Die nicht gutgeheißenen und daher auch wirkungslosen Gebete aber durfte auch der Laie beten, aus dem alleinigen Grunde, damit er sich übe in der Beschauung der Götter und daraus die Wirkungen der gutgeheißenen heiligen Gebete der Priester kennenlerne.

3. Nun, daß derlei vor Deinen Augen und Ohren ein Greuel ist, das braucht mir niemand weiterhin zu erklären und zu beweisen; aber dessenungeachtet sollte der Mensch einen wahren Gott um so mehr in gewissen gewählten und gotteswürdigeren Worten anbeten und anrufen, als in welchen er mit seinen Nebenmenschen spricht und redet. Und in dieser Hinsicht möchten wir denn auch von Dir Selbst ein Wort zu unserer Richtschnur haben.“

4. Sagte Ich: „Meine Jünger haben euch ja ohnehin Mein sie gelehrtes Gebet gegeben, das ein jeder Mensch in seinem Herzen gleich wirkend beten kann; jedes andere Gebet mit den Lippen ist vor Mir ein Greuel.

5. Ich bin im Geiste von Ewigkeit her immer der völlig Gleiche, habe Mich nie verändert und werde Mich auch ewig nie verändern in Meinem Sein, Wirken und Wollen. Ich bin nun bei drei Tage lang bei euch und habe euch gelehrt, was ihr zu wissen, zu glauben und zu tun habet – ein jeglicher für sich –, um zu erlangen das ewige Leben der Seele. Habe Ich euch da von irgendwelchen Gebeten oder von irgendeinem wirksamen mysteriösen, Mir allein wohlgefälligen Gottesdienst etwas gesagt, oder von einem gewissen Feiertage, wie allenfalls von einem Sabbate der Juden, den sie einen Tag des Herrn Jehova nennen, und an dem die Priester den Menschen alle Arbeit verbieten, während sie selbst als Priester aber eben an dem Tage des Herrn die größten und schändlichsten Betrügereien verüben und dabei noch der gewissenlos argen Meinung sind, Gott damit einen guten Dienst zu erweisen? Nein, von allem dem habt ihr aus Meinem Munde nichts vernommen, und Ich sage es euch als vollwahr:

6. Hinweg mit allen Gebeten, hinweg mit allen Feiertagen, da ein jeder Tag ein wahrer Tag des Herrn ist, und hinweg mit allem Priestertume! Denn ein jeder Mensch, der Gott erkennt und Ihn über alles liebt und Seinen Willen tut, ist ein wahrer und rechter Priester und ist dadurch auch ein rechter Lehrer, so er seinen Nebenmenschen eben diese Lehre gibt, die er von Mir empfangen hat.

7. Wer also Meinen Willen tut, spricht nun der Herr, der betet wahrhaft und betet allzeit ohne Unterlaß; und ein jeder Tag, an dem ein Mensch seinem Nebenmenschen in Meinem Namen eine Wohltat erweist, ist ein rechter und Mir allein wohlgefälliger Tag des Herrn.

8. Wenn aber jemand seinem Nächsten eine Wohltat erweist, so tue er das im stillen und mache darum nicht reden von sich und brüste sich nicht damit vor den Menschen! Denn wer das tut, der hat seinen geistigen Lohn bei Mir schon dahin genommen, daß er für seine edle Tat einen weltlichen Ruhm erhielt; dieser aber stärkt die Seele niemals, sondern verdirbt sie nur, weil er sie eitel und selbstgefällig macht.

9. Also ist es auch mit dem Bitten um irgendeine Gnade von Mir. Wer da durch seine Bitte etwas von Mir erhalten will, der bitte ganz still in seinem von der Liebe zu Mir erfüllten Herzen, und es wird ihm gegeben, um was er gebeten hat, so es sich mit dem Lebensheile seiner Seele verträgt.

10. Desgleichen können sich auch ganz im stillen zwei, drei oder auch mehrere vereinen und für sich und die ganze Gemeinde bitten – aber nicht also, daß es gleichfort erfahre die Gemeinde –, und Ich werde solche Bitten sicher erhören. Aber so da gingen etwa zwei, drei oder auch mehrere und würden es der Gemeinde verlautbaren, daß sie das an diesem oder jenem Tage oder in dieser und jener Tageszeit tun werden, auf daß sie dann die Gemeinde ansähe und lobte, ja am Ende gar ein solch frommes Bittwerk bezahlte, – wahrlich, da wird solch ein Gebet niemals erhört werden und somit auch der Gemeinde wie denen, die da gebetet haben, nichts nützen! Denn alles das und derlei haben auch die Heiden getan und tun es noch, daß sie bei großen Gefahren in großen Scharen von einem Götzentempel zum andern zogen, dabei allerlei dümmstes Schnitzwerk, Fahnen, Gefäße und noch eine Menge anderer Sachen trugen und ein großes Geheul machten, in die Hörner stießen, gewaltig die Zimbeln schlugen und mit den Schilden klirrten. Sie veranstalteten auch weite Wallfahrten zu den außerordentlichen und besonderen Götzengnadenbildern, und so sie dort ankamen, verrichteten sie allerlei dümmstes Bußwerk und spendeten dem Götzen große und oft ganz ansehnliche Opfer; damit war freilich den Götzenpriestern sehr geholfen, nur den dummen Wallfahrern niemals. Also derartige allgemeine Gebete und Bitten werden von Mir aus niemals erhört!

11. Wer also bei Mir eine gute Bitte erhört haben will, der wallfahrte in sein Herz und trage Mir also ganz im stillen seine Bitte mit ganz natürlichen und ungeschmückten Worten vor, und Ich werde ihn erhören. Aber Ich sage euch noch hinzu, daß Mir dabei ja niemand mit irgendeiner fromm aussehenden Gebärde und Miene kommt! Denn wo bei einer Bitte an Mich die gewissen heuchlerisch frommen Gesichterdrückereien vorkommen werden, da wird auch keine Bitte erhört werden; denn wer Mir nicht kommen wird so natürlich, wie er ist, und nicht bitten wird im rechten Geiste der vollsten Wahrheit, der wird nicht erhört werden, sondern nur der, der Mich wahrhaft liebt, Meinen Willen tut und zu Mir ganz ohne allen Prunk und Zwang kommt, wie er ist, der wird von Mir aber auch allzeit erhört werden.

12. Also ist es auch eine alte Sitte, sogar bei den Juden, daß die blinden und dummen Menschen bei ihren Bitten und Gebeten auch eigene (besondere), mehr feine und bessere Kleider anziehen, weil sie meinen, daß der Mensch zur sogenannten größeren Ehre Gottes nicht genug tun könne. Aber das bedenkt so ein Narr nicht, daß es gar viele Arme gibt, die kaum zur größten Notdurft ihres Leibes Blöße bedecken können. Wie muß es dem Armen zumute sein, so er den Reichen also geschmückt in einem Bethause ersieht und sieht, welch eine Ehre dieser Gott gibt, während der Arme das nicht tun kann und sich dabei denken muß, daß er mit seinem Gebete in seinen Lumpen seinen Gott nur beleidigen muß!

13. Wahrlich, sage Ich euch: Wer immer mit gewissen besseren Kleidern angetan Mich um etwas bitten wird, der wird auch niemals erhört werden – und noch weniger irgendein Priester in seinen dummen, verbrämten Zaubermänteln und Röcken!

14. Also gibt es auch eine alte Unart bei den Gebeten zu Gott, daß man nur irgendeine gewisse fremde Sprache dafür gebraucht und hält diese für die Verehrung Gottes am würdigsten. Wo solch ein Unsinn je in der Folge bestehen wird, da wird die Bitte auch niemals erhört werden.

15. Der Mensch schmücke vor Mir sich allein nur im Herzen und rede die Sprache, die die seine ist, und rede die Mir wohlverständliche Sprache seines Herzens, und Ich werde seine Bitte erhören!

16. Ich will, daß da alle die alten Narrheiten ganz abkommen und die Menschen ganz neue, wahrhaftige, reine Menschen werden sollen. Und wo sie also sein werden, da werde Ich auch stets mitten unter ihnen sein; aber die blinden Weltnarren sollen fortan gezüchtigt werden durch das, daß ihre Bitten nicht erhört werden!

17. Gott hat den Menschen erschaffen ohne Kleid und erschuf ihn nach Seinem Ebenmaße, und Gott gefiel also die Gestalt des Menschen, weil sie Sein Ebenmaß war. Gott aber zeigte dem Menschen auch, sich ein Gewand zu machen, damit er vor Kälte schützen konnte seine Haut; aber darum lehrte Gott die ersten Menschen nicht, sich Kleider zu machen, daß sie dieselben als eine hoffärtige Zierde ihrer Glieder tragen sollen. Und noch weniger lehrte Gott den Menschen, sich darum ein verbrämtes Kleid zu machen, daß er im selben allein nur Gott würdig anbeten solle.

18. Darum kleidet euch zwar nun nach eurem Stande, aber einfach, und leget auf den Rock und Mantel keinen andern Wert als allein den, daß er bedecke den Leib; was darüber ist, das ist schon vom Übel und trägt keine guten Früchte.

19. Und so wisset ihr nun auch in dieser Hinsicht, was da zu tun ist, und Ich meine nun – da es schon nahe um die Mitte der Nacht geworden ist –, daß wir uns zur Ruhe begeben könnten!“

124. Kapitel. Von der Bildung der Menschen.

1. Sagte der Priester der Minerva: „Ja Herr, Du hast in allem ganz vollkommen recht; aber da Du heute leider schon die letzte Nacht bei uns zubringst, so hätte ich im Namen aller an Dich noch eine ganz bedeutende Bitte zu stellen, und diese bestände in dem, daß Du uns gnädigst gestatten möchtest, Deine uns nun gegebene Lehre Wort für Wort niederzuschreiben, damit sie als ein größtes Gut aller Menschen nimmerdar verlorengehe, weil sich sonst jede Lehre durch bloße mündliche Überlieferungen am Ende mit der Länge der Zeiten verunstaltet und verunreinigt. Denn die Menschen setzen gerne mit der Zeit so manches hinzu und lassen anderseits leicht etwas Wesentliches aus. Ist aber die Sache einmal niedergeschrieben und von allen hier seienden Zeugen unterzeichnet zur Steuer der vollsten Wahrheit, dann, meine ich, dürfte eine Verunreinigung Deiner Lehre nicht so leicht mehr möglich sein. Auf daß wir aber nichts Falsches niederschreiben mögen, so wolle Du, o Herr, uns leiten mit Deinem allwissenden und allmächtigen Geiste!“

2. Sagte Ich: „Das könnet ihr allerdings tun; so ihr aber schon das tun wollet, da schreibet es in mehreren Exemplaren, auf daß die Sache allgemeiner wird und das eine und zuerst geschriebene Buch – namentlich bei den sehr abergläubischen Heiden – nicht irgendeine Art magischer Wirkung erhält, wodurch dann der Wert seines inneren Gehaltes entstellt würde und die Menschen vor solch einem Buche dann förmlich eine Heiligenscheu bekämen, es sich vor lauter Ehrfurcht gar nicht mehr zu lesen getrauten und am Ende gar dahin kämen, zu glauben, daß die alleinige Verehrung solch eines Heiligtumes den Menschen schon den Himmel verschaffe! Sind aber mehrere gleiche Bücher da, so ist solch eine Ausartung nicht leichtlich mehr möglich.

3. Ich sage nicht, daß die Menschen solche Bücher nicht in Ehren halten sollen; aber sie sollen daraus auch nicht mehr machen, als was sie sind, und sollen davon auch nur den Gebrauch machen, der allein daraus zu machen ist, und durchaus keinen andern.

4. Ich aber sage euch noch hinzu, daß ihr eure Mühe auch dahin verwendet, daß alle Menschen schon von Kindheit an ordentlich lesen, schreiben und rechnen lernen sollen – nicht nur die Reichen allein –, sonst nützen euch die geschriebenen Bücher wenig. Suchet vor allem eine rechte Bildung des Wissens und daraus des Herzens bei den Menschen zu bewerkstelligen, so werdet ihr euch einen großen Lohn in Meinem Reiche bereiten, und ihr werdet dadurch auch ein leichtes Handeln auf der Erde mit den Menschen haben; denn mit wahrhaft gebildeten Menschen ist leicht zu reden und zu verkehren. Aber suchet eine rechte und ganze Bildung unter den Menschen auszubreiten; denn eine halbe Bildung ist oft schlechter als gar keine!

5. Enthaltet euren Jüngern keine Wahrheit vor, so wie auch Ich euch nichts vorenthalten habe; denn nur die Wahrheit bildet den Menschen wahrhaft zu einem Menschen. Wo diese fehlt, da muß offenbar die Lüge an ihre Stelle treten, und diese ist die Gebärerin alles Unheiles, das nur immer auf der Erde unter den Menschen vorkommen kann. Das somit auch zu euer aller Lebensrichtschnur! Werdet ihr das beachten, so werdet ihr gar bald die Segnungen davon schon auf dieser Erde nur zu klar und wahr erfahren. – Habt ihr nun noch etwas auf eurem Herzen?“

125. Kapitel. Der Geist des Mentors der Priesterfráuen erscheint.

1. Sagte die Minervapriesterin: „Herr, soviel uns unsere gegenwärtige Einsicht gestattet, dürfte es wohl kaum noch etwas geben, um das wir Dich zum Behufe unseres gegenwärtigen Erkenntniszustandes noch fragen könnten, da Du uns ohnehin schon nahe zu viel gezeigt und gelehrt hast; aber etwas könntest Du uns Weibern dennoch tun, und das bestünde darin, daß Du uns zeigtest die Seele unseres Mentors, auf daß wir uns dadurch von dem jenseitigen Fortleben zum voraus noch mehr und tiefer überzeugen könnten.“

2. Sagte Ich: „Es ist das zwar ein etwas unkluges Verlangen von euch – denn fürs erste habt ihr noch lange die Fähigkeit nicht, einen Geist zu sehen, weil ein Geist auch nur mit den Augen des Geistes, nie aber mit den Augen des Fleisches gesehen werden kann, und zweitens ist die Seele eures gewesenen Mentors auch noch lange nicht in jenem Lebenszustande, daß euch sein Erscheinen irgendeinen Nutzen schaffen könnte –; aber weil ihr denn schon gerade darauf reitet und der Meinung seid, daß das euren Glauben sehr stärken werde, so kann euch zum Beschlusse ja auch noch das gewährt werden. – Isma kore! – komme und rede!“

3. Also berief Ich des Mentors Seele. Und es entstand ein großes Geräusch im Saale, aus dem Boden stieg ein Qualm empor, als wäre da unten ein Brand, und mitten aus dem Qualme trat der Geist ganz zornigen Gesichtes hervor und sagte zu den Weibern: „Was störet ihr ungläubigen Weiber mich aus meiner Ruhe, in der ich mit meiner Vollendung zu tun habe und in süßer Gesellschaft jener Geister bin, die mir gleichen, und wo unter uns an keinen Hader und Zank zu denken ist?

4. Ich habe mein euch gegebenes Versprechen schon längst eingelöst und habe es euch klar gesagt, wie nichtig des Diogenes Lehren sind und dem Menschen, der sie annehmen kann, zur größten Schande gereichen, weil sie nichts als elendeste Lügen sind zum Hohne der höchsten Weisheit eines ewigen und allmächtigen Gottes! Aber ihr hieltet das nur für einen Traum und für ein Spiel eurer Phantasie!

5. Hat euch da nicht euer Verstand gesagt, daß der Mensch ein gar wunderbares Werk eines großen und wunderbarst allmächtigen Schöpfers ist, und daß im selben nichts vorgehen kann, das nicht seinen Grund und seine weise Bestimmung hätte?! Das habe ich euch oft gesagt noch im Erdenleben; aber ihr achtetet nie darauf, sondern euch war es nur darum zu tun, von aller Welt wegen eurer stoischen Weisheit bewundert zu werden. Aber dessenungeachtet nagte doch fortwährend der Zweifel an eurem Herzen, den ich durch offenstes Wiedererscheinen hätte tilgen sollen.

6. Aber es ist nun ein höherer Geist zu euch gekommen und hat euch belehrt. Warum glaubtet ihr Ihm denn nicht vollkommen? Warum fordertet ihr mich zum Zeugen Dessen auf, dessen Namen ich nicht wert bin auszusprechen? O ihr arg törichten Weiber! Wahrlich, wäre nun jener große Geist nicht hier, so wäret ihr alle nun gar übel von mir bedient worden! Merket es euch aber, daß, so ihr mich noch einmal störet in meiner Ruhe, es euch ganz übel ergehen wird!“

7. Hierauf verschwand der Geist plötzlich, und die Weiber durften nichts reden mit ihm und hatten auch den Mut nicht dazu.

8. Ich aber fragte sie und sagte: „Nun, wie seid ihr zufrieden mit eurem Mentor?“

9. Sagten die Priesterinnen: „O Herr, wahrlich, der hätte füglich in seiner dummen Ruhe verbleiben können! Wenn jenseits seine Gesellschaft ihm völlig gleicht, so werden sie an ihrer Lebensvollendung noch sehr lange zu tun haben. Der ist ja ganz entsetzlich grob und roh! Bei seinen Lebzeiten im Hause unserer Eltern war er der bescheidenste und sanfteste Mensch, und nun als ein Geist ist er des glühendsten Zornes voll! Wie ist denn das möglich? Hatte er denn auf dieser Welt eine andere Seele?“

10. Sagte Ich: „Oh, das wohl nicht, – aber auf der Welt verbarg aus äußerer Klugheit seine Seele ihr eigenstes Ich und zeigte sich mit Hilfe ihrer Leibesglieder ganz anders, als sie innerlich war; aber jetzt in ihrer Nacktheit geht das durchaus nicht mehr. Denn jenseits kann keine Seele sich anders zeigen, als wie sie ist aus- und inwendig; und so konnte euer Mentor sich euch nun auch nicht anders zeigen, als wie er ist, und wie er eigentlich auch in sich gegen euch allzeit gesinnt war. Seine Bescheidenheit und seine Sanftmut waren nur ein Spiel seiner Außenmiene, innerlich aber war es ganz anders!

11. Darum verlanget in der Folge ja nicht mehr irgend einen Geist zu eurer Belehrung, sondern lebet nach Meiner Lehre, daß ihr dadurch fähig werdet, mit Meinem Geiste in den vollen Lebensverband zu treten, – dann werdet ihr solcher Geister harte Belehrung leicht entbehren können!“

12. Damit waren die Weiber nun auch völlig zufriedengestellt und verloren alle Sehnsucht, je irgendwann mit einem solchen Mentorgeiste zusammenzukommen.

13. Hierauf aber empfahl Ich dann allen, sich nun zur Ruhe zu begeben, was denn auch alle sogleich taten. Ich und die Jünger taten dasselbe, und wir nahmen unsere Ruhestühle ein.

14. Die Nacht verging bald, und wir machten uns auf die Füße. Als wir den Saal verlassen wollten, da kam uns auch schon Jored entgegen und bat Mich, aufs bald bereitete Morgenmahl zu warten.

15. Ich aber sagte: „Gib uns nun nur etwas Brot und Wein, und wir werden dann gleich abziehen, auf daß uns nicht die Priester mit ihren Weibern, die bald kommen werden, noch hier antreffen!“

16. Das geschah sogleich. Wir nahmen Brot und Wein und zogen dann gleich ab, nachdem Ich zuvor noch Joreds Haus und seine Leute alle gesegnet hatte.

126. Kapitel. Die Bedeutung des Judenvolkes gegenüber den Heiden.

1. Jored und sein Sohn Jorab gaben Mir das Geleit bis Malaves, wo uns die dankerfüllten Bewohner schnell entgegeneilten und uns bewirten wollten. Aber wir nahmen nichts an, empfahlen ihnen aber noch einmal, in der empfangenen Lehre zu verharren. Das versprachen sie auch auf das feierlichste, fragten Mich aber, wohin Ich Mich nun nächstörtlich wenden werde.

2. Und Ich sagte zu ihnen: „Nach Samosata! Habt ihr ein Fahrzeug dahin auf dem Wasser, so könnet ihr Mich dahin bringen.“

3. Sagten die sehr gemütlichen und dienstfertigen Malavesaner: „O großer Herr und Meister, wohl haben wir zwei Fahrzeuge, auf denen Du und Deine Begleiter ganz bequem von hier nach Samosata in wenigen Stunden kommen könntet; aber es ist nur hernach das Zurückbringen der Fahrzeuge ziemlich schwer. Sie müssen stromaufwärts gezogen werden, und das mit Ochsen und Maultieren, und das kann dann geschehen, wenn von Serrhe bei einem günstigen Wasserstande Warenschiffe nach Melitene hinauffahren. Diese hängen dann derlei kleinere Fahrzeuge an und bringen sie dann an den Ort zurück, dahin zu bringen sie die Weisung von dem Schiffmeister bekommen. Allein das macht nichts; wir werden euch ein Paar verläßliche Schiffer mitgeben, und diese werden dann schon in Samosata das Geeignete veranstalten, daß die Fahrzeuge ehestmöglich zurückgebracht werden. Wenn es Dir, o Herr und Meister, denn gefällig wäre, so könntet ihr sogleich die Schiffe besteigen und abfahren!“

4. Sagte Ich: „Ganz gut, meine lieben Leutchen; aber anstatt nur zwei Schiffer gebet uns vier mit, und Ich stehe dafür, daß sie heute noch lange vor Sonnenuntergang mitsamt den zwei Schiffen zurückkommen werden!“

5. Sagten die Malavesaner: „Das wäre auf eine ganz natürliche Weise wohl nicht möglich; aber Dir, o Herr, ist nichts unmöglich! Denn wir haben das schon an uns erfahren, daß Dein Wort und Wille ein vollbrachtes und fertiges Werk ist.“

6. Hier gingen gleich fünf Schiffer anstatt vier mit; drei übernahmen die Leitung des größeren Fahrzeuges, und zwei begaben sich auf das kleinere, das Ich mit den zwölf Altjüngern bestieg. Es waren aber diese Fahrzeuge auch mehr Flöße denn irgend eigentlich Schiffe; nur waren sie mit Geländern und Sitzbänken versehen, und jegliches hatte ein Dach aus grobem Segeltuche.

7. Als Ich mit den Altjüngern auf das kleinere Fahrzeug ging, da grüßten Mich Jored und sein Sohn auf das herzlichste und baten Mich, daß Ich doch noch ja einmal sie persönlich besuchen möchten, aber bei einem abermaligen Besuche aber länger in ihrer Mitte verweilen möchte als diesmal.

8. Ich aber grüßte sie auch und sagte: „Bleibet tätig in Meiner Lehre, und Ich werde nicht nur sehr oft, sondern am Ende schon gleich ganz in eurer Mitte Meine Wohnung aufrichten! Unsern Gruß und Segen allen, die eines guten Willens sind!“

9. Hierauf wurden die Fahrzeuge losgemacht, das kleinere voraus und das größere um einige Augenblicke später, und es fuhr hinter uns.

10. Als wir nun allein waren, sagte Petrus: „Herr, es wäre beinahe besser, so wir uns gleichfort unter den Heiden herumtrieben und ließen die Juden Juden sein; denn es ist ja doch eine wahre Herzensfreude zu sehen, wie diese Menschen mit einer wahren Gier die Worte des Lebens in sich aufnehmen. Die Zerstörung ihrer drei Götzen ging doch so leicht durch, und beinahe kein Mensch außer den fünf Weibern machte sich darüber etwas Besonderes daraus, und am Ende waren sogar die Weiber auch eben nicht gar zu schwer zur Umkehr zu bringen. Und wenn man die Sache so recht bei Lichte betrachtet, so liegt in solch einem Heiden, wie da war und ist der Jored und sein ganzes Haus, wohl hundertmal mehr gesunden Menschenverstandes als in einem jüdischen Ältesten und Schriftgelehrten. Wie wäre es uns in Jerusalem ergangen, wenn Du den Pharisäern den Tempel also gelichtet hättest wie vor drei Tagen den zu Chotinodora?! Ich sage mit immer mehr Einsicht und Überzeugung: Die Juden sind Deiner großen Erbarmung, Geduld und Nachsicht unter allen Völkern am wenigsten wert. – Was sagst Du zu dieser meiner Ansicht?“

11. Sagte Ich: „Siehe, du redest, wie du es verstehst! Wenn du ein Feld siehst, das gar dicht mit allerlei Unkraut überwachsen ist, so muß dir da ja auch dein gesunder Menschenverstand sagen: Da muß ein gutes und fruchtbares Erdreich sein! Da lohnte es sich wohl der Mühe, dies Feld von dem Unkraute zu reinigen und dann darauf den Weizen zu säen; da kann er hundertfältige Frucht bringen! So du aber ein Feld ersiehst, das da gar recht rein aussieht, da nur höchst sparsam hie und da ein Gräschen mager emporwächst, wird es sich da wohl der Mühe und Arbeit lohnen, solch ein Feld zu einem fruchtbaren Weizenacker umzugestalten? Sicher nicht, denn wo der Boden fürs Unkraut keine Nahrung hat, da wird er sie sicher auch für den Weizen nicht haben. Du wirst auf ein solches Feld viel guten und kräftigen Dünger geben müssen, um das Magerfeld für den Weizen fruchtbar zu machen.

12. Siehe, welche Zeichen mußten hier geschehen, damit diese Heiden den Glauben annahmen! Die Zeichen waren ein kräftiger Dünger, damit die Lehre als der Lebensweizen auf ihrem Gemütsfelde aufkeimen und zu einer künftigen Frucht emporwachsen konnte. Als Ich aber vor anderthalb Jahren zu euch Juden kam, da bedurfte es nur allein des Wortes, und ihr folgtet Mir, ohne daß ihr deshalb schon ganz im klaren gewesen wäret, wem ihr gefolgt seid. Es war euer Gemütsboden wohl mit manchem Unkraute bewachsen, und manches Dorngestrüpp umzog euer Herz, – aber es war daneben dennoch auch viel freies Feld für den Weizen.

13. Bei diesen Heiden aber hätten wir zehn Jahre lang reden können, so hätten wir sie dennoch nicht bekehrt zum Lichte des Lebens aus Gott, da sie uns trotz der vielen und großen Zeichen noch einen harten Widerstand leisteten. Nun sind sie wohl unser, mehr denn viele Juden, und es wird auch den Juden wegen ihres Starrsinnes das Licht genommen und den Heiden gegeben werden; aber alles dessenungeachtet dürfet ihr das nie unbeachtet lassen, daß das Heil der Menschen nur von Jerusalem ausgeht, und alle den Juden gemachten Weissagungen werden daselbst ihre Erfüllung haben für alle Menschen der Erde! Aber alles dessenungeachtet werden wir nun auch die Heiden besuchen und sie vorbereiten auf das, was sie nach Meiner Auffahrt werden zu erwarten haben, nämlich die Ausgießung des Heiligen Geistes aus Gott.

14. Nun aber habet alle ein wenig acht; denn wir kommen nun an eine Wasserstelle dieses Stromes, an der er mehr steht denn fortfließt! Da müssen die Ruder stark gehandhabt werden, ansonst man daselbst leicht von Stromräubern eingeholt und überfallen werden kann. Allein es sollen unsere beiden Schiffer das Fahrzeug nur gehen lassen, wie es geht; denn Ich will diese Räuber sprechen und von ihrem Gewerbe abbringen!“

127. Kapitel. Jesus überwindet die Stromräuber.

1. Als Ich solches noch kaum ausgesprochen hatte, schwamm unser Fahrzeug auch schon auf der Stromruhe, allwo der Strom sehr breit und auch sehr tief war. Wir waren kaum bei zwei Morgen auf der Stromruhe vorwärtsgekommen, als unsere beiden Schiffer die Ruder für stromabwärts in die Hand nahmen und zu rudern anfingen; aber Ich sagte zu ihnen, daß sie das nun nicht tun sollten.

2. Sie aber sagten (die Schiffer): „Herr, das ist eine unsichere Stelle, auf der man leicht von argen Räubern angehalten wird, die jedem Floße, das sie einholen, einen übermäßigen Tribut abnehmen! So wir aber unser Fahrzeug schnellen, dann holen sie uns bis zur darauffolgenden Schnelle nicht ein, und wir sind dann schon geborgen, weil sie sich über diese Stromruhe nicht hinauswagen.“

3. Sagte Ich: „Ja, ja, da habt ihr schon recht; aber Ich will eben mit diesen Stromräubern zusammenkommen und sie für die Folge für hier ganz unschädlich machen. Darum lasset das Rudern auf einige Augenblicke!“

4. Auf diese Worte stellten unsere beiden Schiffer das Rudern ein, und es dauerte keine zehn Augenblicke, als schon ganz verdächtig aussehende Männer auf einem breiten Kahn unser Fahrzeug einholten und uns sogleich zur freiwilligen Herausgabe unserer sämtlichen Güter aufforderten.

5. Ich aber erhob Mich von Meinem Sitze und fragte mit mächtiger Stimme die Räuber: „Mit welchem Rechte verlangt ihr solches von uns und von jedermann, den ihr einholen könnet?“

6. Sagte ein Räuber von riesiger Gestalt: „Wir sind Freibeuter und kennen kein anderes Recht als nur das des Stärkeren!“

7. Sagte Ich: „Wie dann, wenn nun wir hier die Stärkeren wären und verlangten von euch euer Gut oder euer Leben?“

8. Sagte der Räuber: „Dann müßten wir es uns auch gefallen lassen! Aber da das nicht der Fall ist, so zaudert nicht, uns das Verlangte zu geben, da wir euch ansonst unliebsamerweise unsere Stärke zeigen müßten!“

9. Sagte Ich: „Wir haben nichts und geben daher auch nichts; glaubet ihr Mir aber nicht, so machet nun nur sogleich Gebrauch von eurer Riesenstärke!“

10. Da hoben die Räuber gewaltige Keulen auf, um nach uns zu schlagen. Ich aber machte sie im Augenblicke steif, daß sie dastanden so unbeweglich wie Statuen und vor Schmerz ein gar jämmerliches Geheul anstimmten.

11. Ich aber fragte nun den stärksten Räuber: „Nun, wo ist nun das Recht?“

12. Dieser aber schrie (der Räuber): „O du Mächtigster, du bist ein Gott! Hilf uns, und wir wollen fortan für alle Zeiten von diesem Gewerbe abstehen und alles tun, was du von uns verlangst!“

13. Sagte Ich: „Gut denn, seid frei; aber euer geraubtes Gold gebet Meinen zwei Schiffern, ansonst es euch gar übel ergehen würde!“

14. Da sagte der große Räuber: „Herr, nicht nur das Gold, sondern auch all das Silber geben wir her; aber nur laß du es uns zehn Männern zu, daß wir dich, wohin du ziehest, begleiten dürfen, – denn ich ahne, daß du ein Besitzer ganz anderer und höherer Schätze bist, als da sind die unsrigen, und von diesen deinen Schätzen möchten wir ein weniges nur uns aneignen!“

15. Sagte Ich: „So gehet und holet euer Gold und Silber!“

16. Da eilten sie dem felsigen linken Stromufer zu, wo sie in Höhlen wohnten. In einer Viertelstunde waren sie schon wieder bei uns und übergaben Mir bei hundert Pfunde Goldes und dreihundert Pfunde reinen Silbers, dazu noch Perlen und Edelsteine.

17. In dieser Zeit kam auch das größere Fahrzeug mit den zwanzig Jüngern uns nach, und diese fuhren ganz nahe zu uns, weil ihre Schiffer ihnen sagten, daß wir sicher von den berüchtigten Räubern angehalten worden seien. Als sie aber zu uns kamen, da staunten sie über unsere Schätze und wollten fragen, wie wir dazu gekommen seien.

18. Ich aber sagte: „Fahret nun nur weiter, alles andere werdet ihr noch früh genug erfahren! Diese Schätze aber sind nun schon ein Eigentum unserer fünf Schiffer, und diese zehn Männer, die sie hergegeben haben, sind gekommen, um Mir nachzufolgen. Und nun sehet, daß ihr weiter kommet!“

19. Da fuhren die zwanzig weiter, aber unter sich sprachen sie: „Es ist doch ein sonderbares Ding mit unserem Herrn! Jetzt nimmt Er schon Heiden und Zöllner und Diebe und Räuber zu Seinen Jüngern an; aber die vielen Jünger aus Jerusalem ließ Er in Kapernaum ohne ein Wort abgehen! Ja, ja, wir werden es noch erleben, daß Er auch Huren und Ehebrecherinnen zu Seinen Jüngern annehmen wird! Es ist das wahrlich sehr sonderbar! Aber was wollen wir machen? Er ist und bleibt einmal ein mit aller Kraft Gottes erfüllter Prophet, dem niemand widerstehen kann, und wir müssen Ihm Sein Recht lassen, – da nützet nichts dawider!“

20. Als sie aber also redeten, hatten wir samt den zehn Räubern, die in ihrem breiten Kahne uns behende nachfuhren, sie auch schon eingeholt, und Ich sagte zu den zwanzig: „Ihr findet es sonderbar, daß Ich also tue, – Ich aber finde es bei euch zehnfach sonderbar, daß ihr eben solches Mein Tun und Handeln sonderbar findet. Die Menschen sind Mein Werk, und Ich kenne dieses Werk am besten, kenne eines jeden Fähigkeiten und weiß darum wohl, was Ich tue. Darum komme euch fürder nichts mehr als von Mir Getanes sonderbar vor, ansonst müßte es euch sehr sonderbar vorkommen, daß Ich euch angenommen habe, da ihr doch ärger waret tausendfach denn diese zehn Räuber, die aber noch niemanden getötet, sondern nur die reich- und schwerbeladenen Flöße etwas leichter gemacht haben!“

21. Da ermannten sich die zwanzig und baten Mich um Vergebung. Ich aber fuhr ihnen wieder vor und zeigte ihnen durch die Stromschnelle den sicheren Weg. Als wir diese hinter uns hatten, da ersahen wir auch schon Samosata und erreichten diesen Ort auch nach einer Stunde.

128. Kapitel. Jesus in Samosata.

1. Als wir allda landeten, da kamen gleich die Zöllner und forderten hastig ihren Zoll.

2. Und Ich sagte zu Petrus: „Nimm ein ganzes Pfund Silber und gib es hin für uns alle!“

3. Petrus tat das, aber der Zöllner sagte: „Herr, das ist zehnfach zuviel, da bekommst du noch viel heraus!“

4. Ich aber sagte: „So tue damit den Armen Gutes, behalte das Ganze und zeige uns eine gute Herberge; denn wir bleiben heute und morgen hier!“

5. Sagte der Zöllner: „Da bleibet bei mir; denn ich selbst besitze eben die beste und größte Herberge!“

6. Sagte Ich: „Gut, so führe uns hin!“

7. Hier stiegen wir aus, und als wir die Fahrzeuge verließen, fuhren diese sogleich pfeilschnell stromaufwärts mit den Schätzen zurück, was den Zöllner überaus zu wundern anfing, und das um so mehr, da auch der leere und schifferlose Kahn von selbst den zwei anderen Fahrzeugen nachflog.

8. Als der Zöllner sich ausgewundert hatte, führte er uns in seine Herberge. Dieses unseres Samosater Zöllners Haus und Herberge war dem Hause Joreds in Chotinodora sehr ähnlich und hatte beinahe dieselbe Einrichtung; nur der Speisesaal war nicht so geräumig und bequem und zierlich eingerichtet, – namentlich war der Oberboden (Plafond) eben nicht sehr erquicklich anzusehen, da er nicht aus Dielen, sondern nach der mehr orientalischen Art bloß in einer Überspannung schmutzigen Segeltuches bestand. Aber es machte das gerade nichts, es war das ja dennoch der beste Saal in ganz Samosata, und so quartierten wir uns hier ein, obwohl Mich ein Räuber darauf aufmerksam machte, daß diese Herberge zwar wohl eine der besten im ganzen Orte sei, aber auch eine der teuersten; denn unter zehn Pfennigen komme da für einen Tag wohl niemand aus. Der Wirt sei da ein sehr geldsüchtiger Kauz.

9. Ich aber sagte: „Lassen wir das! Es wird sich morgen schon zeigen, was er uns für eine Rechnung machen wird!“

10. Als wir uns um den großen und langen Tisch gelagert hatten, da fragte Mich der Wirt, was wir nun zu Mittag essen und trinken wollten.

11. Ich sagte zu ihm: „Brot und Wein hast du, und eines mehreren bedürfen wir nicht, und du hast auch nichts weiteres und mehreres vorbereitet; am Abend werden wir uns schon selbst versorgen.“

12. Sagte der Wirt ganz höflich: „O mein sehr verehrter Freund, ich habe wohl noch allerlei Vorräte an Fleisch, Milch, Butter, Käse, Eiern, Honig und allerlei Gartenfrüchten; auch gute Fische habe ich in meinen Behältern! Du brauchst nur zu schaffen (befehlen) und es wird alles in aller Zeitkürze bereitet werden!“

13. Sagte Ich: „Laß alles das nun gut sein, wir werden nun schon bei Meinem ersten Verlangen verbleiben; nur einen besten Wein, den du irgend hast, wünsche Ich!“

14. Der Wirt berief sogleich seine Diener und ließ Brot und Wein in hinreichender Menge auftragen, und Ich segnete beides und gebot nun allen, zu essen und zu trinken nach Herzenslust.

15. Die zehn gewesenen Räuber aber sagten: „Herr, wir sind aber nicht würdig, an eurem Tische zu sitzen, und unsere Bekleidung ist zu dürftig und schmutzig für euch, die ihr Herren und wohlbekleidet seid!“

16. Sagte Ich: „Das gehört nun nicht daher; jetzt tut das, was Ich will, und dann wird bald auch eure Bekleidung eine bessere werden! Der Mensch, wenn sein Inneres in der Ordnung ist, ist und bleibt ein Mensch auch in den dürftigsten Kleidern.“

17. Wir aßen und tranken nun ganz wohlgemut und redeten wenig dabei. Als wir gegessen und getrunken und sonach unsere Glieder gestärkt hatten, da erhoben wir uns alsbald von unseren Plätzen, und Ich fragte den Wirt um die Zeche.

18. Er aber sagte, das sei schon bezahlt aus dem noch großen Überreste des Pfundes Silber, und wir könnten für den Überrest noch drei volle Tage bei ihm in der Herberge sein.

19. „Gut“, sagte Ich, „so können wir uns nun ganz ungeniert ins Freie machen und uns ein wenig den Ort ansehen.“

20. Sagte der Wirt: „Allerdings, – nur werde ich euch zu eurer größeren Sicherheit begleiten; denn wir haben hier ein römisches Gericht und eine kleine römische Besatzung, und diese ist mit den fremden Reisenden eben nicht zu freundlich, wenn sie mit ihnen irgend zusammenkommt. Aber so ich als der Hauptzöllner und auch Vorsteher des ganzen Ortes mit euch gehe, so werdet ihr überall anstandslos durchkommen. Damit aber auch ich um so sicherer und gedeckter in allem bin, so wäre es gut, wenn ihr es bloß mir anvertrauen möchtet der Wahrheit gemäß, wer und woher ihr seid, und was euch so ganz eigentlich hierher geführt hat.“

21. Sagte Ich: „Dieweil du eine ehrliche Weltseele bist und es in deiner Art gut mit uns meinst, so sage Ich als der Herr und Meister für Mich und für diese alle, und so höre: Ich bin ein Heiland aller Heilande der Erde, und diese sind Meine Jünger. Wir sind zumeist Galiläer. Und nun weißt du vorderhand aber auch schon genug!“

22. Sagte der Wirt: „Ah – so, so, – also ein Sohn Äskulaps, und das deine Jünger?! Nun, ganz gut, ganz gut; ich habe mir schon bei eurer Ankunft so etwas Ähnliches gedacht! Aber sage du mir, mit was für sonderbaren Schiffen seid ihr denn hier angekommen?! Wie möglich konnten denn diese so schnell stromaufwärts fahren? Das ist ja doch ein Etwas, das ich noch nie gesehen habe! Und wem gehörte denn das viele Gold und Silber, das in dem Schiffe lag, in welchem du, Meister, hier angekommen bist, und die Edelsteine und Perlen?“

23. Sagte Ich: „Das gehört zwar Mir, – aber Ich habe alles den armen Schiffern geschenkt, weil sie uns alle so wohlbehalten hierhergebracht haben. Daß aber die Schiffe auch stromaufwärts fahren konnten, das ist ein Geheimnis, das Ich dir jetzt nicht erklären kann aus dem einfachen Grunde, weil du solches unmöglich verstehen könntest. Aber nun gehen wir ins Freie!“

24. Der Wirt war damit einverstanden und ging voran, um uns den Weg zu zeigen und uns an jene Punkte des Städtchens zu führen, die nach seiner Ansicht die sehenswürdigsten waren. Wir kamen denn auch vor das ansehnliche Gebäude des römischen Hauptmannes, der im Hofraum gerade seinen Soldaten Befehle gab, wie sie diese Nacht hindurch die Wachen zu halten hätten, weil ihm angezeigt wurde, daß da eine große persische Karawane im Anzuge sei. Diese sei anzuhalten und zu visitieren, welche Waren und Schätze sie mit sich führe, damit man ihr von allen die gesetzliche Zollgebühr abnehmen könne.

129. Kapitel. Die Heilung des fieberkranken Hauptmannssohnes.

1. Als der Hauptmann damit fertig war und die Soldaten und Aufseher sich entfernten, da wurde er unser ansichtig und begab sich eilig zu uns. Als er bei uns war, erkundigte er sich gleich beim Zöllner, wer und woher wir wären, und was wir da zu tun hätten.

2. Der Zöllner erklärte ihm das, und als der sehr ernst aussehende Hauptmann vernahm, daß Ich ein Heiland aller Heilande der ganzen Welt sei, da trat er alsbald zu Mir hin und sagte (der Hauptmann): „Wenn du das bist, was der Vorstand von dir ausgesagt hat, so heile meinen Sohn! Er ist mit einem bösen Fieber behaftet, liegt schon volle vier Jahre auf dem Krankenlager und sieht schon mehr einer Leiche denn einem lebenden Menschen gleich. Ich habe schon von allen Orten die besten Ärzte kommen lassen; aber sie konnten ihm alle nicht helfen. Wenn du ihm helfen kannst, so soll dir ein königlicher Lohn zuteil werden!“

3. Sagte Ich: „Führe Mich hin zu deinem kranken Sohne, und wir wollen sehen, wie es mit ihm steht!“

4. Sogleich führte uns der Hauptmann zum kranken Sohne in sein Haus. Als Ich da ankam, standen in seinem Krankenzimmer mehrere heidnische Götterstatuen um sein Lager herum, die ihm nach dem Rate der Priester hätten helfen sollen.

5. Ich aber sagte zum Hauptmanne: „Du bist doch ein vernünftiger und vielerfahrener Mann und mußt selbst einsehen, daß diese durch Menschenhände gemachten Statuen dem Kranken nichts helfen konnten, und dennoch hast du sie von den betrügerischen Priestern zu diesem Zwecke um ein teures Geld gekauft oder eigentlich gemietet! Ich sage dir nun: Laß die betrügerischen Priester kommen! Vor ihnen werde Ich diese Statuen vernichten und darauf deinem Sohne auf das allerbestimmteste helfen.“

6. Der Hauptmann, der ohnehin weder auf die Priester und noch weniger auf die Statuen der Götzen etwas hielt, sandte sogleich nach den Priestern, deren es hier sieben gab. Diese kamen bald herbei, und der Hauptmann stellte Mich ihnen gleich als einen Arzt von besonderen Kenntnissen vor.

7. Die Priester aber sagten: „Freund, du lebst als ein Mensch in einer großen Einbildung, wenn du noch einem Kranken helfen zu können wähnst, dem selbst die allmächtigen Götter nicht mehr helfen mögen, da sie es einsehen, daß gar für jeden Menschen einmal die Zeit zum Sterben bestimmt ist!“

8. Sagte Ich: „Aber, ihr Stoiker von eurer Geburt an, wie wollet ihr das einem andern Menschen glauben machen, an was ihr noch nie auch nur ein kleinstes Sonnenstäubchen groß geglaubt habt?“

9. Sagten die Priester: „Wer kann sagen, daß wir nicht glauben, was wir lehren?“

10. Sagte Ich: „Ich kann euch das sagen, weil dazu auch die Macht in Mir wohnt!“

11. Sagten die Priester: „Was für eine Macht? Was redest du von deiner Macht?! Hier hat niemals jemand uns eine Macht außer dem Hauptmann und, und am allerwenigsten ein Fremder, der froh sein muß, daß wir ihn hier leben lassen!“

12. Sagte Ich: „Daß Ich hier auch eine Macht habe, davon sollet ihr nun sogleich eine volle Überzeugung bekommen! Sehet, diese eure ehernen und steinernen, aller Macht und Kraft baren, völlig toten Götzen werde Ich bloß durch ein Wort völlig vernichten, weil Ich sonst dem Kranken nicht helfen möchte und wollte! Und so sage Ich denn: Hinweg mit euch toten Götzen!“

13. In diesem Moment waren alle die Statuen völlig zunichte, und es war im ganzen Zimmer nicht das geringste von ihnen wahrzunehmen. Man durchsuchte nun das ganze Haus, und auch da war in allen Gemächern alles vernichtet, was sich in selben als ein Götzenbild befand.

14. Da schlugen sich die Priester auf die Brust und schrien: „O du frecher Magier, wir erkennen deine unbegreifliche Macht an; aber siehe zu, wie du dafür mit den wahren Himmelsgöttern auskommen wirst!“

15. Sagte Ich: „Ich bin ein Jude aus Galiläa und habe als solcher nie eine Furcht vor euren toten Götzen gehabt und werde sie auch nie haben. Wo Ich nun hinkomme, da helfe Ich den Menschen wahrhaft, physisch und geistig. Aber die Götzen müssen weichen und der einige, allein wahre, lebendige, ewige Gott an ihre Stelle treten; denn ohne Den gibt es kein Heil bei den Menschen auf dieser Erde. Da nun eure Götzen aber weg sind, so will Ich nun auch diesem Kranken helfen! Und so sage Ich zu dir: Stehe auf und wandle!“

16. Hier verließ den Kranken augenblicklich das böse Fieber, und er stand auf, war völlig gesund und verlangte zu essen, da es ihn hungerte.

17. Und Ich sagte zum Hauptmanne: „Gib ihm nun Brot und Wein, aber nicht zu viel auf einmal, und er wird sogleich dastehen, als hätte ihm nie etwas gefehlt!“

18. Dieses geschah, und der Sohn stand so gesund da, als wäre er nie krank gewesen.

19. Hier trat der Hauptmann gar freundlichen Angesichtes zu Mir, sagend: „O du unbegreiflicher, über alle unsere Götter erhabener Heiland! Was ist nun meine Pflicht dir gegenüber? Wie kann ich dir denn dafür einen rechten Lohn geben? Was verlangst du nun denn von mir?“

20. Sagte Ich: „Mit nichts Irdischem kannst du Mich belohnen; denn Ich nehme nie von jemand irgendeine Zahlung an. Aber Ich werde dir durch diese Meine Jünger eine neue Lehre von Gott und von dem Leben der Seele auch nach dem Tode geben; nach dieser sollst du und dein ganzes Haus leben. Willst du aber ein mehreres von Mir erfahren, so begib dich jüngst einmal nach Chotinodora; dort wirst du schon das Nähere erfahren. Ich bleibe aber auch noch morgen allhier, und wir werden auch hier noch miteinander eine nähere Bekanntschaft machen.“

21. Der Hauptmann war nun über alle Maßen entzückt und sagte: „Herr und Meister aller Meister und wahrster Heiland aller Heilande! Alles, alles, was du nur immer willst, wird geschehen; aber nur für heute bitte ich dich, daß du mit allen deinen Jüngern mein Gast verbleibst; denn siehe, mein Haus ist geräumig und hat viele Zimmer! Denn es wäre ein zu großer Undank von meiner Seite, dich in der Herberge des Zöllners zu lassen, die heute höchstwahrscheinlich von der ankommenden großen persischen Karawane völlig besetzt wird.“

22. Sagte der anwesende Zöllner: „Deinem Wunsche, Hauptmann, kann ich nichts entgegenstellen, – sonst aber hätte ich nun auch alles aufgeboten, um so einen Gast ohne alles Entgelt auf das möglichst beste zu bedienen; nur das erlaube du mir, daß ich wenigstens in der Gesellschaft hier verweilen darf!“

23. Sagte der Hauptmann: „Dadurch wirst du mir erst eine größte Freude machen. Mir ist nur gar überaus leid, daß nun meine andere Familie nicht allhier ist, sondern in Serrhe, von wo sie erst in einigen Tagen hierher zurückkehren wird. Aber ich habe dennoch Leute in Menge, und es soll euch nichts abgehen.“

24. Sagte einer der Priester: „Herr, dürfen auch wir in der Gesellschaft verbleiben?“

25. Sagte der Hauptmann: „Das hat unser großer Heiland zu bestimmen; denn ihr habt ihn nicht also empfangen, daß er an euch eine Freude haben könnte.“

130. Kapitel. Die Bekehrung der Götzenpriester.

1. Sagte Ich: „Diese Priester sollen nach Chotinodora ziehen zu ihrem Oberpriester; dort werden sie schon die Weisung bekommen, was sie fürder zu tun haben. Die Zeit des alten, leeren Götzentums und des blindesten Aberglaubens einerseits und des gänzlichen Nichtsglaubens anderseits ist vorüber; von jetzt an werden die Menschen an den einigen, allein wahren, lebendigen und für jedermann findbaren und begreifbaren Gott der vollsten und überzeugendsten Wahrheit nach zu glauben anfangen und werden sich selbst finden in solchem Glauben und erkennen die Unsterblichkeit ihrer Seele und deren ewige seligkeitsvollste Bestimmung. Ist aber diese Zeit des innern Lichtes und Lebens gekommen, so ist's nichts mehr mit eurem blinden, phantastischen Vielgöttertume.

2. Nun tritt der Gott auf, dem die Athenienser als dem ihnen unbekannten Gotte auch einen Tempel erbaut haben, in welchem aber kein Götzenbild aufgerichtet war, sondern auf einem Altare lagen die Bücher der alten Weisen Ägyptens, und so einmal im Jahre die Menschen sich versammelten in diesem Tempel, so wurden ihnen aus den Büchern Stellen weisen Inhalts vorgelesen, und die Menschen erbauten sich allda und alldann am meisten, während sie vor den andern Götzen wenig Achtung bezeugten. Wenn aber nun dieser allein wahrhaftige Gott auftritt, so müssen vor Seinem Geiste alle die nichtigen und falschen Betrugs- und Lügengötter zunichte werden. Gehet hin in euren Tempel, und ihr werdet kein Götzenbild mehr darin finden!“

3. Da schlugen die Priester die Hände über dem Kopfe zusammen und sagten: „Herr, wenn das, dann sind wir verloren! Was wird das Volk dazu sagen?“

4. Sagte der Hauptmann: „Das Volk habe ich unter meiner Gewalt und weiß, was ich bei einem allfälligen Aufstande zu tun habe. Das Volk wird einmal ganz in aller Ruhe und Gelassenheit unterrichtet, was das zu bedeuten hat. Stellt es sich damit höchstwahrscheinlich sehr zufrieden, weil es nun mit eurer Wirtschaft durchaus nicht mehr zufrieden war, so ist das schon etwas ganz Gutes. Sollten sich dabei einige, etwa von euch aufgewiegelt, unzufrieden gebärden, so habe ich dann schon auch wieder Mittel genug in meinen Händen, sie zur Ruhe und Zufriedenheit zu bringen. Hütet euch aber, jemanden aufzuwiegeln; denn meinen Ernst kennet ihr!

5. So aber der Tempel, der hier ohnedies nichts heißt, von den falschen Göttern leer ist, nun, so weihet ihn dem unbekannten Gott etwa nach meiner Verordnung zu eurer Besserung ein und belehret das Volk danach, und es wird tausendmal zufriedener sein, als es so ist, wo ihr es beinahe in jeder Woche dreimal mit euren Zimbeln zusammenrufet, um ihm irgendeines Gottes Willen, den ihr erfunden habt, unter allerlei dummer und nichtssagender Zeremonie zu verkünden, wofür ihr von jedermann ein Opfer abfordert.

6. So es irgendein heller sehender Mensch nicht hergibt, so wird er mit aller Götter Strafen für hier und jenseits bedroht und auf eine Zeitlang aus der Gesellschaft der gläubigen Narren ausgeschlossen. Aber dazu müssen wir euch leider unsern Arm leihen, auf daß ihr in eurem Ansehen bleiben könnet; ziehen wir den zurück, so wird euch das Volk gleich etwas anderes zu erzählen anfangen! Bestehet ihr aber, nur durch unsern Arm angesehen, in aller eurer Betrügerei, so werdet ihr als Verkünder der Wahrheit euch wohl noch mehr auf unsern Arm stützen können. Sehet ihr das auch nicht ein?! Hat das Volk euch für eure Lügen gerne und willig ein Opfer gebracht, so wird es euch für die Wahrheit wohl noch lieber ein angemessenes Opfer darbringen. Das sehe ich als ein Laie klar ein, – warum denn ihr als weisheitsvolle Priester der Götter nicht?“

7. Sagte ein Priester von der mehr gemäßigten Art: „Das ist alles wohl ganz gut und wahr! Es wäre ganz gut dem Volke die Wahrheit zu predigen, wenn man sie nur irgend selbst hätte; aber wo diese hernehmen? Das ist eine ganz andere Frage!“

8. Sagte der Hauptmanne: „Dafür hat euch dieser Heiland schon den rechten Rat gegeben. Ziehet hin nach Chotinodora! Dort werden euch die Oberpriester schon die rechte Weisung geben; nach der handelt, und es wird dann sicher alles recht gehen! Ziehet noch heute dahin, lasset euch dort unterrichten, – dann kommet und lehret das Volk die Wahrheit!“

9. Sagte Ich zum Hauptmann: „Für heute sollen sie hier verweilen; morgen aber sollen sie tun nach deinem Rate. Heute aber dürften sie noch so manches hier erleben, was ihnen die Augen öffnen dürfte.“

10. Sagte der Hauptmann: „So bleibet denn heute hier in der Gesellschaft, deren ihr als Menschen, nicht aber als Priester würdig seid!“

11. Ich aber sagte nun etwas geheim zum Hauptmanne: „Da du nach dem allem ein Mensch bist, an dem Ich ein rechtes Wohlgefallen habe, so bekleide du jene zehn Menschen, die, in gar dürftige Lumpen gehüllt, da stehen! Ich habe sie angenommen, und sie ziehen nun als Jünger mit Mir.“

12. Sagte der Hauptmann: „Herr, dein Wille geschehe; denn dein Wille steht für mich höher denn der meines Kaisers, weil ich es nun zu gut einsehe, daß auch des Kaisers Wille dem deinigen untertan ist und sein muß! Es ist ein leichtes, mit großen Heeresmassen zu wirken, die dem Feldherrn blindlings gehorchen und Völker und Länder erobern; aber alle Kriegsheere können nicht bloß durch ihren Willen eherne Statuen zunichte machen und ein unheilbares Fieber in einem Augenblicke heilen. Ich selbst habe eine große Macht zu gebieten über viele Krieger und Kriegsknechte; aber meinen Sohn mußte ich trotz aller meiner Macht vier Jahre hindurch elend leiden sehen. Also steht, o du guter, wunderbarer Heiland, die Macht deines Willens ja endlos höher denn die Macht aller Kaiser und Könige auf der ganzen Erde, so groß und weit sie auch sein mag!“

13. Hierauf berief er seine Diener und gebot ihnen, die zehn Männer mit den besten Kleidern zu bekleiden. Solches geschah in wenigen Augenblicken, und der Hauptmann beschenkte sie noch reichlich mit römischem Gelde. Darauf kamen sie wieder zu uns, ganz als Römer gekleidet.

14. Der Riese nahm sich besonders ehrfurchtgebietend aus, so daß der Hauptmann unwillkürlich ausrief: „Oh, welch eine herrliche Mannesgestalt! Wenn deine Seele ebenso groß und wohlgeformt ist, so wirst du noch Großes leisten auf Erden!“

15. Sagte Ich: „Jawohl, das kann sehr leicht sein, es kommt da nur auf den rechten Lebensernst an! Aber Menschen, die noch nie einen ihnen freundlichen Tag begrüßen konnten, haben ihren Ernst in den Kämpfen der Nacht gestählt und werden demnach sicher am freundlichen Lebenstage auch des Lebens Ernst nicht hintansetzen.“

131. Kapitel. Der römische Hauptmann findet seine Geschwister.

1. Sagte der Riese, höchst gerührt: „O du göttlichster und erhabenster Freund der Menschen! Wir alle zehn waren Kinder eines reichen Fürsten am großen Kaspischen Meere. Wir lebten im Frieden, und unser Volk war vielleicht eines der glücklichsten auf der Erde. Da kamen auf einmal wilde Horden vom tiefen Norden her, raubten, sengten und mordeten alles, was ihnen unterkam. Da sagte unser Vater: ,Kinder, da ist an keinen Gegenkampf zu denken, sondern fliehen wir, sonst sind wir verloren!‘ Des Vaters Wille war uns heilig, und wir flohen in die Gebirge und entkamen also den wilden Horden. Wir zogen über die Gebirge und kamen endlich diesseits der hohen und breiten Gebirge. Unser Vater starb vor fünf Jahren, und der Euphrat war sein Grab; denn wir konnten ihm kein anderes Grab geben und bereiten.

2. Im ganzen haben wir lange zehn Jahre hindurch nur unterirdische Höhlen am Strome bewohnt und uns notgedrungen von Kräutern und – leider – von einer Art unschädlichen Raubes gar elend erhalten. Das Silber und Gold und die Perlen und Edelsteine waren zumeist noch das in der Eile mitgenommene Kleinod aus unserem königlichen Schatze, obwohl wir in der letzten Zeit es auch gar nicht mehr verschmähten, anderen Reichen ihren Überfluß abzunehmen. Aber was wir in unseren Höhlen verborgen hatten, das haben wir, o Herr und Meister, dir abgetreten, als wir erfuhren die nie besiegbare Macht deines Wortes und deines Willens.

3. Wir baten dich nur um die Gnade, dir folgen zu dürfen und von dir als eifrigste Jünger etwas zu erlernen, das uns unseren großen Verlust sicher ersetzen wird. Und so können wir wohl sagen: Des Lebens gar entsetzlich bitterste Erfahrungen haben wir durchgemacht und kennen des Lebens elendst bittersten Ernst, und es kann uns nun treffen, was da wolle, so werden wir vor nichts erbeben, und am wenigsten vor dem, was uns das erstemal in unserem Leben ein wahres Licht auf den weiteren Pfaden dieses unseres Erdenlebens verspricht mit so untrüglichen Zeichen, wie ähnliche noch kein sterbliches Auge je gesehen hat.

4. Ja, Herr, an uns sollst du Schüler haben von dem unbeugsamsten Willen und Ernste! Oh, gib uns nur bald bekannt, was wir tun sollen, und wir werden danach handeln mit solch einem unerschütterlichen Mute, wie er nur bei jenen Menschen sich findet, die dem Tode zu jeder Zeit mit der größten Kaltblütigkeit ins Gesicht zu schauen gewohnt sind!“

5. Sagte Ich: „Bleibet getreu solchem eurem Grundsatze, und ihr werdet endlos Größeres gewinnen, als ihr je verloren habt!“

6. Als aber der Hauptmann solches von den zehn Männern vernommen hatte, da kamen ihm die Tränen, und er sagte: „O Brüder, das alles hat der unbekannte Gott also wunderbar gefügt! Könnet ihr euch nicht erinnern, einmal einen Bruder noch als einen Knaben von kaum zehn Jahren Alters verloren zu haben? Sehet, euer Vater war auch der meinige! Man fing mich einmal, als ich ganz sorglos in einem Haine Blumen pflückte. Da half kein Bitten; die Kinderdiebe schleppten mich übers Gebirge, und ich wurde in Sidon an ein römisches Schiff als Sklave verkauft. In Rom wurde ich wieder an einen edlen Römer als Sklave verkauft; diesem aber gefiel ich, und da er keine Kinder hatte, so setzte er mich an Kindesstelle, schenkte mir die volle Freiheit und ließ mich erziehen und ausbilden zu einem Krieger. Ich wurde nach und nach das, was ich nun bin, freilich mehr durch mein Geld als durch meine Verdienste, und wurde vor ein paar Jahren hierher als Kommandant gestellt.

7. Ja, ich möchte nun schon behaupten, daß dieser nun unser wunderbarster Heiland heimlich bei sich in seinem göttlich hellsehenden Gemüte auch um alles das gewußt und es also weise eingeleitet hat, daß wir Brüder uns hier finden mußten. So mußte ich auch hierher als Kommandant kommen, weil ihr als meine unglücklichen Brüder euch in meiner Nähe – leider traurig genug – aufhieltet; denn wäret ihr als Räuber von meinen Soldaten eingefangen und mir zum Gerichte vorgestellt worden, so hätten wir uns so wie jetzt sicher erkannt, und ich hätte dann offenbar Mittel und Wege gefunden, um euch von allen Übeln frei zu machen. Und das haben wir alles dem einen, wahren, uns noch unbekannten Gott zu verdanken, der uns höchstwahrscheinlich nun in diesem Heilande einen Apostel zukommen ließ, daß er uns von den toten Göttern befreie und uns dafür zeige den einen, wahren Gott. – Ist es nicht also, meine lieben, edlen Brüder?“

8. Sagte der Große: „Ja, edelster Bruder, genau also ist es! Was haben wir um dich geweint und was dich gesucht in unserem ganzen großen Lande, und alle Ufer des großen Meeres wurden durchsucht, – doch alles vergebens! Bis zu dieser Stunde vernahmen wir nichts von dir. Nur unserer einzigen Schwester, die oft so recht sonderbare Träume hatte, träumte einmal, daß sie dich in einer großen, wunderschönen Stadt gesehen und sogar gesprochen habe und du ihr eigens aufgegeben habest, daß wir um dich nicht so sehr trauern sollen; denn du lebest und seiest gut aufgehoben. Diesen Traum konnte sie uns nicht oft genug erzählen. Oh, welche Freude hätte sie jetzt, wenn sie noch am Leben wäre! Aber sie wird schwerlich mehr am Leben sein; denn bei dem Überfall und bei der großen Flucht ging sie, die einzige, samt der Mutter uns verloren und ist höchstwahrscheinlich in die Hände der wilden Horden gefallen. Der große, uns noch unbekannte Gott allein wird es wissen, wie es den beiden Armen ergangen ist! Vielleicht leben sie noch irgendwo im großen Elende?!“

9. Sagte Ich: „O nein, Meine Freunde, auch für diese ward von dem euch noch unbekannten Gott gesorgt! Sie kamen auch glücklich über das Gebirge in die Gegend des Euphrat und kamen mit Hilfe einer zurückreisenden Handelskarawane nach Chotinodora. Eure Schwester ist dort nun das brave Weib des euch bekannten Zöllners Jored. Er hatte zwar schon ein paar Weiber, aber er nahm auch diese damals arme Person wegen ihrer Schönheit zum Weibe; sie ist nun sein Liebling, obwohl sie ihm noch kein Kind gebar. Aber er hat Kinder von den andern Weibern, die aber eure Schwester ebenso liebt, als wären sie ihre eigenen. Ich war über drei Tage in seinem Hause, und das ganze Haus hat Meine Lehre angenommen; aber Ich wollte ihm nichts von dem sagen, was alles hier noch seiner harrt. Es wird ihm um so mehr Freude machen, wenn er in Kürze durch dich, Mein Hauptmann, das alles erfahren wird. Bis jetzt weiß er noch nicht, wer sein liebstes Weib ist, und woher sie stammt; denn weder das Weib noch eure schon sehr bejahrte Mutter, die ganz stille bei ihm lebt, haben – aus Furcht vor irgendeinem Verrat – es ihm irgend eröffnet, wer und woher sie sind.

10. Daher, so du hinkommen wirst, teile das vorerst bloß dem Jored unter vier Augen mit, und sage ihm auch, wie Ich solches alles also bewerkstelligt habe! Da werden er und sein Sohn Jorab eine übergroße Freude haben und eine noch größere deine Schwester und deine Mutter. Kurz, wenn du jüngst dahin kommen wirst, so wirst du Wunder über Wunder sehen, die da während Meiner dortigen Anwesenheit geschehen sind. – Aber nun lassen wir das; denn wir haben uns hier noch um ganz andere und wichtigere Dinge umzusehen.

11. Vor allem aber gehen wir nun ein wenig ins Freie, und da wird sich gleich etwas vorfinden, durch das Ich euch mit dem euch noch unbekannten Gott in eine nähere Bekanntschaft werde setzen können, und das ist sicher mehr wert als tausend derartige romantische Lebensbegebenheiten der Menschen, an denen es auf dieser Erde wahrlich keinen Mangel hat.

12. Ich habe das alles schon lange vorgesehen und kannte euch und alle eure diesirdischen Lebensverhältnisse; aber Ich wußte auch darum, daß Mein Wort bei euch einen guten Boden finden wird und kam darum zu euch, um euch allen Trost zu bringen. Aber der allergrößte Trost für euch sei der, daß in Mir das Reich des euch noch unbekannten Gottes zu euch gekommen ist und mit ihm das ewige Leben eurer Seelen!

13. Denn sehet: Was nützen dem Menschen alle Schätze dieser Erde, so er sie dennoch in Bälde für immer und ewig verlassen muß? Ist es denn da nicht unberechenbar klüger für den Menschen, sich solche Schätze zu sammeln, die für ewig bestehen und der menschlichen Seele für ewig das seligste und wonnevollste Leben sichern, und zwar also, daß der Mensch schon in diesem Erdenleben die klarste und ungezweifelte Überzeugung erlangt, daß bei ihm das wahre, vollkommenste und freieste Leben erst nach dem Tode des Fleisches seinen vollsten und wahrsten Anfang nimmt?“

14. Sagten alle, sogar die Priester: „Ja, Herr, das wäre freilich wohl das Höchste und Beste, was der Mensch auf dieser Erde erreichen könnte! Aber da ist eine Wand, die bis jetzt noch niemand hat durchbrechen können, und der höchst fatale Isisschleier, den bis jetzt noch kein Sterblicher völlig gelüftet hat. Es gab wohl hie und da sehr weise Menschen, die dieser Sache wenigstens insoweit auf die Spur gekommen sind, daß daran allerdings etwas sei; aber über das Wo, Wann und Wie liegen noch alle die vielen tausendmal tausend Fragen völlig unbeantwortet. Wenn du so glücklich bist und diese Fragen für den menschlichen Verstand wohleinsichtlich beantworten kannst, dann gehörten dir der größte Ruhm und die höchste Dankbarkeit aller Menschen.“

15. Sagte Ich: „So Ich dazu nicht imstande wäre, so wäre dann auch in Ewigkeit kein Wesen mehr dazu imstande, und es wäre ohne solche Meine Fähigkeit auch kein Leben im ganzen, endlosen Weltraume mehr denkbar möglich; aber weil Ich alles dessen wohl fähig bin, so ist und lebt alles im endlosen Weltenraume und veredelt sich durch mannigfache Seinsänderungen von der Mücke bis zum Menschen und von dem Sonnenstäubchen bis zur Sonne hinauf. Aber nun gehen wir ins Freie und sehen, was uns irgend unterkommen wird!“

16. Darauf erhob sich alles und begab sich mit Mir ins Freie.

132. Kapitel. Klage des Hauptmanns über den Krieg im Tierreiche.

1. Der Hauptmann führte uns längs des Stromes auf einen kleinen, spärlich mit Palmen bewachsenen Hügel, von dem aus man eine gar herrliche Aussicht ringsum in die weite Ferne genoß und den Strom in seinen großen Krümmungen weithin, beinahe bis in die Gegend von Serrhe, überblickte. Da ließen wir uns auf den Rasen nieder und weideten uns eine Zeitlang an der wirklich schönen Fernsicht, und der Hauptmann erzählte da ein Faktum ums andere, was sich irgend hier und dort ereignet hatte, und alles hörte ihm aufmerksam zu; denn er war ein guter Redner und der griechischen Sprache sehr mächtig, die jeder in der Gesellschaft wohl verstand, weil diese Sprache nahezu in ganz Vorderasien die allgemeinste war.

2. Während sich aber der Hauptmann noch in seinem Erzählungseifer befand, da begab es sich, daß ein wahrer Riesenadler ganz nieder über uns hinwegflog und ein Kaninchen als Beute in seinen mächtigen Krallen hielt.

3. Da sagte der Hauptmann zu Mir: „Erhabenster und wundervollster Heiland, siehe, das war wieder so ein Stückchen der traurigen Naturgeschichte, aus dem man auf der ganzen lieben Erde nichts als Feindschaft über Feindschaft erblickt! Ein Tier ist des andern Feind, und das pflanzt sich fort bis zum Menschen herauf, der am Ende noch der größte Feind von allen andern Dingen und Wesen ist, ja sogar seinesgleichen nicht schont in seinem Zorn und Grimme. Nur gleiche Gattungen von Tieren scheinen eine Art unfeindliche Liebe zueinander zu haben; aber ungleiche Gattungen sind sich gegenseitig stets die größten Feinde. Das gibt aber für einen allweisen und allgütigen Gott offenbar ein schlechtes Zeugnis.

4. Hat denn der allweiseste und allmächtige Gott den Tieren kein anderes Futter auf der Erde bereiten und geben können als bloß das, daß sie einander gegenseitig töten und dann mit dem Leichname sich sättigen? Was Übles wohl hat das arme Kaninchen dem Aare zugefügt, daß der es darob in seine mächtigen Krallen faßte und nun irgendwohin trug, um es dort bei noch lebendigem Leibe zu zerfleischen und aufzufressen? Und so gibt es eine Menge solcher Raubtiere, die sich nur vom Fleische und Blute anderer, schwächerer und sanfterer Tiere nähren. Könnten sie denn nicht ebensogut wie die Ochsen, Esel, Ziegen und Schafe sich vom Grase ernähren?

5. Es ist die Erde wahrlich wunderbar schön und geschmückt mit allem, was nur des Menschen Sinne erquicken kann; aber kaum hat man sich irgendwo ein sicheres und ruhiges Plätzchen ausgesucht, um am selben sein Gemüt mit erhebenden Betrachtungen zu erheitern, so hat einem irgendein böses und neidisches Fatum eine Szene vor die Nase hingestellt, die einem alles Schöne und Erhabene auf viele Tage hin verleidet.

6. Ich bin zwar ein Soldat, ein Krieger, und es steht mir gar nicht gut an, daß ich so weichherzig bin, – aber ich bin einmal so beschaffen und kann es da von irgendeinem allweisen, allgütigen, allmächtigen Gottwesen, so es irgend eines gibt, unmöglich begreifen, wie es an der gegenseitigen und beständigen Würgerei und Auffresserei seiner sein sollenden Geschöpfe eine Lust haben kann. Es muß wahrlich ein Gemüt haben wie diejenigen Menschen in Rom, die nichts mehr in der Welt ergötzt als die wilden Stiergefechte und andere haarsträubend gräßliche Tierhetzereien.

7. Ist aber der große, allein wahre Gott, den du, lieber Freund, uns näher kennen lehren willst, ein solcher Patronus, dann verschone uns alle mit Seiner näheren Bekanntschaft und noch mehr mit einem ewigen Leben unter Seiner Herrschaft; denn das wäre mein letzter und schrecklichster Wunsch! Da wärest du selbst als ein Gott mir äonenmal lieber! Ja, ich meine, daß ähnliche Erfahrungen auch am Ende den sonst so weisen Diogenes bestimmt haben, alles zu fliehen und zu verachten, was nur irgend nach einem allmächtigen Gotte roch.

8. Er sagte ja einmal in irgendeiner Weisheitsschule, in der man nach Plato des Menschen Würde und Größe so recht oratorisch herausstrich, indem er eine ganz gerupfte, aber noch lebende Gans ausließ: ,Da, da habt ihr die Würde des platonischen Menschen!‘ Der eigentliche Mensch hat vor diesem Tiere nichts voraus als die armselige Vernunft, die ihm dazu dient, den Schmerz desto tiefer zu empfinden, wenn ihm von allen Seiten her die Lebensfedern ausgerauft werden!

9. Herr und wunderbar großer Meister in deiner geheimen Kunst, kannst du uns darüber eine genügende Erklärung geben, so wirst du uns eine große Wohltat erweisen! Mir aber wäre es nun schon lieber, wir gingen wieder in unser Haus; denn es könnte sich hier leicht noch ein gleicher naturgrausamer Fall ereignen, und das würde mich auf Tage lang verstimmen und unglücklich machen.“

133. Kapitel. Von der Seelenlehre. Wesen und Zweck der Materie. Die freie, selbsttätige Entwicklung des Menschen zum Gotteskinde.

1. Sagte Ich: „Mein Freund, wenn dich sonst nichts nötigt, diese anmutige Stelle zu verlassen, so kannst du schon hier verbleiben, und Ich werde dir hier mit wenigen Worten erläutern, was dich nun gar so sehr beirret in deinem Gemüte! Siehe, Ich wußte um solche deine Gemütsschwäche und habe eben darum zugelassen, daß der riesige Aar seine Beute dir gerade vor der Nase hinwegtragen mußte!

2. Es ist ganz wahr, daß auf dieser Erde alles Leben fortwährend allerlei Feinden ausgesetzt ist und stets kampfbereit dastehen muß, um sich als Leben zu behaupten. Allein dieser Kampf gilt ja nur der durch den allmächtigen Willen Gottes gerichteten Materie, die stets dann am meisten zu leiden hat, so ihr inneres Geistwesen, das wir Seele nennen, sich von der losen Materie trennt und in einen vollkommeneren Lebensgrad aufsteigt.

3. Siehe, alle Materie dieser Erde – vom härtesten Steine bis zum Äther hoch über den Wolken – ist Seelensubstanz, aber in einem notwendig gerichteten und somit gefesteten Zustande. Ihre Bestimmung aber ist, wieder ins ungebundene, rein geistige Sein zurückzukehren, so sie eben durch diese Isolierung die Lebensselbständigkeit erreicht hat. Um aber diese durch eine stets erhöhte Selbsttätigkeit zu erlangen, so muß die aus der gebundenen Materie frei gemachte Seele alle möglichen Lebensstufen durchmachen und muß sich in jeder neuen Lebensstufe auch wieder von neuem in einen materiellen Leib einpuppen, aus dem sie dann wieder neue Lebens- und Tätigkeitssubstanzen an sich zieht und solche sich zu eigen macht.

4. Ist eine Seele – was ihr jenseitiger Geist aus Gott gar helle sieht – einmal in einem Leibe, sei es der einer Pflanze oder der eines Tieres, durch die erforderliche Ausreifung fähig, in eine höhere Lebensstufe aufzusteigen, so veranlaßt ihr sie stets fortbildender jenseitiger Geist, daß ihr der für fernerhin unbrauchbare Leib abgenommen wird, damit sie dann, als schon mit höheren Intelligenzen begabt, sich einen andern Leib bilden kann, in welchem sie eine kürzere oder auch längere Zeit hindurch sich wieder zu einer größeren Lebens- und Tätigkeitsintelligenz emporarbeiten kann, und das so fort bis zum Menschen hinauf, wo sie, als schon völlig frei, dann als im letzten Leibe zum vollen Selbstbewußtsein gelangen wird, zur Erkenntnis Gottes, zur Liebe zu Ihm und dadurch zur vollen Vereinigung mit ihrem jenseitigen Geiste gelangen wird, welche Vereinigung wir die Neu- oder Wiedergeburt im Geiste nennen.

5. Hat eine Menschenseele diesen Lebensgrad erreicht, so ist sie vollendet und kann alsdann als ein vollkommen selbständiges Sein und Leben nicht mehr von dem allgemeinsten göttlichen Allsein und All-Leben zerstört und verschlungen werden.

6. Das sicherste Zeichen der schon erlangten Lebensselbständigkeit einer Menschenseele ist und besteht darin, daß sie Gott erkennt und Ihn sogar aus allen ihren Kräften liebt. Denn solange eine Seele Gott nicht erkennt als ein Wesen wie außer ihr seiend, ist sie noch wie blind und stumm von der Gewalt der göttlichen Allmacht nicht ledig; da muß sie dann noch gar gewaltig kämpfen, um sich aus solchen Fesseln loszumachen. Aber sowie eine Seele anfängt, den wahren Gott wie außer ihr seiend zu erkennen und durch das Gefühl ihrer Liebe zu Ihm Ihn ordentlich wesenhaft wahrzunehmen, dann ist sie schon von den Banden der göttlichen Allmacht frei und gehört dann auch schon stets mehr und mehr sich selbst an und ist sonach Selbstschöpferin ihres eigenen Seins und Lebens und dadurch eine selbständige Freundin Gottes für alle Ewigkeiten der Ewigkeiten.

7. Wenn aber also, so verliert das eigentliche Wesen ja eigentlich gar nichts, so demselben der für es weiterhin unbrauchbare Leib abgenommen wird, damit es dann schneller seine endliche Bestimmung erreichen kann.

8. Was liegt denn am Leibe dieses Kaninchens, mit dem sich der Aar seinen Hunger stillt, – dabei aber des Tierchens Seele frei macht, so daß diese nun schon in der vollen Fähigkeit steht, in eine höhere Lebensstufe aufzusteigen? Der Aar aber hat eben auch eine Seele, die derselben Bestimmung entgegengeht. Im Fleisch und Blute des Kaninchens aber befinden sich auch noch gröbere Seelensubstanzen. Diese werden mit den Seelensubstanzen des Aars darum vereinigt, damit des Aars Seele dadurch etwas sanfter und intelligenter wird und nach dem Verluste ihres Leibes schon etwa gar zu einer Menschenseele werden kann, und das zu einer ganz ansehnlichen, mit viel Licht, Mut und Kraft begabten.

9. Auf dieser Erde ist einmal die Einrichtung also für die auf ihr zu erziehenden Kinder Gottes. Das Leben ist und bleibt so lange ein Kampf mit allerlei Feinden, bis es sich über alle Materie als ein Sieger aus eigener Kraft emporgerungen hat. Und so darfst du dich über die materiellen Lebensfeinde gar nicht wundern; denn sie sind nicht Feinde des eigentlichen Lebens, sondern nur Feinde des materiellen Scheinlebens, das eigentlich gar kein Leben ist, sondern nur ein Werkzeug des wahren, inneren, geistigen Seelenlebens, mittels welchem sich dieses stets höher und höher zur wahrsten eigentlichsten Lebensfreiheit emporarbeiten kann, was ohne dieses zeitliche Mitleben gar nicht denkbar möglich wäre.

10. Gott kann infolge Seiner Allmacht freilich einen Geist mit vollendeter Weisheit und Macht aus Sich hinausstellen oder erschaffen, und das in einem Momente gleich zahllos viele, – aber alle solche Geister haben keine Selbständigkeit; denn ihr Wollen und Handeln ist kein anderes als das göttliche Selbst, das unaufhörlich in sie einfließen muß, auf daß sie sind, sich bewegen und handeln nach dem Zuge des göttlichen Willens. Sie sind für sich gar nichts, sondern pur momentane Gedanken und Ideen Gottes.

11. Sollen sie aber mit der Zeit möglich selbständig werden, so müssen sie den Weg der Materie oder des gerichteten und also gefesteten Willens Gottes durchmachen, auf die Art, wie ihr sie auf dieser Erde vor euren Augen habt. Haben sie das, dann sind sie erst aus sich selbständige, selbstdenkende und freiwillig handelnde Kinder Gottes, die zwar auch allzeit den Willen Gottes tun, aber nicht weil er ihnen durch die Allmacht Gottes aufgedrungen ist, sondern sie erkennen solchen als höchst weise und bestimmen sich selbst, nach solchem zu handeln, was dann für sie selbst lebensverdienstlich ist und ihnen erst des Lebens höchste Seligkeit und Wonne gibt.

12. Siehe, du Mein lieber Freund, so stehen diese Sachen, und eben daran, daß sie so stehen, kannst du des einigen, wahren Gottes höchste Weisheit immer mehr und mehr erkennen und bewundern, da du daraus ersehen kannst, wie Gott aus Seiner höchsten Liebe und Weisheit Seine höchsteigenen Gedanken und Ideen zu selbständigen, Ihm vollkommen ähnlichen Kindern gestaltet und erzieht! Wenn du das nur so einigermaßen begriffen hast, so sage Mir nun dein eigenes Urteil über all das Naturleben!“

134. Kapitel. Erzählung des Hauptmanns von dem weisen Illyrier.

1. Sagte der Hauptmann: „Höre, du übergroßer Meisterheiland, ich weiß nun wahrlich nicht, was ich an dir mehr bewundern soll, ob deine wunderbarste Wort- und Willenskraft oder deine außerordentliche theosophische Weisheit!

2. Ich habe wohl in Rom einmal einen Menschen gesprochen, der in Illyrien geboren und ein eigener Mensch war. Man konnte ihn um die sonderbarsten und oft geheimsten Dinge fragen, so wußte er genau darum. So man ihn fragte um das Schicksal irgendeines Menschen, so sagte er: ,Tust du dies, dann wird das dein Los sein, und tust du dieses und jenes, wird dir unvermeidbar eben auch dieses und jenes begegnen!‘ Mir sagte er auf ein Haar voraus, daß ich nahe an das äußerste Ende des großen Kaiserreiches im Aufgange (Osten) werde gestellt werden, und daß mir viel Wunderbares begegnen werde, was bis jetzt alles eingetroffen ist.

3. Diesen Menschen, dessen Aussehen durchaus nichts Auffallendes hatte, fragte ich denn auch so im Vertrauen, was er denn von den Göttern halte. Da sagte er: ,So, wie sie nun von euch betrachtet und verehrt werden, halte ich gar nichts darauf; denn sie bestehen nirgends, weder in der Natur und noch weniger in irgendeinem Reiche der Seelen und Geister. Die Bilder von ihnen aber sind nur Menschenwerke, und die menschliche Phantasie gab ihnen die Form. Im Altertum waren sie nur entsprechende Darstellungen der besonderen aus den Wirkungen der Naturkräfte erkannten Eigenschaften des einen, ewig wahren Gottes, den aber die gegenwärtigen Menschen nicht mehr kennen.‘

4. Aber diese Eigenschaften seien nicht also zu nehmen, als bestünde unter ihnen der allein wahre Gott, sondern etwa nur also, wie Er durch Seine höchste Weisheit und Willensmacht den Menschen als Sein Ebenbild aus der Materie der Erde durch gar viele Naturlebensstufen endlich zum Menschen hervorlocke. Die Erde bestehe aus gar endlos vielen Seelen, und des Menschen Seele als der eigentliche, wahre Mensch sei eben auch eine so vielfache Seele unter einer Form und Haut, als wie vielfach ihre Intelligenzen und ihre inneren und äußeren Anschauungen und Wahrnehmungen sind. Aber solches sehe nun niemand mehr ein und könne es auch nicht, weil der Mensch sich durch seine fleischlichen Gelüste von sich selbst entfernt habe. Die Selbstliebe und die Hurerei habe die Menschen in eine große und starke Lebensnacht gestürzt, aus der sie nur Gott Selbst wieder herausziehen könne und – wie er meinte – vielleicht auch bald werde. Aber mit Rom werde Er nicht den Anfang machen, doch auch nicht außer den Grenzen des großen Kaiserreiches.

5. Siehe, Meister, so redete jener sonderbare Illyrier! Wenn er zu solcher seiner gediegenen Weisheit auch etwelche Zeichen zu wirken imstande gewesen wäre, so hätte man ihn nahezu für einen Gott angesehen. Er hatte durch mich viele ihm sehr geneigte Zuhörer und Gönner gefunden; aber nach einem Jahre nahm er von mir Abschied und sagte: ,Ich habe hier zwar sehr viele Freunde gefunden, aber auch eine noch größere Anzahl Feinde aus der Sphäre der Priester. Diese stellen mir heimlich nach dem Leben; darum gehe ich auch ganz heimlich wieder von hier.‘ Ich habe ihn reichlich beschenkt und gab ihm ein sicheres Geleite bis an die Küste des Adriatischen Meeres. Da bestieg er ein Schiff und fuhr mit gutem Winde wieder in sein Vaterland.

6. Ich erwähnte nun dieses Menschen nur deshalb, um dir zu zeigen, daß ich von dem, was du nun so weise erklärt hast, schon Vorbegriffe gehabt habe und dich darum nun leichter habe verstehen können. Aber das, was du nun darüber gesagt hast, steht endlos höher und ist klar und nahezu für jedermann wohlverständlich. Wenn ich aber nun deinen Zeichen, deiner förmlichen Allwissenheit und deiner Weisheit so recht meine Aufmerksamkeit schenke, so gedenke ich nun auch der sonderbaren Weissagung jenes Illyriers, der nach nur der große, allein wahre Gott – und das recht bald – die Menschen aus ihrer Nacht herausziehen werde, und das innerhalb der Grenzen des großen Kaiserreiches. Am Ende bist du selbst so ein Abgesandter des allein wahren, großen Gottes – oder gar identisch mit Ihm?!

7. Ist eines oder das andere der Fall, dann sage es uns, auf daß wir alle uns danach zu richten wissen!“

135. Kapitel. Die Persönlichkeit Gottes. Gottes Wille und des Menschen Wille. Die Kraft des Willens.

1. Sagte Ich: „Ob nun so oder so, so gehört das nun nicht daher; denn ob so oder so, das muß erst euer Herz verkünden! Würde Ich Selbst es euch sagen, Ich sei das oder jenes, so würdet ihr davon keinen geistigen Gewinn für eure Seelen überkommen. Daß Ich gleich euch nur ein Mensch bin, das könnet ihr mit euren Augen sehen und mit euren Händen greifen; daß aber auch Gott ein vollkommenster Mensch ist, ansonst die Menschen nicht Seine Ebenbilder wären, das könnet ihr euch auch vorstellen.

2. Aber ein jeder Mensch kann auch in allem Gott völlig ähnlich werden, wenn er den erkannten Gotteswillen völlig zu dem seinigen macht. Das habt ihr noch nicht gewußt; aber Ich beweise euch solches nicht nur durch Worte, sondern vielmehr durch die Taten, die Ich vor euren Augen gewirkt habe.

3. Du meinst nun bei dir, Ich rede nun also, als wäre das auch ein anderer zu tun imstande; aber dafür kann Ich dir keinen andern Gegenbeweis geben als nur den allein, daß Ich nun einen Meiner alten Jünger berufe und ihm sage, daß auch er ein Zeichen wirken soll.“

4. Sagte der Hauptmann: „Ja, daran zweifle ich gar nicht, daß ein jeder deiner Jünger auch dasselbe für unsere Augen wirken wird, was du selbst wirkest; aber der Jünger wird es aussprechen, und du wirst es wollen, und es wird dann sicher geschehen, was er aussprechen wird.“

5. Sagte Ich: „O nein, da irrst du dich gewaltig! Er wird nur seinen Willen mit dem Willen Gottes auf dieselbe Weise einen, wie Ich dasselbe auch tue, und es wird dann aus solch einem vereinten Wollen auch schon die vollbrachte Tat hervorgehen.

6. Ich sage es dir: Wenn du den einen, wahren Gott völlig erkennst, Ihn über alles liebst und Seinen wohlerkannten Willen zu dem deinen machst, dazu aber dann auch volltrauig glaubest und nicht zweifelst, so kannst du zu jenen Bergen dort sagen: ,Hebet euch, und stürzet euch ins Meer!‘, und es wird sofort geschehen, was du mit Gott gewollt hast!“

7. Sagte der Hauptmann: „Ja, ja, das kann allerdings schon ganz also sein; aber es fragt sich da nur, ob Gott es dann zulassen wird und das wollen, was in diesem Augenblick ich will, wenn ich sonst auch noch so sehr meinen Willen dem göttlichen unterordne, – denn etwas Dummes kann Gott ja doch ewig nicht wollen. Die Vernichtung jener Berge aber, so ich sie wollte, wäre doch in jedem Falle etwas sehr Dummes und überaus Boshaftes, und da würde Gott Seinen Willen mit dem meinen nicht einen! – Habe ich recht oder nicht?“

8. Sagte Ich: „Diesmal nicht ganz besonders, denn Ich sagte dir das nur des Beispiels halber. Denn das versteht sich ja doch von selbst, daß derjenige, der einmal seinen Willen vollkommen mit dem Willen Gottes geeint hat, doch auch die göttliche Weisheit zu der seinigen – wenigstens teilweise – gemacht hat. Ein solcher Mensch wird dann doch wohl auch einsehen, ob das, was er will, auch gut und weise ist. Sieht er aber das, so wird er mit Gott auch nur etwas Rechtes wollen, und was er also will, das wird auch geschehen, so der Mensch nicht daran zweifelt; denn zweifelt ein Mensch daran, so ist solcher Zweifel eine Folge der noch nicht völligen Einigung seines Willens mit dem Willen Gottes. – Aber nun verlange von einem Meiner Jünger ein beliebiges Zeichen; nur muß es ein logisch mögliches und vernünftiges sein!“

9. Sagte der Hauptmann: „So rufe du einen hervor; denn du kennst am besten ihre Tüchtigkeit!“

10. Sagte Ich: „Petrus, komme, so du den hinreichenden Glauben hast, und vernimm, was der Freund will!“

11. Hier trat Petrus schnell zum Hauptmanne hin und sagte: „Freund, was verlangst du, das ich dir tun soll?“

12. Sagte der Hauptmann: „Wenn du auch etwas vermagst, so sieh hin über das jenseitige Ufer des Stromes! Dort ist ein wildes Gestrüpp um einen plumpen Felsen gewachsen. Darin halten sich eine Menge böser und sehr giftiger Schlangen auf und belästigen nicht selten auf eine weite Umgebung Menschen und Tiere; das schaffe mir durch die Macht deines mit Gott vereinten Willens weg, und vernichte auch die lose Brut dieser Tiere!“

13. Da streckte der Jünger seine Hände über die angezeigte Stelle aus, und sie verschwand im Augenblick aus dem Dasein.

14. Als solches der Hauptmann ersah, da sagte er: „Herr und Meister, wenn solches deine Jünger von dir erlernen können, dann möchte ich selbst dir folgen und auch dein Jünger sein; denn das ist tausendmal tausend Male mehr denn zehntausendmal zehntausend römische Kriegerlegionen! Mit solch einer Fähigkeit ausgerüstet, gehört die ganze Welt mir, und ich bessere sie durch weise Gesetze.“

15. Sagte Ich: „Das könnte Ich Selbst tun, so es für alle Menschen in diesem Momente gut wäre! Aber da sagt die Weisheit Gottes: Sie sind allenthalben noch nicht reif dazu; darum gehe Ich auch hier nur an solche Orte, von denen Ich weiß, daß ihre Bewohner reif dazu sind, eine höhere Offenbarung annehmen zu können. – Aber nun hat die Sonne sich auch dem Untergange schon sehr genähert, und es wird gut sein, so wir uns nun ins Haus zurückziehen.“

16. Sagte der Wirt, der natürlich auch bei uns war: „Herr und Meister, es tut mir sehr leid, daß ich nicht die Gnade haben kann, euch alle in meinem Hause zu beherbergen! Aber wenigstens etliche deiner Jünger sollen denn auch meine Gäste sein.“

17. Sagte der Hauptmann: „Freund, heute wohl nicht, denn heute bist auch du mein Gast; aber morgen wollen wir alle deine Gäste sein, und übermorgen, wenn diese Wundermenschen durchaus nicht mehr bei uns zu halten sein sollten, wollen wir sie nach Serrhe geleiten! Nun aber gehen wir; denn ich hoffe, daß bei mir das bestellte Nachtmahl schon bereitet sein wird!“

18. Darauf erhoben wir uns und zogen ins Haus des Hauptmanns, allwo das Nachtmahl schon unser harrte. Der Wirt aber machte noch einen Gang in sein Haus, kam aber bald wieder zu uns.

19. Das war eine ganz römische Mahlzeit, und einige Jünger getrauten sich nicht recht, in die Schüsseln zu greifen.

20. Ich aber merkte das wohl und sagte: „Was Ich esse, das könnet auch ihr ohne Sorge essen!“

21. Da ermannten sie sich und aßen und tranken den römischen Wein. Alles ward bald sehr heiter, und wir blieben wach die ganze Nacht hindurch, in welcher allen Anwesenden die Hauptzüge Meiner Lehre bekanntgemacht wurden.

136. Kapitel. Der Schönheitssinn, eine Blüte der Wahrheit.

1. Wir blieben, wie es Mein Wunsch und so auch am Ende der Wunsch aller war, die ganze Nacht wach. Nur eine Stunde vor dem Aufgange der Sonne gingen wir ins Freie, und zwar in den schön angelegten Garten des Hauptmanns. Da waren anmutige Laubgänge und Rasenbänke, eine Menge Blumen aller Art und Gattung, ein Rosenwald, Jasmingesträuch und auch Nardusölpflanzen in großer Menge vorhanden. Daneben gab es alle Arten edler Fruchtbäume, die nur irgendwo auf der Erde wachsen, und alles bewunderte diesen kunstvoll, schön und nutzbringend angelegten Garten.

2. Ich aber sagte: „Sehet, gleich wie dieser musterhafte Garten soll auch der rechte Mensch nach dem Willen Gottes bestellt sein! Er soll in sich auch das Wahre und Gute mit dem Schönen und Erhabenen vereinen. Tut er das, so beweist er dadurch, daß er Gott, seinem Schöpfer und Vater, in allem ähnlich ist.

3. Sehet die große Anmut aller dieser Blumen an! Wie herrlich sie geschmückt sind, und eine übertrifft die andere an Herrlichkeit! Ja, warum denn also? Am Ende folgt der Blüte einer noch so reizend schönen Rose denn doch nur ein höchst einfach und nie besonders schön aussehender Same, dessen Vorgängerin die schöne Blüte war, und zu dessen Hervorbringung es eigentlich keiner gar so schönen Blüte bedurft hätte. Aber Gott wählte darum auch zu allen Seinen Werken die Ästhetik im höchsten Grade, auf daß Er dadurch auch weckte bei den Menschen den zu aller Seligkeit notwendigen Schönheitssinn. Ist dieser in einem Menschen völlig wachgerufen, so ist ein solcher Mensch dann auch empfänglich für alle Wahrheit und für all das Gute, dessen Urheberin eben die Wahrheit ist.

4. Sehet, unser lieber Freund, der Hauptmann, hat sehr viel Sinn für alles Schöne und darum auch für das Nützliche und Gute! Hätte er solchen Sinn nicht, dann wären ihm auch diese Meine Wahrheiten, die den Menschen zur Erkenntnis des einen, allein wahren Gottes und zur Erkenntnis seiner selbst führen, ganz gleichgültig gewesen, und er hätte sie nicht angenommen; weil er aber sehr viel Schönheitssinn besitzt – was die Anlegung dieses wunderschönen Gartens mehr als hinreichend beweist –, so war er auch der erste, der sich hier um die Mitteilung Meiner neuen Lebenslehre sehr bekümmerte und sie auch zur streng genauen Beachtung annahm. Tue sonach ein jeder desgleichen, und es wird ihm so etwas bei Gott gut angerechnet werden!

5. Gehet hin in eines Menschen Haus! Findet ihr es sehr rein und auch nach Umständen möglich zierlich eingerichtet, so könnet ihr da schon bestimmt darauf rechnen, daß dieses Menschen Inneres auch nahe also bestellt sein wird. Kommet ihr aber in das Haus eines andern Menschen und findet im Hause alles voll Schmutz und überhaupt einen gänzlichen Mangel an häuslicher Ordnung, da könnet ihr euch gleich umkehren und den euch Jüngern schon gegebenen Satz beachten, dem nach ihr die Perlen Meines Evangeliums niemals den Schweinen vorwerfen sollet! Da wäre es auch völlig vergeblich; denn wie gesagt: ein Mensch der keinen Schönheitssinn hat, der eigentlich eine Blüte der Wahrheit ist, der hat auch keinen Wahrheitssinn, der als ein Nutz- und Lebenssame der Blüte folgt.

6. Ich will aber damit nicht sagen, als solle deshalb ein Mensch nichts anderes tun, als vor allem nur trachten, sein Haus, seine Gärten und seine Äcker und Wiesen durch allerlei irdisch kostbare Mittel zu einer derartigen Pracht zu erheben, daß darob alle Menschen ins größte Staunen versetzt werden müßten. Denn solch ein unermeßlicher Prachtsinn würde nur zu bald in einen dicksten Eigendünkel, in Selbstliebe, Hochmut und Herrschsucht ausarten; er wäre für die ärmeren Menschen nur zu sehr ein Zeugnis, daß der Eigentümer solcher Pracht ein übermäßig reicher Mensch sein müsse. Man würde ihm etwa, um von ihm etwas zu gewinnen, zu sehr, seine Pracht bewundernd, huldigen, wodurch sich dann dieser Mensch bald und leicht übernehmen und dann noch mehr aufbieten möchte, um die Menschen für sich noch dienerischer zu machen und über die Bewunderer am Ende gar ein Herrscherrecht zu erwerben.

7. Also mit solch einem übertriebenen Prachtschönheitssinne ist es nichts, da er am Ende noch schlechter denn die faule Schmutzhaftigkeit ist. Ein solcher Sinn heißt Hoffart und ist eine Sünde der menschlichen Natur, die der Seele niemals zum ewigen Leben verhilft. Aber der Schönheits- und Ordnungssinn, der nur mit seinem Fleiße und dem wahren Eifer für alles Schöne, Wahre und Gute etwas schafft, wie dieser Garten da ist, ist eine Tugend, die jedermann bestens anzuempfehlen ist.

8. Doch nun von etwas anderem; denn es kommen nun der Hauptmann und der Zöllner, und denen ins Gesicht will Ich den Garten nicht allzusehr loben; hernach wird es der Hauptmann schon ohnehin erfahren, was Ich damit gemeint habe.“

137. Kapitel. Der Besuch im Tempel der Weisheit.

1. Nun kam der Hauptmann samt dem Zöllner zu Mir und entschuldigte seine kurze Abwesenheit durch die notwendige Erfüllung seiner Amts- und Standespflichten. Und ebendasselbe tat auch der Zöllner; darauf aber lud er uns zum Morgenmahle bei sich, und da der Hauptmann für diesen Tag auch sein Gast sein wollte, so willigte Ich denn auch ein, und wir gingen in das sehr geräumige Haus des Zöllners, von dem die am Abende angekommene Handelskarawane gerade um eine Stunde früher abgezogen war. Allda nahmen wir das ganz gut bereitete Morgenmahl ein, und die Jünger unterrichteten darauf die Priester in Meiner Lehre und zeigten ihnen den eigentlichen Grund an, warum Ich so ganz eigentlich in die Welt gekommen bin.

2. Ich Selbst unterrichtete den Hauptmann und seinen Sohn, die alles, was sie vernahmen, mit der größten Freude und mit dem festesten Glauben annahmen. Und so verging mit guten Reden und Werken auch dieser Tag, und Ich beschied noch einmal die Priester nach Chotinodora, was zu tun sie feierlichst versprachen. Darauf begaben wir uns zur Ruhe und reisten am frühen Morgen, vom Hauptmanne und seinem geheilten Sohne begleitet und von dem Zöllner vielmals begrüßt, zu Wasser nach der bedeutenden alten Stadt Serrhe ab.

3. Allda angelangt, führte uns der Hauptmann schnell zu seiner Familie hin, die da bei einem dem Hauptmanne nahe verwandten Obersten wohnte, bei dem sie auf Besuch war. Wie groß da der Hauptmännin Freude war, als sie ihren schon tot geglaubten Sohn ganz gesund ersah, das kann sich wohl ein jeder leicht von selbst denken, und es bedarf da keiner näheren Beschreibung.

4. Da wir in dieser Stadt schon ziemlich spät am Abend ankamen, so machte unsere zahlreiche Ankunft beinahe gar kein Aufsehen in der Stadt. Wir nahmen die freundlichst angebotene Herberge beim Obersten an, wo wir, mit allem wohl versorgt, uns bei fünf Tage lang aufhielten.

5. Unfern dieser Stadt auf einem mäßig hohen Hügel stand ein Tempel, der allein der Weisheit geweiht war. In diesem Tempel war kein Götzenbild aufgerichtet, sondern auf einem Altare lagen allerlei Bücher und uralte Schriften. Darin standen allerlei weise Denksprüche und so manche Prophezeiungen aus den ältesten Zeiten.

6. Am vierten Tage besuchten wir diesen Tempel und seine drei alten Priester. Wir waren unser an vierhundert an der Zahl, da uns viele aus der Stadt folgten; denn wir hatten allda allerlei Kranke geheilt, Blinde sehend und Taube hörend gemacht, und viele nahmen die Lehre an und wandelten fortan nach ihren Lebensgrundsätzen.

7. Als wir bei dem Tempel ankamen und die drei Priester des römischen Obersten ansichtig wurden, da kamen sie aus dem sonst zumeist verschlossenen Tempel zum Vorscheine und fragten den Obersten in der tiefsten Ehrfurcht, was etwa in dieser ungewöhnlichen Zeit sein Verlangen wäre.

8. Der Oberste aber deutete auf Mich und sagte: „Dieser Erste und Höchste aller Ersten und Höchsten ist gekommen und will euren Weisheitstempel sehen und besehen seine Schriften. Darum öffnet das Tor und lasset uns eintreten in seine geheiligten Hallen!“

9. Sagten die Priester: „Es ist uns dieses dein Verlangen wohl sehr zur Unzeit gekommen, aber weil du es gebietest, so tun wir es; aber du selbst mußt die Verantwortung, sogar gegenüber den strengen und unerbittlichen Göttern, auf dich allein nehmen!“

10. Sagte der Oberste: „Ja, ja, das tue ich ohne weiteres; denn ich selbst muß mich ja überzeugen, ob das wohl in eurem ältesten Weisheitsbuche also stehet, wie dieser allerweiseste und mit aller Macht der Götter begabte Mann es mir erzählt hat.“

11. Nun erst willigten die drei Priester völlig ein und öffneten nach einigen Bücklingen vor dem Tempel das Tor, das eben nicht zu den größten zu zählen war. Wir gingen nun hinein, und die Priester zogen unter dem Altare ein altes Buch hervor, das in altindischer Sprache geschrieben war; nur einer von ihnen konnte es lesen und halbwegs verstehen.

12. Ich Selbst aber zeigte ihm die Stelle an, die er lesen und dann verdolmetschen solle.

13. Er besah sich die Stelle wohl, überlas sie und verdolmetschte sie dann also (der Priester): „Aus den Bergen, wo die Dohlen [kauka] nisten in großen Scharen, ein Strom entspringet, der da fließet mächtig, breit und weit. An seinen Ufern sah ich Städte groß und klein, und er trägt auf seinem breiten Rücken der Lasten viele. Aber siehe da, eine Last sah ich schwimmen auf seinem Rücken, – da lag eine schwere Nacht in der ganzen, weiten Gegend vom Anfange des Stromes bis dahin, da er endet in das große Weltmeer. Aber die Last trug einen Menschen, dessen Angesicht mehr leuchtete als die Sonne, und aus seinem Munde schossen flammende Pfeile und Schwerter. Am Ufer aber lagen viele Tote, und die von den Pfeilen aus seinem Munde getroffen wurden, die fingen an, sich zu regen, wurden lebendig, und es ward voller Tag um sie. Aber die Last trug noch mehrere Menschen, die lebten und hatten auch ein Licht in sich und leuchteten wie der Vollmond. Auch aus ihrem Munde ging ein Licht, das da glich dem Lichte des Morgensterns, und die, welche von dem Lichte berührt wurden, obschon sie früher tot waren, wurden wieder lebendig und wandelten darauf wie am hellen Tage. Das aber bewirkte, daß bald darauf der ganze Strom zu Licht wurde. Als der ganze Strom leuchtete, da ward es fröhlich an seinen Ufern, und viele eilten hin und wuschen ihr Antlitz, und sieh, da leuchteten alle, die in den Strom stiegen und sich reinigten in seiner hellen Flut!

14. Aber ich sah den Strom nachher wieder und sah kein Licht mehr, sondern es rastete abermals die schwerste Nacht über seinem Rücken, und ich sah lange also, und sieh, es wollte nimmerdar licht werden! Und ich hörte eine Stimme wie das Rauschen vieler Winde durch ein dürres Gehölz, und die Stimme sprach: ,Wehe dir, du Nachtbringer, wenn Ich wiederkommen werde! Dich wird Mein Gericht zwiefach hart treffen; denn du warst Licht und bist abermals zu Nacht geworden! Ich sage es dir also, und sage es du abermals deinen Würmern! Also will es der Erste und der Letzte, das Alpha und das Omega!‘“

15. Hierauf verneigte sich der Priester abermals tief vor seinem Buche und legte es, in feinste Linnen gehüllt, wieder an seinen früheren Ort.

16. Darauf sagte der Oberste zu ihm: „Verstehest du auch das, was du ganz gut gelesen hast?“

17. Sagte der Priester: „Herr, so ich das verstünde, da säße ich zu Delphi auf Pythias Dreifuß!“

18. Sagte der Oberste: „Sieh, was du nicht verstehst, das verstehe ich als ein Soldat nun sehr wohl und kann es dir erläutern! Sieh, hier steht der Mann, der aus den Himmeln zu uns Menschen gekommen ist und nun das Licht verbreitet von Melitene bis hierher nach Serrhe! Den höret, und ihr nun Tote werdet lebend werden und im hellsten Lichte schauen euer Heil! Diese anderen Männer aber, die mit Ihm kamen, sind ebendieselben, deren Antlitz da leuchtete gleich dem Vollmonde. Ihre Worte sind ein wahrer Lebensmorgenstern, und die sie annehmen, leuchten dann in ihrem Gemüte voll Leben eben also wie ihre Worte, die unter dem Bilde des Morgensterns in eurem Weisheitsbuche angedeutet sind. Verstehet nun, um welche Zeit es nun ist!“

19. Da staunten die Priester über die Weisheit des Obersten und fragten ihn mit großer Ehrerbietung, wer und von woher Ich denn sei.

20. Sagte der Oberste: „Ich habe es euch ja ohnehin schon gesagt, von woher dieser Gottmensch ist; wisset ihr aber das, so wisset ihr ja ohnehin, was ihr zu tun habt. Sehet nun zu, daß auch ihr von Ihm lebendig gemacht werdet, auf daß ihr dann auch leuchten könnet vor allen Menschen, die da zu euch kommen werden, um sich bei euch die rechte Weisheit des Lebens der Seele zu holen!“

21. Darauf kam einer der Priester zu Mir und sagte: „Hoher aus den lichten Höhen der Himmel, gib uns die rechte Weisheit!“

22. Sagte Ich: „Da stehen Meine Jünger; an diese wendet euch, und sie werden euch den Weg zeigen, auf dem wandelnd und handelnd ihr zur rechten und wahren Weisheit gelangen könnet, – aber nicht hier in diesem Tempel, sondern im Hause des Obersten in der Stadt! Da kommet hin und lasset euch unterrichten!“

23. Sagte der Priester: „O Hoher, das ist für uns eine sehr schwere Sache, da wir uns eigentlich nach unserer Regel nie von dieser Weisheitshöhe in die tiefe Ebene hinabbegeben sollen! Denn symbolisch wohnt die Weisheit beständig nur auf der reinen Höhe und senkt sich niemals in die schmutzige Tiefe hinab, gleichwie auch der Verstand jedes Menschen in seinem Haupte als dem höchsten Teile seines Leibes wohnt.“

24. Sagte Ich: „Wenn das also recht wäre, da hätte Ich der Himmel lichte und höchste Weisheitshöhen auch nie verlassen sollen! So ich aber das euch Menschen zuliebe getan habe, da werdet wohl auch ihr diese eure nichtige Weisheitshöhe einmal in eurem Leben einer höheren Weisheit wegen verlassen können; denn um das Höchste zu erlangen, lohnt es sich wohl der Mühe, solch einen Hügel zu verlassen. Von nun an wird ein jeder in die eigene Demutstiefe steigen müssen, so er zur wahren Lebensweisheit wird gelangen wollen.“

25. Als der eine Priester solches von Mir vernommen hatte, da ging er hin zu seinen zwei Mitpriestern und sagte ihnen das von Mir Vernommene. Diese machten anfangs wohl sehr bedenkliche Mienen, – aber nach einer reiflicheren Überlegung willigten sie doch ein, traten dann zum Obersten hin und baten ihn um die Gewährung, sein Haus betreten zu dürfen, weil Ich das so haben wolle.

26. Da sagte der Oberste: „Das freut mich sogar sehr! Kommet nun nur gleich mit – denn wir werden uns sogleich auf den Rückweg machen –, und seid heute und morgen meine Gäste, weil dieser hohe Mann aller Männer der ganzen Erde auch noch morgen bei mir allergnädigst verweilt!“

27. Da dankten die Priester und machten sich sogleich mit uns auf den Weg; nur gaben sie ihren Weibern und Kindern zuvor noch die Weisung, was sie unterdessen zu tun und zu reden haben sollten, so da ein Weisheitsforscher ankäme während der Zeit, da sie aus sein würden.

138. Kapitel. Das Wundermahl im Hause des Obersten. Wesen und Wirkung der Liebe.

1. Mit der zahlreichen Gesellschaft in der Stadt kaum angelangt, kam uns eine große Menge Volkes entgegen, begrüßte uns von allen Seiten und schrie: „Heil dir, du großer Heiland, und ewig Dank dir; denn du hast uns durch deine wunderbarste Allmacht von einer großen Drangsal erlöst!“

2. Da stutzten die drei Weisheitspriester, und das um so mehr, als sie auch die andern Priester unter dem Volke ersahen.

3. Wir erreichten nun das große Haus des Obersten. Da empfahlen sich die vielen Begleiter und gingen in ihre Häuser und Wohnungen; Ich und alle die Jünger aber gingen mit dem Obersten und seinem Schwager, dem Hauptmann von Samosata, und mit den andern Hausgenossen in das Haus, um daselbst das Mittagsmahl einzunehmen. Es war aber nun ein wahres Elend; denn des Hauptmanns Weib samt dem Weibe des Obersten, das eine gute Köchin war, hatten in der Eile vergessen, ihre Dienerschaft zu beauftragen, für den Mittagstisch etwas herzurichten, und so war jetzt natürlich noch nichts fertig.

4. Da ward der Oberste ein wenig ärgerlich und mürrisch; aber er ermannte sich dennoch recht bald und sagte: „Nun, so setzet doch jetzt alle eure Kräfte in Bewegung, auf daß wir alle nicht nötig haben, erst am Abend unser Mittagsmahl zu verzehren!“

5. Ich aber sagte zum Obersten: „Lasse alles das gut sein; öffne da nun nur die Türe zum großen Speisesaal, und wir werden daselbst schon alles antreffen, dessen wir bedürfen!“

6. Der Oberste tat das und erstaunte nicht wenig, als da alle Tische mit den besten und feinsten Speisen besetzt waren. Nun fragte er freilich die Weiber, warum sie ihm denn das nicht sogleich gesagt hätten, als er sie darum fragte.

7. Die Weiber aber entschuldigten sich abermals und sagten, daß sie darüber ebenso erstaunt seien wie er selbst, da sie von der Bereitung dieses Mittagsmahles ebensowenig wüßten wie er selbst. Es müsse das sicher auch ein Wunder sein.

8. Da besah der Oberste die Speisen und alle die Speisegeschirre genauer, und er sah, daß alle Schüsseln, Löffel, Messer und Trinkbecher aus dem blanksten Golde gemacht waren. Da trat er schnell zu Mir hin und sagte: „Herr, Herr, das ist Dein Werk! Wie bin ich, ein armer Sünder, ein finsterer Heide, von Dir solch einer Gnade für wert befunden worden?! Ich bin ja gar nicht wert, daß Deine zu heiligen Füße mein unratvolles Haus betreten, – geschweige solch einer allerunerhörtesten Auszeichnung, die sogar für einen Kaiser Roms zu edel wäre!“

9. Sagte Ich: „Was da ist, das ist da; und nun setzen wir uns zu Tische und essen und trinken ganz heiter, was da auf den Tischen steht! Denn so ihr Gottes Kinder werden wollet, so schadet es ja auch nicht, daß ihr es noch in diesem Leben einmal erfahret, wie man als ein Kind im Vaterhause ißt und trinkt.“

10. Darauf setzten sich alle ganz wohlgemut an die Tische und fingen an zu essen und zu trinken. Aber da war es völlig aus mit dem Obersten, dem Hauptmanne, seinem Sohne und mit den Weibern beider, sowie mit ihren Töchtern und den zehn Brüdern des Hauptmanns, wie auch mit den anderen geladenen Gästen; denn alle versicherten, daß sie so himmlisch gute Speisen und einen so unvergleichbar guten Wein noch nie genossen hätten, und die Weiber umringten Mich und fragten, wie möglich man denn gar so unbeschreiblich gute Speisen bereiten könne.

11. Ich aber sagte: „Ja, Meine Lieben, derlei gibt es auf Erden nicht; wenn aber auf Erden unter den Menschen durch das erkannte Wort Gottes einmal das rechte Feuer der Liebe zu Gott und zum Nächsten so recht intensiv bestehen wird, dann werden die Menschen bei solch einem Feuer sich schon auch Speisen bereiten, die eben also und manchmal noch besser schmecken werden denn diese. Ich sage es euch: Die wahre und reine Liebe ist das heilig-edelste Feuer; dieses vermag alles. Es ist der beste Koch, der beste Wirt, die beste Würze aller Speisen und die beste Speise selbst. Wahrlich, wen die reine Liebe nährt, der ist wahrhaftig wohl genährt, und wen sie sättigt, der wird keinen Hunger haben in Ewigkeit! So euch solche Liebe beleben wird, da werdet ihr ewig nie einen Tod fühlen noch schmecken. Darum befleißiget euch solcher reinen Liebe zu Gott und zu euren Nächsten; denn diese Liebe wird euch alles geben, was euch überselig machen kann! Wie aber diese Liebe beschaffen ist, das habt ihr in den vergangenen drei Tagen vernommen, und so habe Ich euch darüber nichts Weiteres zu sagen.“

12. Hier dankten Mir alle für diese Belehrung und versprachen Mir feierlichst, in solcher Liebe so groß wie möglich zu werden.

13. Da sagte aber einer der drei Weisheitspriester: „Wie möglich aber kann ein sterblicher, materieller Mensch einen ewig unsterblichen und rein geistigen Gott lieben? Würde ein Gott solch eine Keckheit einem Menschen nicht im höchsten Grade verargen? Was würde schon ein irdischer König sagen, so unsereiner ihm einen Liebesantrag machte? Was ist aber ein König gegen einen Gott!“

14. Sagte Ich: „Ein dummer und höchst stolzer König, der aber seine Untertanen nicht erschaffen hat, möchte sich wohl eben nicht zu freundlich gebärden, so ihm ein ganz gemeiner und dummer Mensch käme und sagte: ,O großer König, ich fühle eine große Liebe zu dir! Steige herab von deinem hohen Throne, und lasse dich von mir umarmen und küssen!‘ Der König wird solch einen Menschen wohl ganz sicher für einen Narren ansehen und ihn durch seine Diener zur Türe hinausweisen lassen; und geht er nicht in gutem, so wird er sich schon eine Züchtigung gefallen lassen müssen. Aber so solch einem Könige die Untertanen eine wahrhafte tätige Liebe bezeugen werden, so wird er solche auch sicher ehest wiedervergeltend ganz gut aufnehmen und niemanden zur Türe hinausweisen lassen.

15. Gott, der ewig Wahre, aber ist nicht wie ein dummer Heide dieser Erde. Er Selbst ist pur Liebe und also auch die höchste Weisheit Selbst, als welcher und eben solcher Er auch alle Welten und die Menschen aus Sich heraus erschaffen hat.

16. Da Er also Selbst pur Liebe ist, so will Er auch, daß alle Menschen Ihn vor allem über alles lieben sollen und dann aber auch – weil alle Menschen Sein Werk sind – sich untereinander, wie da ein jeder sich selbst liebt. Wenn aber Gott alle Menschen mehr denn als ein bester Vater seine Kinder liebt, warum sollen Ihn denn dann die Menschen nicht wieder über alles lieben, wenn sie Ihn einmal erst nur so recht erkannt haben?

17. Wahrlich, sage Ich euch: Ohne die rechte Liebe werdet ihr Gott nicht finden, Ihn nie recht erkennen und werdet euch sonach Ihm auch nie nahen können! Nur die Liebe zeigt euch den sicheren Weg zu Ihm, – euer Verstand aber ewig nie! Wer aber den Weg zu Gott nicht findet, der findet auch den Weg zu seinem höchsteigenen Leben nicht und wandelt darum im Finstern und auf den Wegen des Gerichtes und des ewigen Todes. Das merket euch von Mir; das andere werdet ihr nachher schon von Meinen Jüngern vernehmen.“

18. Hierauf schwiegen die drei Weisen und aßen und tranken ganz wohlgemut weiter.

19. Einer von ihnen aber war ein ziemlich heller Kopf und sagte etwas später zu den andern zweien: „Dieser wunderbare Mensch redet die vollste Wahrheit. Darum hören wir ihn nur an, und wir werden da am besten daran sein; denn der ist uns an der gediegensten Weisheit wohl tausendmal tausend Male überlegen!“

20. Ich aber redete nun während der ganzen Mahlzeit weiter nichts mehr; nach der Mahlzeit aber wandten sich die drei Weisen an die Jünger, und diese unterrichteten sie in den Hauptgrundsätzen Meiner Lehre, an der die drei ein großes Wohlgefallen hatten.

21. Ich Selbst aber ging mit der Familie des Obersten und des Hauptmannes ins Freie und ließ die Jünger nun ganz allein wirken. Es versteht sich von selbst, daß alle die neueren Jünger stets eifrig zugegen waren, so die Altjünger lehrten, und für sich die Hauptsachen auch aufzeichneten. Erst am Abend kamen wir wieder zusammen.

139. Kapitel. Jüdische Schacherer.

1. An diesem Nachmittag besuchte Ich mit dem Obersten, dem Hauptmanne und ihren Angehörigen einige arme Juden, die in dieser Gegend allerlei Handel und Schacher trieben, aber wenig gewannen, weil ihnen die pfiffigen Griechen überall zuvorkamen. Der Oberste und der Hauptmann beschenkten sie; Ich aber riet ihnen, nach Hause zu ziehen und dort mit ihrer Hände Arbeit, der sie gewachsen seien, ihr tägliches Brot zu verdienen. Denn in welchem Lande jemand mit wenigen Talenten geboren ist, da soll er auch bleiben und sich und die Seinen redlich ernähren. Nur Menschen mit vielen und großen Talenten gehören gleich der Sonne der ganzen Erde an, weil ihr geistiges Licht allen andern Menschen ihre Lebenswege erleuchten soll.

2. Da meinte ein Jude: „Meister, warum sind denn wir von Jehova mit so wenigen Talenten für die Reise durch diese armselige Welt begabt worden? Hätte Er uns nicht auch mit sehr vielen Talenten versehen können?“

3. Sagte Ich: „O allerdings; aber Er weiß es am besten, was da für jeden Menschen taugt, und so hat Er euch auch eben nur mit so vielen Talenten versehen, als es für euch not tut. Denn der vielen Talente wegen wird kein Mensch selig, weil sie nicht des Menschen Verdienst, sondern nur ein Werk und ein Verdienst Gottes sind. Wem vieles gegeben ist, der wird auch über vieles Rechenschaft geben müssen; wem aber nur weniges gegeben ist, der wird auch nur über weniges Rechnung zu legen haben. Die gleiche Sünde wird bei dem Reichtalentierten dereinst in der Waagschale der göttlichen Gerechtigkeit ein viel stärkeres Gewicht haben, als so sie begangen wurde von einem Armtalentierten. Denn wenn der Gesetzgeber selbst wider seine Gesetze handelt, so ist das sicher schlimmer, als so derjenige dawider sündigt, dem das Gesetz gegeben wurde. Darum beneide ja niemand einen Menschen, dem Gott sehr viele und große Talente verliehen hat; denn ein solcher wird auf der Erde stets auch sehr vieles zu erdulden bekommen. Darum seid froh, daß ihr von Gott aus mit nur wenigen Talenten begabt worden seid!“

4. Als der Jude das vernahm, sagte er: „Meister, du hast wohl sehr weise und ganz recht geredet, und es ist schon also; aber ich meine, so jemand mit sehr wenig Licht in der Nacht wandelt, so fällt er doch sicher leichter in einen Abgrund als der, dem eine ordentliche Sonne den Weg erleuchtet! Liegt man aber einmal zerschmettert und tot im Abgrunde, so ist dann nachher schon alles eins, ob man mit wenig Licht oder mit viel Licht in einem Abgrund den Tod gefunden hat. Und da meine ich, daß der mit viel Licht begabte Mensch doch immer besser daran ist als der mit wenig Licht begabte, weil der erste den Abgrund schon von weitem merken und ihm ausweichen kann, während der mit wenig Licht begabte oft den Abgrund noch nicht wahrnimmt, obschon er knapp an seinem Rande steht.“

5. Sagte Ich: „Da hast du auch wieder recht; aber eben darum soll der mit wenig Licht begabte Mensch fein daheim bleiben, wo er den Boden, auf dem er steht, auch in der Nacht kennt und sicheren Schrittes darauf umherwandelt. In seinem Hause wird jeder am besten wissen, wie er zu gehen hat, um keinen Fehltritt zu machen; aber in einem großen, fremden Hause, dessen innere Beschaffenheit er nicht kennt, wird er sich mit seinem schwachen Lampenlichte schlecht zurechtfinden. Denen Gott der Herr also weniger Licht gegeben hat, die hat Er als Kindlein auch sicher recht lieb, weil Er ihnen dadurch ihre irdische Lebensprobeaufgabe sicher so leicht wie möglich gestellt hat, während Er den großen Geistern den Weg mit sehr vielen Dornen besät hat, auf dem eben nicht gar zu geheuer zu wandeln ist. Darum machet ihr kleinen Judengeister euch auf, und ziehet wieder in euer Land! Dort werdet ihr Beschäftigungen, eurem Lichte angemessen, in schwerer Menge finden; aber hier blüht für euch kein Weizen.“

6. Da sagte auch der Oberste: „Ja, ja, meine Lieben, der Herr hat ganz vollkommen recht! Es geht euch hier meines guten Wissens ganz elend und schlecht, und ich kann eure Lage wahrlich nicht besser machen. Ziehet sonach in euer Land; dort werdet ihr sicher eine bessere Aufnahme finden denn hier! Eure Schacherei trägt euch nichts ein, und unsere Arbeiten könnet ihr nicht verrichten, weil ihr darin nicht bewandert seid; daher werdet ihr euch daheim sicher um vieles besser befinden. Damit ihr aber leichter in euer Land kommt, so will ich euch aus Liebe zu diesem Meister, der auch ein Jude ist, ein Reisegeld zukommen lassen.“

7. Als die armen Juden das vernahmen, eilten sie nach Hause, wo sie wohnten, und brachten ihre Kinder daher und sagten, daß sie mit diesen die Reise bis noch weit hinter Bethlehem schwer machen würden, weil sie nun keine Lasttiere mehr besäßen.

8. Da sagte der Oberste: „Ich will euch denn auch noch eine gerechte Anzahl Lasttiere zukommen lassen; aber dann ziehet unverzüglich ab! Denn würdet ihr dann noch da verbleiben wollen, so wäre ich genötigt, euch mit Gewalt hinauszuschaffen!“

9. Da willigten alle gleich ein und sagten, daß sie lieber heute als morgen abzögen. Da wurden gleich Mittel getroffen, und binnen einer Stunde hatten sie alles und machten sich auch gleich an die Abreise.

10. Es waren ihrer bei siebzig an der Zahl, und sie waren daher dieser Stadt, die ohnehin eine Menge einheimischer Armen besaß, eine rechte Last geworden. Daheim aber hatten die meisten Grund und Boden und überließen ihn schlechten Dienern zur Bearbeitung, weil sie meinten, durch ihr Schachern größere Gewinne zu erzielen. Sie verarmten aber und hatten nun durch Mich wieder die Erlösung aus ihrer gar großen Not bekommen.

11. Das war denn doch sicher auch ein sehr gutes Werk! Daher beeifere sich ein jeder wahre Nachfolger Meiner Lehre, derlei Gefangene aus ihrer Not zu befreien, so er die Mittel dazu hat, und Ich werde es ihm entgelten schon diesseits und mehr noch jenseits, so wie Ich es bei dieser Gelegenheit dem Obersten mit tausend Pfunden reinsten Goldes, und zwar schon zum voraus, auch vergolten habe, weil Ich auch zum voraus schon gewußt habe, was er tun werde!

12. Weiterhin ist in diesem Orte nichts besonders Denkwürdiges mehr geschehen. Die Jünger haben die drei Priester vollends bekehrt, und Ich habe auch in dieser Stadt einen gläubigen Arzt gesegnet, daß er dann durch die Auflegung seiner Hände in Meinem Namen gar viele Kranke vollkommen zu heilen imstande war. Und so verlief auch der nächste Tag schnell.

140. Kapitel. Jesu Rückreise nach Kapernaum. Der Riese und seine Predigt über die Juden.

1. Die Nacht über blieben wir noch in Serrhe und gingen am nächsten Tage unter vielen Liebesbezeigungen wieder zu Fuß stromaufwärts, und zwar nach Zeugma, – auch eine kleine alte Stadt am Euphrat. Wir konnten von Samosata aus in diesem Orte darum nicht einkehren, weil des Hauptmanns Weg uns nach Serrhe führte, seiner Familie wegen; darum wandten wir uns rückwegs von Serrhe aus dahin. Von Samosata nach Serrhe ist der Weg wohl noch mehr als einmal soweit wie nach Zeugma; aber von Zeugma ist es dann wieder näher nach Deba denn von Samosata und gar von Serrhe, das nach der gegenwärtigen Rechnung – da in dieser Zeit von jenen Orten wohl kaum noch irgend etwas vorhanden ist – wohl bei dreißig Meilen von Samosata entfernt war.

2. Nun, in Zeugma machten wir dieselben Geschäfte wie in den anderen Orten. Die Heiden am Euphrat wurden häufig von Juden besucht und hatten daher auch Kenntnisse von deren Gotteserkenntnis, und es war darum mit ihnen eben nicht zu schwer sich zu verständigen.

3. Zur größeren Berichtigung und Verständigung kann hier noch das zum Überflusse beigefügt werden, daß sich die nun von uns bereisten Orte, die bei achthundert Jahren vor Mir zu Syrien gehört haben, nun zu Meiner Zeit zu Kappadokien bekannten; aber Deba, wohin Ich nach zwei Tagen mit Meinen Jüngern zog, gehörte schon nach Syrien, das zu Meiner Zeit an das eigentliche Galiläa grenzte und eigentlich den Norden Galiläas ausmachte.

4. In Deba hielten wir uns nicht lange auf, da mit seinen Bewohnern ob ihres Schweinehandels nicht viel zu machen war.

5. Von Deba zogen wir nach Cyrrhus, einer bedeutenden griechischen Handelsstadt; da blieben wir wohl bei sieben Tage lang, wo wir nahezu auf dieselbe Weise wie in Chotinodora einen sehr großen Anhang bekamen.

6. Von da aus zogen wir in die große Stadt Antiochia, allwo wir uns beinahe einen ganzen Monat aufhielten. Antiochia war schon sehr alt, hatte einen ausgebreiteten Handel in ganz Kleinasien und sogar nach Europa hin. Von da kam die Kunde von Mir an die westlichsten Marken von Kleinasien, und ein kleiner König aus Lydia namens Abgarus zog von da nach Antiochia, um Mich kennenzulernen. Dieser nahm Meine Lehre vollauf an, ließ sich sogar taufen, bekehrte daheim sein Volk und schrieb Mir etliche Briefe, die Ich ihm auch stets beantwortete; aber seiner herzlichen Einladung, zu ihm zu kommen, konnte Ich aus höchst weisen Gründen nicht Folge leisten. –

7. Von dieser Stadt aus zogen wir uns wieder in unser eigentliches Galiläa zurück, besuchten da noch eine Menge kleiner Orte und Flecken und machten mit der neuen Lehre stets ganz gute Geschäfte.

8. Mit dieser Reise, die man eine sehr fruchtbare nennen kann, verbrachten wir auch den ganzen Sommer, und als wir wieder bei unserem Wirte Matthias zu Kapernaum anlangten, da war denn auch schon der Herbst da und mit ihm das Laubhüttenfest nahe.

9. Der Wirt erstaunte über die zehn Neujünger, von denen besonders der wahre Riese – der volle neun Handspannen, also bei neun Fuß Höhe nach dem heutigen Maße hatte – ihm eine ehrfurchtsvolle Bewunderung abnötigte. Diesen Menschen konnte er nicht genug anstaunen, da er einen solchen Riesen noch nie gesehen hatte; aber der Riese war auch im Reden ein Riese und machte mit seinen wahren Donnerworten eine große Wirkung. In der Römerkleidung nahm er sich noch großartiger aus, und das gab seinen Worten einen großen Nachdruck. Widerspruch duldete er keinesfalls; denn erstens war er nun höchst überzeugend fest bewandert in Meiner Lehre, und zweitens hatte er auch durch den Umgang mit den Jüngern, besonders in der letzteren Zeit mit unseren sogenannten Judgriechen, sich aus den alten Propheten sehr vieles zu eigen gemacht, und so wußte er durch seine besondere Rednergabe jeden Einwurf gegen die Göttlichkeit Meines Wesens und so jeden Gegner derart niederzudonnern, daß solchem aller Mut verging, sich mit ihm in einen längeren Wortstreit einzulassen.

10. Es kamen in der Zeit Meiner Ruhenahme von etwa zehn Tagen im Hause unseres Matthias gar viele Bürger und Handelsleute hinaus und fingen an, sich um seinen Stand zu erkundigen und zu fragen, was er nun da in Kapernaum machen werde.

11. Da sah er sie ganz entsetzlich ernst an und sagte (der Riese): „Als Heide und Römer werde ich über euch Gericht halten, ihr elenden und ungläubigen Juden! Euch muß euer Beelzebub gezeugt haben, darum ihr so blind sein möget und nicht wahrnehmet, daß Dieser der ganz alleinige Träger eben desselben Geistes ist, welcher vor endlos langen Zeiten als der höchste Geist den Himmel und diese Erde und alles, was auf ihr und in ihr ist, besteht, lebt, atmet und denkt, bloß durch Seinen Willen erschaffen und gefestet hat.

12. Wir blinden Heiden haben das beim ersten Zeichen klar erkannt, obwohl wir nichts davon wußten, daß Seine einstige Ankunft auf dieser magersten Erde schon vor mehreren Hunderten von Jahren von vielen Propheten ganz einstimmig vorhergesagt worden ist, und daß sogar die Zeit, der Ort und eine Menge anderer Umstände genauest angedeutet wurden, wann, wo und wie Er, der Allmächtige Selbst, aus Seinem höchsten Himmel als ein Mensch auf diese Erde darniederkommen werde. Hier unter uns weilt der Erhabenste! Warum glaubet ihr das denn nicht? Weil ihr Kinder des Beelzebub und nie irgend möglich Kinder Gottes seid! Hebet euch von hinnen, sonst zermalmt euch mein Zorn!“

13. Wenn er also zu reden anfing, da hob sich auch bald ein jeder von dannen; denn es hatte niemand Lust, ihn noch mehr zu reizen.

141. Kapitel. Der mißglückte Überfall des Synagogenobersten.

1. Eines Tages kam der schon bekannte Synagogenoberste mit seinen Pharisäern und Schriftgelehrten zu Matthias und verlangte mit Mir zu reden, da er erfahren habe, daß Ich Mich mit Meinen Jüngern abermals allhier aufhalte. Denn er habe aus Jerusalem die strengsten Befehle erhalten, sich über diesen Nazaräer genauest zu erkundigen, was er tue, und welches Wesen er nun treibe. Ja, er solle ihn sogar aufgreifen und entweder tot oder lebendig nach Jerusalem einliefern.

2. Da sagte Matthias: „Herr, Er wohnt bei mir; aber ich rate dir nicht, Ihn irgend anzugreifen – denn da bist du samt allen deinen Helfern total verloren!“

3. Sagte der Oberste: „Vergiß du nie, daß sein Zauber die hochgeweihten Priester nicht anzugreifen vermag!“

4. Sagte Matthias: „Gut, – da in diesem großen Zimmer weilt Er mit allen Seinen Jüngern und hält eben Sein Mittagsmahl! Gehe hinein und rede selbst mit Ihm!“

5. Da ging der Oberste an die zugemachte Tür und pochte ganz gewaltig an.

6. Und Ich sagte zum Riesen: „Laß ihn herein, und rede du ganz allein mit ihm; denn aus Meinem Munde ist er keines Wortes wert!“

7. Hier machte der Riese die Tür auf und donnerte dem Obersten entgegen: „Nur herein, ihr allerelendsten Wichte und Schurken! Eure schöne Absicht ist uns schon lange bekannt, und wir sind eben darum hierhergekommen, um sie aus eurem Drachenmund zu vernehmen. Also herein, ihr wilden Nacht- und Sumpfbestien, und redet, auf daß das Gericht nicht solange aufgehalten wird, euch nach Verdienst zu zermalmen!“

8. Diese Anrede machte auf den Obersten und auf seine Konsorten einen derartigen Eindruck, daß sie zu beben anfingen und keiner imstande war, auch nur einige Worte zu stammeln. Sie hielten den Riesen für einen römischen Vizediktator, der – vom Kaiser mit allen Machtvollkommenheiten ausgestattet – nun alle Juden über die Klinge werde springen lassen. Als nun diese Besucher voll Furcht und Schrecken vor der geöffneten Türe standen, da fingen die Hintersten an, stark Miene zum Durchgehen zu machen.

9. Da herrschte der Riese mit sehr gewaltiger Donnerstimme dem Wirte zu: „Schließe alle Türen fest ab, auf daß mir keine von diesen Menschenbestien entkommen kann!“

10. Als der Riese noch kaum diese Sentenz ausgedonnert hatte, da hatte der Wirt lange nicht Zeit zur Genüge, die Türen abzuschließen; denn diese Sentenz hatte den Forschern die Füße außerordentlich beflügelt, so daß sie Hals über Kopf davonrannten.

11. Aber der Riese sprang dem Obersten nach und hatte ihn gleich beim Rocke, hob ihn wie eine Feder in die Luft und fragte ihn da, was er gewollt habe.

12. Der Oberste aber sagte, bebend und schlotternd: „Herr, Herr, ich wollte nur laut Auftrag von Jerusalem aus mit dem gewissen Propheten reden, und da kamst du, Allerfürchterlichster, mir, dem Obersten der Synagoge von hier, gar so erschrecklich entgegen, – und so konnte ich mit ihm nichts reden!“

13. Sagte der Riese: „Elendester Schurke, du bist es auch ewig nimmer wert, dich diesem wahrsten Gottmenschen nur auf zehntausend Schritte zu nahen, geschweige mit Ihm zu reden! Ich weiß um alles, was die elendsten Schurken in Jerusalem und du und deine bösesten Helfershelfer wider den erhabensten Gottmenschen haben. Wehe euch, so ihr es je wagen solltet, Ihn anzurühren mit euren Beelzebubsklauen! Da sollet ihr den großen Römer kennen lernen!“ – Hierauf setzte er den Obersten wieder auf den Erdboden und sagte darauf noch zu ihm: „Hat denn dieser reinste und allmächtige Gottmensch bei euch hier noch keine Zeichen gewirkt, auf daß ihr hättet glauben können, daß Er ganz derselbe Messias ist, den alle eure Propheten vorausgesagt haben, daß Er genau um diese Zeit und in diesem Lande in die Welt kommen und die Menschen vom ewigen Tode erlösen werde? Rede, Elender!“

14. Sagte der Oberste: „Freilich wohl hat er nur schon zu viele Zeichen gewirkt, darum ihm alles Volk nachrennt und uns, den alten Priestern, die wir auch von Gott eingesetzt sind, den Rücken kehrt, und darin liegt eben der Grund, warum ihm die Hohenpriester zu Jerusalem gar so aufsässig sind! Wir aber hängen von Jerusalem ab und müssen tun, was uns Jerusalem vorschreibt.“

15. Sagte der Riese: „Wie ist es denn aber, daß alle Heiden in den Städten am Euphrat Ihm beinahe bloß Seiner erhabenen Lehre wegen zugefallen sind, und daß die, die Ihm zufielen, auch alsbald mit irgendeiner rein göttlichen Kraft ausgerüstet wurden?! Ein Arzt in der Stadt Serrhe bekam die Wundergabe, alle seine vielen Kranken bloß durch den Glauben an den allmächtigen Namen dieses Gottmenschen also zu heilen – und das in einem Augenblick –, daß darauf der Kranke also gesund dasteht, als hätte ihm nie etwas gefehlt. Ja sogar schon tote Menschen bekommen wieder ein neues Leben und sind darauf so wohl und gesund wie eine muntere Gazelle im Hochgebirge! Wenn das aber die Heiden tun und einsehen können, warum denn ihr Juden nicht, von denen es doch geschrieben steht, daß sie ein auserwähltes Volk Gottes seien? Ich aber sage es dir im Namen des allererhabensten Gottmenschen: Ihr könnet es darum nicht, weil ihr schon von Geburt an Wechselbälge des Beelzebub seid und darum die abgefeimtesten Feinde Gottes. So ihr aber das leugnet, so verdienet ihr nicht mehr, als von diesem Erdboden gänzlich vertilgt zu werden.“

16. Als der Oberste solches von dem Riesen vernahm, da fing er an, zu bitten und alles Gute zu versprechen. Darauf ließ ihn der Riese unter allerlei Drohungen gehen und kam dann wieder zurück ins Haus.

17. Der Wirt aber war ganz ängstlich darob, weil er die große Rachgier des Obersten kannte.

18. Aber der Riese sagte zu ihm: „Sei du ganz ohne Sorge und vertraue auf die Macht Dessen, der Tote erweckt, Berge versetzt und eherne Götzenbilder durch Seinen Willen vernichtet! Ich sage es dir: hundert Legionen solcher Lumpen fürchte ich allein nicht, geschweige diesen einen!“

19. Sagte der Wirt, etwas beruhigter: „Ja, ja, du hast ganz recht! Ich für meine Person fürchte sie auch nicht, und ich selbst habe wohl das größte Vertrauen auf den Herrn, den ich schon von Seiner ersten Jugend an kenne, sowie Seine irdischen Eltern, da Er als ein zarter Knabe schon Dinge geleistet hat, die nur Gott allein möglich sind; aber mir ist nur so ein wenig bange um euch, meine allerliebwertesten Gäste, daß ihr darum hier zu Kapernaum von diesen Wichten sollet Unannehmlichkeiten zu bestehen bekommen! Denn ich kenne diese Schurken nur zu gut!“

20. Sagte der Riese: „Laß sie nur ankommen, und ich allein werde mit ihnen fertig werden! Denn diese Elenden sind es ja doch ewig nicht wert, daß der Herr, der Heiligste von Ewigkeit, sie mit Seinem allmächtigsten Willen hintanhalten und züchtigen solle!“

21. Darauf kam der Riese wieder zu uns, setzte sich zum Tische und erzählte, wie er gerechten Zornes mit der Heuschrecke Babels verfahren sei.

22. Sagte Ich: „Das war zwar ganz gut, und Ich ließ es zu, daß du mit dem herrschsüchtigen Pharisäer also verfahren mochtest, – aber es hat auch der Wirt recht: Wir werden nun nicht gar zu lange zu warten brauchen, und er wird mit einer Menge bewaffneter Schergen dasein und wird uns alle binden und in ein Gefängnis legen wollen. Was wirst du da tun?“

23. Sagte der Riese und mit ihm auch seine nicht minder kräftigen neun Brüder: „Herr, da verleihe uns nur ein wenig von Deiner allmächtigen Gnade, und wir werden ihnen ihr arges Handwerk für immer legen!“

24. Sagte Ich: „Nun gut, versuchet es; aber nehmet niemandem das Leben!“

25. Hierauf leerte ein jeder seinen Becher, und sie gingen hinaus und stellten sich am Wege auf, ein jeder bewaffnet mit einer wahren Herkuleskeule. Es währte gar nicht lange, da zog schon eine starke Schar von vierzig Lanzenknechten und Schergen heraus, hinter ihnen der Kommandant und der Oberste mit seinen Helfershelfern.

26. Hier glühte der Riese und sagte zu seinen Brüdern: „Lassen wir sie auf zehn Schritte nahe an uns kommen, dann werde ich sie anschreien, daß sie stehenbleiben! Folgen sie, so werden wir reden, – folgen sie nicht, da werden die Keulen geschwungen!“

27. Nun kamen sie auf die zehn Schritte nahe, und der Riese herrschte sie mit einer eigens furchterregenden Stimme an: „Haltet, oder ihr seid alle des Todes!“

28. Hier stutzten die römischen Soldaten und blieben stehen.

29. Hierauf fragte sie der Riese: „Was wollt ihr, und wer führte euch hierher?“

30. Da sagten die Soldaten zu den zehn, die sie als vermeintlich hohe Römer vor sich stehen sahen: „Herr, der Oberste der Synagoge zeigte dem Kommandanten an, daß sich hier böse Volksaufwiegler aufhalten, und diese müssen wir gefangennehmen und ganz unschädlich machen!“

31. Hierauf donnerte der Riese: „O des elendesten Schurken von einem Obersten! Warte, du sollst den Königssohn vom Kaukasus kennenlernen, der nun ein Römer ist! Weichet, ihr Soldaten, augenblicklich zurück, und strecket eure Lanzen, sonst ergeht es euch übel!“

32. Diese aber sagten (die Soldaten): „Das können wir nicht; denn hinter uns steht der Hauptmann, der uns befehligt.“

33. Hier befahl der Riese fünfen seiner Brüder, sich schnell des Obersten, seiner Helfer und des Kommandanten zu bemächtigen, er aber werde die Soldaten auf sich nehmen.

34. Das geschah alles mit Blitzesschnelle. Die Soldaten wurden wie von einem Sturme ins Meer hineingeweht und hatten zu tun, sich durch Schwimmen vor dem Ertrinken zu retten.

35. Währenddem aber nahm der Riese den Obersten vor, packte ihn, hob ihn in die Höhe und sagte: „Elendester Wicht, so hältst du dein gegebenes Wort?! Diesmal kommst du, infamster Lügner, mir nicht mehr so leichten Kaufes aus meiner Hand! Wo sind hier die Volksaufwiegler und Landesverräter? Wir sind so ruhig bei dem Wirte und ruhen hier einige Tage aus, da wir von den weiten Reisen etwas müde geworden sind, und diese schwarze Bestie denunziert uns als Volksaufwiegler und Landesverräter! – Hauptmann, wo ist das Meer am tiefsten, daß ich diesen Elenden hineinschleudere und er dort sicher sein Ende finde?“

36. Sagte der Hauptmann: „Freund, laß ihn; denn nun weiß ich es schon, um was es sich so ganz eigentlich handelt! Nur den mir über alles teuren Heiland aus Nazareth wollte dieser Hund durch mich fangen lassen! Oh, hätte ich das nur ahnen können, so hätte er von mir ganz andere Dinge erfahren! Nun laß ihn aber nur gehen; das Weitere werde schon ich mit ihm abmachen und werde ihm zeigen, was das heißt, durch falsche und erdichtete Anzeigen einen Römer zu einer elenden Amtshandlung zu vermögen! Dann aber führe mich zum Herrn meines Lebens!“

37. Hierauf riß der Riese den Obersten noch einmal in die Luft, daß ihm ordentlich das Hören und Sehen verging, und stellte ihn dann ziemlich unsanft auf die Erde. Da eilte dieser mit seinen Helfern davon und schwor bei sich, in seinem ganzen Leben nie mehr eine Bewegung gegen Mich zu unternehmen. Darauf kehrten die zehn mit dem Hauptmann wieder zu Mir ins Haus zurück, nachdem zuvor der Hauptmann den aus dem Wasser gestiegenen Soldaten befohlen hatte, nach Hause zu ziehen.

142. Kapitel. Der Hauptmann wirbt den Riesen und seine Brüder für Rom an. Werke der Liebe sind das wahre Verdienst vor Gott.

1. Als der Hauptmann Meiner ansichtig ward, da kamen ihm die Tränen, so daß er vor Freude kaum reden konnte. Er bat Mich um Vergebung, daß er solches gegen Mich unternehmen konnte.

2. Ich aber beruhigte ihn und sagte: „Wer etwas tut und weiß nicht darum, daß er sündigt, der hat keine Sünde, und somit auch du nicht! Aber der Oberste ist wahrlich ein elender Wicht; doch von nun an wird er wohl Ruhe haben. Mache darum gegen ihn keine weiteren feindlichen Schritte!“

3. Dies versprach der Hauptmann und aß und trank mit uns, und Ich Selbst erklärte ihm die Herkunft der zehn, worüber er eine große Freude hatte. Darauf besprach sich der Hauptmann mit den zehn und gab ihnen Winke, wie sie durch ihn, durch den Obersten Kornelius und durch den Oberstatthalter Cyrenius nach Rom kommen könnten und dort sogleich mit hohen Ämtern bekleidet werden würden, in denen sie dann viel Gutes zu wirken vermöchten.

4. Aber die zehn sagten: „Edler Freund und Amtsgenosse unseres Bruders zu Samosata! Dieser Antrag ist zwar sehr löblich und schön, – aber wir sind nun einmal Jünger des allerhöchsten Herrn und Meisters, und das genügt tausendmal als ein hinreichender Grund, demzufolge wir deinen liebfreundlichen Antrag in dieser Zeit durchaus nicht annehmen können. Ja, so wir einmal unsere Lebensschule werden durchgemacht haben, dann kann sich vielleicht dein lieber Antrag auch noch bewerkstelligen lassen!“

5. Der Hauptmann freute sich sehr über die Offenherzigkeit der zehn und sagte: „Daß ihr da vollkommen recht habt, das liegt klar auf der Hand; aber so ihr schon, wie ich's wahrgenommen habe, in allen Hauptgrundsätzen der Lehre völlig bewandert seid und ganz genau wisset, was ihr zu tun und zu lassen habt, so wäre es meines Erachtens auch an der Zeit, daß ihr unter die Heiden ginget und ihnen gelegenheitlich auch von dem großen Gnadenlichte Gottes mitteiltet, das euch zuteil geworden ist. – Was meinet ihr dazu?“

6. Sagte der Riese: „Freund, da haben wir für uns gar keine Meinung; wir tun nur, was der Herr und Meister haben will! So wir diesem deinem Antrage nach das unternehmen möchten, was du uns vorgestellet hast, dann möchten wir es am ehesten unseres verwaisten Geburtsortes wegen tun und möchten seinen noch sehr rohen und wilden Bewohnern diese Lehre vom Licht, von der Liebe, vom Geist und vom Leben hinterbringen!“

7. Sagte endlich Ich: „Ja, ja, da habt ihr ganz recht, und ihr möget darum wohl des Hauptmanns Antrag annehmen! Denn ob ihr euch nun noch länger oder kürzer an Meiner Seite herumtummelt, so gewinnet ihr darum nicht mehr an Licht, Liebe, Geist, Kraft und Leben; das wird euch alles durch die treue Beachtung Meiner Lehre gegeben. Und so ihr bei Gelegenheiten einer höheren Kraft als eines Zeugen der Wahrheit eurer aus Mir geschöpften Weisheit benötigt, so bittet im Herzen Mich darum, und es wird euch gegeben werden, um was ihr euch bittend an Mich gewendet habt!

8. Wenn Ich Selbst aber jüngst wieder diese Erde persönlich werde verlassen haben, dann werde Ich den Heiligen Geist aller Wahrheit über alle Meine getreuen Jünger und Brüder ausgießen. Dieser wird sie dann in alle Wahrheit, Weisheit, Macht und Kraft lenken, leiten, führen und erheben und wird eure Seelen mit dem jenseitigen Geiste der Liebe aus Gott einen und also die Wiedergeburt des Geistes in euch zustande bringen, ohne die es kein wahres und freies, ewiges Leben geben kann, sondern nur ein gebundenes und gerichtetes, das dem wahren, freiesten Leben des Geistes gegenüber ein wahrer Tod ist.

9. Denn wenn ein Mensch nicht frei aus sich lebt, sondern nur so wie eine Maschine durch die Allmacht des göttlichen Willens, so ist er in und für sich tot und ist um kein Haar besser daran als ein Stein, eine Pflanze oder ein unvernünftiges Tier. Wer aber streng nach Meiner Lehre lebt und handelt, der wird auch allersicherst das zu gewärtigen haben, was Ich nicht nur jetzt hier, sondern allenthalben schon gar oft ausgesprochen und verheißen habe. Ob jemand nun hier persönlich mit Mir wandelt oder nicht, so ist das ganz einerlei; im Gegenteile wird der von Gott aus mit noch wohlgefälligeren Augen angesehen werden, der bloß im Geiste – ohne Meine persönliche Gegenwart – treu mit Mir wandelt!

10. Kornelius und Cyrenius aber kennen Mich ganz von Meiner Geburt an. Sie werden euch gut aufnehmen und euch in allem an die Hand gehen.“

11. Mit dem waren die zehn zufrieden, und sie nahmen den Antrag des Hauptmanns an; nur um das baten sie, daß sie so lange bei Mir bleiben dürften, als Ich etwa hier in Kapernaum verbleiben würde.

12. Da sagte Ich: „Das könnet ihr immer tun, obwohl euch das nicht zu irgendeinem besonderen Verdienste angerechnet wird; denn ein rechtes Verdienst vor Mir hat nur der, der in Meinem Namen Liebe wirkt nach Meiner Lehre. Denn Mir könnet ihr unmöglich etwas Gutes tun, da Ich keines Menschen Dienstes bedarf; und wer Mir auch schon etwas Gutes tut, dem kann Ich's allzeit tausendfach ersetzen, und es kann Mir überhaupt niemand etwas geben, das er nicht zuvor von Mir erhalten hätte.

13. Aber wer aus Liebe zu Mir in Meinem Namen seinem Nächsten etwas Gutes tut, der hat das wahre Verdienst eines Arbeiters auf Meinem Acker vor Mir und wird dafür seinen Lohn ernten. Denn was ihr in Meinem Namen den Armen tun werdet, das werde Ich stets also ansehen, als hättet ihr das Mir getan. Darum möget ihr heute oder morgen von hier abgehen, so werdet ihr Mir deshalb nicht ferner, noch näher stehen als eben jetzt; aber wenn ihr in Meinem Namen den Menschen dieser Erde Gutes erweisen werdet, so werdet ihr Mir im Geiste um vieles näher stehen denn jetzt.

14. Mein Fleisch ist nicht Mein Ich, sondern nur Mein Geist ist Mein wahrstes Ich; mit Meinem Geiste aber bin Ich allenthalben gegenwärtig und wirke in einem fort durch die ganze Unendlichkeit.

15. Was Mein Fleisch allein will, das geschieht nicht, sondern ewig nur das, was Mein Geist will. Wo ihr immer sein möget, da bin auch Ich mitten unter euch, und so ihr wirket in Meinem Namen, da wirke Ich mit und in euch; und so ihr redet in Meinem Namen, da bin Ich es, der euch die Gedanken im Herzen schafft und euch die Worte auf die Zunge legt.

16. Also, ihr könnet euch, so ihr tätig bleibet in Meiner Lehre, von Mir unmöglich je entfernen; nur dann würdet ihr euch von Mir entfernen, so ihr Mein Wort verließet und würdet gleich vielen pure Diener der Welt werden. Allein, das werdet ihr nimmer, und so möget ihr zu jeder Stunde Meine sichtbare Persönlichkeit ohne den geringsten Schaden für eure Seele verlassen!“

17. Mit dieser Erklärung waren die zehn ganz vollkommen zufrieden und waren dann auch bereit, sogleich mit dem Hauptmanne abzugehen.

18. Darüber hatte der Hauptmann auch eine große Freude, solche Männer für Rom gewonnen zu haben, welche als Krieger dem Kaiser gefallen würden und als treue Bekenner Meiner Lehre überaus wohl imstande sein würden, dieselbe auch den Heiden vielfach beizubringen. Der Hauptmann dankte Mir auch noch ganz besonders dafür und versprach Mir vor allem, für den Riesen dahin zu wirken, daß er schon als ein Hauptmann mit seinen Brüdern nach Rom zum Kaiser gesandt werde.

143. Kapitel. Amt und Ehre. Alles ist Gnade; nur der gute Wille ist Verdienst. Vom Bewußtsein des eigenen Unwertes.

1. Sagte Ich: „Was das Weltliche betrifft, so geht Mich das nichts an; denn das ist eine Sache des menschlichen Weltverstandes. Sie können weltlich werden, was sich für sie ehrlichermaßen ergeben kann, das kommt bei mir zu gar keinem Ansehen, sondern nur das, was sie wirken werden nach Meiner Lehre und dadurch nach dem Willen Gottes.

2. Das äußere Ansehen der Person hat vor Mir nicht den allergeringsten Wert, wohl aber das Ansehen seines durch Gottes Wort erleuchteten Herzens, das voll Leben ist durch die Liebe zu Gott und durch die Liebe zum Nächsten. Aber so da jemand ein hohes weltliches Amt bekleidet, so ist er dadurch auch in den Stand gesetzt, desto mehr Gutes zu wirken; und tut er das, so wird auch sein Amt vor Mir einen verdienstlichen Wert haben, – aber das hohe Amt für sich gar keinen.

3. Kaiser und Bettler sind vor Mir ganz gleich und haben als das, was sie sind, gar kein Ansehen vor Mir, – sondern nur das hat vor Mir einen Wert, wie sie das sind in Meinem Namen; denn vor Mir gilt an und für sich das weltliche Ansehen gar nichts. Das lasset euch alle wohl und hoch und teuer gesagt sein!

4. Elend sei der, der seinen Nebenmenschen darum für gering achtet, weil er selbst ein hohes weltliches Amt bekleidet! Das Amt soll ein wohlrespektiertes Ansehen haben und der Beamte nur insoweit, als er ein Amt vorstellt; aber der Beamte tue sich darauf ja nichts zugute, da er nur ein Diener des Amtes, nicht aber das Amt selbst ist!

5. Ich sagte hier euch dieses nur darum, daß sich niemand irgendeines weltlichen Amtes wegen übernehme; denn wer das tut, der ist nicht mehr in Meiner Liebe, und sein Amt dient ihm dann nicht zu seinem Leben, sondern zu seinem Untergang.“

6. Da sagten Meine alten Jünger: „Herr, wenn also, da ist es nicht gut, ein Amt zu übernehmen! Wir haben von Dir auch ein Amt übernommen und werden mit der Zeit wahrlich nicht dafür können, so wir dieses Amtes wegen von den Menschen geehrt und irgend als etwas Besseres angesehen werden.“

7. Sagte Ich: „Daß euch die Menschen darum nicht ehren sollen, dafür habe Ich noch nirgends ein Gebot gegeben; aber so ihr euch darum etwas einbildet, als wäret ihr mehr als die, welche euch ehren, so habt ihr dadurch euren Lohn schon empfangen, und eure Arbeit würde da vor Mir als gar keine und somit auch als ganz unverdienstlich dastehen.

8. Wollt ihr aber als Meine Arbeiter vor Mir als verdienstlich und wohl angesehen dastehen, so saget in euren Herzen, wenn ihr alles auf das gewissenhafteste in Meinem Namen getan habt: ,Herr, wir sind vor Dir faule und unnütze Knechte gewesen!‘ (Luk.17,10). Wenn ihr das lebendig wahr in euch fühlen werdet und einsehen, daß ihr nur freiwillige Diener Meines allein wirkenden Geistes waret, so werde Ich eure Arbeit also ansehen, als hätte Ich Selbst gehandelt, und werde aber euch dafür den gerechten Lohn geben.“

9. Sagten einige der Jünger: „Herr, wenn so, da sind wir Dir ja ganz entbehrlich; denn Du hast die Macht ja ohnehin, ohne unsere Mithilfe alles Selbst zu tun! Können wir aus uns selbst nichts tun und müssen wir uns stets denken, daß alles, was wir sogar mit der Aufopferung unseres Lebens in Deinem Namen tun, nur Du allein tuest und wir somit nichts als Deine blinden Werkzeuge sind, so können wir vor Dir ja doch unmöglich irgendeinen Verdienstlohn beanspruchen! Welches Verdienst kann denn ein toter Webstuhl vor dem Weber haben, den dieser nur benutzt, um darauf seine Leinwand bequemer zu verfertigen?“

10. Sagte Ich: „Der Webstuhl hat keinen freien Willen; ihr aber habt einen solchen und könnet ganz frei tun, was ihr wollet. So ihr euch denn Meinem erkannten Willen frei unterwerfet und nach demselben handelt, so handelt da ja nicht ihr selbst, sondern Mein Wille in euch, der allein gut ist! Wie habt ihr dann ein Verdienst des Handelns wegen? Seht, da habt ihr kein Verdienst, – aber wohl darin, daß ihr euren bösen Weltwillen Meinem allein guten Willen untergeordnet habt und dadurch mit Mir eins geworden seid durch die Hilfe eures Glaubens.

11. Wahrlich, Ich sage euch: Ohne Mich könnet ihr nichts Verdienstliches tun zum ewigen Leben! (Joh.15,5). So ihr das anerkennet in euren Herzen, dann erst seid ihr Meine wahren Jünger – und noch mehr: dadurch seid ihr auch Meine rechten Brüder im Geiste Gottes!“

12. Da sagten wieder einige Jünger: „Das ist wohl alles sehr schön und auch sehr weise geredet; aber wir gestehen es offen, daß alles das etwas hart und auch eben nicht sehr verständlich klingt. Denn mit der eigentlichen Freiheit des eigenen Willens sieht es da nicht sehr günstig aus! Und so man etwas Gutes getan hat, so geht das den freiwilligen Guttäter gar nichts an; für die Tat hat er keinen Lohn zu erwarten, sondern nur dafür, daß er sich freiwillig dem erkannten göttlichen Willen als Werkzeug dargeliehen hatte. Das ist sehr sonderbar! Der Mensch ist und bleibt demnach dennoch nichts anderes als ein Werkzeug der göttlichen Allmacht und ist in und für sich ewig ein pures Nichts. Wahrlich, bei solch einer Lehre könnten sogar wir, die wir schon soviel von Dir gehört und gesehen haben, in unserem Glauben schwach werden!“

13. Hier aber sagte der Riese: „Liebe Freunde, dieser Meinung bin ich als ein jüngster Jünger dieses Meisters und Gottmenschen nicht! Was ist denn mit einem Kinde, in welchem sich oft auch schon gar früh ein böser Wille kundgibt? Muß es nicht dem weisen Willen seiner Eltern gehorchen und seinen Willen am Ende nur dazu gebrauchen, allein das zu tun, was seine Eltern wollen? Und hat es sich mit der Zeit stets mehr und mehr in dem Willen seiner Eltern zurechtgefunden, so wird es dann selbst weise, weiß dann, was recht und gut ist und verabscheut aus sich selbst das Böse, Falsche und Ungerechte. Es kommt dadurch erst zum wahren Selbstbewußtsein und zur wahren, vernunftgemäßen Selbständigkeit. Würde das Kind aber je dazu gelangt sein, so es nicht der weisen Eltern Willen zu dem seinigen gemacht hätte?!

14. Und so können auch wir Menschen erst dann zum wahren Selbstbewußtsein und zur wahren Lebensselbständigkeit gelangen, so wir durch unseren freiwilligen Gehorsam den uns geoffenbarten göttlichen Willen ganz zu dem unsrigen machen; denn in dem göttlichen Willen muß doch offenbar deshalb auch die höchste Freiheit walten, weil Gott Selbst das weiseste und somit freieste Wesen ist. Und so wir je irgendeinen Anspruch auf eine wahre Lebensfreiheit machen wollen, so können wir diese nur dadurch erreichen, daß wir als ganz eins mit Ihm denken, fühlen und wollen und dann auch völlig also handeln. – Habe ich recht oder nicht?“

15. Sagten die Jünger: „Ja, ja, in dieser Hinsicht hast du wohl recht, und wir können dich darum nur loben! Aber das ist denn auch eben nicht unwahr, daß am Ende doch ein jeder Mensch mit dem Gesichte, das er bekommen hat, völlig zufrieden sein muß; denn es würde ihm bei aller seiner Unzufriedenheit kein anderes gegeben werden. Und kurz und gut, alle Ehre der großen Weisheit, Macht und Güte unseres Herrn und Meisters, – aber darum wird aus einem Menschen doch nie ein freier Gott und aus Gott nie ein beschränkter Mensch! Und damit haben wir viel und alles gesagt; denn daß der Mensch mit seinen ohnehin höchst beschränkten Kräften alles tun und am Ende noch bei sich sagen soll – und das sogar in seiner innern vollstlebendigen Überzeugung –, daß er gar nichts getan habe und nur ein sträflich fauler und unnützer Knecht war, das ist ein so sonderbares Verlangen, wie ein ähnliches auf dieser Erde noch nie erhört worden ist!

16. Ein weiser Vater wird seine Kinder nur loben, wenn sie auf seinen Feldern fleißig gearbeitet haben; hier aber wird davon nicht nur gar keine Erwähnung gemacht, sondern noch verlangt, daß man darob, so man alles mit dem größten Eifer getan hat, sich selbst noch obendrauf über ein Aas verachten soll. Ah, das geht denn doch wohl nicht an! Wie kann denn ein Mensch da je zu einer guten Handlung einen Eifer bekommen, so er sich der guten Handlung wegen selbst verachten soll?! Ja, der Mensch soll sich selbst verachten und verabscheuen einer Sünde wegen, die er irgend leichtsinnigermaßen begangen hat, – aber einer guten Handlung wegen nicht! Da muß er nur eine rechte Freude daran haben und seinem Gemüte selbst ein erhebendes Lob bei sich selbst im stillen erteilen und in seinem Gewissen beruhigt sein, auch dann, so ihn der guten Tat wegen die ganze Welt verachten würde! Aber sich selbst dafür noch verachten und mit sich im höchsten Grade unzufrieden sein, so man alles mit allem möglichen Eifer getan hat, was man nur immer als dem göttlichen Willen gemäß für gut und recht erkannt hat, das ist wahrlich zu viel von dem ohnehin schwachen Menschen verlangt!

17. Herr, da bitten wir Dich um eine nähere Erklärung, sonst gehen auch wir gleich denen, die schon früher gegangen sind! Du kamst zu uns, und wir sind Dir gefolgt auf Deinen Ruf und haben Dir allzeit alles geglaubt; aber das glauben wir Dir einmal nicht also, wie wir es verstehen und einsehen, – und das darum, weil es nicht leicht anders einzusehen und zu verstehen ist!“

144. Kapitel. Die Abhängigkeit des menschlichen Wirkens von Gottes Gnade.

1. Sagte Ich in einem ganz gemütlich ernsten Tone: „Es ist wahrlich nicht sehr löblich von euch, hier auf einmal also aufzutreten! Gibt es denn noch irgend ein Leben, eine Kraft und eine Macht außer Gott? Gott aber will euch möglichst frei und selbständig lebend machen für ewig und zeigt euch, wie ihr es anzufangen habt, um euch ein gottähnliches, freiestes und völlig selbständiges Leben eigen zu machen. Warum ärgert euch dann solche Liebe Gottes zu euch?!

2. Ist denn das eigene Naturmittelleben irgend etwas anderes als nur der Arm, mit dem ihr das wahre Gottesleben an euch ziehen könnet? Wenn aber also, da hat es an und für sich ja doch keinen andern Wert als eben den nur, der ihm von Gott aus bestimmt ist.

3. So ihr aber nun nur noch als naturlebende Menschen handelt und in solchem Handeln eure eigene Ehre suchet, so ihr euch selbst das gute Zeugnis gebt, da seid ihr gleich dem im Tempel sich vor Gott rechtfertigenden Pharisäer und saget auch: ,Herr, ich danke Dir, daß ich nicht bin wie viele andere, daß ich das Gesetz hielt vom ersten bis zum letzten Buchstaben und alles genau erfüllt habe, was Moses und die Propheten vorgeschrieben haben!‘ Ich habe euch dieses Gleichnis zwar schon einmal gegeben, – aber ihr habt es vergessen! Hättet ihr es behalten, so wüßtet ihr auch, daß da nicht der Pharisäer, sondern nur der sich vor Gott sehr demütigende Zöllner gerechtfertigt den Tempel verließ.

4. So ihr saget: ,Wir haben dieses und jenes Gute gewirkt!‘, da lüget ihr erstens euch selbst, dann Gott und auch eure Nächsten an, weil kein Mensch aus sich etwas Gutes zu wirken vermag, und das darum, weil erstens schon sein Naturleben nur ein von Gott ihm gegebenes ist – und zweitens aber auch die Lehre, nach der er zu leben und zu handeln hat. Wenn ein Mensch das nicht einsieht und begreift, so ist er für sich auch soviel wie nichts, und es ist bei ihm von einer Selbständigkeit noch lange keine Rede, weil er zwischen seinem eigenen Wirken und dem Wirken Gottes in ihm und durch ihn noch nicht unterscheidet und beides als ein und dasselbe fühlt und betrachtet; nur dann erst tritt der Mensch in den Kreis der Lebensselbständigkeit, so er es wahrnimmt, daß sein eigenes Lebenswirken ein eitel nichtiges ist und nur das göttliche Wirken in ihm allein gut ist.

5. Sieht der Mensch das ein, so wird er sich auch sicher stets mehr und mehr bestreben, sein eigenes Wirken mit dem wohlerkannten göttlichen zu vereinen und sich so nach und nach völlig mit der Lebenskraft Gottes in ihm zu einen, durch welches Einen der Mensch dann erst zur wahren Lebensselbständigkeit gelangt, da er dann weiß und klar einsieht, daß das göttliche, früher wie ein fremdes Wirken also nun zu seinem eigenen geworden ist durch die Demut vor Gott und durch die rechte Liebe zu Gott. Und darin liegt der eigentliche Grund, warum Ich vorhin zu euch gesagt habe: Und so ihr auch alles getan habt, so saget und bekennet dennoch: ,Herr, nur Du hast das alles getan; wir aber waren aus unserem Selbstischen nur faule und unnütze Knechte!‘ (Luk.17,10).

6. So ihr das in euch selbst wohlerkenntlich saget, da wird euch die Gotteskraft unter die Arme greifen und wird euch vollenden; wenn ihr das aber nicht wohleinsichtlich in euch selbst bekennet und dafür nur euch selbst auf den Altar der Ehre erhebet, da ihr euch als selbst stark fühlet, da wird euch die Kraft Gottes nicht unter die Arme greifen und eure höchst mühsame Lebensvollendung euch selbst anheimstellen, und es wird sich dann bald zeigen, wieweit ihr mit eurer eigenen Kraft ausreichen werdet. Und darum sagte Ich euch denn auch, daß ihr ohne Mich nichts Verdienstliches und Endzweckliches tun könnet. (Joh.18,5). Und so Ich euch nichts vorenthalte, was zur Gewinnung des wahren, freiesten und völlig selbständigen Lebens eurer Seele unerläßlich notwendig ist, warum ärgert euch dann solche Meine sorgliche und weise Mühe um euch?“

7. Sagte Andreas: „Das ärgert uns wahrlich nicht; aber das ist uns eben nicht zu angenehm, wenn Du dann und wann gelegenheitlich mit irgend etwas Neuem zum Vorscheine kommst, das irgendeinem schon früher Gegebenen ganz entgegenzustehen scheint, und wenn Du uns dann keine weitere Erklärung darüber frei aus Dir Selbst gibst, sondern es zumeist darauf ankommen lässest, daß wir Dich darum angehen müssen. Das mußt Du mit Deiner wahren Allwissenheit ja doch wohl einsehen, was wir einsehen und begreifen können! Denn es ist eben nichts Angenehmes, Dich um eine nähere Erklärung zu bitten, weil man von Dir dann stets einen nicht sehr wohltuenden Verweis bekommt. Wenn Du uns in der Folge wieder etwas Neues lehren willst, so gib uns auch gleich das rechte Licht dazu, auf daß wir dann nicht nötig haben, Dich mit allerlei Fragen zu belästigen! Du bist sonst höchst gut – was wir alle nur zu klar einsehen –; aber im Lehren bist Du dann und wann ganz unverdaulich!

8. Ich und wir alle wissen und glauben, daß Du des lebendigen Gottes Sohn bist, und daß die Gottheit in aller Ihrer Fülle wie körperlich in Dir wohnt; aber das hindert mich gar nicht, Dir allzeit ganz offen zu sagen, wo es uns irgend drückt, wenn Du den Druck bei Dir Selbst oft nicht merken willst. Denn wir sind Menschen, solange wir leben, und fühlen allerlei Druck; und da das der sichere Fall ist, so muß es uns denn auch freigestellt sein, uns auch Gott gegenüber äußern zu dürfen, wo es uns drückt und schmerzt. Will Gott uns helfen, so wird Er wohl daran tun, – und will Er das nicht, so muß Er sich's gefallen lassen, daß wir Ihm so lange vorjammern werden, solange Er uns in diesem Jammerleben lassen wird. – Das verstehen wir nun alle ganz gut und werden es auch getreu befolgen; aber für die Folge gib uns keine Lehre ohne Erklärung mehr!“

9. Sagte Ich: „Brüder, was Ich tue, davon weiß Ich wohl den Grund, warum Ich dieses und jenes also tue; aber was ihr tut und redet, davon sehet ihr den Grund noch gar lange nicht ein! Aber es wird auch einmal die Zeit kommen, in der auch ihr den Grund alles des von Mir Gelehrten und Getanen einsehen werdet.“

10. Doch nun gut von allem dem! Denn es kommt die Zeit, wo uns die zehn Neujünger verlassen werden, und es ist da notwendig, ihnen noch eine eigene Stärkung auf ihren Weg mitzugeben, auf daß sie tüchtig werden, für euch die Wege auch in einem andern Weltteile vorzubereiten; denn zu diesem guten Zwecke haben sie der Kenntnisse in Meiner neuen Lebenslehre zur Genüge.“

11. Hierauf sagte Ich zu den zehn: „Auf daß ihr als Menschen heidnischer Abkunft den andern Heiden ein vollgültiges Zeugnis von Mir dahin ablegen könnet, daß Ich, der euch zu ihnen gesandt hat, Der bin, als den ihr Mich habt kennen lernen, so erteile Ich euch die Gabe, alle Kranken zu heilen, gleichwie Ich dem Arzte in Chotinodora und dem in Serrhe die gleiche Gabe erteilt habe.

12. Leget den Kranken die Hände in Meinem Namen auf, und es wird mit ihnen sogleich besser werden, und sie werden euren Worten glauben! Und nun brauchet ihr vorderhand nichts mehr; wenn Ich aber aufgefahren sein werde dahin, von wannen Ich gekommen bin, da wird der von Mir über euch ausgegossene Geist euch schon in alle weitere Wahrheit und Weisheit leiten. Es sei und es geschehe also!“

13. Dafür dankten Mir die zehn über alle Maßen, und der Hauptmann hatte darüber eine übergroße Freude und fragte Mich, wie lange Ich Mich noch an diesem Orte aufhalten werde.

14. Und Ich sagte: „Das, Freund, hängt von den Umständen und von dem Willen Dessen ab, der Mich in diese Welt gesandt hat; denn auch Ich, als purer Mensch für Mich, muß Mich streng nach dem richten, was der Vater im Himmel Mir auferlegt! Es ist zwar alles auch Mein, was da ist des Vaters, und Ich und der Vater sind im Grunde des Grundes eins, – aber dennoch stehet in Mir Selbst die Liebe höher als ihr Licht, die Weisheit. Darum kann auch Meine Weisheit Meiner Liebe keine Gesetze geben, sondern nur umgekehrt. Du wirst es aber schon noch erfahren, wie lange Ich noch hier verweilen werde.“

15. Hierauf dankte Mir der Hauptmann, erhob sich dann und ging mit den zehn nach Hause, allwo noch einige Geschäfte seiner harrten.

16. Diesen Nachmittag blieben sie bei ihm; am nächsten Morgen aber sandte er sie mit guten Führern und besonderen Empfehlungen nach Sidon an den Cyrenius ab, der sich bei ihrer Ankunft vor lauter Freude gar nicht zu helfen wußte, als er vernahm, daß sie bei Mir gewesen waren und Meine Lehre angenommen hatten. Er behielt sie über einen Monat lang bei sich und beförderte sie mit guter und sicherer Gelegenheit nach Rom, wo sie vom Kaiser abermals sehr gut aufgenommen und auch alsbald mit hohen militärischen Ämtern bekleidet wurden, und wo der Riese sogar in dem Palaste des Kaisers als dessen Leibwächter eine längere Zeit verblieb und viel Gutes stiftete, da der Kaiser sich oft und gern in geheimsten Dingen bei ihm Rat holte.

145. Kapitel. Die Vorwürfe und Zweifel der Jünger.

1. Ich aber verblieb mit den Jüngern den ganzen Tag über im Hause des Matthias und erzählte ihm vieles, was Mir alles auf dieser Reise von mehreren Wochen begegnet ist, was den Wirt in hohem Grade interessierte. Die Jünger aber gingen für sich ins Freie – bis auf den Johannes und Matthäus, die bis zum Abend hin ihre Aufzeichnungen ordneten und in einen größeren Zusammenhang brachten. Auch die zwanzig Judgriechen gingen für sich ins Freie und weideten sich an dem Anblick des sehr belebten und bewegten Meeres.

2. Erst spät am Abend kehrten alle die Jünger wieder ins Haus zurück, als das Abendmahl schon eine Zeitlang bereitet war. Wir nahmen das Nachtmahl in aller Stille ein und begaben uns darauf bald zur Ruhe. Wir brachten dann noch etliche Tage allda zu und beschäftigten uns mit allerlei guten und nützlichen Dingen.

3. Der Hauptmann selbst war alle Tage bei Mir, und Ich heilte mehrere von ihm Mir genannte Kranke bloß durch Mein Wort. Darüber ärgerten sich heimlich etliche Meiner alten Jünger, weil Ich das alles Selbst tat und nicht sie dazu beorderte, daß sie das täten in Meinem Namen, was nach ihrer Meinung Meiner Lehre ein größeres Zeugnis geben würde, als so Ich Selbst in einem fort Zeichen wirke, die wohl für Mich Selbst ein Zeugnis wären, der Ich als ein göttlicher Meister dastehe, aber für die Wirkung Meiner Lehre auch bei Meinen Jüngern nahe gar kein besonderes Zeugnis abgäben, weil die Leute sagten: ,Jetzt ziehen diese schon so lange mit Ihm umher und haben noch wenig gelernt, da sie beinahe gar nichts vermögen!‘

4. Ich sagte aber zu ihnen: „Meine Freunde und Brüder! Es wird die Zeit auch an euch kommen, in der ihr in Meinem Namen Zeichen wirken werdet; aber jetzt ist sie noch nicht da. Ich habe aber den meisten von euch auch dieselbe Kraft verliehen, Kranke jeder Art zu heilen, und ihr habt sie auch geheilt, und dieselbe Kraft ist euch noch eigen bis auf einen, der sich dafür bezahlen ließ. Aber so ihr bei Mir seid, da ist es wohl nicht nötig, daß ihr in Meiner Gegenwart Zeichen wirkt; wo es aber nötig ist, da lasse Ich auch euch ganz besondere Zeichen wirken. Was wollet ihr denn noch mehr?! Ich bin noch nicht aufgefahren dahin, von wannen Ich gekommen bin, zu Meinem Gott und zu eurem Gott, und habe über euch noch nicht ausgegossen den heiligen Geist Gottes, der euch leiten wird in alle Wahrheit und Weisheit. Darum geduldet euch bis dahin, – danach werdet auch ihr das tun, was Ich nun tue! – Seid ihr damit nicht zufrieden?“

5. Sagte nun Thomas: „Herr, damit sind wir wohl zufrieden; aber eines begreifen wir an Dir noch immer nicht! Sieh, bei den Heiden hast Du Dich in Deinem Zeichenwirken wahrlich nahezu Selbst übertroffen! Der Heiden Tempel und Götzen hast Du auf einen Wink vernichtet, und die starrsten Priester haben sich Dir wie Lämmer gefügt; warum tust Du das gleiche nicht auch in Juda? Die Templer wären schon lange Deine Jünger, wenn Du ihnen den Tempel mit derselben Leichtigkeit hinweggehaucht hättest, wie Du den Heiden am Euphrat ihre Götzen hinweggehaucht hast! Tue das auch in Judäa, und Deine Lehre ist geborgen!“

6. Sagte Ich: „Ihr redet, was ihr verstehet, und Ich rede, was Ich weiß vom Vater aus, und was Ich auch also gar wohl verstehe! Ihr wisset nicht den Grund, warum dieses und jenes geschehen muß, um diesen und jenen Zweck sicher zu erreichen; Ich aber weiß es nur zu klar und genau, warum dieses und jenes geschehen muß, um diesen und jenen Zweck bestimmtest zu erreichen. Darum ist es wahrlich nicht fein von euch, so ihr Mir nun vorschreiben wollet, was Ich tun soll! Ich habe euch aber schon bei verschiedenen Gelegenheiten klar auseinandergesetzt, warum Ich dies und jenes tue, und warum nun die Verhältnisse der Menschen zu Gott auf einem gar so schlechten und finsteren Boden stehen, und warum es sogar geschehen wird, daß dieser Mein Leib in Jerusalem getötet werden wird.

7. Aber ihr merket euch nichts und denket auch nie tiefer darüber nach, so daß Mein Wort in euch nie völlig die rechten Wurzeln greifen und schlagen kann; und sehet, eben aus diesem Grunde ist euer Glaube an Mich bei euch noch lange kein lebendiger, und ihr seid denn auch eben darum nicht tauglich und fähig, Zeichen zu wirken, aus denen die Menschen ersehen würden, daß ihr wahrhaft Meine Jünger seid! – Warum merket ihr euch denn sowenig nur und denket auch gar sowenig darüber nach?“

8. Sagte abermals Thomas: „Herr, stärke unser Gedächtnis, und wir werden dann auch alles sicher behalten und darüber nachdenken, was wir alles aus Deinem Munde vernehmen!“

9. Sagte darauf Ich: „Das habe Ich ohnehin insoweit getan, als es möglich war, weiter, als es eure Natur verträgt, aber geht das nicht. Wenn aber der Geist über euch kommen wird, dann wird er euch ohnehin in alle Weisheit leiten, und ihr werdet dann hinfort eures irdischen Gedächtnisses nicht mehr bedürfen. Aber der Bildung der Seele wegen ist dem Menschen auch ein irdisches Gedächtnis gegeben, das bei einem recht festen Willen stark genug ist, sich eine zahllose Menge von Worten, Wahrheiten und Taten zu merken; nur wenn ein Mensch über allerlei Dinge und Vorkommnisse ganz gleichgültig hinweggeht, so bleiben sie ihm auch sicher nicht im Gehirne haften, wovon Ich euch den Grund bei Cäsarea Philippi klar und deutlich gezeigt habe. Denket darüber nach, und ihr werdet ihn schon finden!“

10. Auf diese Meine Rede sagte kein Jünger mehr etwas, und Ich redete dann mit dem Hauptmanne, der diese Tage stets anwesend war, so manches, was ihm nun in dieser Zeit so manche Verhältnisse in der Welt aufhellte.

11. Die Jünger aber unterhielten sich in ihrer Art und machten gegenseitig allerlei Betrachtungen. Einige behaupteten, daß Gott in Seiner Macht denn auch beschränkt sein müsse, weil Er Sich bei allem, was Er hervorbringen wolle, auch auf gewisse Bedingungen sowohl der Zeit als auch der Beschaffenheit nach binden müsse, ohne die Er so manches gar nicht effektuieren könnte. Andere sagten wieder, solches tue Gott nicht um Seiner Selbst willen, sondern der Geschöpfe wegen, um ihnen diejenige Konsistenz zu geben, durch welche sie für die Ewigkeit gediegen und beständig werden. Zudem müsse Ihm das eine eigene Seligkeit bereiten, so Er Seine Werke in einer bestimmten Ordnung, die Er Selbst gestellt habe, erst so nach und nach zu Sich emporreifen sehe. Daß aber Gott durch die Allmacht Seines Willens auch momentan etwas bewirken könne, dafür hätte Ich ihnen schon gar sehr viele Beweise geliefert.

12. Da wurden wieder Gegenbemerkungen gemacht, – kurz und gut, es ward dadurch der Glaube selbst bei dem größten Teile Meiner Jünger etwas wankend gemacht, und einige behaupteten, daß Ich etwa doch nicht mehr sei als ein großer Prophet, etwa Moses oder Elias ähnlich, bei denen es an den großartigsten Zeichen auch niemals gemangelt habe. Mit dergleichen Betrachtungen und Vergleichen kam der Abend, und wir begaben uns nach dem Abendmahle wieder zur Ruhe.

146. Kapitel. Johannes.07,02-13: Unzufriedene Jünger ziehen allein nach Jerusalem zum Laubhüttenfest; Jesus folgt heimlich nach.

1. Am Morgen aber kamen schon viele Juden von allen Gegenden, die hinter Kapernaum sich befanden, daher, um zu Schiff übers Meer nach Jerusalem zu ziehen, weil das Laubrüstfest der Juden ganz nahe herbeigekommen war. (Joh.7,2) Es waren auch zu dem Behufe von allen Seiten und Gegenden des Meeres Schiffe hierher gekommen, um die vielen Wallfahrer über das Meer zu befördern.

2. Ich aber ging nach dem Morgenmahle mit allen Jüngern auch hinaus an das Meer, und wir besahen uns die Schiffe und die vielen Wallfahrer.

3. Und es kam bald auch der Hauptmann zu Mir und sagte: „Herr, wie gefallen Dir denn diese vielen blinden Narren? Dorthin gehen sie mit vielen Unkosten und mit vieler Mühe Den suchen, der ihnen hier gar so nahe wäre!“

4. Sagte Ich: „Lassen wir das, es wird schon noch auch für sie die Zeit der Erkenntnis kommen! Aber doch ziehen auch mehrere Meinetwegen hinauf nach Jerusalem, weil sie der Meinung sind, Mich daselbst anzutreffen.“

5. Als die Jünger, die nun auch die altgewohnte Reiselust anwandelte, das von Mir vernahmen, da sagten sie ganz laut zu Mir: „So mache Dich denn auf von dannen nach Jerusalem hin, und gehe dann auch wieder in Judäa umher, auf daß Deine dortigen vielen Jünger auch die Werke sehen, die Du tust. (Joh.7,3) Es tut aber niemand etwas im Verborgenen, von dem er will, daß es vor aller Welt offenbar werde; da Du aber das auch willst und auch danach tust und wirkest, so offenbare Dich nun auch vor der Welt!“ (Joh.7,4)

6. Die Brüder aber redeten nun deshalb also, weil ihr Glaube an Mich ganz schwach geworden war. (Joh.7,5)

7. Da fragt freilich so mancher, wie das bei den vielen Zeichen und Lehren wohl möglich war. Oh, das ist bei jedem Menschen gar leicht möglich! Er darf sich nur irgend ein wenig überheben und sich auf seine Fähigkeiten etwas einzubilden anfangen, und seine Seele befindet sich dann sogleich in einem zweifelhaften Dunkel, aus dem ihr nur irgendeine kleine Demütigung helfen kann.

8. Und das war denn auch hier bei den Brüdern der Fall, aus welchem Grunde Ich ihnen auch keine Rüge gab, sondern nur sagte: „Ihr habt da ganz leicht reden! Meine Zeit ist noch nicht da, – eure Zeit aber ist allewege! (Joh.7,6) Die Welt kann euch nicht hassen, da ihr bis jetzt noch nicht irgend offen wider sie gezeugt habt, daß ihre Werke böse sind; darum habt ihr auch noch allerwege eine freie Zeit und einen gefahrlosen Weg. Mich aber haßt die Welt allewege, weil Ich offen zeuge, daß ihre Werke böse sind.“ (Joh.7,7)

9. „So ihr alle aber schon so festdurstig seid, so gehet ihr allein hinauf auf dieses Fest! Ich aber will noch nicht hinaufgehen auf dieses Fest; denn Meine Zeit ist noch nicht erfüllt.“ (Joh.7,8)

10. Da sahen die Brüder einander an und wußten nicht, wie sie daran waren.

11. Einer sagte: „Gehen wir hinauf! Wegen 4-5 Tagen unseres Ausbleibens wird es nicht aus sein!“

12. Einige wieder meinten, daß Ich so etwas etwa doch übel aufnehmen und unterdessen irgendwohin gehen könnte, wo Ich nicht leicht wieder aufzufinden wäre; denn ihre Absicht war nicht, Mich zu verlassen. Wieder andere meinten, es wäre doch rätlich, hinaufzugehen, da man daselbst bei dieser Gelegenheit vieles vernehmen könnte, was jetzt so die Menschen über Mich redeten. Bei dieser Meinung kamen alle überein und beschlossen, ganz allein zum Feste hinaufzugehen.

13. Es kam aber gerade das Schiff des Simon Juda (Petrus) an, und er trat zu Mir hin und sagte (Petrus): „Herr, so lasse uns denn allein hinaufziehen! In längstens fünf Tagen sind wir wieder hier!“

14. Da sagte Ich: „Ich habe es euch schon gesagt, was ihr zu tun habt, und so ziehet denn alle hinauf!“

15. Als Ich solches zu ihm gesagt hatte, da bestiegen sie alsbald das Schiff und fuhren ab. Ich aber verblieb noch hier in Galiläa. (Joh.7,9)

16. Als aber alle die Brüder schon mehr als den halben Wasserweg hinter sich hatten, da wandelte sie plötzlich eine große Trauer und Reue an, so daß sie wieder umkehren wollten, um Mich um Vergebung zu bitten für die schnöden Reden, mit denen sie Mir entgegengekommen waren.

17. Und Petrus sagte laut: „Herr, Herr, welcher Teufel hat uns denn diesmal gar so verrückt, daß wir Dich verlassen konnten? Oh, lasse Dich nur noch einmal wiederfinden von uns, Du ewiger Sohn und Vater in einer Person, und wir werden Dich nimmer also verlassen!“

18. Johannes und Matthäus weinten und drangen ordentlich auf die Rückfahrt; aber es erhob sich ein starker Wind gerade hinter ihrem Rücken und trieb das Schiff mit großer Schnelle an das obere Ufer hinter Tiberias, wo der Jordan das Meer verläßt. Als sie da ans Land gestiegen waren, fühlten sie sich so verlassen, daß sie kaum den Mut hatten, den Weg nach Jerusalem weiter fortzusetzen.

19. Jakobus aber sagte: „Daß wir alle hoch gefehlt haben, daran liegt gar kein Zweifel; denn der starke Wind, der uns so schnell hierher trieb und sich gerade in dem Augenblick erhob, als wir reuig zu Ihm zurückkehren wollten, war ein sprechender Beweis, daß Er uns für immer von Sich verstoßen hat. Wir dummen und blinden Ochsen wollten Ihm, dem Allweisesten und dem Allmächtigen vorzuschreiben anfangen, was Er tun solle! Oh, wir nun überelenden Toren! Wo ist denn der elendste Satan, der uns also berückt hat? Die elendste Bestie der Bestien trete vor uns, und sie soll erfahren, was das heißt, sich an den Freunden des Herrn zu vergreifen!“

20. Da erschien ihnen plötzlich eine Lichtgestalt und sagte in einem ganz ernsten Tone zu ihnen: „Eure Beschuldigung trifft den verlorenen Sohn ungerecht; denn euer eigener Übermut hat euch das angetan. Darum klaget euch selbst an, ihr Höchstbegnadeten, und lasset den in Ruhe, der diesmal keinen Teil an eurer Dummheit hat!“

21. Darauf verschwand die Gestalt, und die Jünger sagten: „Herr, sei uns armen Sündern gnädig und barmherzig!“

22. Darauf machten sie sich still und ruhig auf den Weg und kamen, schon ziemlich spät am Abend, zu dem schon bekannten Wirt im Tale bei Jerusalem. Als er sie ersah und erkannte, hatte er eine große Freude; aber als er Mich nicht unter den Brüdern fand, ward er sehr bekümmert und fragte die Brüder, warum Ich diesmal nicht mit ihnen gekommen sei.

23. Da sagte Petrus: „Siehe, Freund, wir wollten herauf zu diesem Feste, auf daß uns kein Jude etwas vorhalten könnte also, als wären wir Samariter. Aber der Herr wollte diesmal noch nicht herauf, ließ uns allein ziehen, da unsere Zeit allewege, für Ihn aber die rechte Zeit noch nicht da wäre; und so sind wir nun da. Der Herr Selbst aber blieb in Galiläa zurück, und zwar nicht ferne von Kapernaum, allwo Er uns auch sicher erwarten wird.“

24. Sagte der Wirt: „Das glaube ich kaum; denn Er ist wahrhaft ewig unerforschlich in Seinen geheimen Ratschlüssen! Übermorgen ist der große Sabbat; wer weiß es, ob Er nicht noch eher in den Tempel kommt, als wir seine Vorhöfe betreten werden!“

25. Sagte Petrus: „Bei Gott sind wohl alle Dinge möglich, aber das glaube wieder ich kaum! Aber nun vor allem, lieber Freund, – können wir heute eine Herberge bei dir haben?“

26. Sagte der Wirt: „O allerdings; denn bei mir gibt es noch Raum zur Genüge! Aus der größten Liebe und Achtung zu eurem und auch meinem Meister und Herrn gebe ich euch alles unentgeltlich, solange ihr immer bei mir bleiben wollet!“

27. Darauf ward sogleich für ein gutes Abendmahl gesorgt; aber es hatte keiner der Brüder besondere Lust zum Essen und Trinken; denn ihnen ging noch immer ihr Benehmen vor Mir zu Kapernaum wie glühende Gewissensbisse in ihrem Herzen herum.

28. Nach dem Mahle erzählten sie dem Wirte viel von Meinen Reisen und blieben also beinahe die ganze Nacht wach; und es wurde ihnen auch leichter, so sie von Mir redeten. Erst gegen Morgen schliefen sie ein und wurden bald wach. Diesen Tag brachten sie zur Hälfte noch bei dem Wirte zu, die andere Hälfte aber in Bethania bei Lazarus, dem Ich auch gar sehr abging; aber die vielen Erzählungen über Meine Taten und Lehren bei Meinen Reisen in Großgaliläa ersetzten in etwas Meine Gegenwart.

29. Als aber, wie nun gezeigt ward, Meine Brüder hinauf zum Feste gezogen waren, da machte auch Ich Mich um einen Tag später auf den Weg nach Jerusalem, sagte aber niemandem, wohin Ich gehe, obwohl Mich der Wirt und der Hauptmann sehr darum fragten; denn Ich Selbst wollte es nicht ruchbar werden lassen, daß auch Ich ganz heimlich nach Jerusalem zum Feste zöge. (Joh.7,10) Ich ging aber denn auch ganz allein abseitigen Weges dahin und benötigte – wie leicht begreiflich – nur eine ganz kurze Zeit zu dieser Reise.

30. Am Tage des Festes aber, als alle Meine Jünger und Brüder sich schon sehr früh morgens auf dem Platze des Tempels eingefunden hatten und von den Mich wohl kennenden Juden bemerkt wurden, da dachten eben die Juden: ,Aha, das sind ja die Jünger des Nazaräers! Da wird Er Selbst wohl auch dahier sein!‘

31. Und sie suchten Mich darum kreuz und quer und fragten auch einen und den andern Jünger, wo denn Ich wäre. (Joh.7,11)

32. Und die Jünger sagten: „Diesmal wissen wir nicht, wo Er ist; denn wir gingen allein auf dieses Fest, und Er blieb irgendwo in Galiläa.“

33. Da aber entstand ein großes Gemurmel unter den Juden, und es kamen da sehr verschiedene Meinungen und Anforderungen auf Meine Person zum Vorschein.

34. Viele sagten: „Dieser Mensch ist höchst fromm, und Gott hat ihm alle Gaben der Propheten verliehen wie einst Moses, und dieser allein ist geeignet, uns vom Joche der Heiden zu erlösen!“

35. Andere wieder sagten: „Wenn er das wäre, so brauchte er sich nicht vor den Pharisäern und Schriftgelehrten zu fürchten und wäre zu diesem Feste gekommen und hätte uns einmal klar gezeigt, was er eigentlich will! Aber er ist bekanntlich mehr ein Freund der Römer und Griechen und kann daher bei uns Juden keinen besonderen Anhang finden.“

36. Und noch andere traten hinzu und sagten – aber freilich nicht gar zu laut –: „Ei was, er ist nichts als ein verkappter Essäer, ist mit allen Zauberkünsten ausgerüstet und verführt fein und sauber das Volk!“

37. Doch niemand getraute sich, gar zu offen eine Äußerung wider Mich laut werden zu lassen, und das aus Furcht vor jenen vielen Juden, die da fest an Mich glaubten und auf Mich hofften. (Joh.7,13)

38. Aber mitten durch das tolle Gewühl des Festes und durch das berauschte und unsinnige Volk ging Ich, von niemandem erkannt und bemerkt, hinauf in den Tempel.

147. Kapitel. Johannes.07,14-36: Jesus im Tempel. Der mißglückte Anschlag der Templer.

1. Als Ich Mich im Tempel auf eine Ausruferbank stellte, da gebot Ich Ruhe, und die Juden erkannten Mich und fragten geheim einander, wie Ich nun auf einmal auf das Fest gekommen sei, da doch Meine um Mich befragten Jünger nichts von Mir wußten. Aber Ich fing an, dem Volke das leichtverständliche, aber sehr vielsagende vierte und fünfte Kapitel des Propheten Jesaja erstens von Wort zu Wort vorzutragen, und gab dann zweitens dazu eine scharf markierte und wohlverständliche Erklärung, die ganz in diese Zeit und für die halsstarrigen und hochmütigen Juden auf ein Haar paßte. (Joh.7,14)

2. Da wunderten sich die Juden und sagten: „Wie kennt denn dieser doch die Schrift so gut, da er sie unseres Wissens ja nie gelernt hat? (Joh.7,15) Seine Lehre ist demnach keine falsche Lehre, da sie ja doch ganz nach der Schrift geht.“

3. Ich aber antwortete ihnen und sagte: „Diese Lehre nach der Schrift, die ihr Meine Lehre nennet, ist nicht Mein, sondern Dessen, der Mich gesandt hat! (Joh.7,16) So jemand diese Lehre beachten und nach dem darin ausgesprochenen Willen Gottes tun will, der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott ist, oder ob Ich darin von Mir selber rede! (Joh.7,17) Wer von sich selbst redet, der sucht auch sicher nur seine eigene Ehre; wer aber gleich Mir nur allein sucht die Ehre dessen, der ihn gesandt hat, der ist wahrhaftig, und es ist keine Ungerechtigkeit an ihm!“ (Joh.7,18)

4. Da fingen einige Pharisäer an zu murren und sagten untereinander: „Jetzt wäre es ganz an der Zeit, diesen Menschen zu ergreifen und zu töten, und man brauchte ihn dann nicht mehr mit großen Unkosten in aller Welt umher suchen zu lassen, wo er sich leicht irgendwo versteckt; denn er lehrt ja offenbar wider uns und macht uns aller Schändlichkeiten vor dem Volke verdächtig. Daher nur frischen Mut gefaßt, und nieder mit ihm!“

5. Ich aber merkte wohl solch ihren Rat und sagte zu ihnen: „Hat euch nicht Moses das Gesetz gegeben? Ihr saget wohl: ,Ja!‘; warum tut denn von euch nun niemand mehr nach dem Gesetze?“

6. Und die Juden murrten und sagten: „Wie kannst du sagen, daß wir Mosis Gesetze nicht hielten?“

7. Darauf erst sagte Ich: „Nun gut, – wenn ihr Mosis Gesetz haltet, warum suchet ihr Mich denn zu töten?“ (Joh.7,19)

8. Da sprach das Volk: „Hast du denn den Teufel? Wer sucht dich denn zu töten?“ (Joh.7,20)

9. Sagte Ich ganz voll Ernstes: „Ihr nicht, aber jene dort, die auf den hohen Stühlen sitzen! Sehet, ein einziges Werk habe Ich getan vor etlichen Monden hier an dem achtunddreißig Jahre lang krank Gewesenen, und das hat euch alle ärgerlich wundergenommen! Man verdammte Mich als einen Sabbatschänder. (Joh.7,21)

10. Moses hat euch gegeben, das Werk der Beschneidung zu verrichten – nicht, als käme sie von ihm, sondern von den Erzvätern –, und ihr beschneidet den Menschen auch am Sabbat noch heutzutage. (Joh.7,22) So ihr aber den Menschen beschneidet auch am Sabbat ohne Furcht, daß dadurch das Gesetz Mosis gebrochen werde, – warum zürnet ihr denn über Mich, daß Ich einen ganzen Menschen am Sabbat gesund gemacht habe?! (Joh.7,23) Ich sage es euch: So ihr aber schon durchaus richten wollet, so richtet nicht nach dem leeren Anscheine, sondern richtet ein gerechtes Gericht nach der vollen Wahrheit!“ (Joh.7,24)

11. Da sprachen unter sich etliche vornehme Jerusalemer: „Ist das nicht der, den die hohen Pharisäer zu Ostern zu töten suchten? (Joh.7,25) Und sehet, er redet nun ganz frei, und sie sitzen dort ganz ruhig und sagen ihm nicht eine Silbe entgegen! Erkennen denn unsere Obersten nun ganz sicher, daß er ganz gewiß Christus ist? (Joh.7,26) Doch das kann ja wohl nicht so sein; denn wir wissen ja alle, von woher dieser ist. Wenn aber Christus kommen wird, so wird niemand wissen, von woher Er gekommen ist!“ (Joh.7,27)

12. Da rief Ich laut auf im Tempel und lehrte also weiter: „Ja, ihr kennet Meine Person wohl und wisset auch wohl, von woher Ich bin; aber das wisset ihr nicht, daß Ich als ein Mensch nun nicht von Mir Selber gekommen bin, sondern es ist ein Wahrhaftiger, der Mich gesandt hat, und Den kennet ihr nicht, und so wisset ihr auch nicht, von woher Ich so ganz eigentlich bin. (Joh.7,28) Ich aber kenne Den wohl, der Mich in diese Welt gesandt hat. (Joh.7,29) Weil ihr aber Den nicht kennet, so kennet ihr auch Mich nicht! – Habt ihr Mich verstanden?“

13. Diese Meine Rede erfüllte die stolzen Jerusalemer mit Ärger, und sie suchten, wie sie Mich ergreifen und dafür züchtigen könnten; aber da Meine Zeit noch nicht da war, so vermochte niemand, seine Hand an Mich zu legen. (Joh.7,30)

14. Das Volk aber glaubte vielfach an Mich und sagte unter sich: „He, wenn Christus kommen wird, wird Er wohl mehr und größere Zeichen tun, als Dieser da tut?“ (Joh.7,31)

15. Es kam aber bald vor die hohen Pharisäer, daß das Volk unter sich solches von Mir murmelte.

16. Da schrien sie (die Pharisäer): „Seht, wie der uns das Volk verführt!“

17. Da sandten sie gleich ihre Knechte aus, daß sie Mich ergreifen und mit Stricken binden sollten. (Joh.7,32)

18. Sagte Ich zu ihnen: „Lasset das jetzt nur noch gut sein! Ich bleibe ohnehin nur noch eine ganz kurze Zeit bei euch, und dann gehe Ich hin zu Dem, der Mich in diese Welt gesandt hat. (Joh.7,33) Ihr werdet Mich dann suchen und wahrlich nicht finden! Und wohin Ich gehe, da könnet ihr Mir nicht nachkommen.“ (Joh.7,34)

19. Da hielten die Knechte inne, und es legte keiner die Hand an Mich.

20. Aber die Juden murmelten untereinander: „Wohin will er denn gehen, daß wir ihn nicht finden sollen? Will er vielleicht unter die Griechen gehen, die hin und her zerstreut liegen, und sie lehren? (Joh.7,35) Was ist das für eine sonderbare Rede, daß er sagt: ,Ihr werdet mich suchen und nicht finden!‘ und ,Wo ich bin, dahin könnet ihr nicht kommen!‘ (Joh.7,36) Ah, der Mensch redet ja ganz verwirrt! Er fürchtet sich sicher vor den Hohenpriestern und redet also, auf daß die ihn nicht aufgreifen lassen möchten.“

21. Da sagte Ich: „Bevor nicht Meine Zeit da ist, wird Mich niemand aufzugreifen vermögen!“

22. Da schrien einige Juden, Schriftgelehrte und Pharisäer: „Das werden wir gleich sehen, ob wir nicht imstande sind, dich eben jetzt aufzugreifen!“

23. Darauf drängten sie sich auf Mich zu; aber als sie Mich ergreifen wollten, da verschwand Ich plötzlich aus dem Tempel, und die Juden und die Pharisäer sahen einander groß an und sagten: „Wohin ist er denn so plötzlich verschwunden? Das ist ein offenbarstes Wunder!“

24. Die Pharisäer aber sagten voll Ärger: „Was Wunder, was Wunder, – habt ihr denn nicht bemerkt, wie ihn der Beelzebub hinausriß, als er in der Gefahr stand?! Den können wir nun freilich lange suchen und werden ihn doch nicht finden, so er irgend in einem Winkel der Hölle versteckt ist!“

25. Auf diese Rede aber entstand ein gewaltiges Murren unter jenen vielen Juden, die an Mich glaubten, und es ließen sich ganz gewaltige Stimmen also vernehmen: „Diese elenden Pharisäer sehen ja wahrlich den Wald vor lauter Bäumen nicht! Sie selbst sind die allerärgsten Beelzebubs und stecken mit Haut und Haaren mitten in der Hölle; um ihre grobe Verworfenheit vor dem blinden Volke zu beschönigen, sagen sie aber, dieser augenscheinlichst mit aller göttlichen Macht ausgerüstete Mann Gottes sei des Beelzebub Knecht. Oh, wartet, ihr wahren Beelzebubs! Wir werden euch eure Scheinheiligkeit schon noch ganz geziemend austreiben! Wir werden euch eure Larve herabreißen, auf daß ihr dann der Wahrheit nach als das dastehen werdet, was ihr seid! Na wartet nur, ihr schwarzen und grauen Bösewichte, es wird für euch der zahlende Tag nicht lange auf sich warten lassen!“

26. Als das Volk solche seine Gedanken ziemlich laut werden ließ, da war bald kein Pharisäer mehr im Tempel sichtbar, und die Knechte, die Mich hätten ergreifen sollen, waren auch auf einmal unsichtbar geworden. Daheim hatten sie freilich eine große Not mit den Pharisäern, weil sie sich rechtfertigen sollten, warum sie Mich nicht alsogleich ergriffen hätten.

27. Aber die Knechte sagten: „Oh, warum habt denn ihr selbst nicht eure Hände an ihn gelegt oder uns wenigstens angetrieben, als wir wie gelähmt zauderten?“

28. Sagte ein hoher Pharisäer: „Geziemt sich denn so etwas für uns an einem Sabbat?“

29. Die Knechte aber sagten: „Auch wir sind Juden und müssen gleich euch den Sabbat heiligen!“

30. Da sagte der Pharisäer: „Nun gut! So ihr ihn treffet morgen oder übermorgen, wenn kein Sabbat ist, sondern bloß zwei heitere Festtage, dann ergreifet ihn und bringet ihn alsogleich zu uns!“

31. Sagten die Knechte: „O ja, das können wir schon tun; wenn nur das große Volk nichts dagegen haben wird!“

32. Sagte der Pharisäer: „Wer wird da auf das Volk sehen, das schon lange verflucht ist?“

33. Sagte ein Knecht: „Ja, verflucht hin oder verflucht her, – wenn aber das verfluchte Volk dann uns und euch ganz sicher dafür steinigt, was dann?! Heute schon hat dazu eben nicht gar zuviel gefehlt! Wenn wir alle nicht gar so behende den Tempel verlassen hätten, so wäre es uns eben nicht am besten ergangen! Das verfluchte Volk hätte uns sicher unseren ihnen erteilten Fluch mit wahren Wucherprozenten zurückerstattet! Was aber heute noch nicht geschehen ist, das kann ganz leicht morgen oder übermorgen geschehen. Wir aber meinen, man sollte den Menschen gehen lassen! Denn ist er ein Prophet, von Gott aus an uns gesandt, so werden wir mit aller unserer Macht nichts wider ihn ausrichten; ist er aber keiner, so wird sich die Sache von selbst wieder zerschlagen.“

34. Sagte der Pharisäer: „Ihr wisset nichts und redet also! Steht es denn nicht geschrieben, daß aus Galiläa, wohin nur die Übeltäter verbannt werden, nie ein Prophet ersteht?!“

35. Sagte ein Knecht: „Das ist wohl wahr; aber soviel wir von anderen Menschen erfahren haben – was auch unsere Beschneidungsbücher dartun – so ist er kein Galiläer, sondern er ist aus Bethlehem gebürtig, und das ist ja eben die alte Stadt Davids, in der dieser seine Weissagungen niederschrieb. Zudem ist es aber auch noch bekannt, daß der Prophet Jesajas sehr vielfach und langehin in Galiläa zubrachte, wie im gleichen der Prophet Jeremias, – und doch waren das wohl die größten Propheten!“

36. Da sagte der Pharisäer: „Seid denn auch ihr schon des Teufels?! Wer sagte euch dieses?“

37. Sagten alle Knechte: „Ihr selbst erst unlängst bei einer Rede über die Propheten, wo ihr dem Volke erzähltet, wer die Propheten waren, wie und wo sie geboren wurden, und wo sie sich aufhielten und gewirkt haben! Dürfen wir also auch das uns nicht mehr merken, was ihr selbst vorprediget?“

38. Darauf ward der Pharisäer sehr verlegen, sagte weiter nichts mehr und zog sich zurück. Die Knechte aber gingen auch und lachten sich heimlich in die Faust, daß es ihnen gelungen war, die hohen und mächtigen Pharisäer auch einmal ins Bockshorn zu treiben.

148. Kapitel. Jesu Einkehr bei Lazarus in Bethania.

1. Ich Selbst aber kam außerhalb des Tempels in einer ganz abgelegenen Herberge mit Meinen Brüdern und Jüngern zusammen. Es war das dieselbe Herberge, in der Ich an den Festen oftmals mit Joseph und Maria und mit den Brüdern übernachtete. Die Freude der Brüder, als Ich zu ihnen kam, war natürlich eine unbeschreiblich große, da sie alle ganz traurig beisammensaßen und unter sich darüber Meinungen austauschten, ob Ich Mich ihrer je wieder erbarmen und sie annehmen würde.

2. Ich aber fragte sie und sagte zu ihnen: „Kinder, Freunde und Brüder, habt ihr etwas zu essen, zu trinken?“

3. Da fielen Mir alle zu Füßen und baten Mich um Vergebung. Ich aber hieß sie, sich sogleich vom Boden zu erheben und ganz offen mit Mir zu reden, da sie wohl wüßten, daß Ich einer offenen Rede nie gram bin. Da erhoben sich die Brüder und dankten Mir, daß Ich sie nicht verlassen habe.

4. Als Ich aber mit den Brüdern also redete, da kamen eilig auch die zwanzig Judgriechen. Und als sie Mich ersahen, da sagten sie: „Herr, Du bist uns zuvorgekommen! Wir waren im Tempel und haben alles gehört, was Du allerweisest gelehrt hast; als Du aber ob der entsetzlichen Ungezogenheit der Juden und Pharisäer auf einmal unsichtbar wurdest, da eilten denn auch wir, so gut es bei dem großen Gedränge nur immer gehen konnte, aus dem Tempel und wollten soeben den Brüdern die Nachricht von Deiner Gegenwart bringen, was sie sicher im höchsten Grade erfreut hätte, – und siehe, wir treffen Dich schon hier! Ja, das ist für die Brüder freilich wohl noch ums unaussprechliche erfreulicher, und wir sind auch über alle Maßen froh, Dich, o Herr, wieder unter uns zu haben! Von nun an geschieht sicher keine solche Trennung mehr!“

5. Sagte Ich: „Oh, es werden noch Zeiten und Umstände kommen, wo ihr euch alle an Mir ärgern werdet, und wenn der Hirte geschlagen wird, da werden die Schafe fliehen und sich zerstreuen! Aber so der Hirte dann wiederkommen wird, so wird Er die guten Schafe abermals um Sich versammeln auf immer. Nun, die Pharisäer wären heute gar übel zuteile gekommen, wenn Ich nicht so eilig aus dem Tempel entwichen wäre; denn die Zahl derer, die an Mich glauben, war bei weitem die stärkste im Tempel, und so jemand die Hand an Mich gelegt hätte, so wäre im Tempel ein großer Tumult entstanden, und die großen Jerusalemer samt den Pharisäern, Schriftgelehrten und Tempeljuden wären dabei gar übel bedient worden. Um das zu vermeiden, verließ Ich denn auch den Tempel und bin nun da.

6. Den morgigen Tag tun wir nichts und heute auch nichts mehr; aber übermorgen, an welchem Tage bekanntlich dieses Fest mit dem größten Pomp begangen wird, da werden auch wir uns im Tempel einfinden und das Volk lehren. Jetzt aber verlassen wir diese Herberge, die zu streng und zu dumm nach dem altjüdischen Gebrauche eingerichtet ist; denn da bekommen wir vor dem Untergange weder etwas zu trinken – und noch weniger etwas zu essen. Machen wir uns darum auf und gehen nach Bethania; dort werden wir gleich etwas zu essen und zu trinken bekommen!“

7. Das war allen sehr recht; aber da kam der Wirt der Herberge uns entgegen und sagte: „Ja, was ist denn das?! Ist denn meine Herberge nicht gut genug für euch? Warum wollt ihr mich denn verlassen, und gar du, Sohn Josephs aus Nazareth, der du mit deinen Eltern doch schon so oft hier in der Herberge warst und ich mit Joseph sogar sehr nahe verwandt bin?“

8. Sagte Ich: „Du bist Mir fürs erste zu viel Jude und hältst auf alles Äußere große Stücke, – aber das Innere, Wahre und Lebendige ist dir fremd; dazu aber kommt noch, daß man überall stets besser aufgenommen ist als im Hause der nächsten Blutsverwandten, aus welchem Grunde Ich Mich auch nur höchst selten in Nazareth sehen lasse, – denn der Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterlande!“

9. Sagte der Wirt: „Aber dein Vater Joseph war doch stets gerne bei mir, und wir haben stets vieles von Moses und all den andern Propheten miteinander beredet, und er hat mir auch stets ganz sonderbare Dinge von dir erzählt! Warum willst denn nun du gar so durchaus nicht in meinem Hause verbleiben, wo du jetzt ohnehin schon beinahe drei volle Jahre nicht in Jerusalem warst?!“

10. Sagte Ich: „Hättest du dich nur irgend erkundigt, dann wärest du wohl zur Kenntnis gekommen, daß Ich beinahe noch an jedem Feste hier war! Aber du bist ein Erzjude und dabei doch auch ein Erzwirt, und als solchem geht es dich auch nichts an, was da irgend in der Stadt Großes geschieht! Darum bleibe du nur, wie und was du bist, und Ich und diese Meine Jünger werden auch bleiben, wie und was wir sind! Schuldig sind wir dir noch nichts, weil wir noch nichts verzehrt haben; und wir gehen darum!“

11. Darauf erhoben wir uns und gingen schnell von dannen und zogen nach Bethania hin.

12. Hinterdrein aber sagte der Wirt zu seinen Leuten: „Bin wohl recht froh, daß die abgezogen sind; denn bei den Verwandten schaut für einen Wirt stets sehr wenig Nutzen heraus!“

13. Ich aber sagte solches den Jüngern, und sie wurden ganz ärgerlich auf diesen Augendiener von einem Wirte.

14. Vor Bethania aber sagte Ich zu den Brüdern: „Gehet nun ein wenig voraus und saget es dem Lazarus, daß er ein gutes Mittagsmahl richten möge; aber Meinen Namen nennet ihm noch nicht! Ich werde aber dann kommen, woran er eine übergroße Freude haben wird.“

15. Da gingen die Brüder mit den anderen zwanzig Jüngern schnell voraus und sagten das zu Lazarus.

16. Dieser aber fragte gleich nach mir und sagte (Lazarus): „Ja, meine lieben Freunde, das wird sogleich geschehen nach eurem Wunsche; aber ich gäbe etwas darum, wenn auch der große, heilige Meister bei euch wäre! Es gingen vor einer halben Stunde ein paar Griechen hier vorüber, und ich fragte sie, was es irgend auf dem Feste Neues gäbe. Denn ich blieb nur eine Stunde in Jerusalem und eilte dann ob des mir höchst ärgerlichen tollen Festtreibens nach Hause und konnte dann auch nicht von dem in Kenntnis sein, was sich irgend Weiteres zugetragen hat.

17. Da sagten die Griechen: ,Wir haben vernommen, daß der berühmte Magier aus Galiläa im Tempel sein Wesen treibe; aber wir sahen ihn nicht, weil wir vor lauter Gedränge nicht hineinkommen konnten.‘ Nun, das sagten mir die zwei Griechen. Ich habe darauf sogleich etliche meiner Knechte entsandt, daß sie sich darum näher erkundigen und mir sogleich die Nachricht bringen sollen, auf daß ich dann hingehen, Ihn aufsuchen und Ihn als den allergeliebtesten Gast zu mir einladen könnte; aber die ausgesandten Knechte sind noch nicht zurückgekehrt. – Saget es mir, ihr lieben Freunde, ob ihr nicht auch so etwas in der Stadt vernommen habt!“

18. Diese Frage setzte die Jünger in eine nicht geringe Verlegenheit, und sie wußten nicht, was sie darauf für eine Antwort geben sollten. Aber da machte Ich ihrer kurzen Verlegenheit ein Ende, indem Ich im selben Moment in das Zimmer des Lazarus trat und ihn als einen Bruder grüßte. Da war es mit dem Lazarus aus vor Freude, und seine beiden Schwestern weinten vor Seligkeit, daß nur Ich einmal wieder gekommen sei. Kurz, es war das eine Freude nun im ganzen Hause des Lazarus, wie eine ähnliche noch nicht erlebt ward.

19. Sogleich ward alles ins Werk gesetzt, um uns ein allerbestes und glänzendstes Mahl zu bereiten. Davon durfte freilich ein echter Jude und Pharisäer nichts erfahren, weil so etwas vor dem Untergange der Sonne den hohen Festsabbat im höchsten Grade geschändet hätte. Aber an diesem Sabbat hatten alle Pharisäer im Tempel viel zuviel zu tun und ihre Diener ebenfalls, und so konnte in Bethania schon so manches geschehen, wovon der Tempel nie eine Kunde erhielt. Während der Bereitung des Mahles aber gingen wir hinaus auf den schon bekannten Hügel, lagerten uns unter den schattigen Palmen auf den Rasenbänken, und Ich erzählte dem Lazarus, wie es Mir nun im Tempel ergangen war.

20. Da schrieben dann auch Johannes und Matthäus das Evangelium nieder, aber freilich nur die Hauptpunkte mit Hinweglassung der meisten Nebenumstände.

21. Und als Lazarus von Mir das vierte und fünfte Kapitel des Propheten Jesajas erklärt vernahm, da sagte er: „Ja, Herr, das paßt aber schon so haarklein auf die jetzige Zeit und auf ihre Menschen, daß es auch nicht irgendeinen noch so kleinen Punkt gibt, von dem man sagen könnte, daß er nicht gar so genau hierher taugete! Ja, da ist es denn wohl sehr begreiflich, daß die Templer es auf Dich scharf abgesehen haben! Oh, diese Lektion war ihnen sehr heilsam; denn diese Kerle tun ja jetzt schon gerade also, als ob sie gleich schon die Götter und Engel selbst wären!“

149. Kapitel. Eine Voraussage Jesu über unsere jetzige Zeit. Die Notwendigkeit göttlicher Offenbarungen.

1. Sagte Ich: „Freund, wie es jetzt steht, also wird es in nahe 2000 Jahren nach uns wieder stehen, und der Anfang dazu wird schon um vieles früher dasein! Hier ist das Judentum nun um vieles ärger denn das Heidentum – denn bei den Heiden gilt doch noch die Vernunft etwas, während sie bei den Juden mit Füßen getreten wird –; in jener Zeit aber wird Meine Lehre, also das Christentum, ärger sein als jetzt das Judentum und Heidentum zusammen. Da wird dann sein eine große Drangsal unter den Menschen.

2. Das Licht des wahren, lebendigen Glaubens wird erlöschen und die Liebe völlig erkalten. Der Hochmut der wohlhabenden Menschen wird alle Grenzen übersteigen, und die Herrscher und Priester werden sich für um vieles höher halten als nun die Juden ihren ungekannten Jehova und die Heiden ihren Zeus.

3. Aber Ich werde dann auch von Zeit zu Zeit Männer und Mägde erwecken und ihnen geben das rechte Licht, und dieses Licht wird stets größer und mächtiger werden und am Ende verschlingen alle Werke der großen Hure Babels. Also wundert euch nicht, daß es nun also ist; denn es war schon oft also und ärger noch, und es wird dereinst noch ärger werden.

4. Die Welt wird allzeit Welt bleiben; aber Ich werde dennoch die Meinen stets führen und über die Welt Mein Gericht ausbrechen lassen, wenn sie derart arg geworden ist, daß neben ihrem Tun und Treiben kein Fünklein des wahren Lebenslichtes aus Gott mehr bestehen könnte.

5. Jetzt war es einmal bis auf einen solchen Punkt gelangt, daß im ganzen Judenlande ohne Johannes und ohne Mich jeder Funke der wahren Gotteserkenntnis erstickt worden wäre, und es war daher notwendig, daß Ich Selbst als ein Mensch in diese Welt kam, um allen Menschen, die noch eines guten Willens sind, das verlorene Licht des Lebens wiederzubringen und ihnen von neuem zu zeigen die Wege zur wahren Gotteserkenntnis. Es wird freilich wohl noch so manchen Kampf geben zwischen Meinen Kindern und den Kindern der Welt, weil die Zahl der Meinen auf der Erde stets kleiner sein wird als die Zahl der Kinder der Welt; aber am Ende werden doch die Meinen siegen über alle Welt, und diese wird ihnen nichts mehr anhaben können. Denn mag euch nun alle Materie noch so hart und unzerstörbar dünken, so wird sie endlich doch der Macht des Geistes weichen müssen.

6. Gott aber ist allein der Herr über alles und weiß es am besten, was, wie und warum Er eines und das andere zuläßt, anordnet, danebst das rechte Licht unter den Menschen ausgießt und dasselbe mit allem Ernste unter Seinen Kindern erhält, daß dann niemand sagen kann: ,So es einen allweisen Gott, der alles, was da den endlosen Raum erfüllt, erschaffen hat, gäbe, so müßte Er ja doch so viel Einsicht, mit Liebe vereint, haben, daß Er Sich Seinen vernünftigen und denkenden Geschöpfen, wie es die Menschen sind, wenigstens insoweit offenbarte und zeigte, daß sie daraus entnähmen, daß Er der wahre Grund aller Dinge ist, und was die Menschen von Ihm zu erwarten haben, und wie sie leben sollen, daß solche Erwartung an ihnen realisiert wird!‘

7. Würde Gott Sich den Menschen gar nie und auf gar keine Weise offenbaren, so hätten die Menschen auch ganz vollkommen das Recht, an gar keinen Gott zu glauben und jeden Menschen, der da aus sich sagte, daß es dennoch einen Gott oder auch mehrere unsichtbare Götter gäbe, niederzuschlagen und zu sagen: ,Was geht uns dein dummer Phantasiegott an?! Wenn er einer ist, so zeige er sich und gebe uns kund, was er mit uns will! Tut er das nicht, so besteht er in Wahrheit auch nirgends sonst als nur in der faulen Phantasie eines hirnverbrannten Faulenzers!

8. Ein sich seiner selbst voll bewußter Gott als Zentralpunkt aller Weisheit und Macht würde auf die Menschen als seine vollendetsten Werke doch insoweit eine vernunftgemäße Rücksicht genommen haben, daß er sich ihnen irgendwann selbst geoffenbart und ihnen gezeigt hätte, warum sie da sind, und was er mit ihnen irgend Weiteres vorhat. Ist aber das nicht der Fall, und kann er der vollsten Wahrheit nach schon einmal oder auch mehrere Male als daseiend nicht erwiesen werden, so ist er auch nicht, und wer immer von einem Dasein Gottes etwas redet und schreibt, verdient allerschärfst gezüchtigt zu werden.

9. Denn es genügt, daß der mit aller Vernunft und Einsicht begabte und seiner selbst nur zu klar bewußte Mensch alle die empörendsten Lasten des von ihm unverschuldeten Lebens tragen muß, geschweige, daß er sich für nichts und wieder nichts von einem nirgends seienden Gotte irgend harte und aller Natur widerstrebende Gesetze vorschreiben lassen soll; denn ein Gott, der sich nicht anders als durch die Zunge eines hirnverbrannten und arbeitsscheuen Narren uns Menschen offenbaren kann und will, ist entweder gar nichts anderes als ein Hirngespinst eines solchen bezeichneten Narren, oder er ist bloß irgendeine rohe, dumme und blinde Kraft, die nur so viel Selbstbewußtsein und Verstand besitzt, daß sie sich ohne Schande des Ausgelachtwerdens eben nur wieder einem sehr dummen, nichts wissenden und nichts verstehenden, leichtgläubigen Narren ganz verstohlen und geheim zu offenbaren getraut.‘

10. Sehet, diese Schlüsse der Gottheit gegenüber zu machen wäre jeder vernünftige Mensch berechtigt, wenn die Gottheit sich nie und nicht anders den Menschen zeigen und offenbaren würde als nur auf dem Wege des faulen und nichtswürdigen Priestertums!

11. Aber gehen wir zurück bis auf Adam hin, und wir werden gar viele kurz aufeinanderfolgende Zeitepochen finden, in denen sich Gott vor tausendmal tausend Menschen sicher auf eine denkwürdigste Weise geoffenbart und ihnen Seinen Willen samt Seiner weisesten Absicht mit den Menschen kundgetan hat; aber weil der Mensch ohne Belassung seines freiesten Willens gar kein Mensch wäre, so tat er auch mit dem göttlichen Worte nicht um ein Haar anders als mit dem Worte eines Menschen.

12. Ein kleiner Teil achtete eine Zeitlang noch darauf; aber der größte Teil vergaß dessen bald und ganz und hielt am Ende alles für eitle Erfindung und Faselei der Menschen, genoß die Weltfreuden in vollsten Zügen und hielt die Weisen für Toren und Schwärmer, die wegen eines höchst unsicheren und unerweisbaren jenseitigen Himmelreiches das wahre Himmelreich dieser Welt mit ihren Füßen treten.

13. Durch solche Ansichten ging der Glaube an einen wahren Gott dann einerseits ganz sicher verloren, und das um so mehr, weil anderseits der faule Priesterstand durch seine selbstsüchtigste Verfälschung des geoffenbarten Wortes Gottes die nüchternen und reif denkenden Menschen mit der Zeit denn doch darauf hatte aufmerksam machen müssen, daß ihnen mit solch einem geoffenbarten Willen Gottes noch dümmer zumute sein müßte als dem dümmsten Menschen auf Erden. Die Lehren waren lauter höchst unverständliche Geheimnisse, die aber von der ganz blinden Menschheit dennoch als heilig gehalten wurden, die sich selbst für höchst unwürdig hielt, solche hohen, tiefen und heiligsten Geheimnisse je zu verstehen.

14. Oder ist es heutzutage anders? Geht nicht das dumme, blinde Volk in den Tempel und betet die Schrift an? Aber was darin steht, von dem weiß es wenig oder nichts und hat auch kein Bedürfnis danach, da es sich schon damit vollkommen zufriedenstellt, daß solches der geweihte Priester Gottes versteht und der gemeine Mensch nichts anderes braucht, als was der Priester ihm sagt, und daß er das tut, was der Priester will; denn der Priester weiß schon ganz sicher warum.

15. Wenn es aber von seiten der Menschheit mit dem geoffenbarten Worte und Willen Gottes allzeit also geht, was Wunder, daß die Menschen schon in hundert Jahren nach einer noch so großartigen Offenbarung der Wahrheit kaum mehr wissen und glauben als die schlafenden Kinder von dem, was sie im wachen Zustande gemacht und getan haben?! Gott aber läßt dennoch nie ab, Sich den Menschen auf die mannigfachste Art also zu offenbaren, daß der Mensch bei nur einigem Nachdenken bald finden kann, daß es da nicht mit natürlichen Dingen zugegangen ist.“

150. Kapitel. Echte und falsche Propheten und Offenbarungen.

1. (Der Herr:) „In größerem Maße offenbart Sich Gott durch den Mund völlig geweckter Propheten. Solche Propheten sind für den geweckteren Menschen allzeit sehr kenntlich, – erstens durch ihr geschriebenes und gesprochenes Wort, zweitens durch so manche Wundertätigkeitsbeigaben, zum Beispiel daß sie im Notfalle den Menschen zukünftige Dinge zum voraus verkünden, so daß sich die Menschen danach kehren und bessern können und Gott bitten mögen, daß Er das angekündigte Unheil von ihnen abwenden wolle, wie das zu Ninive der Fall war. Drittens können solche rechten, von Gottes Willen erweckte Propheten auch Kranke heilen durch ihr Gebet und durch die Auflegung ihrer Hände, wenn dem Kranken seine Wiedergenesung zum Seelenheile gereicht. Und viertens können sie aber auch im Vereine mit dem Willen Gottes ein Strafgericht über die unverbesserliche Menschheit verhängen, wie, im Gegenteil, auch ein Volk segnen.

2. Durch solche und mehrere andere Eigenschaften wohl gekennzeichnet, sind die rechten Propheten, als von Gott erweckt, von den falschen sehr leicht zu unterscheiden, und ganz besonders leicht noch dadurch, daß sie als rechte Propheten stets voll Demut und Nächstenliebe sind, während die falschen Propheten in allerlei verbrämten und noch durch anderartige Dinge bezeichneten Kleidern einhergehen, voll Hochmutes sind und voll der schreiendsten Selbstsucht, sich nur an gewissen geheiligten Stellen sehen lassen, wenig reden, und das sehr dumm und unsinnig, und zu gewissen Zeiten allerlei falsche Wunder durch ganz geheimgehaltene natürliche Mittel wirken – und wehe dem, der sie ihnen nachahmte! –, während der rechte Prophet aus seinen wahren Wundern kein Hehl macht, sondern die Menschen noch dazu anhält und aneifert, daß auch sie auf dieselbe wahre und gute Art ganz gleiche Wunder wirken können.

3. Da aber an dem die wahren Propheten von den falschen ganz leicht zu unterscheiden sind und ein jeder nüchterne Mensch daraus wohl entnehmen kann, daß es also im vollsten Ernste rechte und falsche Propheten gibt – welch letztere sicher nie entstanden wären, so ihnen nicht die rechten vorangegangen wären –, so können die Menschen ja daraus auch dessen ganz leicht innewerden, daß es einen wahren Gott gibt, der die Menschen niemals als ganz verwaist auf der Erde umherwandeln läßt, sondern ihnen Seinen Willen allzeit kundgibt und ihnen Seine große und weise Absicht mit ihnen auch stets offenbart.

4. Diese Art Offenbarung aber ist den Menschen, die sich danach offen kehren wollen, stets am heilsamsten, weil sie dadurch keine außerordentliche Nötigung erleiden. Bei den nur seltenen großen Offenbarungen gewinnen die Menschen für ihre Seelen um vieles weniger, weil solche Offenbarungen nur mehr ein Gericht für die entartete Menschheit sind denn irgendein Heil.

5. Als Adam im Paradiese auf dieser Erde vor Gott gesündigt hatte, dadurch, daß er als Mensch mit freiem Willen sich den ihm wohlbekannten Willen Gottes nicht wollte gefallen lassen, da erlebte er bald eine große Offenbarung Gottes und bereute dann seine Sünde; aber diese große Offenbarung war für ihn ein Gericht.

6. Darauf kam wegen der entarteten Kinder der Welt, die in der Tiefe wohnten, mehrere Male eine große Offenbarung Gottes an die Menschen; aber sie war für die Kinder der Welt stets ein Gericht.

7. Zu den Zeiten Noahs kam wieder eine sehr große Offenbarung Gottes zu den Menschen; aber sie war für die Menschen ein sehr großes Gericht.

8. Zur Zeit Abrahams geschah wieder eine große Offenbarung, und zwar wegen der gar entsetzlich entarteten Bewohner von Sodom, Gomorra und der diese beiden Großstädte umgebenden zehn kleineren Städte. Sie war abermals ein Gericht für diese Menschen; das Tote Meer ist heutigentags noch ein sprechender Zeuge davon.

9. Der Vater Jakob hatte abermals eine große Offenbarung Gottes; aber seine Kinder mußten sie in Ägypten büßen.

10. Zur Zeit Mosis war eine neue, übergroße Offenbarung Gottes, und auf steinernen Tafeln mußten Gottes Donnerworte an die Menschen eingegraben werden. Aber welch ein furchtbares Gericht war diese Offenbarung Gottes, besonders für die zu blind, zu hochmütig und zu entmenscht gewordenen Ägypter, deren Hauptherrlichkeit da völlig gebrochen wurde; aber auch den Israeliten ward nichts nachgesehen.

11. Als die Israeliten unter Josua die Wüste verließen, geschah wieder eine große Offenbarung Gottes, und das große Jericho verschwand von der Erde.

12. So war es zu Samuels und zu Elias' Zeiten und auch zu den Zeiten der anderen vier großen Propheten; und sehet nach, welche Gerichte darauf folgten! Selbst die kleinen Propheten waren nicht ohne Gericht in diese Welt gesandt worden.

13. Nun aber ist vor euren Augen die größte und unmittelbarste Offenbarung Gottes an die Menschen; aber das ihr folgende übergroße Gericht für die Juden wird nicht lange auf sich warten lassen.

14. Von nun an werden nahe volle 2000 Jahre hindurch zahllos viele Seher und Propheten erweckt werden, weil auch eine noch größere Anzahl falscher Propheten und sogar höchst hochmütiger, herrschsüchtiger und aller Liebe barer falscher Christusse erstehen werden. Da werden die Gerichte aber auch gleich fortdauern, und es wird selten einen Herrscher geben, der wegen seiner Finsternis samt seinem Volke nicht ein arges Gericht zu bestehen haben wird.

15. Gegen Ende der angezeigten Zeit werde Ich auch stets größere Propheten erwecken, und mit ihnen werden auch die Gerichte sich mehren und ausgedehnter werden. Da werden auch kommen große Erderschütterungen und sehr verheerende Stürme der Elemente, große Teuerungen, Kriege, Hungersnot, Pestilenz und noch viele andere Übel, und, wie Ich schon vorhinein bemerket habe, der Glaube wird – außer bei höchst wenigen – nicht unter den Menschen sein, die im Eise des Menschenhochmutes ganz erkalten werden, und ein Volk wird ziehen wider das andere.

16. Es werden die Menschen auch gewarnt werden durch Seher und besondere Zeichen am Firmamente, woran sich aber nur die wenigen Meinen kehren werden, während die Weltmenschen das alles nur für seltene Wirkungen der Natur ansehen werden und ausspucken werden vor allen jenen, die noch an Mich glauben.

17. Aber darauf wird geschehen eine allergrößte Offenbarung durch Meine abermalige Darniederkunft auf diese Erde; aber dieser Offenbarung wird auch schon vorangehen ein allergrößtes und schärfstes Gericht und nachfolgen eine allgemeine Sichtung der Weltmenschen durchs Feuer und sein Geschoß, auf daß dann Ich Selbst eine ganz andere Pflanzschule für wahre Menschen auf dieser Erde werde errichten können, die dann dauern wird bis ans Ende der Zeiten dieser Erde.

18. Ich sagte euch nun dieses zum voraus, auf daß ihr Mir ja nicht der Meinung werdet, daß es nach Mir also vollkommen werden wird wie in Meinen Himmeln. Ja, wenige werden wohl Meinen Engeln gleich sein, – aber viele noch um vieles ärger, als da nun sind die Menschen zu diesen unseren Zeiten.

19. Aber ihr dürfet euch alles dessen wegen nicht ärgern; denn Ich habe es euch allen ja schon gar oft gesagt, daß der Mensch ohne seinen völlig freien Willen gar kein Mensch, sondern nur ein menschenähnliches Tier wäre.

20. Man könnte solche Menschen im höchsten Falle dann wohl gleich den Tieren zu irgendeiner Beschäftigung abrichten, aber sie nie auf den Standpunkt setzen, daß sie einsähen, daß solch eine Arbeit für den wahren Menschen und für den Tiermenschen gut und nützlich ist, auf daß sie sich dann selbst bestimmten, solche nützlichen Arbeiten zur rechten Zeit zu verrichten.

21. Der Mensch, der gegen das Gesetz sündigt, zeigt dadurch ebensogut an, daß er ein freier Mensch ist, wie der, welcher freiwillig das Gesetz beachtet. Daher sollet ihr auch keinen Menschen richten und verdammen, sondern ihn nur mit aller Geduld und Sanftmut belehren und dem Verirrten zeigen den rechten Weg. Will er ihn wandeln, so ist es wohl und gut für ihn; will er das aber nicht, so sollet ihr ihm darum auch keinen Zwang antun, sondern ihn höchstens aus einer besseren und reineren Gemeinde ausscheiden, – denn ein gezwungen gläubiger Mensch ist zehnmal schlechter als ein offen Ungläubiger und Abtrünniger.

22. Sehet an die Pharisäer! Das sind lauter gezwungen Gläubige zum Schein; aber in sich glauben sie gar nichts und tun alles, wonach es sie nur immer gelüstet.

23. Darum habt dann wohl acht, so ihr in Meinem Namen wieder Nachfolger für euch wählen werdet, daß ihr erstens ja niemanden dazu zwinget und zweitens niemanden annehmet, dem ihr es schon von weitem ansehet, daß er aus zeitlichen Interessen in euer Amt treten möchte.

24. Ihr werdet zwar solches wohl beachten; aber es werden dennoch solche in Unzahl in euer Amt treten, teils durch äußeren Zwang und teils durch die Aussicht, in eurem Amte eine gute und sorglose Verpflegung zu finden. Aber diese werden von Mir alle in das Regiment des Antichristen gezählt werden, und ihre Werke werden vor Gott ein Ekelgeruch sein und aussehen wie ein stinkendes Aas.

25. Wahrlich, Ich sage euch: Alle eure Nachfolger, die nicht von Mir, sondern nur von den Menschen in gewissen Weltschulen zu eurer Amtsnachfolge, zubereitet werden, werde Ich nicht ansehen; denn nur der Antichrist wird also seine Jünger qualifizieren.

26. Denen ihr aber die Hände auflegen und sie taufen werdet in Meinem Namen, die werden erfüllt werden mit Meinem Geiste; diese sind es auch, die Ich Selbst zu allen Zeiten als eure Nachfolger erwähle und durch die wahrhafte Erteilung Meines Geistes bestätige.

27. Aber in den späteren Zeiten wird es deren gar wenige mehr geben, weil der Antichrist sein Regiment zu sehr ausdehnen wird; wenn er sich aber zuallerhöchst in der Welt dünken wird, dann wird er auch gestürzt werden für immerdar! – Habt ihr das nun wohl und hell aufgefaßt?“

151. Kapitel. Kennzeichen der Antichristen.

1. Sagte darauf Johannes als Mein Liebling: „Herr, da lohnt es sich wohl kaum der Mühe, solche Anstrengungen der dummen Menschen wegen zu machen! Denn so Dein nun den Menschen gegebenes hellstes Lebenslicht nur zu bald wieder verfinstert wird durch die stets siegreiche Mühe des Satans, so soll er die Menschen haben, wie sie nun sind, als ganz reif für sein höllisches Weltreich. Wozu sollen diese Menschen zuvor mit Deinem Lebenslichte begnadet werden?! Wahrlich, so das die Früchte Deiner göttlichen Lehre sein werden, so hieße das wohl – wenn man nämlich die Weltmenschen in Deiner Lehre unterwiese – allen Schweinen der Welt Deine Lebensperle zu einem gemeinsten Fraße vorwerfen! Man gebe ihnen den edlen Stoff gar nicht, so werden sie ihn auch nicht verderben und verunreinigen können!“

2. Sagte Ich: „Ja, Mein Freund, um derjenigen Menschen willen, die nicht daran glauben und das, was sie von Meiner Lehre irgend hören, des weltlichen Gewinnes wegen noch verfälschen werden, wird die Lebenslehre von Mir auch nicht gegeben; denn für solcher Menschen Seelen mögliche und weitere Ausbildung habe Ich noch gar endlos viele und große Schulhäuser in der ganzen Unendlichkeit.

3. Nur für Meine wahren Kinder auf dieser Erde gebe Ich diese Lehre, und diese sind auch in der wahren Erlösung vom ewigen Tode einbegriffen. Diese aber werden diese Lehre auch stets rein erhalten und werden sich nie in die Macht des Weltbetruges fügen, sondern sie werden diamantenfest an der ewigen Lebenswahrheit festhalten.

4. Was liegt uns an all den Weltmenschen? Die Gelegenheit ist ihnen gegeben, auch in die Reihen der Kinder Gottes zu treten. Wollen sie das ernstlich, so sollen sie daran nicht irgend behindert werden, – und wollen sie es nicht, so sollen sie tun, was sie wollen, und ihr habt euch um sie dann auch nicht weiter zu kümmern!

5. Siehe, also steht die Sache! Denn Ich bin nicht gekommen, um etwa die Welt von ihren alten Gerichtsfesseln zu erlösen, sondern nur, um Meine Kinder von der Welt und ihrem Gerichte frei zu machen. Und was und wie Ich es nun tue, also werdet es auch ihr und eure Nachfolger in der Folge tun.

6. Was auf dieser Erde in und nach Meiner Ordnung zu lösen ist, das löset auch ihr, und was ihr also lösen werdet, das wird auch sofort bei Mir im Himmel gelöst sein; was aber nicht zu lösen ist, das lasset gebunden, oder so jemand eure Lösung nicht achtet, so lasset ihn in seinen Fesseln und bindet ihn, damit ihr dann Ruhe habt vor dem Gebundenen, – und wahrlich sage Ich es euch, der wird auch vor Mir im Himmel gebunden sein und gar langehin ein Sklave seines finsteren Weltwillens verbleiben! – Sehet, also stehen die Sachen!“

7. Sagte Johannes weiter: „Aber wie werden wir solche finsteren Widerchristen erkennen? Denn das sehe ich nun schon ganz gut ein, daß Deine Lehre von vielen aufgegriffen wird, und namentlich von den vielen Magiern, die damit ihre Zaubereien beschönigen werden. Oh, sage uns auch sichere Kennzeichen an, auf daß wir sie schnell erkennen mögen und dann sogleich wider sie zu Felde ziehen!“

8. Sagte Ich: „Ihr werdet sie gar leicht an ihren Werken erkennen! Denn auf den Dornen wachsen keine Trauben und auf den Disteln keine Feigen. Wer da etwas gibt und will dafür noch mehr zurücknehmen, der ist wahrlich Mein Jünger nicht! Denn sehet, Ich gebe alles hin für die Meinen, am Ende sogar das Leben dieses Meines Leibes, und Ich nehme dafür von niemandem ein Opfer dieser Welt, sondern will nur, daß Mich der Mensch liebe über alles, auf daß Ich ihm dann noch endlos mehr und Größeres geben kann.

9. Meinet ihr, daß solches auch der Widerchrist tun wird? Oh, mitnichten! Er wird seinen Anhängern ganz entsetzlich wenig geben – etwa nichts anderes als leere, erdichtete Verheißungen im großen Jenseits –, wird aber dafür gar große Opfer verlangen, so wie es nun die Templer tun, die sich für ihre mehrere Ellen langen Gebete gar vieles zahlen lassen; aber diese Gebete nützen niemand etwas, weder für diese Welt und noch weniger für die jenseitige! Und sehet, geradeso wird es der Widerchrist machen, und die Meinen werden ihn und seine Jünger und Bekenner gar leicht an diesen nichtigen und hohlen Früchten erkennen!

10. Was tun die Pharisäer nun mit den Sündern aller Art und Gattung? Sehet, sie nehmen eine Sündenlöse, entweder in Geld oder auch in anderen reichlichen Opfern, und geben darauf den Sündern einen Freibrief für die schon begangenen Sünden und auch schon für die, welche ein Mensch, wie es deren nun genug gibt, besonders in der reichen Welt, in Zukunft zu begehen gedenkt und sagen den Menschen: ,Es ist euch dienlicher, so ihr opfert, wenn ihr nicht das schwere Gesetz halten möget!‘ Und so heben die Templer das Gebot Gottes auf und stellen an dessen Stelle ihre selbstsüchtigsten Weltsatzungen, da ihr Sinn nur das Wohlleben der Welt auf Kosten der armen, blinden Menschheit ist.

11. Sehet, geradeso wird es auch der Widerchrist tun und alle seine Jünger, und ihr werdet ihn daran um so leichter erkennen! Und so dann seine Jünger in aller Welt mit weit geöffneten Mäulern schreien werden: ,Sehet, hier ist der wahre Christus!‘ oder ,Dort ist er!‘, so glaube ihnen solches niemand von den Meinen! Die echten Kinder der Welt aber lasset und rufet sie nicht, auf daß ihr Ruhe habt vor dem Drachen und seinem Anhange; denn er wird sich auf eine Zeitlang eine große Macht aneignen und wird seine Feinde gar übel behandeln! Aber eben damit wird er sich selbst sein Gericht und seinen Untergang bereiten.

12. Ich aber werde in derselben Zeit allerlei große Erfindungen von den Menschen machen lassen, die wie glühende Pfeile in des Drachen finstere Kammern dringen und seine elenden Trugkünste und seine falschen Wunderwerke gewaltig zerstören werden, und er wird wie nackt sogar zur Schande seiner glühendsten Anhänger dastehen, die sich bald in großen Scharen von ihm abwenden werden.

13. Darum sorget euch nicht, was aus dieser Meiner Lehre mit der Zeit wird; denn Ich allein weiß es, was da in dieser Welt alles zu geschehen hat, und was da zuzulassen ist, damit es dereinst auch in der blinden Welt lebenshelle wird!

14. Aber so schnell, wie ihr es meinet, geht das nicht; denn Ich allein kenne die Lebenselemente in dieser Erde und weiß auch am besten, was dazu gehört, um sie mit den Zeiten einem höheren Lebenslichte zuzuführen. Darum fraget nicht weiter und seid frohen Mutes!

15. Sehet, Mich erwarten noch ganz sonderbar elende Begegnisse in dieser Welt, die eigentlich gar nicht lange werden auf sich warten lassen! Allein ihr werdet darum noch keine Traurigkeit an Mir gemerkt haben. Komme da, was da wolle, Ich allein bin der Herr! Über Meine Weisheit und über Meinen Willen hinaus kann nichts gehen. Was da geschieht und noch geschehen wird, ist berechnet und bestimmt von oben und hat seinen tiefst heiligen Grund; wer aber mit Mir ist im Herzen und in der Liebe und im Willen, dem wird die allerärgste Welt nie etwas anhaben können. Aber wer nur eins ist mit Mir in der Weisheit, der wird in der Welt viele und arge Kämpfe zu bestehen haben; denn die Welt wird in ihrem materiellen Verstande ewig nie einsehen, daß ihr scheinbares Etwas vor dem Geiste ein eigentliches Nichts ist. – Mit dem begnüget euch und seid nun mit Mir völlig heiteren Mutes!“

152. Kapitel. Die Vielfalt der Geschöpfe und ihr Zweck.

1. Nach dieser Meiner Rede wurden auch alle heiter, und wir wurden von der Martha zum Mittagsmahle geladen. Wir aßen und tranken ganz wohlgemut und waren voll heiterer Dinge, und Lazarus erzählte Mir, was er alles während Meiner Abwesenheit mit den Templern zu bestehen hatte, und wie er sich am Ende trotz aller seiner Geduld derart habe ärgern müssen, daß er darauf ordentlich krank geworden sei.

2. Insbesondere erzählte er, sagend (Lazarus): „Herr, auf der Erde gibt es gar kein Insekt von solch einer lästigen Anhabigkeit (Zudringlichkeit)! Man kann sie nicht los werden, man kann da schon anfangen, was man will! Droht man ihnen mit den Gesetzen Roms, so suchen sie unsereinem mehrere Tage lang wie kriechende Schlangen zu beweisen, daß sie allein im vollsten Rechte seien, und daß gar kein weltliches Gesetz mit ihnen etwas zu tun habe und sie die alleinigen Gesetzgeber aller Welt seien. Ein jeder Mensch, ohne alle Ausnahme, habe von ihnen allein alles Wohl oder Wehe zu erwarten.

3. Ich kam bei solchen ihren Beweisen in eine förmliche Wut und hätte mich beinahe an den heillosen Gleisnern vergriffen und verbot ihnen, mein Haus je wieder zu betreten. Aber es half da alles nichts. Heute habe ich zehn hinausgetrieben, – morgen sind dafür schon wieder zwölf andere hereingekommen und fangen so unschuldig und geschmeidig dasselbe Thema an, dessentwegen ich ihren Vorgängern das Haus verboten habe, und stellen sich dabei so, als wäre zwischen mir und ihnen nie etwas vorgefallen!

4. In diesem Monat aber war ich gegen große Bezahlung denn doch genötigt, alle Zuwege zu meinem Hause mit römischen Wachen besetzen zu lassen, und zwar mit dem allerschärfsten Gebot, ja keinen Templer in mein Haus kommen zu lassen. Nun, da hatte ich wohl eine Zeitlang eine äußere Ruhe, aber eine innere gar nicht; denn diese unverschämtesten Tempelwichte sandten allerlei Drohbriefe an mich und belästigten mich dann auf solche Weise, weil sie es nicht mehr persönlich durften. Wenn Du, o Herr, mich nur von dieser Plage befreien möchtest, da wäre ich ganz selig schon in dieser Welt!

5. Nun, diese drei Tage hindurch wird aus dem Tempel wohl niemand zu mir kommen, weshalb ich auch die Wachen für diese Zeit hin habe abtreten lassen; aber nach den drei Festtagen werde ich sie wohl wieder auftreten lassen, sonst habe ich keine Ruhe vor den überlästigen Tempelwespen. Ich weiß es wohl, daß Deine große Wunderheilung vor einem halben Jahre und meine Dir bekannt erwiesene Freundlichkeit den eigentlichen Hauptgrund ausmachen, dessentwegen mich die Templer gar so verfolgen. Aber stelle ich ihnen das als Grund entgegen, so lassen sie es mir nicht gelten, sondern sagen, allein das sei der Grund, daß ich ihnen nicht wenigstens 8-10 Diener überlassen wollte. Ich sagte zu den Templern: ,Dann machet es mit den Dienern aus! Ihr könnet sie gar alle haben, wenn sie zu euch gehen wollen!‘ Aber da sagten sie: ,Das redest du uns umsonst ins Gesicht; du rätst heimlich deinen Dienern ab, und darum gehen sie nicht zu uns! Du wirst darum eine harte Rechnung vor Gott haben!‘ So in der Art ging es nun fort, und darum habe ich römische Wachen genommen! Was noch ferner daraus wird, das weißt Du!“

6. Sagte Ich: „Lasse du das alles gut sein; auch der Wachen wirst du fürder nicht bedürfen. Ich werde dir einen Wächter stellen, der mehr vermögen wird als alle Heereslegionen der Römer und Griechen! Morgen lassen wir das Fest und seine Tollheiten unbesucht vorübergehen; aber übermorgen, allwann das Fest am glänzendsten begangen wird, werde Ich wieder in den Tempel gehen und werde den Juden einen Spiegel ihrer Todsünden vorhalten, daß sie sich werden schämen und vor dem Volke verkriechen müssen, um seinen Steinwürfen zu entgehen. Darum seien wir jetzt nur ganz ruhig und heiter; denn wir sind diesmal sicher vor ihren Besuchen!“

7. Sagte hier Petrus: „O Herr, würdest Du hier also tun und wirken wie am Euphrat, dann würden die Finsterlinge bald eine ganz andere Meinung von Dir bekommen!“

8. Sagte Ich: „Du redest, wie du eben die Sache verstehst; aber in ein paar Jahren wirst auch du ganz anders reden! Sieh, betrachte die große Mannigfaltigkeit der Blumen auf den Feldern, die große Mannigfaltigkeit der Gewächse, der Bäume, ihrer Früchte, dann die große Verschiedenheit der Tiere im Wasser, auf der Erde und in der Luft, ebenso die sehr verschiedenen Mineralien und ebenso die höchst verschiedenen Sterne am Himmel! Kannst du Mir den Grund aller dieser Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit angeben? Sagt dir deine höchst einfache Vernunft nicht vielmehr: Dazu kann Gott Selbst keinen so ganz eigentlich weisen Grund gehabt haben, sondern Er hat das nur aus einer Art göttlicher Laune getan, weil Er Selbst irgendein besonderes Wohlgefallen daran hatte, Seine Erde so bunt wie möglich auszuschmücken und sie dann auch ebenso bunt durcheinander zu bevölkern. Denn warum sieht ein Feigenbaum ganz anders aus als ein Apfel- oder Birnbaum? Warum haben die beiden Obstgattungen nicht eine und dieselbe Gestalt und nicht einen und denselben Geschmack?

9. Siehe, wenn Gott nicht die große Absicht gehabt hätte, auf dieser Erde Seine Menschengeschöpfe zu Seinen Kindern auszubilden, so hätte Er für sie die Erde auch ganz mager und höchst einfach mit ein paar Fruchtgattungen und nur mit wenigen zahmen Haustieren bevölkern können, gleichwie Er solches auf zahllos vielen anderen Weltkörpern getan hat, weil auf jenen die Menschengeschöpfe nicht dieselbe hohe Bestimmung haben! Damit aber auf dieser Erde der Mensch eine übergroß vorzügliche Gelegenheit habe, sich im Betrachten und Denken zu üben und dadurch die vollste Freiheit seines Willens kennenzulernen, so hat Gott für ihn diese Erde als sein Lebensschulhaus auch so außerordentlich mannigfaltig ausgestattet, daß der Mensch von seiner Wiege an bis zu seinem Grabe genug zu denken hat, allerlei Betrachtungen und Vergleiche anstellen kann und das eine als ein ihm zusagendes Gutes erwählen und das andere als ein ihm nicht zusagendes Schlechtes verwerfen kann.

10. So sind die zahllos vielen Gattungen der Tiere auf die mannigfachste Art tätig und lassen sich mit allerlei Stimmen hören und mit allerlei Gebärden sehen, und der Mensch hat da eine übergroße Gelegenheit, den Tieren allerlei nützliche Beschäftigungen abzulernen und sie zu veredeln und ins Große und Zusammenhängende zu übertragen. So waren die Vögel, manche Fliegen, Käfer, Grillen und sogar die Frösche die ersten Gesangslehrer der Naturmenschen, und die Meeresschnecken lehrten den Menschen die Schiffe bauen und mit Segeln weit umherfahren.

11. Aber wie Gott eben der Menschen wegen auf dieser Erde eine so außerordentliche Mannigfaltigkeit von allem möglichen in allen Reichen der Natur hervorgerufen hat, so hat Er aber auch die Menschen selbst in einer so außerordentlichen und nie abzusehenden Verschiedenheit sowohl in der Gestalt wie im Charakter werden lassen, daß ihr unter tausendmal tausend Menschen schwerlich je zwei finden dürftet, die sich so gleich sehen wie ein Auge dem andern. Das aber bewerkstelligte Gott auch aus dem Grunde, damit die Menschen sich in allem und vielem voneinander unterscheiden und eben dadurch sich auch gegenseitig mit mehr Liebe begegnen. Und auf daß sie sich gegenseitig stets mehr Liebe dienend bezeigen sollen, sind sie auch mit höchst verschiedenen Fähigkeiten wohl versehen worden.

12. Was da gesagt ist von einzelnen Menschen, ist auch für einzelne Gemeinden und gar für ganze Völker gültig. Weil es aber also ist – was auch tausendfache Erfahrungen lehren –, so ist dann aber auch wohl sehr zu berücksichtigen, daß nicht alle Menschen auf eine und dieselbe Art zu wecken und zu belehren und für Licht und Leben zu erwecken sind. Was aber gegenüber einzelnen Menschen gilt, das gilt auch gegenüber ganzen Gemeinden und gegenüber ganzen Völkern.“

153. Kapitel. Voraussage Jesu vom Gericht über die Juden. Die Vergänglichkeit der Materie.

1. (Der Herr:) „Die Juden von Jerusalem benötigen eine ganz andere Behandlung als die Galiläer oder die Samariten oder gar die Heiden, und diese wieder eine ganz verschiedene nach ihren Ländern und Gemeinden.

2. Überall ist vor allem darauf zu sehen, auf was für Boden sie erstens naturgemäß, und auf welchem sie moralisch stehen. Wenn man das erforscht hat, dann erst kann man die Wege bestimmen, auf denen man sich diesen und jenen Menschen fruchtbringend nähern und sie für die Wahrheit und für das Licht des Lebens gewinnen kann. Daher würden wir hier in Jerusalem ganz schlechte Wirkungen hervorbringen, so wir mit den Mitteln von Chotinodora, Malaves, Samosata, Serrhe u. dgl. m. diese Menschen zum Lichte bekehren wollten.

3. Die Heiden stecken ohnehin bis weit über die Ohren im finstersten Gerichte. Wenn Ich dort ein großes Zeichen wirke, um ihren alten Aberglauben und ihr altes Gericht durch ein neues Gericht zu brechen, so schadet ihnen das darum nicht, weil sie durch ein sanftes Gericht von ihrem alten und harten befreit worden sind und sich im neuen Gerichte ganz frei bewegen können durch ihren Glauben an Gott und durch ihre Liebe zu Ihm. Wenn Ich aber hier in Jerusalem – besonders jetzt in dieser Zeit – dasselbe tun würde wie am Euphrat, so würden nicht wenige Juden vor lauter Schreck und Angst verschmachten und sterben, und wir hätten dann eben nicht gar zu viele Menschen mehr, denen wir das Evangelium vortrügen. Die da noch am Leben blieben, die würden fliehen vor uns, und die Priester würden heulen, fluchen und schreien: ,Sehet, nun hat Beelzebub das Werk Jehovas vernichtet! Wehe uns! Jehova hat uns, Sein Volk, verlassen und uns den Teufeln übergeben!‘

4. Ich habe vor ihren Augen nur etwas Kleines getan, – und sie schrien schon, daß Ich ein Sabbatschänder und Gottesleugner sei und Meine Werke mit Hilfe des Beelzebub wirke! Was würden sie erst sagen und dann tun, so Ich ihnen nun im Augenblick den Tempel mit allem darin Seienden vernichtete?! Oh, so Ich das nun täte, so würdet ihr Greuel über Greuel erleben und am Ende selbst gar jählings die Flucht ergreifen. Aber da es geschrieben steht, daß das Heil von Jerusalem ausgehen wird, so müssen wir hier nur durch Worte wirken und am Ende lieber selbst den Leibestod bestehen, als diesem Volke irgendeine solche überirdische Gewalt antun, durch die es physisch und geistig unfehlbar aufgerieben würde.

5. Ja, Ich sage es euch: Es wird diese Stadt und der Tempel in längstens fünfzig Jahren derart zerstört werden, daß man gar nicht wissen wird, wo der Tempel gestanden ist; aber das wird geschehen durch die äußere Macht der Römer. Das wird sein eine mächtige Zuchtheimsuchung Gottes, und die Juden werden vertrieben werden in alle Welt, werden nimmerdar ein Volk werden und, von aller Welt verachtet, sich unter den Heiden kümmerlich ihr Brot verdienen müssen. Dieses Land wird ihnen für immerdar genommen und von den Heiden zu einer Wüste umgewandelt werden!

6. Aber diese große, unfehlbar eintreffende Plage wird das Gemüt der Menschen dieses Landes dennoch nicht also zerstören, als wie es dadurch zerstört würde, so Ich ihnen jetzt den Tempel hinwegräumte; denn jenes werden sie der Grausamkeit der Römer zuschreiben, und es werden sich dann viele wieder zu Gott bekehren. Dieses Gericht aber würde ihnen den Weg zu Gott gänzlich verrammen; denn sie würden es als ein alleraugenscheinlichstes und unversöhnbarstes Gericht Jehovas dahin auslegen und auch fest dafür halten, daß Er ihnen Seinen höchsten und unversöhnlichsten Zorn eben dadurch zu erkennen gegeben hätte, daß Er vor ihren Augen – und auch noch dazu an einem hohen Feste! – den Tempel samt dem Allerheiligsten rein durch den Beelzebub habe hinwegräumen lassen und somit sie alle diesem übergeben habe.

7. Wenn das arme Volk nicht im Spiele wäre, so würden wir uns der Priester allein wegen wahrlich kein besonders graues Haar wachsen lassen, so wir den Tempel wenigstens seines losen Inhaltes bar gemacht hätten; aber um des armen Volkes willen, das dennoch sehr am Tempel hängt, weil es noch an die Gegenwart des Geistes Gottes in ihm glaubt, wollen und werden wir hier durchaus keine Zerstörung bewirken.

8. Aber dieser Mein Leib als Tempel des wahren Geistes Gottes wird niedergerissen und von Mir Selbst in drei Tagen wieder auferbaut werden. Und das wird ein ärgeres Zeugnis wider sie sein und ein ärgeres Gericht über sie, die nun im Tempel wirtschaften nach ihrem Belieben, als so Ich ihnen nun tausend solche Tempel hinwegräumen würde. Denn was da mit diesem Meinem Tempel geschehen wird, das wird alles gläubige Volk gegen die Übeltäter im Tempel waffnen. Es wird von ihnen abfallen und Stützen an den Römern finden. Das wird die sehr reiche Priesterschaft in die größte Wut gegen die Römer versetzen. Sie werden geheim aus allen Gegenden Söldlinge mieten und die Römer aus dem Lande vertreiben wollen. Und seht, dann wird ihr Ende kommen! Darum denket nun nicht weiter darüber nach; denn es wird alles also geschehen, wie Ich es euch nun zum voraus angezeigt habe!

9. Wahrlich, Ich sage euch: Diese Erde und dieser ganze jetzt sichtbare Sternenweltenhimmel werden dereinst auch vergehen, – aber Meine Worte und der, der sie lebendig innehat, ewig nicht! Denn niemand bedient sich eines Werkzeuges länger, als es ihm als brauchbar dienen kann; ist es einmal ganz bis an den Rand abgenützt, so wirft man es weg und schafft sich ein neues. Und sehet, ebendasselbe tue auch Ich!

10. So aber jemand hat einen schon alten Schlauch, der schon viele Jahre den geistigen Wein in sich barg, wird er ihn wohl noch ferner behalten, so er mürbe und weinunhältig geworden ist? O nein, er wird den alten Schlauch hinwegtun und sich dafür einen neuen herbeischaffen. Sehet, dasselbe tue auch Ich, – wie mit einem alt und morsch gewordenen Baume, also auch mit einer alt und morsch gewordenen Welt. Denn sind einmal alle Meine in einer Welt niedergelegten Gedanken und Ideen in ein freies, selbständiges, reingeistiges Leben übergegangen, dann ist eine solche Erde nichts mehr als eine leere Hülse, die kein neues, kräftiges Leben mehr tragen und ausreifen kann. Dann wird die leere Hülse aufgelöst, und an ihre Stelle tritt eine neue, mit neuen Lebenskeimen erfüllte Erde. Alles in Zeit und Raum altert, wird schwach und stirbt und vergeht; nur der reine denkende und schaffende Geist bleibt ewig.“

154. Kapitel. Die Notwendigkeit der Vergänglichkeit der Materie.

1. Sagte einer der Judgriechen: „Aber Herr, da Du nun schon einmal wieder so im Zuge bist, uns gar überaus große Dinge zu enthüllen, so wolle uns auch gnädigst den Grund angeben, warum denn so ganz eigentlich nichts Materielles in seiner Art für ewig fortbestehen kann! Die Felsen verwittern, die größten Bäume, die oft beinahe zweitausend Jahre allen Stürmen getrotzt haben, wie allenfalls die Urzedern auf dem Libanon, sterben ab und vermodern so, daß von ihnen gar nichts übrigbleibt. Auch Seen und Meere vertrocknen, und kurz, man sieht auf der ganzen Erde nichts als ein fortwährendes Entstehen und Vergehen! Nur am gestirnten Himmel bleibt es stets noch so hübsch beim alten; denn dieselben Sterne mit ihren unveränderlichen Stellungen, die Adam geschaut hat, sind noch die gleichen, unveränderlichen und unvergänglichen. So Du aber sagst, daß auch sie dereinst vergehen werden, so läßt sich da allerdings die sehr gewichtige Frage aufwerfen: Wenn jene nach Deiner Aussage übergroßen Weltkörper schon sicher eine unaussprechlich lange Reihe von unseren Erdenjahren hindurch bestehen, so könnten sie ja ebensogut auch ewig fortbestehen. Wo ist die Zeit ihres ersten Entstehens, wer kann sie messen und nach Jahren oder gar nach Jahrtausenden zählen? Für unseren Menschenverstand bestehen sie so gut wie von Ewigkeit her und können auch ebensogut fürder die ganze Ewigkeit hin fortbestehen. Warum also müssen sie denn endlich doch vergehen?“

2. Sagte Ich: „Mein Freund, eben darum, weil sie eigentlich keine Materie, sondern in sich nur ein gerichtetes Geistiges sind, Ich habe euch ja schon bei einer andern Gelegenheit gesagt, wie alles sichtbar Erschaffene nichts als ein Gedanke Gottes ist, festgehalten durch den allmächtigen Willen Gottes.

3. Solange aber ein großer Gedanke Gottes durch Seinen Willen festgehalten wird, solange erscheint er auch als etwas für sich Bestehendes und ist dadurch gewisserart ausgeschieden von den zahllos vielen anderen Gedanken, damit er sich in sich selbst konsolidiere und für immer ein selbständiges Ich werde. Hat der Gedanke Gottes in sich selbst diese Aufgabe gelöst und sich nach allen Richtungen hin frei und selbständig gemacht, wozu sollte er dann noch länger durch die Macht des göttlichen Willens festgehalten und von allen anderen großen Gedanken Gottes als völlig ausgeschieden gehalten werden?

4. Wenn ein Mensch die innere, geistige Lebensreife vollständig erreicht hat – wozu er eines materiellen Leibes benötigte –, wozu wäre ihm dann noch eine weitere und längere und auch stets mühsamere Herumschleppung des Leibes nötig? Wenn ein Mensch ein Haus ganz fertig erbaut hat und es dann vollkommen bewohnbar ist, wird er dann mit dem fertigen Hause auch das Baugerüste um dasselbe stehenlassen?! Oder so du Fleisch in einem Topfe gehörig weich gekocht und es genießbar gemacht hast, wirst du es dann wohl also behalten samt dem Topfe? Sicher nicht; du wirst es samt der Brühe aus dem Topfe nehmen und den leeren Topf hinwegtun! Siehe, darum hat auf dieser Welt alles seine Zeit!

5. Du siehst einen Baum, der im Frühjahre voller Knospen ist. Würdest du da nicht auch sagen: ,Warum denn diese vergänglichen Knospen?‘ Aber die Knospe schwillt an, entfaltet sich stets mehr und mehr, und es kommen Blätter und schöne, anmutige, duftende Blüten zum Vorschein. Du bewunderst sie, weil sie dir sehr gefallen. Aber sie fangen an, bald welk zu werden und fallen ab. Da fragst du wieder ärgerlich: ,Warum denn diese Zerstörung der größten Pracht und erhebenden Schönheit des Baumes?‘ Ja, du hast recht, ein blühender Baum wäre wohl immerfort so recht anmutig anzuschauen; aber vom Schauen allein wird kein Mensch satt, und so muß offenbar die dem Fruchtkeime zum Beleben dienliche Blüte nach ihrem geleisteten Dienste wieder hinweggenommen werden, damit darauf die wirkliche Frucht sich frei für sich entwickeln kann. Und du ersiehst darauf bald eine Menge süßer Früchte auf des Baumes Zweigen, an denen du ein großes Wohlgefallen hast. Nun, sollen etwa die Früchte auch ewig mit dem Baume vereinigt bleiben?“

6. Sagte der Judgrieche, der ein Bürger von Jerusalem war: „Das, o Herr, sehe ich alles recht gut ein. Es geht eines aus dem andern hervor, und das sicher so weit und so lange hin, bis aus allen den vielen Vorgängen irgendein Hauptzweck erreicht ist. Aber warum muß denn auch der Baum, der oft viele Jahre hindurch den Menschen gute Früchte getragen hat, am Ende sterben, vermodern und völlig zunichte werden? Er dienete ja gut und muß doch einem andern den Platz räumen!“

7. Sagte Ich: „Siehe, alle Materie ist ein zeitweiliges Aufnahmegefäß von einem bestimmten Maße des geistigen Lebenselements! Von diesem entwickelt sich alljährlich ein bestimmter Teil, macht sich frei und geht in eine höhere Lebenssphäre über. Nach einer größeren oder oft auch minderen Anzahl von Jahren dieser Erde aber ist der letzte Lebenselementsfunke aus dem schon mehr hart und unbrauchbar gewordenen Baume entschwunden und in eine höhere Lebenspotenz übergegangen, und der Baum steht dann lebensleer da.

8. Sollte man nun dem alten, harten und unbrauchbar gewordenen Baume neue Lebenselemente einhauchen, damit sie von des Baumes schon zu grob gewordener Materie verdorben werden, gleichwie da auch verdorben wird selbst der beste Wein, so man ihn dummermaßen in ein altes, unreines Gefäß gibt? Ist es da nicht klüger, einen neuen Wein in neue und reine Gefäße zu tun und die alt gewordenen ganz zu verwerfen, besonders so man der neuen Gefäße in großer und nie versiegbarer Anzahl besitzt? – Was meinst du über diese Sache?“

9. Sagte der Judgrieche: „Herr, da hat jede Meinung ein Ende! Du allein hast die höchste Weisheit und kennst alle Verhältnisse in der ganzen Kreatur und hast sonach denn auch in allen Dingen allein alles Recht. Wir können Dich nur fragen und alles, was Du uns sagst, gläubig annehmen. Es ist alles also, wie Du, o Herr, es uns gnädigst erläuterst. Darin aber liegt auch der größte und allerbelebendste Beweis, daß eben Du in Deinem Geiste alles von Ewigkeit her also geordnet und geschaffen hast, was irgend nur immer da ist in der ganzen Unendlichkeit.

10. Dein Jünger Johannes hat Dir in seiner Einleitung zu dem aufgezeichneten Worte aus Deinem Munde das rechteste und wahrste Zeugnis gegeben, indem er sagt: ,Im Anfang war das Wort, das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Das Wort ist Fleisch geworden und wohnte unter uns. Er kam zu den Seinen, und diese haben Ihn nicht erkannt.‘

11. Siehe, Herr, also ist es denn auch! Du kamst zu uns Menschen, und wie wenige haben Dich erkannt, und wie viele erkennen Dich trotz all der großen Zeichen und weisesten Lehren auch jetzt noch nicht! Es ist wahrlich sogar merkwürdig, wie ungeheuer dumm und verblendet die Menschen da sind!“

12. Sagte Ich: „Es ist schon also, du vermagst aber dennoch nichts dagegen zu machen; denn den freien Willen dürfen wir ihnen nicht nehmen, weil sie da aufhören würden, Menschen zu sein. Ihnen noch mehr Zeichen geben, wäre eine vergebliche Mühe; denn wir würden damit nichts erreichen als nur das, was Ich euch klar auseinandergesetzt habe bei der Gelegenheit, als ihr meintet, daß Ich auch hier die Zeichen vom Euphrat wirken solle.

13. Wir haben für dieses Volk nur das Wort; wem dieses nicht die Augen öffnet, dem öffnet sie auch kein Zeichen. Es werden vor ihnen aber schon noch Zeichen gewirkt werden, – aber nicht zu ihrem Aufkommen, sondern zu ihrem offenbaren Untergange.

14. Ich sage es euch: Das letzte Zeichen, das hier in Jerusalem gewirkt wird, wird sein nahe gleich dem des Propheten Jonas vor Ninive, wie er drei Tage im Bauche eines großen Fisches zubrachte. Und dieses Zeichens wegen wird dann das große Gericht über sie losgelassen werden, das diese Täter alles Übels verschlingen wird, wie da verschlingt ein feuriger Drache seine elende Beute. – Aber nun lassen wir das und gehen noch ein wenig ins Freie, bevor die Sonne untergeht!“

15. Das war allen recht, und wir erhoben uns vom Tische und stiegen wieder auf unseren Hügel, von dem aus man auch einen Teil von Jerusalem übersehen konnte.

155. Kapitel. Selbstverschuldete und unverschuldete Krankheiten und Unglücke.

1. Als wir uns auf dem Hügel gelagert hatten, da sagte Lazarus: „Wahrlich, es ist ewig schade um diese große und schöne Stadt, daß sie dereinst gar so gänzlich zerstört wird! Aber wer kann da helfen, so ihre argen Bewohner es selbst also wollen?“

2. Sagte Ich: „Du hast nun ganz gut gesprochen; denn dem, der selbst irgend etwas noch so Arges über und für sich will, dem geschieht in Ewigkeit kein Unrecht. Ich war schon oft da und wollte sie versammeln unter die Fittiche Meines Schutzes, gleichwie da versammelt eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel; aber es war bis jetzt alle Mühe vergeblich, und so sind sie ganz allein schuld an allem Ungemach, das ihnen begegnen wird.

3. Ich werde es aber darum an allerlei Lehren und scharfen Ermahnungen niemals fehlen lassen, auf daß doch noch einige gerettet werden mögen. Und was Ich Selbst nun tue, dasselbe werdet auch ihr nach Mir um so leichter tun, weil euch Mein letztes und größtes Zeichen, das von Mir in Jerusalem gewirkt werden wird, dazu befähigen wird. Wer euch hören wird, der wird auch Mich hören – da ihr nur das reden werdet, was euch Mein Geist in den Mund legen wird –, und es wird ihm geholfen werden; die aber bleiben werden in ihrer alten Verstocktheit, die sollen auch deren Früchte ernten.

4. Weil dem Menschen das Wasser wie das Feuer den Tod gibt, wenn er entweder in ein tiefes Wasser fällt oder bei einem großen Brande vom Feuer ergriffen wird, soll Ich etwa deshalb auf der Erde kein Wasser und kein Feuer mehr bestehen lassen? Oh, mitnichten! Der Mensch hat darum Verstand und Kraft und den freien Willen. Er kennt die guten und schlechten Eigenschaften sowohl des Wassers wie des Feuers. Er gebrauche beides mit Vernunft und die beiden Elemente werden ihm nützlich sein; so er aber entweder mutwillig oder aus großer Unvorsichtigkeit in ein tiefes Wasser fällt oder in einen Kalkofen springt, dann ist er offenbar – freiwillig oder öfter noch unfreiwillig – selbst schuld daran, daß er dabei um sein irdisches Leben kommt. Dem wahrhaft verständigen und vorsichtig klugen Menschen wird solch ein Unglück nicht leichtlich begegnen – und denen, die nach Meiner Lehre wandeln werden, aber schon gar nicht!“

5. Sagte ein Judgrieche: „Herr, aber überall reicht der Menschenverstand samt aller seiner Vorsicht dennoch nicht aus! Man nehme nur diesen Fall zum Beispiel her: Ich müßte in dringenden Geschäften zu Schiff übers große Meer nach Rom reisen. Ich bin aber inmitten des Meeres, und es erhebt sich ein Sturm. Das Schiff scheitert an einer unterseeischen Klippe und geht mit Mann und Maus unter. Wer trägt wohl da die Schuld an meinem Unglück? Ich gewiß nicht, und der Schiffshauptmann auch nicht; denn woher sollte er wissen, daß sich plötzlich ein Sturm erheben werde, und woher hätte ich wohl so etwas wissen können?“

6. Sagte Ich: „Mein Freund, wenn so etwas geschieht, so ist das ganz gewiß eine bestbegründete Zulassung von oben, und es ist ungefähr dasselbe, als so jemand an irgendeiner Krankheit dahinstirbt, weil die Krankheit eine böse und unheilbare war. Denn kein Mensch auf der ganzen Erde bleibt am irdischen Leibesleben, und es kann daher ein Mensch ebensogut im Wasser wie im Feuer ganz unverschuldet ums Leibesleben kommen. Ich meine, daß wir darüber kein weiteres Wort mehr zu verlieren haben sollten. Und somit gehen wir jetzt zu etwas anderem und um vieles Wichtigerem über!

156. Kapitel. Eine bevorstehende Mondfinsternis.

1. (Der Herr:) „Sehet, die Sonne ist bereits untergegangen, das Firmament ist rein, und schon lassen sich einige Sterne sehen; dort im Osten aber steigt eben der Vollmond über den etwas umdunsteten Horizont. Es wird aber eben heute in zwei Stunden eine Mondverfinsterung durch den ganz natürlichen Schatten dieser Erde erfolgen, die da gerade zwischen die Sonne und den Mond zu stehen kommen wird. Das wird bei den Jerusalemern und namentlich bei den dummen Pharisäern einen Mordsspektakel abgeben, weil diesmal der Mond beinahe auf eine Halbstundendauer gänzlich verschwinden wird. Da wird geheult werden, und große Opfer werden in den Gotteskasten gelegt werden; wir aber werden hier dieses kleine Schauspiel der Natur mit ganz ruhigen Augen betrachten und uns daran vergnügen.

2. Übrigens ist diese ganz natürliche Erscheinung unserem gegenwärtigen und jetztmaligen Wirken ganz günstig; denn die Priester wie das Volk halten solch eine Erscheinung für ein Anzeichen des Zornes Gottes, und es wird das an Mich haltende Volk den Priestern laut vorwerfen, daß sie Mich heute haben aufgreifen lassen wollen, und da werden die Priester einen schweren Stand haben. Aber dann werden die Priester sich entschuldigen und die Schuld den ihnen über alles verhaßten Essäern in die Schuhe schieben und werden diese recht zu verwünschen und zu verdammen anfangen. Währenddem wird der Mond wieder zum Vorscheine kommen, und die Priester werden mit großem Pathos zum Volke sagen: ,Siehe, du überblindes und dummes Volk, da wir die ärgsten Feinde Gottes nun mit unserer von Gott uns allein verliehenen Machtvollkommenheit gerichtet haben, so hat sich Gottes Zorn wieder gelegt, und wir können wieder frei atmen und Ihm aus großem Danke gar reiche Opfer in Seinen Kasten legen!‘

3. Darauf wird gleich in der Nacht wieder ein Opfergang angeordnet werden, und das blinde und dumme Volk wird opfern nach allen seinen Kräften. Aber Meine vielen Anhänger werden sich an dem Opfergange nicht sehr beteiligen, und viele anwesende Essäer werden die Pharisäer herausfordern und ihnen eine Gegenpredigt über die Mondfinsternis halten, die ganz rar sein wird; denn die Essäer wissen wohl um den Grund der Mondverfinsterung und haben diese wie noch andere schon zum voraus berechnet, was sie den Priestern vor dem Volke dartun werden.

4. Da wird das Volk die Priester sehr angehen, und viele werden die Rückgabe ihrer Opfer verlangen, aber diese nicht erhalten; denn die Priester werden ihnen dartun, daß dieses Opfer für diesen und jenen wohltätigen Zweck verwendet werden wird. Das wird einen Teil des Volkes beschwichtigen, den andern Teil aber noch mehr aufbringen, so daß darum ein rechter Tumult im Tempel und auch außer dem Tempel entstehen wird, und es wird die römische Wache bewaffnet einschreiten und mit großem Ernste die Ruhe herstellen müssen. Sehet, das alles wird in dieser Nacht die ganz natürliche Mondverfinsterung bewirken; aber uns wird das nicht im geringsten irgend stören. Es werden wohl einige sich bis hierher flüchten vor dem Ernste der Römer; aber wir haben uns vor ihnen doch nicht zu fürchten. – Nun, wie gefällt euch das?“

5. Sagten alle: „O Herr, ganz außerordentlich gut; nur den argen Priestern geschieht bei weitem zuwenig dabei! Für die wäre so eine Steinigung, wenigstens von seiten der Essäer, in der schönsten Ordnung!“

6. Sagte Ich: „Oh, da irret ihr euch sehr! Die Wortsteinigung von seiten der Essäer ist um sehr vieles angezeigter und besser; denn diese erklären ganz klar vor dem Volke die Natürlichkeit dieser Erscheinung, und das Volk fällt dann erst recht über die Priester her und kündigt ihnen für die Zukunft den Glauben an sie ganz auf und schwört, ihretwegen nie mehr den Tempel zu betreten. Und sehet, so etwas ist für die Templer ärger, als so sie mit Steinwürfen bedient würden!“

7. Sagte Lazarus: „Herr, wenn die Mondfinsternis noch nicht alsbald eintreten dürfte, da könnten wir ja vorher noch das Abendmahl einnehmen!“

8. Sagte Ich: „Lieber Bruder, wir sind erst vor einer Stunde vom Tische aufgestanden, und so wäre es ein förmlicher Übermut, jetzt schon ein Abendmahl zu nehmen. Lassen wir die ganze Erscheinung vorübergehen, die im ganzen bei drei Stunden währen wird, – dann werden wir schon eine Stärkung zu uns nehmen!“

9. Damit war Lazarus ganz zufrieden und sagte zu den beiden Schwestern, daß sie nun nicht um die Bereitung eines Abendmahles, wohl aber hernach um die Herstellung eines ordentlichen Nachtmahles besorgt sein sollen. Darauf fragte Mich Lazarus, was denn so ganz eigentlich der Mond sei.

10. Sagte Ich: „Lieber Bruder, sieh, das wissen Meine Jünger genau, und Ich Selbst habe dir schon einmal – bei einer geheimen Unterredung bloß zwischen uns – auch angedeutet, was die Sonne, die Sterne und der Mond sind; aber du scheinst die Sache nicht ganz gut aufgefaßt zu haben. Allein das macht nichts! Ich werde euch hernach eure innere Sehe auftun, und ihr werdet da den Mond ebenso besehen können, wie ihr nun die Gegenden dieser Erde besehen könnet, und das wird besser sein, als so Ich euch diese Sache mit vielen tausend Worten erklärte.“

11. Damit waren auch alle zufrieden und dankten Mir schon zum voraus.

157. Kapitel. Das Beschauen des Mondes durch die innere Sehe.

1. Nun aber begann der Schatten der Erde am Monde schon sichtbar zu werden. Aller Augen waren nun auf den Mond gerichtet und betrachteten das Fortschreiten des Schattens. Bald ward der ganze Mond total finster, und es wurden bei dieser Gelegenheit eine viel größere Anzahl der Sterne sichtbar als zuvor im Vollichte des Mondes.

2. Da fragte Mich Lazarus: „Herr, wie kommt es denn, daß nun eine so große Anzahl Sterne sichtbar geworden ist, die man früher nicht sah?“

3. Sagte Ich: „Das, lieber Bruder, kommt daher, daß das starke Licht des Vollmondes dein Auge nicht beirrt. Deine Sehpupille ist nun sehr erweitert, und du kannst darum auch das schon sehr schwache Lichtgeflimmer der sehr fernen Sternlein wahrnehmen. Am Tage siehst du gar keine Sterne, weil das Licht der Sonne des Auges Sehpupille notwendigerweise sehr beengt. Darum ist das Auge des Menschen von Gott so kunstvoll eingerichtet, daß es jeden Grad des Lichtes wahrnehmen und sogar genau berechnen kann.

4. Aber so kunstvoll auch das fleischliche Auge des Menschen gebaut ist, so steht es dennoch in keinem Vergleiche zu der Wunderbarkeit des geistigen Auges, das alles im rechten Maße und alles durch und durch sieht.

5. Gib nur recht acht darauf, wie die kleinsten Sterne nach und nach verschwinden werden, wenn nun der Mond aus dem Schatten der Erde treten wird, und du wirst dich dadurch überzeugen, daß solches das stets stärker werdende Licht des Mondes bewirkt.

6. Aber ganz anders verhält es sich mit der Sehe der Seele. Diese beirrt kein irdisches Licht, und die Nacht der Erde oder deren hellster Tag sind ihr gleich. Es gibt darum für die Seele nur einen beständigen Tag und nimmerdar irgendeine Nacht, das heißt für eine solche Seele, die in Meinem Lichte lebt und wandelt; aber für eine Seele, die nur im Lichte dieser Welt, das heißt in der Lehre der Welt wandelt, gibt es dort über dem Grabe auch nur Nacht und Finsternis.

7. Aber nun gebet alle acht! Ich werde euch nun auf einige Augenblicke gewisserart gewaltsam innerlich erwecken und euch den Mond also sehen lassen, als wäret ihr auf seinem Boden!“

8. Ich wollte nun das, und alle stießen zu gleicher Zeit einen Schrei des Entsetzens aus, und Lazarus bat Mich, daß Ich ihm die innere Sehe wieder nehmen möchte; denn die Monderde kam ihm zu wüst, öde und leer vor.

9. Ich aber sagte: „Sehet nur genauer hin, und ihr werdet schon auch Wesen, den Menschen dieser Erde ähnlich, entdecken!“

10. Da strengten alle ihre Sehe noch mehr an, und sieh, da entdeckten sie wohl menschliche Wesen, und zwar auf der der Erde stets zugekehrten Seite eine Art sehr luftig aussehender, nahezu ganz durchsichtiger und dabei doch sehr verkümmert aussehender kleiner Menschenwesen, aus denen sie nichts zu machen wußten; aber auf der entgegengesetzten Seite des Mondes gefiel es ihnen etwas besser. Da sie diese aber nun zur vierzehntägigen Nachtzeit des Mondes beobachten konnten, so fanden sie auch aus ganz natürlichen dem Monde entsprechenden Gründen die Menschen und die wenigen Tiere in tiefem Schlafe.

11. Als alle sonach den ganzen Mond besichtigt hatten und sich auch dahin zu äußern begannen, daß sie sich nun die Monderde zum höchsten Überflusse lang und gut genug angesehen hätten und Ich ihnen allen die innere Sehe wieder nehmen möchte, tat Ich solches denn auch; denn es fing alle eine Angst dahin anzuwandeln an, daß sie nun etwa gar in dieser sehr traurig aussehenden Welt verbleiben würden.

12. Als sie nun alle den Mond wieder mit den Fleischaugen ersahen, da waren sie sehr froh, und ein Ältester der Judgriechen sagte zu Mir: „Herr, wenn es in Deiner großen Schöpfung irgendwo eine Welt gibt, wo die Seelen als Verdammte gequält werden, so ist wahrlich der Mond ganz vollkommenst dazu geeignet, besonders auf dieser uns zugekehrten Seite! Und die sonderbaren, sehr häßlich aussehenden, dunkelgrau durchsichtigen und nebelartig luftigen Menschenwesen sind sicher nichts anderes als solche gar nicht beneidenswerte, unglückliche Seelen. Wenn ein Mensch auf unserer Erde Gegenden und Länder bereist, so kommt er von einer schönen Gegend in eine oft noch um vieles schönere; aber auf der Welt da oben ist gerade der umgekehrte Fall. Schon der erste und sicher noch der beste Punkt, den man ersieht, sieht schon so entsetzlich wild und wüst aus, daß man davor wie vor einem Ungeheuer erschrickt. Die andern Punkte und Gegenden aber sind dann noch um vieles abschreckender und entsetzlicher, und in solchen Gegenden wohnen Menschenwesen, und diese sehen so traurig und verkümmert aus, daß man dagegen die Bewohner unserer schlechtesten und stinkendsten Pfützen wahre Könige nennen könnte. Herr, Herr, was sind denn das für Wesen?“

13. Sagte Ich: „Ja, ja, das sind wohl eben nicht sehr glückliche Wesen, und sie tragen viel des Höllischen in sich; aber sie können und werden mit der Zeit dennoch in ein besseres Leben übergehen, – freilich wohl nicht sehr eiligen Schrittes. Die sich einmal schon auf der Oberfläche jener Monderde herumtreiben und zu einer Art Durchsichtigkeit gelangt sind, die sind ohnehin schon besser daran; aber die noch in den tiefen Höhlen, Löchern und Kratern wohnen, denen geht es noch schlimm, und es wird noch einer geraumen Zeit benötigen, bis sie in einen besseren Lebenszustand übergehen werden.

14. Seht, das sind Seelen der Menschen dieser Erde, die in ihrem Leibesleben auf dieser Erde über alle Maßen in die allertollste Weltsucht und Selbstliebe übergegangen sind. Diese eigentlich materiellsten Seelen werden auf der Monderde aus sich heraus mit einer Art halbmateriellem Leib angetan, durch den sie auch noch die schlechten materiellen Eindrücke, wie die der Kälte, der Hitze, sowie des Lichtes der Sonne und des Gegenscheines dieser Erde und der anderen Gestirne, wahrnehmen; aber sie können mit nichts Irdischem mehr ihre Habgier stillen. Sie sehen diese Erde ganz gut und wissen auch, daß sie einst gar sehr gut auf ihrem Boden gelebt haben, wo sie viele Güter und ein großes Ansehen besaßen und viele Menschen ihnen dienten; jetzt sind sie allein sich selbst überlassen, nackt und haben außer der sehr dünnen Luft gar keine Nahrung, sogar kein Wasser und noch weniger einen Wein. Ihrer Erde Boden ist bimsartiges Gestein, und nicht ein Moospflänzchen kommt irgendwo vor.

15. Und so ist die Monderde für solche Seelen ein ganz tauglicher Platz, auf dem sie ganz gehörig abgeödet werden und zu der Einsicht kommen, daß all die irdischen Güter höchst trüglich und wertlos sind, und sie werden endlich von der Sehnsucht ergriffen, ganz zu vergehen und nicht mehr zu sein.

16. Viele versuchen sich zu töten, andere durch eine Art Schlaf sich aller weiteren Weltanschauung zu berauben; aber es geht weder das eine noch das andere. Darauf fangen sie zu suchen an, ob nicht irgendein Ausweg aus den Gruben und Tälern ihrer Leiden führe in irgendeine Gegend, wo sie etwa mit weiseren Menschen zusammenkämen, um sich mit ihnen über den Grund ihres so sehr traurigen Daseins zu besprechen. Und seht, da geschieht es, daß sie mit vieler Mühe und Anstrengung einen Ausweg finden. Sie kommen da auf große Ebenen, besteigen die sehr hohen Gebirge und kommen da auch mit weisen Geistern zusammen, die sie recht weise belehren und auch sagen, daß es einen allmächtigen, weisesten und höchst guten Gott gibt, an den sie glauben und den sie lieben sollen, und so sie das tun würden, dann werde es ihnen auch bald besser ergehen.

17. Das nehmen sie dann auch gerne an und sie werden dann bald ihre Materie los und bekommen ein geistiges Gewand und werden darauf in eine andere Erde, wie etwa in die Venus oder in den Merkur, später in den Jupiter, Saturn und noch in mehrere Planetarerden, gebracht. Da streifen sie dann gewöhnlich schon alles Materielle eben durch die Materie der zu durchwandelnden kleinen und großen Erden ab. Darauf können sie in die Sonne übergehen, in der sie sich dann gar viel Weisheit und auch Liebe zu eigen machen können. Von da an erst werden sie zu reinen Geistern und gehen in die reingeistige Sonne über, in der es an zahllos vielen weisesten Unterrichtsanstalten wahrlich keinen Mangel hat.

18. Also werden denn derlei materiellste Menschen nach vielen und langen Zeitläufen auch rein und können eine große Seligkeit genießen; aber dahin können sie doch nimmerdar kommen, wohin eines der geringsten Meiner Kinder kommen wird.

19. Doch auch diesen elenden Monderdbewohnern soll eine Erlösung werden, wenn Ich wieder dahin zurückgekehrt sein werde, von wannen Ich gekommen bin. – Also wisset ihr nun, was der Mond ist?“

20. Sagte Lazarus: „Ja, Herr, das wissen wir nun ganz genau, das heißt, was die uns nun zugekehrte Seite betrifft! Aber die Rückseite scheint mit unserer Erde mehr Ähnlichkeit zu haben. Wir gewahrten dort Gewächse und Gewässer, und wir sahen dort auch Wolken am Firmament. Was gibt es denn dort?“

21. Sagte Ich: „Ganz so natürliche Menschen wie etwa im tiefen Norden dieser Erde, aber freilich wegen der ganz anderen Tag- und Nachtverhältnisse jener Monderde ein wenig anders organisiert. Das Weitere wird euch der Geist lehren. Und da nun auch die Erscheinung zu Ende ist, so können wir denn auch wieder ins Haus gehen und eine mäßige Nachtstärkung zu uns nehmen.“

22. Das war nun allen recht, und wir begaben uns ins Haus, allwo Ich allen riet, den andern Menschen nichts von diesem Gesichte zu erzählen.

158. Kapitel. Die Folgen der Mondfinsternis. Wiedergeburt und Geistesgaben.

1. Im Zimmer setzten wir uns an den großen Tisch wie gewöhnlich, und Lazarus ließ Brot und Wein auftragen, da sonst nichts bereitet war. Martha aber wollte dennoch in die Küche gehen, um wenigstens für Mich etwas Besseres zu bereiten.

2. Ich aber sagte zu ihr: „Lasse das, Meine Schwester, es ist Brot und Wein ja ohnehin die beste Kost für den menschlichen Leib! Machst du aber nun ein Feuer, so würden das einige Flüchtige aus Jerusalem merken und hereinkommen, – was weder euch noch Mir angenehm wäre. Darum laß nun das, was uns nicht nötig ist! Morgen wird sich das schon besser fügen.“

3. Da ließ Martha von ihrem Eifer ab, und wir aßen und tranken.

4. Als wir aber dem Leibe die nötige Stärkung gegeben hatten, da kamen ein paar Knechte des Lazarus zu uns ins Zimmer und erzählten, daß sich außerhalb der Mauern, mit denen der Ort Bethania umfangen war, eine Menge Menschen herumtrieben und sich gegenseitig erzählten, daß in Jerusalem bei der Gelegenheit der Mondfinsternis ein wahrer und arger Tumult derart ausgebrochen sei, daß am Ende die Römer mit den Waffen in der Hand hätten Ruhe schaffen müssen, ansonst die Sache sicher eine sehr bedenkliche Wendung hätte nehmen können.

5. Viele der Wallfahrer hatten das Weite und Freie gesucht. Die, die sich aber hierher geflüchtet hatten, versuchten hereinzukommen; aber sie vermochten das nicht, weil wir heute schon mit dem Untergange der Sonne alle Tore fest verschlossen hatten. Einige fragten sich untereinander, ob etwa der Prophet aus Galiläa nicht hier in Bethania wäre. Darauf aber sagten andere: ,Oh, der ist zu klug und hat sicher schon vormittags den bösen Braten gerochen und empfahl sich darum noch zur rechten Zeit!‘ – Herr des Hauses, was sollen wir mit diesen Menschen machen? Sollen wir sie hereinlassen oder nicht?“

6. Sagte Ich anstatt des Lazarus: „Lasset sie nur draußen; sie werden weiter nicht verfolgt werden! Morgen ist die ganze Sache verraucht, und das Fest geht ohne alle weitere Störung vor sich.“

7. Da gingen die Knechte wieder hinaus und hielten mit den andern Knechten Wache, daß da niemand in den großen Hofraum, etwa über die Mauer, gelangen könne.

8. Ich aber machte sie alle auf das aufmerksam, was Ich ihnen zuvor auf dem Hügel von der Wirkung der Mondfinsternis in Jerusalem gesagt hatte, und sie staunten alle, daß Ich das so genau wissen konnte, was die Erscheinung für eine Wirkung hervorbringen werde, ohne daß Ich in Jerusalem gegenwärtig gewesen sei.

9. Ich aber sagte zu ihnen: „Wie mag euch das gar so wunderbar vorkommen? Seht, das hätte euch auch ein anderer kluger und weiser Mensch ebenso wie Ich voraussagen können, so er aus vieler Erfahrung sicher wüßte, wie die habsüchtigen Templer sich bei solchen Gelegenheiten verhalten, und wie sie sich alle derlei Naturerscheinungen stets zunutze zu machen verstehen! So etwas zu bestimmen, was für jeden reifen Denker offen auf der Hand liegt, ist gerade keine gar so außerordentliche Sache; aber ohne Berechnung zu bestimmen, wann eine solche Erscheinung eintritt, das ist etwas von einer größeren Bedeutung, obschon die Essäer das auch durch Rechnung ziemlich genau zum voraus bestimmen können und sich solche ihre geheime Rechenkunst auch allzeit zunutze gemacht haben.

10. Die späteren Nachfolger aber werden solche Erscheinungen noch um vieles genauer bloß durchs Rechnen zu bestimmen imstande sein und dennoch nicht im geringsten irgend allwissend sein, und so ist auch daran nicht gar soviel, wie ihr meint.

11. Aber sehr viel ist daran, die Gedanken eines Menschen in seinem Herzen zu prüfen! Wer das kann, der ist Gott gleich allwissend und allsehend und allfühlend. Die nach Meiner Lehre leben werden, und dadurch erreichen die Wiedergeburt des Geistes in ihrer Seele, die werden auch das vermögen; die aber das nicht erreichen, die werden auch nie etwas wahrhaft Geistiges vermögen.

12. Der Leib des Menschen weiß es ewig nicht, was alles im Menschen verborgen ist; denn er hat kein Auge zur Beschauung dessen, was inwendig in ihm ist. Der Geist aber, der inwendig im Menschen ist, der allein sieht und weiß um alles, was im Menschen ist. Darum bestrebe sich ein jeder der wahren Wiedergeburt des Geistes; denn ohne die kann niemand in das Reich Gottes eingehen.

13. Aber bevor Ich aufgefahren sein werde, wird niemand die vollkommene Wiedergeburt des Geistes in seiner Seele zu erlangen imstande sein, – aber nach Meiner Auffahrt ein jeder, der an Mich glauben wird und leben nach Meiner Lehre.“

14. Da sagten die Jünger: „Herr, wie und wann wird das wohl geschehen?“

15. Sagte Ich: „Das werdet ihr bald erleben und sehen mit euren Augen. Mehr brauchet ihr vor der Zeit nicht zu wissen. Denket aber lieber darüber nach, daß wir bis dahin noch vieles zu tun haben werden, und daß Ich zuvor noch vieles zu erleiden haben werde, damit allem Gerichte, in welchem sich nun alle Menschen befinden, der Stachel des Todes genommen werde! – Jetzt aber begeben wir uns zur Ruhe, auf daß wir morgen wieder ganz kräftig an unsere Arbeit gehen können; denn ein schläfriger Mensch ist niemals tüchtig zu einer Arbeit des Geistes.“

16. Darauf begaben wir uns zur Ruhe und schliefen fest bis zum hellen Morgen.

159. Kapitel. Die Erfahrungen der Jünger auf dem Fest in Jerusalem.

1. Als wir erwachten – was diesmal um eine gute Stunde später als sonst geschah –, war das Morgenmahl auch schon bereitet und stand auf dem Tische. Wir setzten uns denn auch sogleich zu Tisch und nahmen fröhlichen Mutes das wohlbereitete Morgenmahl ein. Nach dem Morgenmahl aber fragten Mich die Jünger, was Ich an diesem Tage alles tun werde.

2. Ich aber sagte: „Diesen Tag werde Ich für Mich zu einem Feiertage machen und somit eben nicht besonders vieles tun. Ihr aber könnet hinauf zum Feste gehen und sehen, was da alles geschieht, und was da alles geredet wird! Und so ihr dann am Mittage wiederkommet, könnet ihr es Mir sagen, was die Menschen so von Mir reden; denn Ich will heute mit Meinem Geistesauge und -ohre beim Feste gegenwärtig sein, da heute ein wahres Heidenfest abgehalten werden wird. Wer aber hier bleiben will, der bleibe und denke nicht an das dumme Fest!“

3. Darauf erhoben sich einige Jünger und zogen gemachen Schrittes hinauf zum Feste; aber Petrus, Johannes, Jakobus, Andreas, Simon und Matthäus blieben, und die Judgriechen blieben auch bei Mir, – denn die letzteren hatten eben gar wenig Lust dazu, daß sie in der Stadt von irgend jemandem trotz ihrer Griechenkleidung erkannt würden.

4. Als die etlichen Jünger aber hinauf zum Feste kamen, da wurden sie von einigen Juden bald erkannt, und diese traten um sie und fragten mit heftigen Worten: „Seid ihr nicht Galiläer und Jünger des Zimmermanns aus Nazareth? Wo ist er, auf daß wir hingehen und mit ihm selbst reden?“

5. Die Jünger aber gaben den Juden auf solche ihre Fragen gar keine Antwort. Da drangen aber die Juden noch mehr in sie.

6. Das machte den Nathanael ärgerlich, und er sagte zu den Zudringlichen: „Was fraget ihr darum? Gehet hin und suchet Ihn selbst! Wir aber sind hier Wallfahrer so gut wie ihr, und ihr habt keinen Grund, uns irgend zu belästigen. Wollt ihr aber mit uns euer Wesen fortsetzen, so werden wir euch schon durch die Römer von uns zu entfernen verstehen.“

7. Hierauf murrten die Juden und ließen von den Jüngern ab; darauf gingen die Jünger in den Vorhöfen des Tempels umher.

8. Es wurde aber hie und da vieles von Mir gesprochen, und viele Juden, die an Mich glaubten, suchten Mich und fragten andere, ob Mich jemand irgendwo gesehen habe. Aber niemand wußte, wohin Ich gegangen sei.

9. Und einige sagten: „Er hat gestern doch recht geredet, da er sagte: ,Ihr werdet mich suchen und dennoch nicht finden! Und wo ich sein werde, da könnet ihr nicht hinkommen!‘“

10. Es waren aber mehrere, die da sagten, daß Ich ein purer Betrüger und ein gelernter Magier sei. Andere wieder sagten, daß Ich augenscheinlichst ein Prophet sei, da Ich Taten verrichte, die noch nie ein Magier verrichtet habe. Wieder andere sagten, daß Ich vor allem nur ein recht frommer Mensch sei. Dagegen behaupteten wieder andere und sagten, Ich sei besessen von irgendeinem mächtigen Geiste der Unterwelt, der durch Mich seine Wunder wirke und dadurch die Menschen verführe. Aber niemand behauptete und glaubte, daß Ich Christus wäre.

11. Es kam aber den Jüngern das Fest äußerst öde und wüst vor, und sie machten sich darum bald auf den Rückweg. Als sie wieder in Bethania ankamen, da wurden sie alsbald gefragt, wie es auf dem Feste zugehe. Und sie erzählten alles haarklein, was ihnen begegnet war, und was sie gesehen und gehört hatten. Da ärgerten sich Lazarus und die anderen Jünger und die Judgriechen, daß das Volk gar so verstockt sei.

12. Und Lazarus sagte: „Nein, das ist denn doch das mir Unbegreiflichste, daß gerade dieses Volk gar so entsetzlich verstockt ist! Was sind da schon alles für Zeichen geschehen, und was sind da schon für Lehren gegeben worden, – und alles vergeblich! Nein, nein, das ist zu arg! Ein Mensch wie Du, o Herr, der den Menschen nichts als nur in einem fort die größten Wohltaten erweist und meines Wissens nie von jemandem nur einen Stater begehrte, sondern so viele Arme schon gar überglücklich gemacht hat und jeden, der Ihm eine Freundschaft erwies, gleich tausendfach dafür entschädigte, ist bei diesem allerblindesten Lumpenvolke ein Betrüger! O Herr, gib mir nur auf etwelche Augenblicke Deine Allmacht, und dieser Platz wird in einem Nu von seinem alten Unrate gereinigt sein! O du verzweifelte Menschheit! Nein, die braucht nicht noch fünfzig Jahre bis zu ihrer Reife für ein allerschärfstes Gericht; die ist schon jetzt überreif dazu!“

13. Sagte Ich: „Mein lieber Bruder, ereifere dich nicht darob und denke dir, daß Ich Selbst das alles am besten einsehe, warum ihnen solches unsinnigste Benehmen zugelassen wird! Wir werden sie aber dennoch nicht richten, sondern das wohl verständliche Wort, das Ich zu ihnen so oft schon ganz vergeblich geredet habe, wird sie richten. Es ist aber nun gut, daß auch ihr es vernommen habt, wie das meiste Volk nun über Mich urteilt. Morgen, als am schönsten Festestage, werde Ich abermals im Tempel lehren und ihnen auf ein Haar zeigen, wessen Geistes Kinder sie sind, und was sie als solche zu erwarten haben. – Darum lassen wir nun das und beschäftigen uns mit etwas Besserem!“

14. Sagte Lazarus: „Ja, Herr, das wird am besten sein! Aber was gäbe es da nur gleich, das sich nun vornehmen ließe? Das Mittagsmahl wird erst in einer Stunde fertig sein.“

15. Sagte Ich: „Oh, dafür sorge nur du dich nicht, – das werde schon Ich bestimmen und machen!“

160. Kapitel. Die sieben Schutzhunde des Lazarus. Die Sternenwelten als Schulhäuser für Geister.

1. (Der Herr:) „Sieh, als Noah nach dem Rate Gottes die Arche baute, da wurde er von den sehr verweltlichten Nachbarn verspottet und ausgelacht, und man sagte: ,Da seht einmal den alten Traumnarren an! Hoch auf den Bergen hier, weit entfernt von einem Meere, baut er einen Wasserkasten in der Meinung, daß Gott solche Wasser werde kommen lassen, die ihre Wogen sogar über diese hohen Berge treiben werden, und er wird sich mit den Seinen dann hineinsetzen und sich vor dem Ersaufen retten!‘

2. Solche Reden und noch Ärgeres mußte Noah erfahren; ja sogar sein Bruder Mahal lachte ihn aus und ging mit seinen Töchtern in die Tiefe Hanochs. Die Nachbarn aber wollten den Noah in seinem Baueifer dadurch ermüden, daß sie ihm nachts oft das zerstörten, was er am Tage erbaut hatte. Da bat er Gott um eine rechte Abhilfe von dieser Plage. Und sieh, Gott sandte ihm eine Menge großer und böser Hunde, und wer sich in der Nacht dem Bau zu nahen wagte, der wurde von den Hunden zerrissen, und Noah hatte dann die schönste Zeit zum Ausbau der Arche.

3. Sieh, du hast dir zur Bewachung deiner Häuser römische Soldaten um ein bedeutendes Geld gemietet! Da kann Ich dir auch ganz andere Wächter verschaffen; die werden dich sehr wenig kosten und sich dabei doch von niemand bestechen lassen! Sie werden deine Feinde instinktmäßig schnell erkennen und sie mit fürchterlichem Geheul weit über deine Besitzgrenzen hinaustreiben; aber ebenso werden sie die wahren Freunde deines Hauses wohl erkennen und sie nicht von dannen treiben, sondern sie werden sie unbeirrt hereingehen lassen.

4. Sagte Lazarus: „O Herr, da verschaffe mir nur bald solche Wächter; es wird ihnen bei mir sicher nichts abgehen!“

5. Sagte Ich: „Nun, so gehen wir ein wenig hinaus ins Freie, und die Wächter werden sogleich dasein!“

6. Wir gingen nun hinaus in den großen Hofraum, und sogleich liefen uns sieben große Hunde entgegen, machten ein starkes Gebell und schmeichelten sich darauf um uns herum. Alle waren von der Größe eines zweijährigen Rindes und hatten ein starkes Gebiß und eine braune, zottige Behaarung.

7. Lazarus hatte daran eine große Freude und fragte Mich, wie eine rechte Wohnung für diese Tiere bestellt sein solle. Und Ich stellte ihm eine solche in einem Augenblick und am tauglichsten Orte bloß durch die Macht Meines Willens her, was den Lazarus in ein höchstes Erstaunen setzte; aber die Jünger erklärten ihm das und erzählten ihm, wie Ich den Menschen ganze große Wohnhäuser erschaffen habe.

8. Und Lazarus sagte: „Solches alles tut der Herr, und das elende Volk da oben glaubt noch nicht an Ihn und sagt noch dazu, daß Er ein Betrüger sei! Oh, wo ist das Ziel der Argheit der Menschen und das Ende ihrer Bosheit?!“

9. Ich aber sagte zu ihm: „Laß alles das! Die Zeit ist ewig und der Raum unendlich; da kann vieles geschehen und jede Tat ihren Platz finden. Du sahst in dieser Nacht während der Mondfinsternis zahllos viele Sterne, und es war das kaum der zehntausendste Teil der Sterne, die im Bereiche der Sichtbarkeit vor unseren Augen prangten. Ich sage dir aber, daß alle diese noch sichtbaren Sterne nicht den entferntesten Teil der Vielheit jener Sterne ausmachen, die noch nie, selbst nicht von dem schärfsten Auge eines hochindischen Birmanen, gesehen wurden, und doch haben manche jener hochindischen Scharfseher eine solche Schärfe in ihren Augen, daß sie des Mondes Berge und Löcher ganz gut wahrnehmen können. Und siehe, alle diese unendlich vielen Welten sind Schulhäuser für allerlei Geister, und du kannst daraus gar wohl entnehmen, warum es in der Schrift heißt, das Gottes Ratschlüsse unerforschlich und Seine Wege unergründlich sind! Daher sei unbesorgt um alles, was da irgend scheinbar noch so Vernunftwidriges geschieht; denn Gott weiß um alles und kennt die Geister und die Wege, auf denen Er sie ihr Ziel verfolgen läßt!“

161. Kapitel. Die vorbildliche Tat als beste Lehre und Ermahnung. Wo Ernst und Drohung am Platze sind.

1. (Der Herr:) „Ein jeder aber, der aus Meinem Munde die Wege des Lichtes und des Lebens kennt, der sorge hauptsächlich nur für sich dahin, daß er rein stehe vor Gott, und richte nicht seinen Nächsten! Wer das tut, der tut alles und gibt durch sein Beispiel seinem Bruder die beste und wirksamste Lehre.

2. So dein Bruder dich gut und edel handeln sieht, da wird er bald zu dir kommen und dich fragen: ,Was hast du für einen Grund, daß du solches tust?‘ Und du wirst ihm dann treu und wahr den Grund angeben und sagen: ,Gehe hin und tue desgleichen, so wirst du leben!‘ Und siehe, er wird hingehen und sich bald anschicken, das zu tun, was er an dir als Tat gesehen hat! Wenn du aber hingehst und ihm seine Fehler vorhältst und ihm dann erst die Lehre gibst, wie er in der Folge handeln soll, so wird er erbost werden und wird dich fragen: ,Wer hat dich mir zum Richter bestellt? Kehre du vor deiner Türe, und ich werde schon allein die Türe meines Hauses besorgen!‘

3. Daher sage Ich allen: Lasset die guten Werke der Lehre vorangehen, und die Menschen werden daraus am ehesten erkennen, daß ihr wahrhaft Meine Jünger seid! Tuet Gutes sogar den Feinden, und ihr werdet glühende Kohlen auf ihre Häupter sammeln!

4. Nehmet euch alle an Mir ein Beispiel! Denn Ich Selbst bin von ganzem Herzen demütig und sanftmütig und richte niemanden und verdamme niemanden; aber ein jeder, der mühselig und mit allerlei Gebrechen behaftet ist, der komme zu Mir, und Ich werde ihn erquicken! (Matth.11,28 f.)

5. Wie aber Ich Selbst bin gegen alle Menschen, so sollet auch ihr sein! Oder könnet ihr, Meine alten Jünger, von Mir sagen, daß Ich hart und grausam war gegen die Menschen, die ohne ihr Verschulden als erzschlecht vor Mich gebracht worden sind?

6. Nur jene wenigen bekamen die Schärfe Meines gerechten Zornes irdisch zu verkosten, die mit dem bösesten Willen von aller Welt Mich und euch verderben wollten vor der Zeit, die da bestimmt ist von oben. Auch darin gab Ich euch ein Beispiel, nach dem auch ihr bei vorkommenden ähnlichen Fällen handeln könnet; denn an Macht dazu soll es euch nicht mangeln. Aber bevor ihr den Ernst eintreten lasset, sollet ihr keinen Weg der Milde unversucht lassen. Der Ernst ist aber nur dann zu gebrauchen, wenn euch der Menschen mutwillige Bosheit entgegentritt, euch verfolgt und von euch kein versöhnendes Wort annimmt.

7. Wer euch um Meines Namens willen verfolgen wird darum, daß er einen Lohn von den Hohenpriestern und ihren Genossen bekäme, den ermahnet ernstlich! Wird er sich an eure Ermahnung kehren, dann lasset ihn in Frieden ziehen; wird er sich aber an eine mindestens dreimalige Ermahnung nicht kehren, dann bedrohet ihn ernstlich! Kehrt er sich an diese Drohung auch nicht, so lasset die Drohung ins Werk übergehen zum warnenden Beispiele für alle jene, die euch eines irdischen Gewinnes halber hartnäckig zu verfolgen sich vorgenommen haben! Aber auch nur in diesem einzigen Falle habt ihr das Recht, den Ernst zu gebrauchen.“

8. Sagte Petrus: „Herr, was soll denn dann geschehen, so sich jemand die Mühe nähme, uns durch Lügen und schmeichelhafte Worte zu verlocken? Wir würden solche böse List wohl sicher sogleich erkennen; aber so wir das erkennen und dem Menschen das vorhalten, er aber dennoch mit allen Beteuerungen fortfährt, uns zu verlocken, – was sollen wir mit solch einem Menschen machen?“

9. Sagte Ich: „Aber könnet ihr noch immer nicht so viel denken und einen vergleichenden Schluß ziehen, daß es da nicht auf das Mittel, sondern auf die durch das Mittel zu erreichende Absicht ankommt, die der so oder so tätige Mensch mit jemandem erreichen will? Ob das jemand mit Schwert, Lanze und Ketten oder mit lügnerischen Schmeichelreden zu erreichen strebt, das ist ja ganz einerlei; kehrt er sich nicht an eure wiederholte Ermahnung, so werde er bedroht, und kehrt er sich auch an die Drohung nicht, so werde sie an ihm zur Tat! Ich meine, daß ihr nun wohl einsehen solltet, wie und wann ein Ernst im vollsten Sinne des Wortes anzuwenden ist.

10. Aber es ist dabei noch eines zu berücksichtigen, und zwar das: Wenn eines jeden Zeit kommen wird, so wie da jüngst kommen wird die Meine, da ist es dann mit dem eigenen Ernste nichts, sondern da heißt es, sich den Ernst Gottes gefallen lassen, wenn man im Geiste zu Gott kommen will.“

162. Kapitel. Ursachen und Zweck von Krankheiten und Leiden.

1. Hier bemerkte einer der Judgriechen, sagend: „Herr, warum aber muß der ohnehin arme, sterbliche Mensch nur in allerlei Schmerzen und Leiden zu Gott kommen? Könnte denn das nicht auch durch ein gesundes und leidenfreies Leben nach dem erkannten Willen Gottes geschehen?“

2. Sagte Ich: „Wie der Mensch es will; das hängt zumeist von ihm ab. Sogar die meisten Leibeskrankheiten sind Folgen von allerlei Sünden, die der Mensch schon von seiner Jugend an bis zu seinen alten Tagen hin gleichfort und am Ende schon aus einer Art Gewohnheit begangen hat. Manche Krankheiten der Menschen sind ein Erbe von Eltern und Voreltern an ihre Kinder und Kindeskinder, weil da schon die Eltern und Voreltern gesündigt haben. Da kann man Gott dann keine Schuld geben, wenn die Menschen sich selbst allerlei Krankheiten, Schmerzen und Leiden bereiten. Man könnte Mir wohl sagen und einwenden: ,Wenn der Mensch sogleich von Gott aus belehrt worden ist, was er zu tun hat, um in der gerechten Ordnung in der Welt zu leben und zu bestehen, und er handelte und tat nicht danach, so ist er offenbar selbst schuld daran, daß er in allerlei Leiden verfallen ist; hat aber der Mensch alles von der Natur ablernen und aus allerlei widrigen und oft sehr bösen Erfahrungen klug werden müssen, dann ist der Mensch an seinem Leiden nicht schuld und ist das bedauernswürdigste Geschöpf auf Erden!‘

3. Ja, sage Ich Selbst, das wäre der Mensch auch fürwahr, wenn es also wäre! Daß es aber nicht also ist, beweist die Erschaffung des ersten Menschenpaares im Paradiese, das beinahe ununterbrochen von Gott aus in allem möglichen mehr denn hundert Jahre hindurch unterrichtet wurde. Und dazu erweckte Gott in jener ersten Menschenzeit auf dieser Erde noch fort und fort Seher und Propheten, die die mehr und mehr weltlich gewordenen Menschen lehrten und ihnen den Willen Gottes offenbarten.

4. Bei so bewandten Umständen konnte kein Mensch sagen, daß er von niemandem erfahren habe, wie er nach dem Willen Gottes zu leben habe. Aber die Menschen kultivierten sich nur zu bald ihre irdische Wohnwelt gar sehr, erbauten Städte und errichteten ein Prachtwerk ums andere, wurden so in ihre Welt verliebt und vergaßen vor lauter Welt Gott und wurden sogar Gottesleugner. Kam dann auch ein Seher, von Gott erweckt, zu solchen Menschen, so wurde er nur ausgelacht, und niemand achtete auf den Sinn seiner Rede.

5. Nun, derlei Menschen mußten dann ihre Klugheit freilich nur aus allerlei bitteren Erfahrungen erlernen und sich daraus mühsam eine Lebensregel selbst bestimmen. Diese Lebensregeln, wie zum Beispiel nun die unter den vielen Heiden, waren aber schon zum größten Teil Sünden wider die wahre, göttliche Ordnung, und es mußten aus ihnen notwendig allerlei leibliche und seelische Übel unter den Menschen gang und gäbe werden.

6. Wenn nun Gott eines solchen Menschen Seele fürs ewige Leben erhalten will, so muß Er ihr durch allerlei körperliche Leiden dazu verhelfen, und zwar dadurch, daß eine solche zu sehr an der Welt hängende Seele eben durch so manche Leiden und Schmerzen mehr und mehr von der Welt abgezogen wird, ohne die sie ganz von der Materie der Welt und somit von ihrem Tode und Gerichte an sich gezogen und verschlungen würde. Und seht nun, das ist der Grund, warum nun auf der Erde die Menschen so manches und vieles zu erleiden haben!

7. Aber auch wir werden von den durch eigene Schuld verbildeten Menschen vieles zu leiden haben. Aber unsere Leiden werden über uns nicht kommen auf Grund dessen, als hätten wir keine Kenntnis von der reingöttlichen Lebensordnung, und als liefen unsere Taten ihr zuwider, sondern wir werden durch unsere Leiden die blinden Menschen nur sehend machen, und zwar dadurch, daß sie an uns werden erschauen können, einen wie kleinen Wert wir auf das Leben dieser Welt setzen, und welch großen Wert das Leben der Seele haben muß, wenn man ihm zuliebe alle irdischen Vorteile von sich weist. Und sehet, darin wird erst die eigentliche Erlösung der Menschen vom Tode zum Leben bestehen! – Doch nun genug von allem dem! Da nun das Mittagsmahl völlig bereitet ist, so gehen wir wieder ins Haus und verzehren es!“

8. Es wollte aber den Judgriechen eben nicht sehr eingehen, daß auch sie als spätere Verkünder Meines Wortes dazu noch leiden, ja sogar ihr Leben aufs Spiel setzen sollten.

9. Aber Ich sagte ihnen den bekannten Satz: „Von nun an aber wird es also sein, daß ein jeder, der sein Leben liebt, es verlieren wird; wer es aber verachtet und flieht, der wird es behalten für ewig!“

10. Da sagten die Judgriechen: „Was ist das? Wer kann das fassen?“

11. Sagte Ich: „Das ist es: Was nützete es dem Menschen, so er mit diesem Erdenleben die ganze Welt gewönne, aber Schaden litte an seiner Seele? Was kann ein solcher Mensch dann geben, seine Seele zu lösen? Darum muß der Mensch dieses Leibesleben ja allein nur dazu benutzen, daß er dadurch das ewige Leben der Seele gewinnt. Benutzt ein Mensch sein Leibesleben nicht vor allem dazu, so ist er selbst schuld daran, wenn er das Leben seiner Seele verwirkt oder es mindestens so weit schwächt, daß sie hernach jenseits oft eine überaus lange Zeit zu tun hat, um sich so weit zu sammeln, daß sie dann in ein nur etwas helleres und besseres Geistleben überzugehen imstande ist. Denn solange eine Seele noch mit einiger Liebe an ihrem Leibesleben und seinen Vorteilen hängt, kann sie im Geiste auch nicht völlig wiedergeboren werden; eine Seele aber, die in ihrem Geiste nicht völlig wiedergeboren ist, kann auch ebensolange nicht ins wahre Reich Gottes eingehen, weil darin kein Atom von etwas Materiellem bestehen kann. – Jetzt wisset ihr genug, und so gehen wir ins Haus!“

12. Wir gingen nun ins Haus und verzehrten das wohlbereitete Mittagsmahl, und es ward während des Essens nur wenig geredet.

163. Kapitel. Das Schicksal der Selbstmörder. Lehre ohne gutes Beispiel ist nichts nütze. Glaube ohne Werke ist tot.

1. Nach dem Mahle aber erhob sich ein Ältester der gewissen Judgriechen und sagte zu Mir: „Herr, ich habe während des Essens viel darüber nachgedacht, wie man das Leibesleben gar nicht lieben, sondern vielmehr verachten und fliehen solle, um dadurch das Leben der Seele zu gewinnen und zu erhalten! Das ist mir nun schon so ziemlich klar geworden; aber es ist da dennoch ein Punkt, der mir noch nicht so recht einleuchten will. Es gibt unter den Menschen auch solche, die da wahre Erzfeinde ihres eigenen Lebens sind, und wenn sie dessen aus irgendeiner Veranlassung überdrüssig werden, so entleiben sie sich selbst. Diese müßten doch da vor allem das Leben der Seele gewinnen! – Was ist da Deine Meinung?“

2. Sagte Ich: „Hat ihnen Gott denn das Leibesleben darum gegeben, daß sie es vernichten sollen?! Das Leben des Leibes ist das dem Menschen von Gott gegebene Mittel, durch welches er das Leben der Seele für ewig gewinnen kann und soll. Nun, so er aber das Mittel zuvor vernichtet, womit soll er dann das Leben der Seele erhalten und eigentlich zuvor gewinnen? So ein Weber zuvor seinen Webstuhl zerstört und vernichtet, wie wird er auf demselben hernach seine Leinwand weben? Ich sage es dir: Die Selbstmörder – so sie nicht Irrsinnige sind – werden schwerlich je oder auch gar nie das Reich des ewigen Lebens besitzen! Denn wer einmal ein solcher Feind seines Lebens ist, in dem ist keine Liebe zum Leben; ein Leben ohne Liebe aber ist kein Leben, sondern der Tod. – Weißt du nun, wie du daran bist?“

3. Sagte der Judgrieche: „Ja, Herr und Meister, jetzt bin ich im klaren, und es soll das für mich auch ein Hauptteil Deiner Lehre sein, der den Menschen nicht genug vorgepredigt werden kann!“

4. Sagte Ich: „Ganz wohl, – aber vor allem muß der Prediger für sich selbst ganz in der Ordnung sein, bevor er jemand anderen lehrt; denn sonst ist die Lehre hohl und läßt auch den Lehrling hohl. So jemand selbst ein eifriger Befolger dessen ist, was er lehrt, so werden auch seine Jünger sich mit allem Eifer bestreben, so vollkommen zu werden, wie vollkommen da ihr Meister ist. So aber die Jünger hie und da Lücken und Unvollkommenheiten an ihrem Meister nur zu bald entdecken, so werden sie auch bald in ihrem Eifer nachlassen und am Ende sagen: ,Der Meister ist selbst ein Stümper, – was soll aus uns werden?!‘ Und Ich sage euch: Die Jünger werden solch einem Meister bald den Rücken weisen; denn das Stümpern gehört stets unter das gemeine Handwerk und nie in die Sphäre der Künste, und noch weniger in die Sphäre der Weisheit. Darum müsset ihr zuvor selbst in allem vollkommen sein, das heißt, in der Lehre und in der Tat danach, ansonst ihr nicht fähig wäret, wahre Ausbreiter Meines Evangeliums zu sein.

5. (Ein Beispiel:) Es bestünde irgendwo noch eine alte Heldenschule, in der die stärksten und mutigsten Menschen zu Kriegshelden herangebildet werden. Der Meister würde ihnen vor allem die Verachtung des Todes ans Herz legen und sagen, daß ein feiger Mensch, der den Tod fürchtet, nie ein wahrer Held werden kann. So es aber dann auf eine ernste Probe ankäme, in der der Heldenmeister seinen Jüngern zeigen sollte, wie man dem Tode kaltblütig entgegengehen muß, er aber dann zaudern würde und am Ende selbst die Flucht ergriffe, – würde das seine Heldenjünger zum wahren Mut entflammen? Ganz sicher nicht; denn die Jünger werden sich denken: ,Ach, der will uns nur durch wohlgewählte Worte die Todesverachtung einreden; in der Tat aber hat er hundertmal mehr Furcht vor dem Tode als der Zaghafteste unter uns! Der soll lieber eine Schule für Feiglinge als für Helden halten!‘

6. Ganz etwas anderes aber wird ein Heldenmeister bewirken, so er vor seinen Jüngern den Kampf mit einem Löwen aufnimmt und ihn durch seine Kraft und Gewandtheit besiegt und zu Boden streckt. Da werden ihn seine Jünger bewundern und in sich stets mehr die Begierde beleben, auch sobald als möglich einen solchen Kampf durchzufechten. Und es bleibt der Spruch stets wahr, daß nur der Geist der Tat belebt, der tote Wortbuchstabe aber tötet. Denn was selbst tot ist, das kann nicht beleben für sich, sondern der Geist, der sich durch die lebendige Tat bekundet, macht alles lebendig.

7. Ich sage es euch: Es werden nicht die in das Reich Gottes eingehen, die da zu Mir sagen werden: ,Herr, Herr!‘, sondern nur die, welche den erkannten Willen Meines Vaters im Himmel tun werden! Es ist nicht genug, daß da jemand glaubt, daß Ich Christus, der Gesalbte Gottes bin, sondern er muß auch tun, was Ich gelehrt habe, sonst nützt ihm der Glaube nichts; denn ohne die Werke ist der stärkste Glaube tot und gibt keiner Seele das ewige Leben. – Das merket euch alle wohl und tuet danach, so werdet ihr leben!“

8. Nach dieser Meiner Lehre fragte niemand um etwas Weiteres; denn sie hatten da alle genug zu denken und untereinander zu besprechen.

164. Kapitel. Haltung des Lazarus zum Tempel. Schädliche Folgen des Ärgers.

1. Ich aber ging mit Lazarus und seinen beiden Schwestern ins Freie. Als wir in den großen Hofraum kamen, da verspürten die großen Hunde, daß sich Fremde dem Orte Bethania nahten, und sie rannten mit starkem Gebell an die Tore des großen Hofraumes, und Lazarus fragte Mich, was dies zu bedeuten habe.

2. Ich sagte zu ihm: „Etliche Juden und ein paar alte Pharisäer, die heute gerade nichts zu tun hatten, wollten dich besuchen und dich bei der Gelegenheit vor Mir warnen; aber sie haben das nur darum unternommen, um bei dir auszukundschaften, ob Ich Mich etwa bei dir aufhalte, oder wohin Ich von dir weiter etwa den Weg eingeschlagen habe. Und sieh, die Hunde merken das genau, daß das keine Freunde von dir und von Mir sind, und laufen darum an die Tore, um jene Juden und Pharisäer zum schnellen Rückzug zu nötigen! Denn sowie die Ankommenden nur von weitem dieser Tiere ansichtig werden, werden sie jählings umkehren und so fußgeläufig als möglich das Weite suchen. Darauf werden die Hunde auch wieder ganz ruhig heimkehren.“

3. Wir bewegten uns darauf nach derselben Richtung hin, in der die Hunde vorausliefen. Wir hatten aber noch kaum das Tor erreicht, als wir auch schon eines schwarzen Klubs Menschen ansichtig wurden. Da verließen die Hunde das Tor mit furchtbarem Gebell und rannten mit wütiger Hast den Ankommenden entgegen. Als aber diese der Hunde ansichtig wurden, da kehrten sie pfeilschnell um und liefen in völliger Raserei davon.

4. Als sie sich von den Hunden nicht mehr verfolgt sahen, fingen sie an, langsamer zu gehen, und schmollten sehr über den Lazarus, daß er sich nun schon von reißenden Bestien bewachen lasse, um sich und sein Haus von den Besuchen der Männer des Tempels freizuhalten; aber er solle die Geduld des Tempels nicht auf die Spitze treiben, sonst werde es ihm noch ganz übel ergehen. Von wo er sich etwa doch diese Bestien wieder verschafft habe? Und so schmollten sie bis nach Jerusalem; aber daheim sagten sie nichts, da sie sich schämten, vor den Hunden die Flucht ergriffen zu haben.

5. Als Ich solches dem Lazarus mitteilte, da fragte er Mich, was er im äußersten Falle wohl von den Templern zu befürchten habe.

6. Sagte Ich zu ihm: „Gar nichts; denn so sie dir etwas anhaben möchten, so hast du ja das römische Gericht, und an dem hast du des weltrechtlichen Schutzes zur Genüge, da eben dieser dein Ort sich schon seit über fünfzig Jahren rein unter der ausschließlichen Gewalt der Römer befindet. Ja, wenn das nicht wäre, so hätten dich die Templer schon ganz anders zur Leihe genommen; aber so haben sie kein Recht. Sie versuchen nur, dich als Juden so zu ihrem Vorteile auszubeuten, und machen dir allerlei blinde Drohungen; aber im Ernste können sie dir nichts anhaben. Deinen Verpflichtungen kommst du allzeit gewissenhaft nach, und so können sie auch keine eigentliche Sache gegen dich aufbringen. Das aber ist auch ihr ärgster Grimm gegen dich.

7. Sie wissen es nur zu gut, daß du der reichste Mensch von ganz Judäa bist, da deine Besitzungen für sich schon ein kleines Land ausmachen und alle rein unter der römischen Gerichtsbarkeit stehen. Sie haben also kein Recht, dich zu besteuern, und das ist ihnen ein Greuel. Sie möchten es so bestimmen, daß du dich von den Römern ablösest und dich dann als ein reiner Untertan des Tempels bekennst. Weil du das aber trotz aller ihrer großen Zudringlichkeit nicht tust, so belästigen sie dich an allen Orten deines Besitztumes, reden (wiegeln) dir die Dienerschaft auf und tun dir heimlich bald dies, bald jenes. Aber von nun an bist du gesichert; und somit mögen sie heimlich über dich ergrimmt sein, wie sie nur immer wollen, so können sie dir doch nichts anhaben, – und so magst du von nun an ganz ruhig sein!“

8. Sagte Lazarus: „Herr, ich danke Dir für die gute Aufklärung! Ich habe nun vielen und großen Trost in mir, und wahrlich, ich atme nun wieder freier; aber nichtsdestoweniger ist mir das eine angenehme Erscheinung, so ich mir selbst rein ins Gesicht sagen muß: ,Du bist ein Mensch, der stets nach seinem besten Wissen und Gewissen bereitwilligst alles mögliche getan hat, was man auch nur unter einem Schein von Gesetzlichkeit von ihm verlangt hat, und überdies noch aus freiem, gutherzigem Antrieb gar vieles Gute, was man von ihm niemals hätte verlangen können, offen und geheim ausübte, – und dafür werde ich nun von den elenden Templern noch gehaßt!‘ Ach, Herr, das wird mir offenbar zu dick!

9. Diese elenden Kreaturen wollen rein alles für sich allein besitzen und berücksichtigen das nicht im geringsten, daß ich, um dem Tempel seine pflichtmäßigen Armenunterhaltungskosten zu ersparen, jährlich mindestens tausend Arme ganz verpflege und dazu noch alljährlich eine ganz bedeutende Summe in den Armutsbeutel lege. Ich habe dem Tempel auch schon so manche große Spende gemacht, – und das alles ist bei diesen Elenden nichts! Sie suchen mich dafür nun noch obendrauf ganz zugrunde zu richten, – was sie augenblicklich sogar an einem Sabbat tun würden, so ihnen das möglich wäre! Ja, Herr, ich weiß es nun nur zu bestimmt, daß sie mir nichts anhaben können; aber mich ärgert es dennoch ganz entsetzlich, daß mich diese Elenden nun noch hassen, wo ich ihnen doch so viele Gefälligkeiten erwiesen habe!“

10. Sagte Ich: „Aber sieh doch Mich an! Habe Ich nicht diese Erde und Sonne, Mond und alle die Sterne erschaffen? Versorge Ich nicht gleichfort die Erde, daß sie allerlei Nahrung für alle Kreatur hervorbringt? Erhalte Ich nicht jedem Menschen das Leben? Ich habe diese Erde zur Zucht Meiner Kinder bestimmt, bin nun Selbst allen bekannten Weissagungen zufolge auf diese Erde gekommen, um Mich durch Wort und Tat als der Herr Himmels und der Erde in Menschengestalt zu zeigen, um sie dadurch Selbst dahin zu belehren, daß sie wahrhaft Mein Ebenmaß sind. Und was tun diese Tempelhelden? Sie hassen Mich, verfolgen Mich und jeden, der an Mich glaubt, weil Ich ihnen zeige, daß ihre Werke böse sind. Sie trachten in einem fort, Mich zu töten, und es wird bald die Zeit kommen, wo Ich es Selbst zulassen werde, daß sie auch diese Greueltat an Mir verüben. Und siehe, Ich habe in Mir keinen Ärger über sie! Ich werde aber auch jenseits ewig der Herr bleiben, und es wird ihnen dort wahrlich nicht unvergolten bleiben, was sie hier tun!

11. Da Ich als der Urerste und als der alleinig größte Wohltäter der Menschen Mich aber darum nicht ärgere, so ärgere auch du dich nicht über sie, der du ihnen im Vergleich zu Mir nur etwas ganz weniges getan hast! Da sieh diesen Stein an, der auf dem Wege vor uns liegt! Wer erhält ihn denn als das, was er ist, – außer Mir? Ziehe Ich in diesem Augenblick Meinen ihn erhaltenden Willen von ihm zurück, so ist er nicht mehr als Materie da, sondern er tritt in seinen geistig-spezifischen Zustand, also in den Bereich Meiner Urideen zurück, und dasselbe könnte Ich in einem Augenblick auch mit der ganzen Erde tun, so Mich ihrer Bewohner Taten ärgern könnten. Weil sie Mich aber eben nicht ärgern und nie ärgern können, so besteht alles gleichfort und Ich lasse Meine Sonne scheinen über Gute und Böse, Gerechte und Ungerechte gleich. Erst jenseits werden sich die großen Unterschiede zeigen, und ein jeder wird seinen Richter in sich tragen.

12. Willst du aber jenseits völlig bei Mir sein für ewig, dann mußt du Mir auch in diesem gleich sein, daß du dich über niemanden ärgerst. Wer Mir nachfolgt, der muß Mir ganz nachfolgen, ansonsten er nicht vollkommen Mein Jünger ist.

13. Zudem aber sage Ich dir noch etwas, und das besteht darin, daß der Ärger der nötigen leiblichen Gesundheit gar nicht zuträglich ist; denn er erzeugt zuviel Galle, und diese verpestet das Blut und setzt das menschliche Leben jeden Augenblick aufs Spiel. Also hüte dich auch in dieser Hinsicht ganz besonders vor zu großem Ärger, ansonst du bald dein Leibesleben einbüßen würdest! Bedenke das alles wohl, so wirst du auch physisches Übel nicht zu befürchten haben!“

165. Kapitel. Geistereinflüsse und Willensfreiheit des Menschen. Die Bestimmung der Tierseelen.

1. Sagte Lazarus: „Ja, Herr, das sehe ich nun nur zu gut ein; aber ich kann Dir dennoch nicht ganz gutstehen, daß ich mich, selbst bei meiner bestwilligen Vornahme, bei vorkommenden ähnlichen verdrießlichen Fällen nicht wieder ärgern werde, denn es ist das Ärgern schon zu meiner zweiten Natur geworden. Ein Unrecht kann ich selbst beim besten Willen unmöglich ertragen!

2. Aber es ist das auf dieser Erde schon merkwürdig: Ein jeder Mensch weiß, daß er einmal sterben und alles Zeitliche verlassen muß; er kennt die Gesetze der göttlichen Ordnung und des göttlichen Willens; er hat Vernunft und Verstand, zu unterscheiden um das Falsche vom Wahren, das Böse vom Guten, das Recht vom Unrecht und die Nacht vom Tage; er weiß – teils aus Offenbarungen und teils oft aus selbsterlebten, hellen Erfahrungen –, daß die Seele nach dem Tode des Leibes fortlebt; und zwar in derselben Gestalt, wie sie auf der Erde geleibt und gelebt hat: und dennoch trachtet er nur nach den toten, irdischen Gütern, kehrt den wohlerkannten göttlichen Gesetzen den Rücken, tritt alles Rechte, Gute und Wahre mit Füßen, haßt außer sich alles und begeht eine Todsünde auf die andere; er hurt, bricht die Ehe, betrügt, stiehlt, raubt und mordet, und Gott ist ihm soviel wie nichts! Ja, da fragt es sich denn doch, wie möglich Gott das zulassen kann!

3. Tut der Mensch das alles aus seinem freien Willen, so ist er ja ärger denn der Satan und alle seine Teufel, von denen die Schrift häufig die Erwähnung macht; wird er aber gleich wie Saul von einem bösen Geist zu all dem Bösen angetrieben, so daß er dann unmöglich anders als nur böse handeln kann, trotzdem er das Gute und Wahre einsieht und als solches erkennt, so ist er, der also durch unsichtbare Mächte genötigte Mensch, für sich ja doch offenbar unschuldig, und die Schuld fällt da auf den bösen Verführer und teilweise – aufrichtig gesprochen – auch auf Den, der solch eine Versuchung für den armen, schwachen Menschen zuläßt. Denn vor einem offenen Feinde kann man sich durch allerlei Mittel schützen; aber wer kann sich vor einem unsichtbaren Feinde, der als ein Geist ganz durchdringlich den Menschen gefangennehmen und sogar dem menschlichen Willen die mächtigsten Leitfesseln anlegen kann, schützen und sich mit ihm in einen entscheidenden Kampf einlassen? – Siehe, Herr, das sind so sonderbare Dinge, die selbst der verständigste und beste Mensch nicht unter ein Dach bringen kann!

4. Wenn der Mensch ohne irgendeine fremde, böse Einwirkung pur aus seinem eigenen freien Willen das Böse tut, so ist er vor mir ein verabscheuungswerter Sünder und ist als solcher aus allen guten Gemeinden zu entfernen – denn ein solcher Unmensch ist nach meinem Urteil sicher für ewig nichts Besseres wert, so er sich nicht ernstlich in allem bessert –; aber wer kann über einen von einem Teufel verführten Menschen ein böses Urteil fällen?! Solch ein Urteil käme mir geradeso vor, als so man einen Menschen darum strafen wollte, weil er sich von einer bösen Krankheit hat befallen lassen. – Herr, gib mir auch darüber ein rechtes Licht!“

5. Sagte Ich: „Ja, Mein liebster Bruder, deine Beurteilung dieser Sache hat viel Gutes für sich, und Ich kann dir nicht sagen: ,Sieh, du hast da unrecht geurteilt!‘; nun aber verhält sich die Sache denn doch bedeutend anders, und so fällst du mit deinem Urteil in den Bach!

6. Auf einer Welt, auf der es sich darum handelt, daß die Menschen zu vollendeten Gotteskindern erzogen werden sollen, müssen sie nebst dem freiesten Willen und dem hellsten Verstande auch von Gott gegebene Gesetze, in denen sich Gottes Wille klar ausspricht, haben, die ihr Wille ergreifen und ausüben soll. Wie aber könnten sie das, wenn in ihnen nicht auch eine gleich mächtige Anreizung zur Nichthaltung der Gesetze vorhanden wäre?

7. Diese entgegengesetzte Anreizung verschafft dem menschlichen Willen ja erst die vollkommenste Freiheit und gibt ihm auch die volle Kraft, ihr selbst zu widerstehen und den erkannten Willen Gottes an ihre Stelle zu setzen.

8. Ich sage es dir: Ein Mensch, der in sich nicht die vollste Fähigkeit hat, ein vollendetster Teufel zu werden, kann auch nie ein völlig gottähnliches Kind Gottes werden.

9. Wäre die Unendlichkeit des Raumes mit irgendeiner Beschränkung wohl noch eine Unendlichkeit, oder würde Gott wohl völlig allmächtig sein, wenn Ihm auch ein kleinstes Ding zu erschaffen unmöglich wäre? Oder ist Gott darum weniger Gott, weil Er neben den heilsamen Kräutern auch die gar schädlichen Giftpflanzen erschaffen hat, und weil Er das viele Unkraut gleich dem Weizen besamte, auf daß es gleich den edlen Pflanzen fortwuchern kann?!

10. Siehe, gleichwie in Gott Selbst keine wie immer geartete Beschränkung – weder nach oben noch nach unten – stattfinden kann, ebenso kann und darf auch im Menschen, aus dem ein wahres Gotteskind werden soll, keine Beschränkung – weder nach oben noch nach unten – je stattfinden; denn mit irgendeiner solchen Beschränkung wäre der Mensch kein Mensch mehr, sondern rein nur ein intelligenteres Tier, dessen Wille nur insoweit einen Schein von einer Freiheit hat, daß er das Tier gerade zu jener Tätigkeit antreibt, für die es die instinktmäßige Befähigung in sich hat, – darüber hinaus aber dann auch ewig nicht um ein Haar mehr!

11. Aus einer einfachen Tierseele kann aber nie eine Menschenseele werden, und man sagt darum auch, daß die Tierseele mit dem Tiere stirbt, – was aber natürlich nur also zu verstehen ist, daß nämlich eine Tierseele nach dem Verenden des Tieres, zum Beispiel eines Ochsen, völlig aufhört, eine Ochsenseele zu sein, weil sie sich bei ihrem Austritt aus dem Tierleibe alsbald mit noch gar vielen anderen freien Tierseelen zu einer neuen und vollendeteren Seele vereinigt, sich eine Zeitlang zu einer Menschenseele qualifiziert und nachher in einen Menschenleib eingezeugt werden kann, – eine alte Wissenschaft, die bei den Urvätern in ihrer vollsten Klarheit gang und gäbe war und bei den Hochindiern noch heutigentages gang und gäbe ist.

12. Allein darüber nun noch ein Weiteres zu verhandeln, wäre nutzlos, da es völlig genügt, daß der Mensch sich als Mensch und daraus Gott als seinen Schöpfer, Wohltäter und endlich als seinen alleinig wahren Vater erkennt, dem er als Mensch im Geiste völlig ähnlich werden soll in allem und auch werden kann, wenn er nur will. Sage du Mir nun, ob du das alles wohl begriffen hast!“

13. Sagte Lazarus: „Ja, Herr und Meister von Ewigkeit! – Aber es fängt nun an, schon sehr abendlich zu werden. Wie wäre es denn, so wir uns wieder ins Haus begäben?“

14. Sagte Ich: „Tun wir nun das! Aber sage den Jüngern nichts von all dem, was wir hier unter uns verhandelt haben; denn sie wissen von derlei Dingen ohnehin gar vieles, und es ist somit gar nicht nötig, ihnen das wieder kundzutun. Wir werden aber heute in der Nacht noch ein kleines Spektakel erleben, das aber nicht arger Art sein wird; darum sollst du auch nicht ängstlich werden, so es auftauchen wird. Jetzt aber gehen wir, sonst werden wir geholt werden, da deine Schwestern das Abendmahl schon bereitet haben!“

166. Kapitel. Das Wesen der Meteore und Kometen.

1. Wir gingen nun nach Hause, und als wir noch bei dreißig Schritte zu machen hatten, da ereignete es sich, daß ein große Feuermeteor, von Norden herkommend, gerade über uns gegen Süden hinflog, und zwar in einer solchen Schnelligkeit, daß er von Horizont zu Horizont kaum ein paar Augenblicke vonnöten hatte, um die mindestens vierhundert Stunden lange Strecke zu durchfliegen.

2. Da sagte der bei solchen Erscheinungen auch noch etwas abergläubische Lazarus mit einer gewissen Aufregung zu Mir: „Herr, das bedeutet nichts Gutes!“

3. Sagte Ich: „Warum denn? Wie sollte denn das etwas Schlechtes anzeigen?“

4. Sagte Lazarus: „Eine schon gar alte Volkssage erklärt derlei Erscheinungen also: Wenn irgendwo auf der Erde ein gar großer Bösewicht stirbt, so ergreifen dann sieben der allerärgsten Teufel seine Seele und zerren sie durch die Luft. Vor lauter Schrecken, Angst und Schmerzen läßt sie alles unter sich gehen, und weil sie einmal schon der untersten Hölle angehört, so ist natürlich auch schon alles Feuer, was sie in ihrer Angst von sich läßt. Solch teuflischer und höllischer Unrat aber verpestet die Luft, und wo er etwa teilweise auf die Erde niederfällt, da geschieht dann aber auch schon ein Unglück über das andere und es gehören dazu viele Opfer und Gebete, um so einen Fleck von dem Übel zu reinigen. – So lautet die alte Volkssage. Ich nehme sie zwar durchaus nicht als bare Münze an; aber es ist da doch etwas Eigenes, daß so manche Dinge, die man als Kind gewisserart mit der Muttermilch eingesogen hat, nicht so leicht aus dem Menschen ganz hinauszubringen sind. Es haftet stets so eine Art Glauben daran, der sich von Zeit zu Zeit bei solchen vorkommenden sonst ganz unbegreiflichen Erscheinungen wieder erneuert und das Gemüt mit Furcht und Angst erfüllt. – Sage doch Du es mir, o Herr, was daran Wahres ist!“

5. Sagte Ich: „An der alten Sage ist nicht ein kleinstes Fünklein Wahrheit; aber die Erscheinung selbst, als etwas ganz Natürliches, muß wahr sein, weil sie sonst niemals zum Vorschein käme. Was aber an der Erscheinung selbst ist, das will Ich dir gleich praktisch zeigen. Und so gib nun acht!

6. Sieh, da ist ein Stein! Wenn jemand mittels einer außerordentlichen Kraft imstande wäre, ihn so mächtig durch die Luft zu schleudern, daß er in einem Augenblick nur hundert Stunden weit käme, so würde er durch die starke Reibung an den Luftschichten im Augenblick so glühend werden wie fließendes Erz. Aber auch die Luft, die der Stein durchschnitte, würde erglühen und hinter dem geworfenen, fliegenden Stein einen glühend aussehenden Streif bilden, der sich aber doch bald abkühlte und sonach verschwände, – geradeso, wie du das bei dem soeben über uns vorbeischwebenden Meteor gesehen hast. Solch ein Streif ist dann kein Unrat einer in den Krallen der Teufel befindlichen Seele, sondern nur die durch den höchst schnellen Flug des Steines mit glühend gemachte Luft. Damit du aber solches noch leichter begreifst, so nehme Ich nun diesen Stein und werde ihn mit der Macht Meines Willens in großer Schnelle in der Luft herumtreiben und ihn dann wieder hierher führen, wodurch du dann deinen alten Kinderglauben völlig loswirst.“

7. Hier hob Ich den bei zehn Pfund schweren Stein auf und führte ihn mit Blitzesschnelle ein paar Augenblicke lang in weiten Kreisen durch die Luft, wo er noch mehr glänzte als der frühere ganz natürliche Meteor, und als er vor uns niederfiel, da war er noch so glühend wie geschmolzenes Erz und verbreitete eine große, kaum auszuhaltende Hitze um sich; und so man Holz auf ihn legte, brannte es gleich lichterloh auf. Da wunderte sich Lazarus.

8. Und Ich sagte zu ihm in einem ganz gemütlichen Ton: „Siehe, Bruder, da hast du deine von sieben Erzteufeln getragene Bösewichtsseele! In ein paar Stunden wird sie schon wieder völlig abgekühlt sein.

9. Aber hat dir dein Inneres noch nie gesagt, daß zu allen Zeiten das Priestertum alle außergewöhnlichen Naturerscheinungen vor den blinden Völkern zu seinem Nutzen auszubeuten verstanden hat?! Die Mond- und Sonnenfinsternisse, die Kometen, große Stürme und große feurige Erscheinungen in der Luft und noch andere seltene Erscheinungen erklärte es für außerordentliche, böse Anzeichen aus den Himmeln und ordnete bald große Gebete und Opferungen an. Das wurde schon den Kindern beigebracht, und wenn dann so eine Erscheinung zum Vorschein kam, lief das geängstigte Volk gleich zu den Priestern, und diese verordneten dann sofort, was ihnen am meisten frommte. – Nun, Bruder, frage Ich dich, ob du diesen Stachel noch nicht erkennst!“

10. Sagte Lazarus: „Ja, jetzt erkenne ich ihn freilich wohl; aber früher war das für mich ja doch nicht möglich. Aber sind diese Priester doch Kerls, die wahrlich mit allen Teufelssalben gesalbt sind! Nun, ich danke Dir, o Herr, für diese Erklärung; denn jetzt erst bin ich ganz im klaren, was ich von diesen schwarzen Völkerbetrügern zu halten habe. – Aber die Kometen sollen doch im Ernste Vorboten der Kriege sein?“

11. Sagte Ich: „Sie sind es – und sind es nicht! Sie sind es, weil das Volk daran glaubt, und es wird von den Engeln aus solch ein an und für sich ganz unschuldiges Zeichen auch gewählt, um den unbändigen Menschen die Zulassung eines Gerichtes anzuzeigen. Glauben darauf die Menschen und tun Buße, so wird auf einen Kometen kein Krieg folgen; bessern sie sich aber nicht, so wird der Krieg nicht ausbleiben, der allzeit der Vorgänger von allerlei nachfolgenden noch größeren Übeln ist, als da der Krieg selbst ist.

12. An und für sich aber sind die Kometen nichts als werdende Erden, die sich nach und nach dem göttlichen Plane gemäß zu dem ausbilden, was sie werden sollen, – und da sind sie keine Vorboten des Krieges.

13. Du meinst nun freilich, daß Gott eine Welt ja auch in einem Moment erschaffen könnte. O ja, das könnte Er gar wohl; aber da wäre in Gott keine Ordnung und also auch in keinem so plötzlich hervorgegangenen Geschöpf. Gott aber erschafft eine Welt aus Seiner Ordnung, und da entsteht eins nach dem andern, und es wird dadurch eine vollkommene Einheit der zahllosen Vielheit der göttlichen Gedanken und Ideen.

14. Ein solcher Komet ist auch ein werdendes großes Gericht für eine gewisse Art von Geistern. Diese müssen sich nach und nach stets inniger und inniger ergreifen, so daß sie im Raum und in der Zeit am Ende eine buntmaterielle Masse bilden. Diese Bildung der sichtbaren, festen Masse nennen wir die Einhülsung der geistigen Potenzen, und diese Einhülsung ist das eigentliche Gericht, aus dem dann nach langen Zeiten die im Gerichte gefangengehaltenen Geister ihre selbständige Lebensfreiheit erlangen können. Und weil eben die Kometen werdende Gerichte sind, so ist denn auch ihr Einfluß bei einer größeren Annäherung zu einer schon lange fertigen Erde hin auch ein solcher oder wird von den Engeln Gottes als ein solcher für eine alte Erde benutzt, der auf ihr ein Gericht erweckt und namentlich die Menschen gegen Menschen erregt, – natürlich nur, wenn es not tut, das heißt, so die Menschen Gott sehr zu vergessen anfangen und sich selbst für Götter halten. – Jetzt weißt du denn auch, was du von den Kometen zu halten hast, und so können wir nun diese Stelle schon verlassen. Oder willst du zuvor noch etwas fragen?“

15. Sagte Lazarus: „Herr, nur um zwei kleine Dinge noch; denn weiß ich nun durch Deine Güte schon das, was ich weiß, so möchte ich das wenige wohl noch hinzuwissen, auf daß mein Wissen nicht allzusehr ein Stückwerk sei! Die zwei kleinen Dinge aber bestehen darin: Erstens möchte ich von Dir noch erfahren, woher da die ganz natürlichen Meteore ihren Ursprung nehmen, wer sie mit solch einer unermeßlichen Heftigkeit von sich in die Luft hinausschleudert, und dann fürs zweite möchte ich von Dir erfahren, wohin die Kometen kommen, so sie nach und nach am Himmel unsichtbar werden.“

16. Sagte Ich: „Was die Meteore betrifft, so haben sie einen doppelten Ursprung. Sie sind entweder Auswürfe der Sonne; denn die Sonne ist eine tausendmal tausend Male größere Erde als diese, auf der wir stehen. Auf ihrer Oberfläche geschehen denn auch zuweilen nach demselben Verhältnisse größere und heftigere Eruptionen (Ausbrüche) denn auf dieser Erde. Bei solchen Eruptionen werden dann auch stets eine große Menge loser, größerer und kleinerer, härterer und oft auch weicherer Massen mit einer für dich völlig unbegreiflichen Gewalt in den weiten Weltenraum hinausgeschleudert, und es kommen von ihnen auch stets welche in die Nähe dieser Erde. Und sowie sie ein wenig in die Region der Luft dieser Erde gelangen, erglühen sie und werden als fliegende Sterne sichtbar. Und schlagen sie zu tief in die dichtere Luftmasse der Erde, so werden sie in ihrer Schnelligkeit gehemmt und von dieser Erde als schwere Körper angezogen und fallen dann auch ganz natürlich auf dieser Erde Boden, entweder auf den trockenen oder auf den nassen, der auf dieser Erde der bedeutend größere ist.

17. Also das ist die eine und häufigere Art der auf dieser Erde erscheinenden Meteore. Eine andere und seltenere Art der Meteore, wie der frühere einer war, entsteht aber auf dieser Erde selbst. Es gibt in der großen Reihe der Berge auf dieser Erde auch solche, die mit dem Innersten der Erde durch gewisse große Organe zusammenhängen und durch dieselben stets eine solche Nahrung bekommen, die nach und nach auch in eine stets heftigere Gärung gerät, durch die die inneren großen, hohlen Räume angefüllt werden, und zwar mit Luftarten, die sich leicht entzünden, wenn sie zu sehr gepreßt werden. Wenn der Akt der inneren Entzündung vor sich gegangen ist, so zerstören diese brennenden Luftarten die weniger festen Teile des Berges, brechen dann als lichterlohe Feuermassen durch und reißen die lockeren Klumpen mit und schleudern solche – wie eben unser früher gesehener einer war – dann auch mit einer immensen entsprechenden Gewalt entweder gerade über sich oder manchmal nach irgendeiner Richtung schief über die Erde hin, oft mehrere hundert Stunden weit weg von dem Orte ihrer Entstehung. Da fallen sie dann auf die Erde, ohne ihr dadurch irgendeinen Schaden zuzufügen.

18. In größerer Nähe irgendeines feuerspeienden Berges würdest du derlei Erscheinungen sehr oft und sehr dicht zu Gesichte bekommen; aber hierher kommen aus den Kaukasusbergen nur solche, die zufällig bei ihrem Auswurf in eine solche Richtung, die sie offenbar hierher bringen muß, kommen, dazu aber auch mit der erforderlichen Kraft hinausgeschleudert worden sind. Dazu aber mußten sie auch schon bei ihrem Auswurf in einem sehr glühenden Zustande sein, wodurch sie die ihren raschen Flug hindernde Luft leichter besiegten, da diese vor ihnen augenblicklich verdünnt ward und daher ihrem Laufe weniger hinderlich war denn eine kalte und somit dichtere Luft.

19. Und jetzt habe Ich dir diese Sache ganz in der natürlichen, weltweisheitlichen Art erklärt, mit der du voll zufrieden sein kannst. Eine tiefere, ganz geistige Erklärung darüber aber kann Ich dir nun deshalb nicht geben, weil du sie nicht fassen würdest; wenn Ich aber den Geist der Wahrheit über euch alle senden werde, dann wird er euch in alle Weisheit leiten. – Jetzt aber ist es auch schon höchste Zeit, ins Haus zu gehen. Sieh, die beiden Schwestern kommen uns schon holen!“

20. Darauf erst gingen wir ins Haus, setzten uns sogleich an den Tisch und aßen und tranken ganz wohlgemut.

21. Es fragten uns zwar einige Jünger, was wir solange im Freien gemacht hätten.

22. Und Ich sagte: „Das, was ihr nicht gemacht und getan habt; und es war das denn auch mehr wert als euer Wortstreit über die vage Persönlichkeit oder Nichtpersönlichkeit des Beelzebub. Aber jetzt esset und trinket, auf daß ihr für morgen Kraft habt, einen heißen Tag standhaft zu ertragen!“

23. Darauf fragte niemand mehr um etwas, und jeder aß und trank, was er vor sich hatte.

167. Kapitel. Lazarus wird Besitzer einer Erdölquelle.

1. Als wir aber das Abendmahl verzehrt hatten und ein Jünger nach dem andern anfing, sich vom Schlafe übermannen zu lassen, da sagte Ich: „Aber könnet ihr euch denn nicht nur noch eine kurze Zeit des Schlafes enthalten?“

2. Sagte Petrus: „Ich weiß es wahrlich selber nicht, warum uns heute – und zwar jetzt nach dem Mahle – der Schlaf gar so übermannt, und wir haben doch heute beinahe den ganzen Tag hindurch mehr geruht als irgend etwas getan!“

3. Sagte Ich: „Daher seid gleichfort tätig in Meinem Namen, und ihr werdet um vieles weniger schläfrig sein!“

4. Als ich noch also redete, siehe, da geschah ein starker Knall, als hätte ganz in der Nähe der Blitz eingeschlagen. Die Wände erbebten, und die Zimmertüre öffnete sich und machte eine stark oszillierende Bewegung. Da war den Jüngern der Schlaf auf einmal vergangen, und alle wollten hinauslaufen, um nachzusehen, was denn da geschehen sein müsse.

5. Ich aber hielt sie zurück und sagte zu ihnen: „Es ist nun nicht geheuer, hinauszugehen! Eine bedeutende Naphthaquelle ist in der Nähe, aber dennoch ziemlich tief in der Erde. Oberhalb der Quelle befindet sich ein großer, aber nach allen Seiten hin fest geschlossener Raum. In seinem unteren Teile ist er wegen einer in seiner Nähe sich befindenden Feuerader beinahe glühend, und es besteht deshalb in diesem Hohlraume eine stets bedeutend große Hitze. Diese bewirkt, daß die in diesen Hohlraum mündende Naphthaquelle gleichfort verdunstet und so den ganzen Hohlraum mit Naphthadunst ausfüllt. Wenn die Verdunstung nicht zu heftig vor sich geht, so wird der Dunst von den den hohlen Raum bildenden Steinmassen aufgesaugt. Wenn dann und wann aber die gewisse Steinwand mächtiger erglüht, so bewirkt das dann auch eine großartigere Verdunstung des Naphthas. Die Steinwände können so einen großen Vorrat nicht mehr aufnehmen, und so geschieht es dann, daß der Naphthadunst eine stets größere Spannung in dem großen Hohlraume bewirkt, der sich dann zu sehr, besonders an den glühheißen Felswänden, drückt und reibt und sich dadurch dann bald und leicht entzündet.

6. Und sehet, ein solcher unterirdischer Naturgeisterakt ist soeben vor sich gegangen, was auch recht gut war; denn durch diese Entzündung des Naphthadunstes ist die etwa zwanzig Mannshöhen dicke Steinkruste auseinandergesprengt worden, und du, Lazarus, bist dadurch zu einer sehr ergiebigen Naphthaernte gekommen. Die Zersprengung der Grotte ist so glücklich vor sich gegangen, daß du ganz leicht zur eigentlichen Naphthaquelle gelangen wirst und bei nur einigem Fleiße täglich bei hundert Pfund wirst davon bringen können.

7. Wie berühmt und gesucht aber das Naphthaöl ist, das weißt du ohnehin; und so bist du nun zu einer neuen Erwerbsquelle gekommen, die dir mit der leichtesten Mühe von der Welt viele tausend Pfunde Gold und Silber tragen wird. Denn so wohltätige Menschen wie du sollen auch auf der Erde so reich als möglich sein, damit sie wahrhafte Versorger der Armen und Schwachen sein können. Morgen werde Ich dir das Ganze zeigen, – aber in dieser Nacht wäre es nicht ratsam, in die Nähe dieser Stelle zu kommen; denn der starke Dampf würde niemandem in seiner leiblichen Gesundheit wohl zustatten kommen. Aber morgen nachmittag werden wir uns der Stelle ohne alles Bedenken nähern können.“

8. Sagte Lazarus: „Herr, das hat schon wieder Deine Allmacht zuwege gebracht! Denn meine Urahnen bis auf mich herab haben da nie etwas von einer Naphthaquelle wahrgenommen. Nur dann und wann hat man an sehr warmen Tagen zur Nachtzeit in der Luft einen ganz leisen Naphthaduft verspürt, was man sich aber allzeit also erklärt hat, daß solcher von Jerusalem herkäme, so die Luft von dorther weht; denn in Jerusalem wird sehr viel Erdöl verbrannt, das zumeist von Persien und Arabien durch den Handel zu uns kommt, aber stets ziemlich teuer ist. Aber daß sich auf meinem Grund und Boden eine solch seltene Quelle befinden sollte, das hat sich nie jemand gedacht! Ja, ich kann Dir, o Herr, dafür wohl nichts anderes tun als nur danken für mich und für alle armen Menschen, die nun dabei ihren guten Unterhalt finden sollen!“

9. Sagte Ich: „Lasse das nun gut sein! Daß du deine Erdenschätze nach dem Willen Gottes verwendest, wie sie auch dein Erdenvater verwendet hat, das weiß Ich; aber es werden sich nach dir und nach deinen Schwestern, da ihr keine Nachkommen habt, die Kinder des Bruders deines Vaters in den Besitz dieser deiner Güter setzen. Daher suche du den Erben wohl zu unterweisen, in deinen Fußstapfen zu wandeln; denn so er da eigenen, weltlichen Weges ginge, so würden ihm die Güter genommen und ihm selbst der Bettelstab gereicht werden, die Güter aber würden den Heiden überantwortet werden. Darum unterrichte ihn davon, auf daß er wohl weiß, was er zu tun hat! – Jetzt aber ist die Zeit zur Ruhe gekommen, und so wollen wir unseren Gliedern einige Rast gönnen!“

10. Darauf begab sich alles zur Ruhe.

168. Kapitel. Lazarus und die Spione des Tempels.

1. Am frühen Morgen aber wurden alle, die im Hause ruhten, durch ein starkes Gebell der sieben Hunde aus dem Schlafe geweckt, und Lazarus ging mit seinen Knechten nachsehen, was es da gäbe. Da ersah er eine große Schar Menschen beiderlei Geschlechts, die sich außerhalb des Eingangstores aufgestellt hatten, aber von den Hunden derart umringt waren, daß sie sich keinen Schritt weiter und keinen zurück zu machen getrauten. Als sie den wohlbekannten Lazarus mit seinen vielen Knechten ankommen sahen, da schrien und baten sie um Hilfe. Lazarus rief die Hunde zu sich und fragte die Schar, was sie schon so früh in Bethania gesucht hätten.

2. Da nahm ein junger Levite für alle das Wort und sagte: „Freund, wir haben in der Nacht einen mächtigen Donnerknall aus dieser Gegend vernommen und wollten uns hier nur erkundigen, ob du uns etwas Näheres davon zu sagen wüßtest. Als wir nun hierher kamen, da liefen uns diese furchtbar grimmigen Bestien mit einem erschrecklichen Geheul in großer Hast entgegen und machten offenbar eine solche Miene, uns jeden Augenblick in tausend Stücke zu zerreißen! Da reicht ja eine solche allerkräftigste wahre Löwenbestie für hundert unbewaffnete Menschen aus, – wozu dann gar sieben?! Da kann sich ja nie mehr ein Mensch deinem gastfreundlichen Hause nahen!“

3. Sagte nun Lazarus zu dem Leviten: „In der großen Natur Gottes geschieht doch gar oftmals etwas Ungewöhnliches, – warum denn nicht auch einmal ein großer Knall? Gehet nach Sizilien; dort werdet ihr solcher Knallerei gar oft begegnen! Wir haben den starken Knall ebensogut vernommen wie ihr, sind auch erschrocken, – aber nachsehen sind wir nicht gegangen, wo etwa der Knall geschehen sei; denn dazu gibt es noch Zeit zur Genüge! Was kümmert denn euch Jerusalemer der große Knall gar so besonders? Ich bin vielmehr der Meinung, daß ihr aus einem ganz andern Grunde so früh herausgeeilt seid und nicht des Knalles wegen! Euch alle hat irgendeine schlechte Absicht herausgelockt, und das haben diese meine Wächter gar wohl erkannt und sind euch eben darum gar so wütend entgegengerannt. Saget mir aufrichtig, was ihr so ganz eigentlich hier gesucht habt!“

4. Hier stutzten alle, und einer sagte so halblaut: „Es ist nun in der Welt schon rein nichts mehr zu machen, – wir sind schon wieder verraten! Man kann jetzt nicht einmal mehr den vier Wänden seines Wohnzimmers trauen, ja nicht einmal mehr seinen höchsteigenen Gedanken; denn die Menschen lesen einem nun schon ganz klar vom Gesichte ab, was man sich gedacht hat!“

5. Lazarus aber, da er diese Worte wohl vernommen hatte, sagte: „Ja, da hast du recht! Die Menschen haben es jetzt schon so weit gebracht, daß sie dir mit ziemlicher Bestimmtheit sagen können, was mit dir in zehn Jahren geschehen wird, und so frage ich euch noch einmal in aller Güte, warum ihr eigentlich so früh hierhergekommen seid. Den Knall habt ihr nur zum Vorwand genommen; eigentlich aber – um euch die Rede zu ersparen – seid ihr nur darum so früh gekommen, um bei mir alles auszuspionieren, wer sich etwa unter meinem Dache befindet. Und das tatet ihr sogar heute als am herrlichsten Festtage, auf daß ihr Templer in eurem großen Ärger eine Sache wider mich finden könntet! Da ich aber solche eure schnöden Absichten gegen mich schon lange klar durchschaut habe, so habe ich, als nunmehr vollkommen ein römischer Bürger, euch einen starken Riegel vor meine Tür geschoben, den ihr mit aller eurer eingebildeten Macht niemals erbrechen werdet. Ich werde als Jude meinen Verpflichtungen stets nachkommen, aber nur – sage – jenen, die Moses vorgeschrieben hat; alle andern gehen mich nichts an! Habt ihr mich verstanden?

6. Gehet nur hin und verkündet das laut allen euren Oberen! Saget es auch allen: Wehe jedem Templer, der je wagt, dies mein Haus in einer feindlichen Absicht zu besuchen! Wahrlich, dem soll es übel ergehen! Ich lasse jedermann in Ruhe und gebe jedermann ohne Rückhalt, was ihm gebührt. Wer mehr von mir verlangt, der ist ein Dieb und Räuber; denn er verlangt das, was nicht ihm, sondern seinem armen Nächsten gebührt. Und ein solcher – und wäre er ein tausendfacher Priester – ist mein Feind und darf sich meinem Hause, solange ich leben werde, nimmer nahen! Solches verstehet wohl und beachtet es zu eurem Frommen! Und nun sehet, wie ihr weiterkommt, sonst lasse ich meine Wächter wieder los!“

7. Da sagte keiner auch nur eine Silbe mehr, und alle machten sich eiligst auf den Rückweg.

8. Als sie im Tempel ankamen, da wurden sie sogleich befragt, was sie gesehen und erfahren hätten.

9. Die Leviten aber sagten: „Da richten wir mit aller unserer Klugheit nichts mehr aus, – da ist es ein für alle Male vorbei! So ihr Herren des Tempels aber das nicht glauben wollet, da gehet selbst hinaus und lasset euch von seinen Löwen zerreißen und auffressen! Die Bestien sind so abgerichtet, daß sie die innersten Gedanken der Menschen riechen; ihr dürft nur irgendeine dem Lazarus feindliche Absicht in euch bergen, – und die Bestien schnuppern das schon von weitem, und um euch ist es geschehen! Das haben wir gesehen und teilweise auch ein wenig erfahren. Wenn uns auf unser Geschrei Lazarus selbst nicht wenigstens mit hundert Knechten zu Hilfe geeilt wäre, so ruhte unser Fleisch nun schon in den Bäuchen der großen, reißendsten Bestien! Das ist alles, was wir gesehen und erfahren haben; wollet ihr uns aber etwa nicht glauben, da gehet hin und überzeuget euch selbst!“

10. Da sagten die Oberen nichts mehr, sondern sie wurden bei sich voll Ingrimm und sagten unter sich: „Das macht alles der verruchte Galiläer! Wenn wir seiner nicht bald habhaft und loswerden, so verführt er uns das ganze Volk, und wir alle können dann das Weite suchen! So der Galiläer etwa heute wieder zum Feste kommen sollte, da muß alles aufgeboten werden, um ihn aus dem Wege zu räumen!“

11. Da sagte der Levite: „Lasset euch nur diese Gier vergehen! Ist nicht schon mehr als das halbe Volk für ihn?! Und kennet ihr etwa seine unbegrenzte Macht? Er durchschaut eure Gedanken schon lange eher, als ihr sie noch gedacht habt, und kann euch deshalb auch schon eher verderben, als ihr es für euch erwarten dürftet!“

12. Sagte ein Oberer: „Was kann er uns tun? Seine Macht ist vom Beelzebub!“

13. Sagte der Levite: „Ganz gut; aber er hatte sicher auch des Lazarus Löwen verbeelzebubt! Gehet hin mit der ganzen Bundeslade und mit dem Aaronsstabe in der Hand, und die grimmigen Bestien werden es euch dann schon sagen, um welche Beelzebubszeit es nun ist! War der Galiläer ja doch schon mehrere Male hier im Tempel und lehrte das Volk frei und offen; was habt ihr gegen ihn mit allem eurem Grimme auszurichten vermocht? Nichts! Was werdet ihr dann heute gegen Ihn ausrichten? – Er wird kommen und wird lehren in eurem Angesichte, und ihr werdet seiner vermeinten Beelzebubsmacht nichts entgegenstellen können!“

14. Sagte ein Oberster: „Seid etwa auch ihr schon von ihm verführt wie das dumme Volk, das darum verflucht ist?“

15. Sagte der Levite: „Das sicher nicht; aber so viel gesunden Sinnes habe ich, daß ich recht klar einsehe, was da möglich und was da nicht möglich ist! Wir haben von gar getreuen und wahrhaftigen Zeugen vernommen, was der Galiläer alles vermag. Wollet ihr euch aber schon mit ihm in einen Kampf einlassen, so wird es sich am Ende ja doch sicher zeigen, wer da ganz unfehlbar geradeso den kürzeren ziehen wird, wie auch wir heute in Bethania den sehr kürzeren gezogen haben!“

16. Sagte der Obere: „Das wird sich alles noch zeigen; wir fürchten ihn nicht! – Und nun gehet an eure Verrichtung!“

17. Dadurch hatte der Levite die Oberen denn doch stutzig gemacht, und Ich konnte Mich darum später freier im Tempel bewegen.

169. Kapitel. Jesu Hinweis auf Seinen Kreuzestod.

1. Zu Hause aber war, als Lazarus wieder ins Haus kam, das Morgenmahl bereitet, das wir alsbald zu uns nahmen. Lazarus wollte uns alles erzählen, was sich am frühen Morgen draußen zugetragen hatte.

2. Ich aber sagte: „Lasse das gut sein; denn Ich weiß ja ohnehin um alles und habe, während du draußen warst, auch den Jüngern kundgetan, was sich da alles zugetragen hat, und auch das schon zum voraus, was soeben der mitgesandte Levite den Oberen für eine Nachricht von Bethania gebracht hat, – die nicht, die du ihm gewisserart aufgegeben hast, sondern eine ganz andere, die sehr dazu taugt, daß Ich Mich heute leichter im Tempel bewegen werde! Es war sonach ganz gut, daß das heute frühmorgens geschah. Jetzt aber werden wir uns auch sogleich aufmachen und hinauf nach Jerusalem ziehen; denn heute als am dritten und letzten Tage des Festes, allwann selbes stets am prunkvollsten ist und das meiste Volk herbeizieht, will Ich abermals im Tempel auftreten und das Volk lehren.“

3. Da sagte Nathanael: „Herr, da wird es Spektakel über Spektakel absetzen; ich wünsche nur, daß wir mit heiler Haut davonkommen!“

4. Sagte Ich: „Sorget euch um etwas anderes; ihr werdet sogar dann noch mit heiler Haut davonkommen, wenn Ich zwischen Missetätern am Kreuze hängen werde!“

5. Sagt Lazarus: „Was sagst Du, o Herr? Du solltest ans Kreuz gebunden werden? Nein, ehe das geschieht, lasse ich durch meine Knechte im ganzen Tempel Feuer legen, und alle die argen Templer müssen zu Asche verbrannt werden!“

6. Sagte Ich: „Lasse das gut sein, Mein Bruder! Denn soll der Mensch zur vollsten Gottähnlichkeit gelangen, so muß sein Wille dahin ins unendlichste frei gestellt sein, daß er sich verkehrten Sinnes auch an seinem Gott und Schöpfer vergreifen kann. Denn – wie Ich es dir schon gesagt habe – so der Mensch nicht die Fähigkeit hat, ein vollendetster Erzteufel zu werden, so hat er auch diejenige Fähigkeit nicht, zur vollsten Gottähnlichkeit zu gelangen.

7. Der Mensch hat also den freiesten Willen, den er durch die gegebenen Gesetze in sich erkennt. Was wären aber die Gesetze und was der freie Wille des Menschen, so in ihm der Reiz nicht wäre, die Gesetze zu übertreten, wie und wann er will?! Ohne solchen Reiz wäre der Mensch nichts als ein Tier, das nicht anders handeln kann, als wie das in selbes gelegte Mußgesetz es antreibt.

8. Dem Menschen ist aber für seinen geistigen Teil kein Mußgesetz gegeben, sondern nur ein geistiges Gesetz unter dem Ausdruck ,Du sollst‘. Und so ist der Mensch in seinem Wollen und Verlangen ganz frei gestellt und kann sich sogar an Meinem Leibe vergreifen, der nun ein Träger des Geistes ist und vergeistigt auch fortan bleiben wird.

9. Ich habe dir dieses nun darum gesagt, auf daß es dich dann nicht wundernehmen soll, wenn solches an Meinem Leibe geschehen wird, – aber für die böse Absicht der Menschen, die solches tun werden, ganz vollkommen vergeblich; denn Ich werde darauf am dritten Tage dennoch so vollkommen wieder bei euch und unter euch sein, wie Ich jetzt unter euch bin. Aber darauf erst wird das Gericht für die arge Tempelbrut seinen Anfang nehmen. Da ihr alle nun solches wisset, so seid frohen Mutes und folget Mir in den Tempel!“

10. Hierauf erhoben wir uns alle und zogen hinauf in den Tempel.

170. Kapitel. Johannes.07,37-49: Jesus lehrt im Tempel.

1. Als wir uns im Tempel befanden, da blieben die Jünger mehr im Hintergrunde und verteilten sich unters Volk, um desselben Urteile über Mich zu vernehmen.

2. Ich aber trat mitten im Tempel auf einen erhabenen Platz, während noch allerlei Festzeremonien im besten Gange waren, und rief laut zum Volke: „Wen da dürstet, der komme zu Mir und trinke!“ (Joh.7,37)

3. Da meldeten sich einige um Mich stehende Juden und sagten: „Wo hast du denn etwas, das wir trinken möchten?“

4. Darauf sagte Ich: „Wer an Mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen!“ (Joh.7,38)

5. Da sahen sich die Juden an und fragten sich untereinander, was das sein solle; denn sie wußten nicht, daß Ich nur von dem Geiste redete, den die empfangen sollten, die an Mich glauben. Denn – wie Ich schon mehrmals erklärt habe – der Heilige Geist konnte vor Meiner Verklärung nicht dasein, außer in Mir allein. (Joh.7,39)

6. Viele aus dem Volke aber, die diese Worte vernahmen, sagten unter sich: „Wahrlich, dieser Galiläer redet wie ein wahrer Prophet und ist somit auch ein vollkommen rechter Prophet.“ (Joh.7,40)

7. Wieder andere, die Mich aus Meinen Taten näher kannten, sprachen: „Was Prophet, was Prophet! Er ist Christus, der verheißene Messias! Denn auch Gott kann nichts Größeres tun, als was Er tut!“

8. Aber etliche fragten und sagten: „Soll denn irgend nach der Schrift Christus wohl aus Galiläa kommen? (Joh.7,41) Spricht denn nicht die Schrift: ,Christus wird von dem Samen Davids sein und wird aus dem Flecken Bethlehem kommen, wo David war!‘?!“ (Joh.7,42)

9. Da sprachen einige, die von Meiner Abkunft und von Meiner Geburt wohl unterrichtet waren: „Ja, wenn ihr das verlanget, dann trifft das bei diesem Propheten ja ohnehin alles ein! Er ist erstens ein Sohn Josephs, des allbekannten Zimmermanns in Nazareth, und der Maria, einer Tochter Joachims und der Anna, und diese beiden stammen erwiesenermaßen vom Stamme Davids ab. Und zweitens ist es allbekannt, daß Er zu Bethlehem in einem Stalle bei Gelegenheit der allgemeinen Kaiser-Augustus-Volksbeschreibung geboren und acht Tage darauf von Simeon beschnitten ward und den Namen Jesus erhielt. Wenn aber das, warum zweifeln wir denn noch, daß Er Christus ist?“

10. Es war demnach auf diese Art ein Zwiespalt unter dem Volke darüber, was Ich eigentlich sei. (Joh.7,43)

11. Es wurden aber etliche Pharisäerfreunde von den Pharisäern angegangen, Mich zu ergreifen; denn das konnten die Templer nicht mehr ertragen, daß Mich das bessere Volk selbst für Christus auszurufen anfing. Es kamen dann einige zu Mir her, um Mich zu ergreifen; aber in Meiner Nähe verließ sie der Mut, und keiner getraute sich, Hand an Mich zu legen. (Joh.7,44) Neben den Pharisäerfreunden aber wurden von den Pharisäern auch ihre Knechte beordert, Mich zu ergreifen und ihnen zu überbringen; aber auch diese blieben vor Mir stehen und hörten zu, wie Ich dem Volke die Gebote Gottes und die Gebote der Liebe erklärte auf die Art und Weise, wie Ich sie anderorts schon oft erklärt habe, und darum die oft vorgekommene Erklärung nicht noch hierher zu setzen brauche. Die Knechte aber sahen auch die große Volksmenge, die an Mich glaubte, und getrauten sich auch darum nicht, Mich anzurühren.

12. Als Ich im Lehren eine Pause machte, da kehrten die Knechte unverrichteterdinge wieder zu den Pharisäern zurück. Als sie aber wieder ohne Mich zurückkamen, da herrschten die Pharisäer sie ganz zornig an und sprachen: „Warum habt ihr ihn denn nicht ergriffen und zu uns gebracht? (Joh.7,45) Sehet ihr denn das nicht selbst ein, daß er uns gerade inmitten des herrlichsten Festes stört und dazu noch alles Volk von uns abwendig macht? Warum also habt ihr ihn nicht ergriffen und ihn uns zur gerechten Bestrafung überbracht?“

13. Da antworteten die Knechte: „Höret, es hat noch nie ein Mensch so weise geredet wie dieser Galiläer! (Joh.7,46) Der muß wahrlich von Gottes Geist erfüllt sein!“

14. Da erwiderten ihnen die Pharisäer: „Was hören wir von euch? Seid denn auch ihr schon von ihm verführt? (Joh.7,47) Glaubt denn auch irgendein Pharisäer oder ein Oberster an ihn?! (Joh.7,48) Nein, – sondern nur das dumme Volk, das nichts vom Gesetze weiß und darum verflucht ist!“ (Joh.7,49)

15. Da sagten die Knechte: „Wir haben es euch schon letzthin gesagt, wie es sich mit dem von euch verfluchten Volke verhält, und dabei bleibt es! Ist es euch aber nicht recht, so gehet selbst hin unter das Volk und saget es ihm, daß es darob verflucht sei, weil es an den Galiläer glaubt, – dann wird euch das Volk schon zu erkennen geben, wie es mit eurem Fluche zufrieden ist! Ihr habt euch überhaupt vorgenommen, jeden Andersgläubigen zu verdammen, ohne zu untersuchen, ob des Nächsten Glaube nicht vielleicht in so manchen Stücken besser ist als der unsrige! Aber wir als ganz gemeine Knechte finden das ungerecht; denn solange Gott einen Menschen nicht richtet und verdammt, so lange sollen auch wir sterblichen Menschen Ihm nicht vorgreifen und dem Allweisesten etwa dadurch zu verstehen geben, daß wir Erdenwürmer noch weiser sind als Er. Verfluchet nur einmal auch den Glauben der Römer – aber so hübsch offen! –, die werden es euch dann schon sagen, was sie auf euer Gericht halten!“

16. Sagten die Pharisäer: „Hebet euch von dannen; denn wir sehen, daß auch ihr schon verführt seid!“

17. Sagten die Knechte: „Schlecht genug von euch, daß ihr uns und das Volk nicht besser zu unterrichten verstehet! Denn ihr werdet doch von uns nicht verlangen, daß wir vor euren falschen und schlechten Wundern Achtung haben sollen, da wir zu euren Wundern stets selbst die Werkzeuge und die geheimen Wundertäter waren?! Die Wunder aber waren allzeit noch das, was dem Volke vor euch Respekt einflößte, während alle eure Predigten und Lehren als ganz antimosaisch schon für die allerdümmsten Menschen zu dumm und zu schlecht waren! Ihr dürfet uns wahrlich nicht viel machen, sonst verraten wir dem Volke alle eure alten und nichtssagenden Wunder, und ihr könnet dann schauen, wie ihr mit dem Volke fertig werdet!“

18. Hier wurden die Pharisäer mit den Knechten freundlicher, und diese gingen von dannen.

171. Kapitel. Johannes.07,50-53: Die Pharisäer und Nikodemus. Jesus auf dem Ölberg. (Joh.08)

1. Als die Knechte aber weg waren, da wandten sich die Pharisäer an den Obersten Nikodemus – der ein großer Weiser war und damals, als Ich Mich zuerst offen in Jerusalem mit den zwölf Jüngern bewegte, von Meiner Lehre ergriffen, in der Nacht zu Mir kam – und fragten ihn, was da Rechtens zu machen wäre.

2. Da sagte Nikodemus zu ihnen (Joh.7,50): „Ihr habt euch zwar sehr geärgert über die kecke Widerrede unserer Knechte; aber ich selbst muß offen bei mir gestehen, daß sie durchaus recht hatten. Denn forschet selbst nach, ob es wohl in irgendeinem Gesetze geschrieben steht, daß man einen Menschen schon eher verurteilen soll, als man ihn verhört und daraus erkannt hat, was Strafbares er irgend getan hat! (Joh.7,51) Ich als ein Schriftgelehrter kenne kein solches Gesetz; nach welchem Gesetze aber wollet dann ihr einen Menschen eher verurteilen, als ihr ihn verhört habt?“

3. Da sagten die Pharisäer: „Du bist unter uns wohl einer der ersten Schriftgelehrten, was dir niemand in Abrede stellen kann, und bist darum auch ein Oberster unter den Schriftgelehrten; aber du bist dennoch auch ein Galiläer und somit auch ein Freund dieses Galiläers! Aber gehe hin und forsche nach in der Schrift, und da steht es geschrieben: Aus Galiläa steht kein Prophet auf!“ (Joh.7,52)

4. Sagte lächelnd Nikodemus: „Das ist zwar wahr, und ihr braucht mich nicht auf die Schrift zu verweisen, da ich sie wahrlich vom Alpha bis zum Omega besser innehabe denn ihr alle zusammen; aber ich verweise euch auf etwas anderes, und zwar auf das Beschneidungsprotokoll des Jahres der ersten Volksbeschreibung des Kaisers Augustus, und da werdet ihr finden, daß dieser nunmalige Galiläer nicht in Galiläa, sondern in Bethlehem, der alten Stadt Davids, geboren ist, und daß seine beiden Eltern in der geradesten Linie von David abstammen!

5. Es kann somit der von euch zitierte Ausspruch der Schrift bei diesem Galiläer nicht im entferntesten Sinne in irgendeine Anwendung gebracht werden, und das um so weniger, da es auch ausdrücklich im Gesetze lautet: Ein jeder Jude hat lebenslänglich dort seine heimatliche Zuständigkeit, wo er geboren und beschnitten worden ist, und die Gemeinde hat für ihn zu sorgen, so er schwach und arbeitsunfähig geworden ist. Ein Heide aber erhält seine Zuständigkeit alldort, wo er zum Juden beschnitten und beschrieben worden ist, und ist als ein einheimisches Mitglied solcher Gemeinde zu betrachten und anzunehmen.

6. Sehet, Freunde, so wir aber dieses Gesetz nicht aufheben können, und anderseits durch die Augusteischen Beschneidungs- und Beschreibungsprotokolle unbestreitbar dargetan ist, daß dieser Volkslehrer kein geborener Galiläer ist, so hat das Volk der Wahrheit nach auch gar keinen Grund, diesen Menschen nicht für einen rechten Propheten zu halten!“

7. Sagten die Pharisäer: „Da sollten wir aber doch so viel Weltklugheit besitzen, diese Protokolle aus dem Wege zu räumen!“

8. Sagte Nikodemus: „O ja, die schon, die in unseren Archiven sind, – aber die nicht, die sich leider in den Archiven der Römer befinden! Und diese revidieren alljährlich, gar kritisch vergleichend, unsere Tempelprotokolle! Wehe uns, wenn da etwas fehlte oder umgeändert gefunden würde! Ich fürwahr möchte dann nicht in einer unserer Häute stecken!“

9. Sagten die Pharisäer: „Hm, hm, das ist freilich bös!“

10. Sie wußten darauf nichts Weiteres einzuwenden, verließen ganz still den Tempel und das Fest, und ein jeder von ihnen ging ganz ruhig heim. (Joh.7,53)

11. Während aber vorn im Tempel zwischen den Knechten, Pharisäern und Nikodemus diese Verhandlungen stattfanden, die hier umständlich ohne alle Hinweglassung des Geschehenen wie des Gesprochenen treu wiedergegeben sind, unterrichtete Ich das Volk ohne alle weiteren Anstände und zeigte ihm auch verständlich die leere und völlig ungesetzliche Gleisnerei und Betrügerei der Templer. Und da war denn auch nicht einer, der Mir entgegen behauptet hätte, daß Ich von den Templern Unrichtiges ans Tageslicht gestellt hätte, und alles Volk bat Mich, auch noch den nächsten Nachfesttag wieder in den Tempel zu kommen und es mit den belebendsten Worten der allerhandgreiflichsten Wahrheit zu erquicken.

12. Und viele sagten: „Meister, wir danken Dir für diesen göttlichen Trank; denn uns hat es schon gar lange nach solcher Wahrheit gedürstet, und Du hast unseren großen Durst nun wahrlich in einer solchen Weise gestillt, daß es uns in Ewigkeit nimmer so sehr dürsten wird, wie es uns zu dieser Stunde gedürstet hat! Du bist wahrlich Davids Nachkomme und bist der verheißene Gesalbte Gottes!“

13. Ich aber sah alle freundlichst an und versprach ihnen, auch noch am nächsten Tage in den Tempel zu kommen und ihnen ein noch größeres Licht zu geben, wofür Mir alles Volk zurief: „O komme, komme und erleuchte uns in dieser Nacht des Tempels!“

14. Darauf verließ Ich mit all den Jüngern und Lazarus den Tempel.

172. Kapitel. Johannes.08,01: Jesus und die Seinen in der Herberge des Lazarus auf dem Ölberg.

1. Als wir draußen im Freien waren, da hieß es (die Jünger und Lazarus): „Was werden wir jetzt machen? Sollen wir nach Bethanien zurückkehren, oder sollen wir irgend etwas anderes unternehmen in Jerusalem?“

2. Lazarus fragte Mich um Meine Meinung.

3. Und Ich sagte zu ihm: „Du für dich kannst tun, was du willst und magst; aber Ich kann heute nicht nach Bethanien gehen, denn die Templer haben auf dem Wege gen Bethanien Spione aufgestellt, um zu erfahren, ob Ich Mich etwa bei dir aufhalte. Und würden sie das erfahren, so würden sie dir dann noch mehr Verdruß bereiten. Ich habe Mir darum vorgenommen, diesen Tag und auch die Nacht auf dem Ölberge in der kleinen und stets sehr armseligen Herberge zuzubringen.“

4. Sagte Lazarus: „Das ist ja sehr löblich; denn der halbe Ölberg und die Herberge gehören ja auch mir! Oh, da wird es uns ganz gut gehen! Die Herberge war noch vor drei Jahren sehr stark besucht; aber seit meinen Reibungen mit dem Tempel geht das Besuchen sehr schwach, weil die Pharisäer es für jeden Juden als eine Sünde erklärten, meine Herberge auf dem Ölberge zu besuchen. Der Grund scheint einfach allein darin zu liegen, daß ich auch diese meine Besitzung unter die römische Gerichtsbarkeit stellte, als die Templer sich alle Mühe gaben, mir die Besitzung abzuschwätzen. Ich habe ihnen dadurch einen Riegel vor die Tür geschoben, was sie natürlich ganz ungeheuer ärgerte. Da aber nun auch diese Besitzung der römischen Oberherrschaft untertan ist, so erklären die Templer sie für völlig unrein, und ein jeder Jude, der diese Herberge besuche, verunreinige sich auf ein volles Jahr. Siehe, darin liegt der eigentliche Grund, warum meine Ölbergsherberge nun um vieles weniger besucht wird als zuvor; nur Römer und Griechen besuchen sie zu öfteren Malen. Aber darum ist die Herberge dennoch mit allem bestens versehen, und es wird uns darin nichts abgehen. Gerade von der Herberge aus hat man eine schöne Aussicht beinahe über ganz Jerusalem und in die weite Umgegend, und ich bin überzeugt, daß es Dir oben sehr wohl gefallen wird.“

5. Sagte Ich: „Ganz gut, Mein lieber Bruder! Ich weiß darum und habe Mir eben deshalb vorgenommen, diesen Tag und diese Nacht auf dem Ölberge zuzubringen; denn da oben sind wir vor all den lästigen Besuchen der Juden und Pharisäer sicher. Und so können wir uns nun schon auf den Weg dahin machen!“

6. Alle waren damit ganz vollkommen zufrieden, und Ich ging mit den Jüngern auf den Ölberg. (Joh.8,1) Lazarus aber eilte voraus, um seinen Dienern anzugeben, was sie zu tun und zu bereiten hätten. Es wurden da sogleich alle Füße und Hände in tätigste Bewegung gesetzt, damit für uns ein wahrhaft festliches Mittagsmahl bereitet würde.

7. Wir aber ließen uns Zeit und bestiegen ganz gemächlich unseren Ölberg, der daher den Namen hatte, weil er auf seinen felsenfreien Flächen sehr reichlich mit lauter Ölbäumen bepflanzt war. Den größten Teil des ölreichsten Berges besaß unser Lazarus; der kleinere stadtseitige und am meisten felsige Teil aber gehörte einem Griechen, der sich sehr wenig um diesen Besitz kümmerte und die jährliche Ölfechsung (Ölernte) stets um einige Silberlinge dem Lazarus überließ, und dieser war somit auch zur Hälfte Besitzer des stadtseitigen Ölberges.

8. Der Ölberg war gerade kein hoher Berg, hatte aber doch einige Stellen, die ziemlich steil waren, und man hatte darum doch beinahe eine halbe Stunde Zeit vonnöten, um ganz auf seine höchste Kuppe zu gelangen. Der Tempel stand auch auf einer ziemlichen Anhöhe und war selbst ein sehr hohes Bauwerk; aber von der Höhe des Ölberges mußte man seine Blicke doch ziemlich abwärts richten, so man des Tempels hohe Kuppel sehen wollte. Kurz, in der Nähe von Jerusalem war der Ölberg wohl der höchste Berg.

9. Wir kamen denn auch dem vorangeeilten Lazarus bald nach und lagerten uns um die Herberge unter den Ölbäumen und machten unsere Betrachtungen, bis Lazarus kam und uns zum bereiteten Mahle zu kommen bat. Wir erhoben uns vom Boden und gingen in die Herberge, in der der Speisesaal durchaus nicht zu den kleinen gehörte; denn hundert Gäste hatten in ihm ganz bequem Raum zur Genüge. Der große Tisch war vollbesetzt mit Brot, Wein und allerlei edlen Früchten, und in den Schüsseln dufteten wohlzubereitete Fische aus dem Flusse Jordan und aus dem starken Bache Kidron. Den Jüngern wässerte schon der Mund bei dem Anblicke. Wir setzten uns denn auch alsbald zu Tische und aßen und tranken mit vieler Lust.

10. Lazarus aber freute es ungemein, daß auch Ich mit recht viel Freude und Lust aß und trank.

11. Ich aber sagte zu ihm: „Freund, du hast nun eine große Freude, daß auch Ich so recht wacker esse und trinke; aber glaube es Mir: So gut es Mir hier auch schmeckt, was da auf dem Tische aufgesetzt ist, so hat Mir dennoch das heutige Morgenmahl im Tempel noch besser geschmeckt, – denn heute habe Ich eine große Ernte gehalten für Mein Reich im Himmel. Morgen aber wird eine neue Ernte für Mein Reich wohl bedeutend schlechter ausfallen. Was heute Mein ward, das wird Mein verbleiben; aber morgen wird nicht viel Neues hinzukommen. Die schwarze Brut da unten wird Mich versuchen, – aber dafür an den Pranger der Schande gestellt werden vor dem Volke! – Aber nun essen und trinken wir und begeben uns dann wieder ins Freie! Heute werdet ihr noch manches sehen.“

173. Kapitel. Jesu Betrachtungen beim Anblick Jerusalems. Vorhersage des Gerichtes über Jerusalem.

1. In einer Stunde waren wir mit dem Mahle fertig, standen vom Tische auf und begaben uns sogleich hinaus ins Freie; denn es war besonders bei der abendlichen Beleuchtung eine gar schöne Aussicht gegen den Aufgang hin, und das kam uns bei unseren Betrachtungen ganz gut zustatten.

2. Als wir so die große, weitgedehnte Stadt mit ihren vielen Palästen betrachteten, da sagte Lazarus: „Was für eine anmutige Pracht doch in dieser großen Stadt liegt! Und dabei welche Schmach in jenem Teile der Menschen, die allen andern mit einem guten Beispiel vorangehen sollten!

3. Da unten liegt der Tempel, zu dem schon der große David als der Mann nach dem Herzen Gottes die Materialien gesammelt hat. Salomo, sein Sohn, hat ihn erbaut, damit alles Judenvolk zu den bestimmten Zeiten sich in ihm versammle und Gott die Ehre gäbe. Wer aber verlangt nun die Ehre von den Menschen? Oh, schon lange nicht mehr Gott, sondern die elenden Pharisäer, die Schriftgelehrten und die Hohenpriester! Die alte, wunderbare Bundeslade ist schon seit nahezu vierundzwanzig Jahren in das Archiv der tauben und kraftlosen Reliquien übergegangen, und die neue ist tot und hat keine Kraft mehr; aber dennoch opfern ihr die blinden Juden mehr noch, als sie je der alten, wahren geopfert haben.

4. Man ersieht daraus ja doch gar sehr leicht, wie die elendsten Templer das arme, unschuldige Volk bearbeiten, und wie sie gar nicht an einen wahren und einigen Gott glauben, da sie Seine dem Moses und all den andern Propheten verkündeten Gesetze gar so schmählichst mit den Füßen treten und dafür dem Volke auf Leben und Tod ihre eigenen Satzungen aufbürden, die als ein reiner Unsinn von keinem vernünftigen Menschen mehr geglaubt werden können. O der großen Schmach! Alles seufzt unter dem unerträglichen Drucke zumeist von seiten der Templer, und doch hat niemand den Mut, diesen offenbarsten Volksbetrügern ins Angesicht zu spucken und ihnen ihren großen Frevel, den sie mit der Menschheit treiben, zu zeigen.

5. Du allein, o Herr, hast den Menschen die Augen geöffnet, damit sie nun sehen können, wie sie mit den Templern daran sind. Aber es nützt nun auch das wenig; denn sie tun darum doch auf die keckste Art von der Welt, was sie wollen, und kein strafender Blitz fährt aus Deinen Wolken unter sie! Du, o Herr, bist nun Selbst da auf dieser Erde in leiblicher Menschengestalt, – eine Erscheinung, von der die ganze vergangene Ewigkeit kein Beispiel aufzuweisen hat, und die eine Gnade aller Gnaden ist, die Gott je Seinen Geschöpfen hat angedeihen lassen. Tausend und abermals tausend Menschen, darunter sogar viele Heiden, erkennen das mit der höchsten Freude und Dankbarkeit, und diese da unten hören laut von allen Seiten und von groß und klein diese heilige Wahrheit bestätigen. Aber anstatt solch eine Botschaft mit aller Freude als völlig wahr anzunehmen, verfluchen sie noch das Volk, das solche Wahrheit lebendig angenommen hat! Frage: Was sind dann solch bestialische Menschen wert?“

6. Sagte Ich: „Mein lieber Bruder, ereifere dich doch nicht so sehr; denn du siehst es ja, daß auf dieser Welt alles seine gewisse Zeit hat, und daß man keinen alten Zedernstamm gleich einem dünnen Stabe übers Knie brechen kann! Sieh, Ich will und werde Mich nun noch mehrere Tage hier aufhalten und werde täglich lehren im Tempel sieben Tage hindurch. Wer sich da wird bekehren wollen, für den wird es gut sein; wer aber verharren wird in seiner Blindheit und daraus in seiner Bosheit, der wird umkommen am Tage des Gerichtes, das über Jerusalem losbrechen und alle Kreatur zugrunde richten wird.

7. Da sehet alle nur diese große Stadt an! Wahrlich, nicht ein Stein wird auf dem andern gelassen werden! Bitten sollen aber all die Blinden und die schwangeren Weiber, die da meinen, daß man an einem Sabbat keine Flucht unternehmen kann und darf, daß das Gericht ja nicht an einem Sabbat hereinbreche; denn da kommt dann kein Jude mit dem Leben davon.

8. Aber bevor jedoch das Gericht über alle diese Gottlosen kommen wird, da werden zuvor noch viele und große Zeichen am Himmel und auf der Erde geschehen. Aber es wird das Gericht und das Ende dieser Stadt noch nicht dasein; denn es wird noch gewartet werden, ob sich da jemand bessere und bekehre. Und werden die Zeichen nicht beachtet werden, so wird dann eine große Trübsal zugelassen werden, auf daß sich die Menschen zu Gott bekehren möchten. So aber auch das nichts nützen wird, dann werde Ich noch Propheten senden, die mit ihrer gewaltigen Stimme, die da klingen wird gleich den Posaunen des Krieges, in alle die vier Hauptwinde hin versuchen werden, zu erwecken die wahrhaft geistig Toten. Die da sich werden erwecken lassen zum Lichte des Lebens, die werden auch auferstehen zum ewigen Leben; die aber bei solchem Posaunenruf Meiner Boten an sie nur erwachen werden in ihrem Zorne und Grimme wider Mich und wider Mein Wort, die werden auferstehen – aber nicht zum Leben, sondern zum Tode durch das Gericht, – und werden dahin verworfen, wo die ewige Finsternis waltet im Gerichte, und da wird sein viel Heulen und Zähneknirschen.

9. Wenn aber das Gericht erscheinen wird, dann fliehe ein jeder Gerechte! Wer da schon auf dem Dache der Erkenntnis der reinen, göttlichen Wahrheiten steht, der steige nicht mehr ins Haus, um sich einen alten Judenrock (Lehren der Pharisäer) zu holen, sondern er bleibe auf seiner neuen Lichthöhe! Und wer da schon auf dem Felde der neuen Tätigkeit nach Meiner Lehre sich befindet, der kehre ja nicht nach der alten Heimat der blinden und nichts werten Zeremonie zurück, sondern bleibe auf seinem neuen Felde und er wird sein Leben erhalten!

10. Es wird aber dann sein, daß da zwei in einem und demselben Hause sein werden, wenn das Gericht kommen wird; da wird der eine errettet werden, und der andere wird zugrunde gehen. Der da handeln wird nach Meiner Lehre, der wird errettet werden; wer jedoch Meine Lehre haben, aber nach dem alten Sauerteige der Pharisäer handeln wird, der wird zugrunde gehen.

11. Ebenso werden zwei sein auf dem Felde und zwei werden mahlen in einer Mühle; da wird auch der eine aufgenommen werden zum Leben und der andere gelassen werden im Gericht. – Darum hütet euch vor dem alten Sauerteige der Pharisäer; denn wahrlich, mit dem wird niemand dem Gerichte entgehen!“

174. Kapitel. Voraussage und Kennzeichen des großen Gerichtes in unserer Endzeit.

1. (Der Herr:) „Wie es aber gehen wird mit dem Gerichte Jerusalems, so wird es auch gehen mit einem künftigen, großen Weltgerichte, wenn Ich der großen Hure Babels ein völliges Ende machen werde. Es wird aber das sein ein Gericht wie zu der Zeit Noahs und wie zu der Zeit Sodoms und Gomorras.

2. Es werden dann auch geschehen große Zeichen auf der Erde, auf dem Meere und am Himmel, und Ich werde Knechte erwecken, die aus Meinem Worte weissagen und mehrfach verkünden werden das kommende Gericht. Aber der Hochmut der Menschen wird sie nicht anhören, und so er sie auch anhören wird, da wird er ihren Worten doch nicht glauben, sondern sie als Narren verlachen. Aber eben das wird ein sicherstes Zeichen sein, daß das große Gericht sicher und ganz gewiß eintreffen wird das durchs Feuer verzehren wird alle Täter des Übels.

3. Also werden in derselben Zeit auch so manche Jünglinge Gesichte bekommen und so manche Mägde weissagen von den Dingen, die da kommen werden. Wohl denen, die sich dadurch bessern und wahrhaft bekehren werden!

4. Es wird aber das also leicht zu erkennen sein, wie man an einem Feigenbaume erkennt, daß das Frühjahr nahe ist, wenn seine Triebe saftig werden und aufzubrechen anfangen.

5. Es werden dann sein große Kriege vereinzelt unter den Völkern, und es wird ziehen ein Volk wider das andere; auch wird dann eine große Teuerung sein, und es werden entstehen allerlei pestilenzartige Krankheiten, wie sie unter den Menschen bis jetzt noch nie bestanden. Auch werden vorangehen große Erdbeben, auf daß sich die Menschen dadurch zur Buße und zur Liebetätigkeit ermahnen sollen. Wohl denen, die sich danach kehren werden!

6. Aber gar viele werden sich nicht daran kehren und werden das alles den blinden Kräften der Natur zuschreiben, und die Weissager werden Betrüger gescholten werden, und viele wird man um Meines Namens willen in die Kerker werfen und ihnen unter großen Strafandrohungen verbieten, in Meinem Namen zu reden und zu verkünden ein kommendes Gericht. Wer da nicht nach dem Willen der großen Hure Babels tun wird, der wird seine große Not haben.

7. Aber es muß solches alles zum voraus geschehen, nahe um siebenhundert Jahre vor dem Gerichte, damit am Ende niemand sagen kann, er sei nicht hinreichend ermahnt worden. Von jetzt an aber werden nicht volle 2000 Jahre vergehen, bis das große Gericht auf der Erde vor sich gehen wird; und das wird dann ein offenbar jüngstes, aber zugleich auch letztes Gericht auf dieser Erde sein.

8. Von da an erst wird das Paradies auf die Erde gesetzt, und ein Wolf und ein Lamm werden friedsam in einem Stalle wohnen und miteinander aus einer Schüssel essen.

9. Es wird gegen die Nähe des Gerichtes aber auch zu sehen sein das Zeichen des Menschensohnes am Himmel, das heißt der Himmel im Menschen wird Mich als den alleinigen Herrn Himmels und der Erde anerkennen, und des Menschen Seele wird Mich preisen und sehr loben.

10. Aber das ist dann noch nicht die Vollendung des Menschen. Aber wenn Ich dann licht und helle in den Wolken der Himmel mit allen Himmelsmächten unter dem Schalle wie von vielen Kriegs- und Gerichtsposaunen im lebendigen Worte vor allen Menschen auftreten werde im wahren Himmel, der im Herzen der Menschen ist, dann ist das Gericht der Welt da.

11. Der rechte Mensch wird dann eingehen in Meine Herrlichkeit, und die Täter des Übels werden verzehrt werden vom Feuer Meines gerechten Zornes und eingehen in das Reich ihrer bösen Werke, das da bereitet ist für alle unverbesserlichen Teufel. Denn wer aus sich freiwillig die Hölle erwählt, der sei denn auch verflucht in ihr, wie sie in sich selbst verflucht ist. Wie aber das Gute ewig gut bleiben wird, so wird auch das Böse in sich ewig böse bleiben und die ewige, gerichtete Unterlage sein, die Mir ewig als Fußschemel zu dienen haben wird.

12. Ich Selbst aus Meiner urgöttlichen Persönlichkeit aber werde niemanden richten, sondern das alles wird tun Mein Wort, das Ich zu euch geredet habe. Denn wenn Ich einmal aufgefahren sein werde in Mein Reich, dann werde Ich nimmer im Fleische auf diese Erde wiederkommen, sondern nur im Geiste, im Worte, und es wird also sein, wie es war im Anfange, da es hieß: Im Anfang war das Wort, das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Das Wort aber hat Fleisch angenommen und hat unter den Menschen gewohnt. Er, das heißt Ich kam in Mein Eigentum, und die Meinen haben Mich nicht erkannt; denn die Welt und ihr Fleisch hatten sie alle blind und taub gemacht.

13. Ich bin nun im Fleische bei euch als ein Mensch; aber Ich kann euch darum nicht alle die Kraft Meines Geistes erteilen. Wenn Ich aber später nicht mehr im Fleische so wie jetzt, sondern nur im Geiste unter euch sein werde, so werde Ich euch auch erteilen können alle Kraft und Macht Meines Geistes, der Ich natürlich von Ewigkeit Selbst bin. Im Geiste und seiner Kraft aber werde Ich bei euch bleiben bis ans Ende der Zeit, die diese Erde noch bestehen wird, und bis sie den letzten gerichteten Geist ausgereift haben wird. Mit dieser Erde aber wird dann auch für ewig die Wiege der Gotteskinder erlöschen. Von da an wird alles geistig gerichtet werden.

14. Ich habe es euch aber schon zu öfteren Malen gesagt und gezeigt, wie es auf dieser Erde wird. Darum harret mit Geduld der sicheren Erlösung, die nicht unterm Wege bleiben wird, und wünschet ein Weltgericht nicht zu eilig vor der Zeit! Denn wenn es kommen wird, dann wird es noch zu früh dasein für euch selbst und noch mehr für die, welche da gerichtet werden; denn im Gerichte sind Liebe und Erbarmung ferne, und jede Seele wird da ihrer Selbsthilfe übergeben werden, auf daß sie bitter erfahre, wie zu gar nichts nütze ihr die eitle, zeitliche Hilfe der puren Weltmenschen war. – Und jetzt saget Mir, ob ihr das alles wohl verstanden habt!“

175. Kapitel. Zweifel des Lazarus an der göttlichen Führung der Menschheit.

1. Sagte Lazarus: „Ja, verstanden hätte wenigstens ich es wohl! Aufrichtig gesagt: es sieht die ganze Menschheitsgeschichte eben nicht sehr heiter aus! Im Grunde sind die Menschen denn doch mehr (überwiegend) nicht selbst schuld daran, daß sie so böse sind, sondern vielmehr die Umstände, unter welchen sie gezeugt, geboren und erzogen worden sind. Da erscheint ein jedes Gericht denn doch als ein höchst eigenmächtiger und tyrannischer Akt von seiten Dessen, der die Macht hat, die Menschen zu richten.

2. Man sagt freilich wohl: Gott läßt jedem Menschen eine richtige Erkenntnis von Wahr und Falsch und von Gut und Böse zukommen; aber wann geschieht das? Nach meiner Erfahrung oft erst dann, wenn sich der Mensch in allem Falschen und Bösen schon so fest begründet hat, daß ihm keine reine Lehre mehr irgend etwas nützen kann. Wenn die Menschen etliche Hunderte von Jahren hindurch ohne irgendeinen fühlbaren göttlichen Einfluß geblieben sind, so fangen sie notwendig an, Gott nach und nach stets mehr und mehr zu vergessen, machen sich dann eigene Gesetze und Lebensvorschriften, durch deren noch so strenge Beachtung aber das Heil der Menschen nicht bewerkstelligt werden kann. Wenn sich dann endlich die Menschheit schon ganz vertiert hat, dann erst kommen, anfangs nur ganz schwache, Offenbarungen durch geweckte Menschen. Und fruchten diese nichts, dann erst kommen stärkere. Und fruchten auch diese nichts, so kommt dann aber auch schon ein Strafgericht. Herr, warum das etwa also sein muß, das verstehe ich selbst noch lange nicht!

3. Von Adam bis Noah, und besonders bei den Nachkommen Kains, war von einer besonderen Offenbarung wenig mehr irgend eine Rede. Zu den Zeiten Noahs geschahen dann wohl allerlei Zeichen und Offenbarungen, aber zu spät, weil das Volk, besonders das der Tiefe, schon ganz des Teufels war. Das Volk achtete dann freilich nicht mehr darauf und lebte in seinem Taumel fort; aber dann kam auch schon das furchtbarste Gericht.

4. Nachher ging es bis auf Abraham fort, in welcher langen Zeit nahe gar keine Offenbarung stattfand. Mit Abraham begann wieder die göttliche Offenbarung; aber ihr auf der Ferse folgte auch schon das Gericht über Sodom und Gomorra und die umliegenden zehn Städte.

5. Von Abraham, Isaak und Jakob an ging's dann wieder bis Moses. Zu dieses Propheten Zeit geschah Großartigstes aus den Himmeln an die Menschen. Sie bekamen zum ersten Male bestimmte Gesetze, nach denen sie ihr Leben zu ordnen hatten; aber das Gericht war denn auch großartig. Die Ägypter mußten zu vielen Hunderttausenden ins Gras beißen, und den befreiten Israeliten ging es dann volle vierzig Jahre hindurch in der Wüste nicht um gar vieles besser. Sie alle, die Ägypter und die Israeliten, hatten zu lange von einer besonderen Offenbarung ja offenbar nichts mehr erlebt und wurden lauer und lauer. Der frühere, lebendigere Glaube ging in einen faulen und traditionellen über, der nahe um nicht vieles besser ist als gar keiner. Wie aber der Glaube beschaffen ist, so auch die Beachtung seiner Lebensgrundsätze!

6. Dauert die Offenbarungslosigkeit noch länger fort, so kommen die Menschen dann ja ganz um allen Glauben an einen wahren Gott und machen sich dann Götter nach ihrem Belieben und geraten dadurch in vollkommene Abgötterei. Kann man ihnen dann aber, rein vernünftig, das zu einer Selbstschuld rechnen? Nach meiner allzeit sehr vernünftig humanen Ansicht wahrlich nicht!

7. Unter den Richtern und nachher auch unter einigen Königen sind unter uns Juden wohl immer Propheten erweckt worden, – aber allzeit erst dann, wenn die Menschen sich vorher schon ordentlich zu Tode gesündigt hatten; dafür aber kam auch gleich ein Gericht, das die Sünder vertilgte.

8. Nun bist Du, o Herr, Selbst da. Es geschieht nun wohl die allergrößte Offenbarung an die Menschen; aber das Gericht wird auch nicht lange auf sich warten lassen. Nach nur einigen Hunderten von Jahren werden die Menschen, so ihnen keine wiederholte Offenbarung gegeben wird, selbst in Deiner Lehre nicht um ein Haar anders sein, als nun die Templer da unten sind! Die bekehrten Heiden werden wieder Heiden und die Juden werden noch finsterer werden, als sie jetzt sind, und so wird es nie völlig hell und gut auf dieser Erde werden. Ich meine darum, daß von nun an helle Offenbarungen Deiner Göttlichkeit nicht mehr eine zu lange Zeit unterm Wege verbleiben sollten, ansonst die Nachkommen, die bei dieser gegenwärtigen Offenbarung nicht zugegen sein können, ohne ihr Verschulden wieder in die alte Nacht hinabsinken müssen.

9. Die Philister sind wegen ihrer Gottlosigkeit zerstört und vernichtet worden und haben meines Wissens nie eine Offenbarung erhalten; so auch die alten Phönizier, ebenso die Trojaner, die Babylonier, die Niniviten und noch andere Völker, die, mir bewußtermaßen, auch nie eine besondere Offenbarung erlangt haben.

10. Ja, warum denn dieses sehr ungünstige Spiel mit den Menschen dieser Erde? Sieh, nicht ein Mensch kann dafür, daß er da ist! Ist er aber einmal da nach Deinem allmächtigen Willen, dann ist er aber auch schon völlig unglücklich von der Wiege an bis zu seinem Grabe und muß sich ein Gericht ums andere gefallen lassen. Ja, warum denn also?“

176. Kapitel. Matthäus.20,01-16: Lohn der Lehrer und Propheten (= Arbeiter im Weinberg). Zweck, Wesen und Wirkung der Offenbarungen.

1. Sagte Ich zu Lazarus und auch zu den andern Jüngern, da auch sie der etwas erhitzten Meinung des Lazarus waren: „Gebet acht, Ich werde euch hier ein Bild geben; das soll euch die Antwort auf die Frage des Lazarus geben!

2. Es war ein Herr, der Arbeiter in seinen Weinberg dingte. Diese kamen am Morgen, und der Herr wurde mit ihnen um einen Groschen Taglohn einig. Und um die Mittagszeit ging er hin, wo er noch müßige Leute fand, und sagte: ,Was stehet ihr hier müßig? Gehet hin in meinen Weinberg, und ich will euch geben, was da recht ist!‘ Und sie gingen hin und arbeiteten. Aber gen Abend hin sah der Weinbergsherr noch eine Menge Arbeitsleute müßig stehen. Und er ging hin und sagte zu ihnen: ,Warum stehet denn ihr den ganzen Tag müßig da?‘ Und sie antworteten: ,Herr, es hat uns niemand gedungen!‘ Da sagte der Herr zu ihnen: ,Nun, so gehet auch ihr hin in meinen Weinberg und arbeitet diese eine und letzte Tagesstunde, und ich werde euch auch noch geben, was recht ist!‘ Da gingen sie hin und arbeiteten emsig noch die letzte Stunde des Tages.

3. Am Abend aber berief der Herr zuerst die Arbeiter, die vom Morgen an gearbeitet hatten, und gab einem jeden den bedungenen Groschen. Dann berief er die, welche nur einen halben Tag gearbeitet hatten, und gab auch einem jeden einen Groschen. Darauf berief er die, welche nur eine Stunde gearbeitet hatten, und gab auch jeglichem einen Groschen.

4. Da sagten die, die den ganzen Tag gearbeitet hatten: ,Herr, wie magst du auch denen, die nur eine Stunde gearbeitet haben, auch das gleiche geben wie uns, die wir doch des ganzen Tages Last und Hitze trugen?‘ Da sagte der Herr: ,Was geht denn euch das an, so ich gut und barmherzig bin? Bin ich darum ungerecht, so ich aus meinem guten Willen auch den letzten soviel gebe wie euch? Bin ich mit euch denn nicht um einen Groschen einig geworden? Ihr selbst habt nicht mehr verlangt! Und so ich euch nun das gebe, was ihr verlangt habt, was wollt ihr nun noch mehr von mir? Bin ich denn nicht der Herr meines Vermögens, mit dem ich tun kann, was mir wohlgefällt?!‘ Darauf konnten die ersten Arbeiter dann nichts mehr sagen und waren mit ihrem Tagwerkslohne zufrieden.

5. Und Ich sage euch allen aber auch, daß Mein Vater, der in Mir ist, euch dasselbe tun wird, – und da werden dann auch die Ersten die Letzten und die Letzten die Ersten sein.

6. Der Weinberg aber sind die eigentlichen Menschen dieser Erde als Reben, die zu bearbeiten sind. Diese stehen in keinem Kontrakte mit Mir, sondern sie sind da zur Bearbeitung, auf daß sie Gott dem Herrn brächten eine gute Frucht.

7. Alle die Propheten aber sind, so wie nun ihr, der Seele nach nicht von dieser Erde, sondern sie sind von oben her gedungene Arbeiter und haben zuvor mit Mir einen festen Kontrakt abgeschlossen wegen der Erreichung der Kindschaft Gottes, die nur auf dieser Erde möglich ist.

8. Alle die großen Propheten von Anfang an bis jetzt, euch mitgerechnet, die eine große Offenbarung empfingen, sind die zuerst gedungenen Arbeiter im Weinberge des Herrn.

9. Die kleinen Propheten, die nur den halben Dienst zu verrichten haben, nämlich die Aufrechterhaltung der einmal gegebenen großen Offenbarung, sind jene, die in Meinem Namen nach euch kommen werden, wohl auch selbst gewisse kleine Offenbarungen habend und daraus weissagend, aber jene Kraft und Macht, die Ich euch geben werde, nicht besitzen werden. Diese werden mit euch den gleichen Lohn haben, weil ihr Glaube ein kräftigerer wird sein müssen; denn weil sie das nicht sehen, was ihr nun alles sehet und erfahret, so wird ihr freiwilligerer Glaube ihnen auch zu einem höheren Lebensverdienste angerechnet werden. So sie dann aber mit euch den gleichen Lohn bekommen werden, so denket, daß sie es schwerer hatten zu glauben, was nun zum Heile aller Kreatur geschieht, da sie nicht gleich euch Zeugen von alldem waren.

10. Endlich in gar später Zeit werden abermals knapp vor einem großen Gerichte Seher erweckt und zugelassen werden, welche die kurze, schwere Mühe haben, die sehr unrein gewordene Lehre zu reinigen, auf daß sie behalten und nicht von der heller denkenden Menschheit als ein alter Priestertrug verworfen werde. Diese dritten Arbeiter in Meinem Weinberge werden nicht durch große Wundertaten, sondern allein durch das reine Wort und durch die Schrift wirken, ohne eine andere auffallende Offenbarung zu bekommen als nur die des inneren, lebendigen Wortes im Gefühl und in den Gedanken in ihrem Herzen, und sie werden voll des klaren und vernunftvollen Glaubens sein und werden sonach ohne Wunderwerke die verdorrten Menschenreben Meines Weinberges aufrichten und werden von Mir denn auch denselben Lohn bekommen, den ihr als die Arbeiter des ganzen Tages bekommen werdet; denn sie werden es um sehr vieles schwerer haben, fest und ungezweifelt an das zu glauben, was über tausend Jahre vor ihnen hier geschah.

11. Wenn sonach die großen Offenbarungen denn auch hübsch ferne voneinander abstehen, so wird von Gott aus aber dennoch stets dahin gesorgt, daß allzeit und alsogleich wieder neu erweckte Seher unter die Menschen kommen, sobald die Lehren der großen Offenbarung irgend anfangen, unrein zu werden, und das also, daß dabei keines Menschen freier Wille irgendeinen Zwang erleidet. Denn eben darum werden die großen Offenbarungen der Zeit nach stets weit auseinander getrennt, damit die Menschen sich mit ihrem freien Willen desto ungezwungener bewegen können.

12. Wenn am Ende die Welt die Menschen wieder gar zu weit von ihrer geistigen Bahn abgelenkt hat, so bleibt dann freilich wohl nichts anderes übrig, als zu einer großen Offenbarung zu schreiten, die freilich stets ein Gericht hinter sich hat, weil sie selbst ein leidiges Gericht für die Menschen ist. Denn solange du an das tote Holz kein Feuer legst, wird es nicht brennen; aber das Feuer entzündet es. Und siehe, was das Feuer dem Holze ist, das ist eine große Offenbarung den Menschen. – Verstehet ihr nun das?“

177. Kapitel. Die Propheten als Träger der Offenbarung. Lichtglaube und Blindglaube.

1. Sagte Lazarus: „Ja, ich verstehe wohl, was Du damit hast sagen wollen; aber es ist bei mir dennoch ein Hintergedanke, von dem ich noch nicht so recht weiß, wo aus und wo ein mit ihm. Sind sonach alle jene Menschen, zu denen unmittelbar eine große Offenbarung kommt, als Gerichtete anzusehen und zu betrachten? Und haben bloß diejenigen den Segen der großen Offenbarung zu gewärtigen, die nur einen mittelbaren, also puren Glaubensanteil an ihr haben?

2. Die Träger der Offenbarung aber sind dann ja doch in einem großen Nachteil und das darum, weil sie schon von ihrem Ursprung an bessere und reinere Menschen waren, auf daß sie zur Aufnahme und zum rechten Verstehen einer hohen und großen Offenbarung fähig waren. Denn die eigentlichen puren Weltmenschen würden aus sich die Großoffenbarung ja gar nie begriffen haben, weil sie auch eine kleinste Offenbarung nicht begreifen können, sondern dabei so dastehen wie die Hühner, wenn sie einen Blitz aus einer Wolke zucken sehen.“

3. Sagte Ich: „Wer sagt denn das, daß die Träger einer großen Offenbarung als Gerichtete zu betrachten sein sollen? Ich werde es doch wohl kennen (wissen), wen Ich zu einem Hauptträger einer großen Offenbarung zu erwählen habe, damit sie ihm selbst nicht schadet!

4. Moses war gewiß der Träger einer gar großen Offenbarung; aber es waren unter ihm viele, die an der Offenbarung nur mittelbar teil hatten und am Ende dennoch um vieles fester im Glauben waren als Moses selbst, der bei sich selbst nicht der Verheißung traute, daß Ich den Israeliten das Gelobte Land, wo Milch und Honig fließt, geben werde. Weil aber Moses solcher Verheißung nicht völlig traute, so durfte er das Gelobte Land wohl von einem hohen Berge aus sehen, aber selbst nicht in dasselbe kommen.

5. Das beweist aber mehr als hinreichend, daß kein Träger irgendeiner Offenbarung für sich je gebunden war und von nun an noch weniger je gebunden sein wird, sondern für sich stets vollkommen frei bleibt im Glauben und im Handeln, aus dem allein er auch selig wird; denn darum, daß jemand der Träger einer Offenbarung ist, wird er nicht selig, sondern nur, so er der Offenbarung selbst traut und danach lebt.

6. Dasselbe ist denn auch mit euch allen der Fall. Ihr seid nun durch Meine Taten freilich wohl mehr genötigt, zu glauben, daß Ich der Christ bin, und daß Meine Worte Gottes Worte sind, als jene das zu glauben genötigt sein werden, die das Evangelium von euch bloß durch den Mund überkommen werden; aber dafür werdet ihr für euch der Zweifel über Mich noch in die schwere Menge überkommen und dadurch die Gelegenheit haben, euch selbst im Glauben zu stärken. Denn so der Hirte geschlagen sein wird, werden die Schafe fliehen und sich sehr zerstreuen; aber zur rechten Zeit werde Ich sie schon wieder versammeln und im Glauben stärken. Also ist darum kein Träger irgendeiner wahren Offenbarung gerichtet. Denn erstens ist ein solcher Mensch stets von oben her, und es kann ihm schon darum keine Offenbarung einen besonderen Zwang antun, weil seine Seele schon eine Fleischlebensvorprobe auf einer andern Erde durchgemacht hat und daher auch sicher um vieles gediegener und kompakter ist als eine sich erst zusammengeklaubt habende Seele dieser Erde; und zweitens werden einer solchen Prophetenseele auch größere Glaubensproben auferlegt als einer diesirdischen, oft nur zu leichtgläubigen Seele. Eine diesirdische Seele hat am Worte genug und bedarf eines Zeichens kaum. Aber Seelen, die von oben her sind, brauchen mehr; denn sie sind schwergläubig und bedürfen also auch stärkerer und größerer Beweise, bis sie voll Glauben und aus demselben voll Tat werden.

7. Ja, würde Ich nun hinziehen etwa nach Persien, nach Indien oder nach Athen oder auch nach Rom und wirkte dort solche Zeichen, wie Ich sie schon bei euch gewirkt habe, so würde sich dort kein Mensch je etwas anderes zu tun getrauen, als was Ich geboten hätte. Solche rein irdischen Seelen wären da offenbar im höchsten Grade gefangen, und mit der Probe ihres freien Willens wäre es dann für lange rein aus. Aber euch schaden Meine Zeichen nicht im geringsten, weil ihr durchaus nicht leichtgläubig seid; denn bis man euch zum festen Glauben bewegt, muß man auch schon vieles vor euren Augen gewirkt haben, und selbst dann seid ihr noch voll allerlei Zweifel und fraget bald um eins und bald wieder ums andere. Wer aber das tut vor Mir, der hat keinen Notglauben, sondern einen freien; denn er verlangt, völlig einzusehen und zu verstehen, was er glaubt, und was er nicht einsieht und versteht, das glaubt er auch nicht.

8. Der beste Beweis dafür ist, daß Ich in einem Atem das zu erklären und zu erörtern habe, was ihr von Mir vernehmet. Ihr wisset es ja, wer Ich bin, und könntet Mir auch ohne die stets besonderen Erklärungen glauben, was Ich euch lehre. Aber das tut ihr nicht und habt Mir schon einige Male gezeigt, daß ihr auch Mir oft wegen einer ganz geheimen Lehre nicht geglaubt habt, und ihr sagtet Mir ins Gesicht, daß dies eine harte Lehre sei; und es sind noch nicht sieben Tage her, daß ihr Mich alle verlassen habt, und das auch wegen Lehren, die ihr nicht verstanden habt.

9. Aus dem aber geht hervor, daß eure Seelen kräftiger sind denn die Seelen der eigentlichen Kinder dieser Welt. Solche Menschen aber, wie ihr nun seid, wird es auf dieser Erde immer geben, und Ich werde sie erwecken und auch ihnen, so wie euch, geben das innere Wort des Geistes aus Mir, und sie werden die eigentlichen Kinder dieser Erde belehren, wodurch ihr Wille völlig frei gehalten wird. Aber die Lehrer dürfen sich darum nicht einbilden, daß sie eben als Lehrer und Weise bei Mir höher stehen denn die Kinder dieser Erde; denn bei Mir wird es stets heißen und gelten: Lasset diese Kleinen zu Mir kommen und wehret es ihnen nicht! Denn wer da nicht wird wie diese Kindlein, der wird nicht eingehen in Mein Reich; denn ihnen gehört es, und ihretwegen ist es gemacht. Wer aber da ein Weiser ist und darum ein Lehrer und dabei von ganzem Herzen demütig und sanftmütig, der wird dereinst auch dort sein, wo Ich sein werde ein rechter Vater unter Meinen Kindern von Ewigkeit zu Ewigkeit!“

10. Als alle die Jünger solche Lehren von Mir vernommen hatten, da schwiegen sie und wußten nicht, was sie Mir erwidern sollten.

178. Kapitel. Zweierlei Menschen auf Erden: Seelen von oben und Seelen von unten. Lehren und Zeichenwirken mit verschiedenen Wirkungen.

1. Nur Lazarus sagte und fragte: „Herr und Meister, bin ich etwa auch einer von oben her?“

2. Sagte Ich: „Allerdings, denn sonst hättest du die Zeichen, die Ich vor deinen Augen schon mehrfach gewirkt habe, nicht mit so viel Ruhe und Gleichmut ertragen, als wäre da etwas ganz Natürliches geschehen. Alles hatte dich nur gleich während des Geschehens überrascht, – einige Augenblicke später war dir die Sache schon wieder mehr gleichgültig; denn du dachtest es dir also: Einem Menschen sei es unmöglich, so etwas wie das Fliegen in der Luft gleich den Vögeln zu bewirken. Ich sei aber einmal ganz Gott, und es sei denn auch ganz natürlich, daß Mir alles gerade also möglich sein müsse wie dem Vogel das Fliegen in der Luft, und es sei daher durchaus kein anderes Wunder wie alle von Mir erschaffenen Dinge. Der Mond, die Sonne, die Sterne und diese Erde und alles, was in ihr, auf ihr und über ihr ist, lebt und sich regt, seien bleibende Wunder Meiner Weisheit und Macht, und die jetzigen Wunder seien bloß momentane Zeugen davon, daß Ich eben Derselbe sei, der schon von Ewigkeit her die Unendlichkeit mit zahllosen und bleibenden Wundern angefüllt habe. So Ich denn als Gott Wunder wirke, so sei das nichts Wunderbares, sondern das eigentlich Wunderbare an Mir sei Meine unbegreifliche Liebe zu euch, Meinen Geschöpfen, und Meine so große Herablassung und selbstlose Güte, Sanftmut, Geduld und ordentliche Demut vor den Menschen, die Ich mit einem Hauche ins reinste Nichts verwehen könnte.

3. ,Ja‘, sagst du bei dir weiter, ,wenn das alles auch ein Mensch zuwege bringen möchte, dann wäre es wohl ein Wunder, so gut, als es sehr wunderbar wäre, so ein Mensch gleich einem Vogel sich in die Luft erheben und im Freien herumschweben könnte.‘

4. Siehe, so du nicht von oben her wärest, wärest du solcher Gedanken nicht fähig, und Ich würde vor dir aus weiser Schonung deines freien Willens solche Zeichen, wie Ich sie gewirkt habe, nicht gewirkt haben! Die da unten aber sind nicht von oben her, sondern von dieser Welt, und Ich darf darum vor ihnen auch keine solchen Zeichen wirken wie vor dir und vor diesen Meinen Jüngern. Sie dürfen nur davon reden hören, aber ja nicht viel davon sehen; denn sähen sie die großen Zeichen, die Ich wirke und gewirkt habe, so würde sie das völlig töten. Darum müssen sie allein an Meiner Rede nagen.

5. Es wird ihnen aber schon auch noch ein Zeichen gegeben werden, aber kein anderes als das des Propheten Jonas; denn wie er nur drei Tage in dem Bauche des Fisches verweilte und dann lebend an das Ufer gesetzt wurde, also werde auch Ich drei Tage im Grabe zubringen und dann wieder lebend hervorgehen zum größten Schreck und Gericht für die da unten.

6. Merket euch alle das, daß die Kinder dieser Erde nicht durch Zeichen, sondern nur durch das lebendige Wort für Mein Reich zu gewinnen sind! Denn die meisten Kinder dieser Erde – wenn sie nicht schon durch allerlei falsche Zeichen zu verdorben sind – sind leichtgläubig und nicht begriffsstutzig und können daher durch eine rechte Rede bald und leicht für die Wahrheit gewonnen werden; aber durch zu auffallende Zeichen würden sie jedes eigenen Denkens und Wollens völlig verlustig werden. – Weißt du nun, Lazarus, ob du von oben oder von unten her bist?“

7. Sagte Lazarus: „Ja, das sehe ich nun schon ein, daß ich auch irgend von oben her sein werde; aber wie werden wir denn erkennen, wer unter den uns begegnenden Menschen von oben oder von unten her ist?“

8. Sagte Ich: „Wenn es nötig sein wird, so wird es euch schon der Geist in euch kundtun. Aber es gibt auch ein äußeres und selten trügliches Zeichen, durch das bald an dem Menschen wohl zu erkennen ist, von wo er der Seele nach herstammt.

9. Seht, die Seele behält auch in ihrem notwendig finsteren Fleische ein gewisses Gefühl davon, woher sie ist, und kehrt selbst des Fleisches Ohren und besonders die Augen gerne dahin, von wo sie urständig abstammt. Menschen, die ihre Blicke gerne nach oben richten und gerne der Berge Höhen besteigen, auch gerne jene Laute vernehmen, die irgend aus der Höhe an ihr Ohr kommen, sind sicher auch von oben her. Aber Menschen, die ihre Blicke zumeist auf den Erdboden richten und in selbem herumwühlen und allerlei Schätze suchen und nur selten ihre Augen und Ohren nach aufwärts richten, die sind auch ganz sicher von unten her. Nach diesem könnet ihr, wenn ihr darauf achtet, auch schon so recht klar erkennen, wen ihr vor euch habt.

10. Menschen, die von oben her sind, sind gewöhnlich auch sehr erfinderisch und bringen allerlei Künste und Wissenschaften zuwege; aber sie sind dennoch alle mehr oder weniger hartgläubig, denn sie wollen alles ganz klar bewiesen haben. Der Grieche Philopold in Kane bei Kis glaubte nicht eher, als bis Ich ihm jene Sonnenerde zeigte, auf der er zuerst ein Fleisch trug; und beinahe alle Kyniker sind ganz dasselbe. Vor denen könnet ihr Welten erschaffen, so wird das vor ihren Augen kaum so viel Wirkung haben, als so ihr einem Menschen dieser Erde saget: ,Gehe hin und tue das!‘ Der wird euch kaum fragen und sagen: ,Ja, warum denn das?‘, sondern er wird es darum gläubig tun, weil es ihm ein Weiser gesagt hat; die Ursache hofft er dann noch immer früh genug zu erfahren. Aber ein Mensch von oben her wird euch ernst und fest ins Auge fassen und fragen: ,Warum denn das? Ohne Grund tue ich nichts! Erkläret euch näher, und ich werde sehen, was daran ist, darum ihr saget: Gehe hin und tue das!‘

11. Denn Ich sage es euch, daß es da auf gar vieles ankommt, um sich zu vergewissern, mit welches Geistes Kindern man es als ein Lehrer zu tun hat, und mit welchen Reben in Meinem Weinberge; denn dasselbe Wort kann die besten, aber auch die schlechtesten Folgen haben, so man es dem Charakter des Anhörers entweder gemäß oder nicht gemäß vorträgt.

12. Die schwachen kleinen Kinder dieser Erde glauben, wie schon gesagt, alles bald und leicht, was man ihnen zum Glauben vorstellt, und benötigen der Erklärung erst hintennach, wenn sie sich einen großen Vorrat an Glaubenssätzen angeeignet haben. Es ist daher bei ihnen wohl sehr darauf zu achten, daß ihnen ja stets die reinste Wahrheit gepredigt wird, – und wehe dem, der die Kleinen der Erde mit allerlei falschen Lehren und Beispielen ärgern möchte, wie Ich euch solches schon einmal in einem kleineren Bilde in Galiläa gezeigt habe! Aber bei den Kindern von oben ist die Erklärung entweder schon zum voraus oder doch mindestens mit der Lehre zugleich zu geben, ansonst sie nicht leichtlich etwas als eine volle Wahrheit annehmen werden.

13. Ihr waret schon gar oft Zeugen, wie Ich es mit den Griechen und Römern gemacht habe; tuet auch ihr desgleichen, und ihr werdet sie um so leichter gewinnen, weil ihr Mich und Meine Werke vor euch habt, auf die ihr euch allzeit fruchtbringend berufen könnet! Im Notfalle werdet ihr auch selbst Zeichen zu wirken imstande sein; aber seid damit ja sparsam und wirket erst dann ein Zeichen, so ihr im Geiste dazu genötigt werdet! Denn ein Zeichen wirkt zwar Gutes, aber ein wahres, lebendiges Wort um tausend Male ein Besseres, weil durch das Wort dem Menschenherzen kein Zwang auferlegt wird.

14. Denn das Wort beleuchtet zuerst den Verstand des Menschen. Dieser erweckt dann erst den Willen und die Liebe im Menschenherzen. Die Liebe wird zu einer mächtigen Flamme. Diese beleuchtet und belebt dann erst den Willen im Herzen, und dieser handelt dann nach der Vorschrift des eigenen Verstandes, und was der Mensch also frei aus sich tut, das ist eigene, verdienstliche Tat, und der Mensch hat also erst seinen eigenen Lebensherd gefunden.

15. Das Zeichen aber schlägt des Menschen Verstand auf eine lange Zeit nieder und schreckt allein die Liebe und ihren Willen zum Handeln auf. Aber es ist dieses Handeln gleich einem durch die Luft geworfenen Steine, der sich auch so lange durch die Luft bewegt, als die Wurfkraft mit seiner Schwere in Verbindung bleibt; sowie diese aber nur zu bald aufhört, fällt der Stein nach seiner Schwere wieder als tot und unbeweglich auf den Boden und bleibt da liegen in seinem alten Gerichte.

16. Die Seele eines durch ein Zeichen bekehrten Menschen gleicht da völlig einem geworfenen Steine und handelt dann blind aus Furcht vor dem Zeichen; wenn aber das Zeichen dann mit der Zeit an seiner Kraft verliert, so erschlafft auch die Liebe und der Wille der Seele, besonders bei den Nachkommen, die kein Zeichen gesehen haben, und wird völlig träge und hält das Zeichen entweder für ein Zauberstückchen oder platterdings für eine Lüge und Erfindung der Vorfahren. Denn fragt die Seele den Verstand, was an dem Zeichen sei, so kann dieser ihr keine Erklärung geben, da er selbst nie eine bekam, und er urteilt dann ganz gut also: ,Sind wir denn weniger Menschen als unsere Vorfahren, die allerlei Zeichen erhielten und dann leicht glauben konnten? Wir sollen nun glauben, was wir nicht verstehen, und die Zeichen, von denen wir bloß reden hörten, sollen uns als Glaubensmotive dienen? Nein, das geht durchaus nicht! Das kann ein weiser Gott, so Er irgend einer ist, von uns schwachen Menschen ewig nie verlangen! Daher verlangen auch wir Zeichen oder wenigstens eine solche Erklärung, die uns ein rechtes Licht gibt über das, was wir glauben und was wir tun sollen, auf daß wir den rechten Grund erkennen. Denn wir verlangen solche Glaubensmotive, die für alle Menschen zu allen Zeiten als wirksam erscheinen, aber nicht solche, die wir zuvor auch erst glauben müssen, auf daß wir dann auch das glauben können, was zu glauben wir durch sie genötigt werden.‘

17. Seht, so urteilt dann der Verstand der Menschen, und das sogar mit Recht! Denn ist die Lehre auch mit gegebenen Zeichen vor dem Menschenverstande nicht in das rechte Licht gestellt worden, so geht sie ehest mit allen Zeichen unter, und die Menschen kommen dabei um allen Glauben und verfallen in ihr altes, träges und wildes Leben, bis dann irgendein pfiffiger Magier über sie kommt und sie mit falschen Zeichen leicht und bald auf seine Seite bringt.

18. Daher sage Ich euch allen noch einmal ganz eindringlich: Lehret hell und klar, und seid in hohem Grade sparsam mit den Zeichen, so werdet ihr bleibende und unwandelbare Jünger zeihen! Denn das Zeichen vergeht; aber die helle und reine Wahrheit bleibt ewig und bedarf zu ihrer Bestätigung gar keines Zeichens mehr, weil sie selbst das höchste Zeichen ist, das aus den Himmeln zu jeder Zeit den Menschen, die es suchen, gegeben wird.

19. Es gibt aber schon auch Zeichen, die ihr wirken möget; aber da soll das Zeichen nur eine rechte Wohltat sein für arme und bresthafte Menschen ohne Unterschied des Standes und des Glaubens, aber nicht ein besonderes Beweismittel für die reine Göttlichkeit Meiner Lehre.

20. Die Lehre muß durch ihr Licht selbst sich auch ohne alle andern besonderen Zeichen als rein göttlich erweisen und jedem, der danach tut, den inneren, lebendigen Beweis ihrer vollsten Echtheit geben. Wenn ihr das beachtet, so werdet ihr Mir wahrlich gute Jünger nach euch erziehen; werdet ihr alles das aber nicht ganz genau beachten, so werdet ihr selbst dem Gegenchrist die Tore öffnen, und ihr werdet offenbar selbst das Weite zu suchen bekommen.“

179. Kapitel. Der Antichrist. Entstehung und Kennzeichen wahrer und falscher Propheten.

1. Sagte Lazarus: „Herr, was sollen wir denn unter dem Gegenchrist verstehen?“

2. Sagte Ich: „Der Gegenchrist wird dadurch entstehen, daß da gewisse pfiffige und arbeitsscheue Menschen, so sie sehen werden, wie Meine Lehre stets mehr und mehr Anhänger bekommt, und wie es Meinen Jüngern stets wohler ergeht, die Lehre auch annehmen werden. Und so sie hören werden von den Zeichen, die Ich gewirkt habe, und auch von denen, die ihr bei Gelegenheiten wirken werdet, so werden sie gleich den heidnischen Magiern anfangen, große Zeichen mit ganz natürlichen Mitteln der blinden Zauberei zu wirken also, wie das die Essäer taten. Das wird die Leichtgläubigen verlocken, und zwar am Ende so sehr, daß darob gar viele euch, das heißt in euren Nachfolgern, für falsche Lehrer und Propheten halten und euch verfolgen werden.

3. Darum habet ja wohl acht, daß ihr nichts als nur den Lebensbedarf von denen annehmet, die das Evangelium annehmen werden! Denn so die Müßiggänger sähen, daß euch die Predigt und ein Zeichen viel Geld verschaffen, da erst würden sie alles aufbieten, um euch zu verdrängen. Darum wird man die echten von den falschen Propheten am ehesten an ihren Werken erkennen. Denn die echten Propheten werden stets in Meiner Armut einhergehen und von ihren Gemeinden nur das annehmen, was ihnen zum Leben notwendig ist; die falschen aber werden tun wie nun die Pharisäer – und in vielen Stücken noch um vieles ärger – und werden sich für alles, was sie vorgeblich den Gemeinden in Meinem Namen tun, gar hoch und teuer bezahlen lassen, und alle Menschen werden sie für heilige Diener Gottes halten und bei Strafe glauben müssen, daß Gott allein nur ihre Gebete erhöre und auf ihre Opfer mit großem Wohlgefallen herabschaue. Wie aber nun für alle Juden dieser eine Tempel dasteht, so werden die Gegenchristen eine zahllose Menge Tempel errichten mit großer Pracht und darin vor den Menschen ihre Zaubereien, ihr Opfer verrichten und schlechte, eigennützige Reden halten. Beten aber werden sie in fremden Zungen, um das Volk glauben zu machen, daß solche ihre Sprache die reinste und also auch die Gott am meisten wohlgefällige ist.

4. Dies genügt für jedermann, um einen falschen Propheten zu erkennen und ihn von einem wahren wohl zu unterscheiden. Sie werden freilich ein großes Geschrei erheben und in alle Welt hinausrufen: ,Da zu uns kommet alle her; denn hier ist Christus, und dort, wo wir sind, ist Er!‘ Aber glaubet es nicht, wenn sie noch so sehr schreien und noch so große Zeichen tun; denn sie sind nicht und niemals Meine Jünger, sondern verführte Jünger Beelzebubs, von dem sie auch ihren Lohn im Pfuhle ernten werden unter Heulen und Zähneklappern! Achtet wohl darauf, und wirket sowenig wie möglich Zeichen, sondern haltet euch an das Wort und seine ewige Wahrheit, so wird die reine Lehre unter vielen Menschen verbleiben bis ans Ende der Welt! – Jetzt aber begeben wir uns wieder ins Haus, und du, Lazarus, lasse uns Wein und Brot geben; denn nun dürstet es Mich!“

5. Darauf gingen wir ins Haus, und Lazarus ließ sogleich Brot und Wein in gerechter Menge auftragen. Wir setzten uns an die Tische und stärkten uns.

180. Kapitel. Vom rechten Segen und Gebet.

1. Bei unserem Mahle redete Ich wenig; aber als der sehr gute Wein den Jüngern die Zunge löste, da wurde es auch bald sehr lebendig in der Herberge. Auch der Herbergswirt, der die Herberge für Lazarus besorgte, nahte sich Mir mit den Seinen und bat Mich, daß Ich auch ihm und seiner Familie Meinen Segen erteilen möchte; es würde das ein allerkräftigstes Gegenmittel sein gegen den Fluch der Templer.

2. Sagte Ich zu ihm: „Freund, wo Ich bin, da ist auch schon der Segen mit Mir; eines mehreren aber bedarf es da wohl nicht! Lebe du nur auch nach der Lehre, die Ich Meinen Jüngern gegeben habe, und du wirst erst dadurch zu dem wahren, lebendigen Segen gelangen, der dir nicht nur für diese Welt, die für jedermann nur von einer sehr kurzen Dauer ist, sondern für deine Seele, die ewig leben wird, zum größten Nutzen gereichen wird! Solch ein Segen aber, wie du ihn dir vorstellst, ist zu nichts nütze. Siehe, die Pharisäer teilen doch allerlei Segen aus und lassen sich dafür bezahlen; wem aber, der einen solchen Segen empfing, hat er je etwas genützt? Ja, dem Pharisäer hat er wohl genützt, – aber den Gesegneten mußte sein Glaube trösten und ihm eine schwache Beruhigung verschaffen.

3. Ich aber segne die Menschen wahrhaft nur dadurch, daß Ich ihnen das wahre Lebenslicht gebe und durch dasselbe das ewige Leben, so sie handeln nach Meiner Lehre. All das gewisse magische Segnen ist zu nichts nütze und vermehrt nur den Aberglauben der Menschen. Wer aber in Meiner Lehre wandelt und glaubt, daß Ich der wahre Christ bin, der mag einem Kranken in Meinem Namen die Hände auflegen, und es wird besser mit ihm werden. Und so ein Kranker auch in der Ferne ist, und du betest in Meinem Namen über ihn und streckst nach ihm deine Hände aus, so soll er gesund werden, so es zu seinem Heile gereicht. Und sieh, das ist ein um vieles besserer Segen als der, den du nach deiner Meinung von Mir haben wolltest! – Sage Mir nun, ob du damit zufrieden bist!“

4. Sagte der Wirt: „O Herr, ich danke dir dafür; denn ich sehe es schon ein, daß die reine Wahrheit für den Menschen der größte Segen und die Lüge und der Betrug für ihn der größte Fluch ist. Jetzt möchte ich von dir, o Herr, aber doch noch vernehmen, ob bei Gott die Gebete der Priester auch dann keinen Wert haben und auch dann niemandem etwas helfen, so da jemand gläubig im besten Sinne und in der Meinung, daß er unwürdig sei, zu Gott zu beten, zu einem Priester geht und es ihm bezahlt, damit er für ihn zu Gott bete. Wie soll man das der Wahrheit nach fassen und begreifen?“

5. Sagte Ich: „Steht es nicht geschrieben: ,Siehe, dies Volk ehrt Mich mit den Lippen; aber sein Herz ist ferne von Mir!‘? Wie soll denn solch ein Gebet dem, der es bezahlte, etwas nützen? Er als der Gläubige getraut sich nicht, zu Gott zu beten, und der bezahlte Priester betet nicht zu Gott und kann das sogar augenfällig nicht, weil er bei sich selbst an keinen Gott glaubt. Denn glaubte er an einen Gott, so würde er sich für seine Gebete nicht bezahlen lassen, sondern zu dem Gebetbezahler sagen: ,Jeder Mensch – und hätte er der Sünden so viele, wie es da gibt des Grases auf der Erde und des Sandes im Meere – kann reuig und demütig zu Gott beten, und Gott wird sein Gebet erhören. Meine von Gott gebotene Nächstenliebe aber legt mir ja ohnehin die Pflicht auf, in meinen Gebeten aller Menschen zu gedenken, und so gehe du hin und bete du selbst zu Gott, was allein dir nützen kann und wird; denn ein bezahltes Gebet ist ein Greuel vor Gott!‘

6. Siehe, so müßte ein gläubiger Priester zu dem reden, der ihm ein Gebet zu bezahlen käme! Weil aber der Priester selbst an keinen Gott glaubt, so läßt er sich für das Gebet, das er aus einem Buche, ohne dabei etwas zu denken und zu wollen, mit einer heuchlerisch frommen Gebärde murmelt, bezahlen und ist somit in allem ein Lügner und Betrüger. Wie kann da ein solches Gebet bei Gott angesehen sein?

7. Ich sage es dir: So Gott dem Menschen, der sich ob seiner vermeinten Unwürdigkeit nicht zu Ihm zu beten getraute, auch aus irgendeiner Not seiner Demut wegen hülfe, so wird Er ihm aber in dem Falle darum ganz sicher nicht helfen, um ihn dadurch von seinem Aberglauben mehr und mehr zu befreien.

8. Wenn du einen Armen siehst, der einer nötigen Hilfe wegen zu Gott betet, da gehe hin und hilf ihm, so du etwas hast, um ihm zu helfen; hast du aber nichts, so bete auch du bei dir für ihn zu Gott, und Ich sage dir: Gott wird dein und des Armen Gebet erhören! Denn so zwei oder drei wahrhaft zu Mir beten, so wird ihr Gebet auch sicher allzeit erhört werden. Aber es soll sich dummer und rein weltlicher Dinge wegen niemand betend an Gott wenden, denn derentwegen würde ihn Gott nicht erhören; aber so da jemand um das wahrhaft Nötige bittet zum Leben des Leibes und zur Stärkung des Glaubens und der Seele, so wird es ihm nicht vorenthalten werden. – Siehe, also stehen der Wahrheit gemäß die Dinge des wahren Gebets, das da auch ein wahrer und rechter Segen Gottes im Menschenherzen ist! Begreifst du das?“

9. Sagte der Herbergswirt: „Ja, Herr, das ist gar leicht zu begreifen, weil es ja doch eine zu klare Wahrheit ist; aber die magischen Gebete der Priester habe ich noch nie begriffen, und das sicher aus dem ganz einfachen Grunde, weil sie als ein barster Betrug gar nie zu begreifen sind. O diese argen Betrüger! Wie sie sich doch alle Mühe geben, dem Volke ihre nichtigen Gebete so darzustellen, als ob solche ordentlich nach Graden stets wirksamer und kräftiger seien, je nachdem sie von höheren Priestern an gewissen hochheiligsten Plätzen gebetet würden, und als ob ein und dasselbe Gebet, von ein und demselben Hohenpriester gebetet – und das am heiligsten Platze –, in eben dem Maße an Kraft und Wirkung zunähme, in welchem Maße es mit mehr Pfunden Goldes und Silbers bezahlt wird! Und siehe, das glauben die Menschen noch vielfach fest! Wehe dem, der ihnen davon abriete und ihnen sagte, daß der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs an solch einem Gebete kein Wohlgefallen haben könne, und daß Er dabei auch höchst ungerecht wäre, so Er nur jener Menschen Gebet anhörte, die es bei den Priestern um ein hohes Geld beten lassen können, die Armen aber, die das nicht vermögen, völlig unerhört und ohne alle Hilfe von Sich wiese! Oh, das nützte bei diesen blinden Narren gar nichts! Sie würden einen solchen weisen Volksaufheller nur für einen Gotteslästerer und Tempelschänder halten und ihn als solchen auch im Tempel anzeigen, worauf er dann sicher sehr bald für die ganze Ewigkeit so versorgt werden würde, wie man sich's besser nie wünschen könnte.

10. Ah, mein erhabenster Freund und göttlicher Meister, da gibt es für einen ehrlichen und gebildeten Menschen kein Sein mehr! Wahrlich, da ist diese Herberge ja um vieles mehr ein wahrer Tempel Gottes als da unten Salomos Halle; denn in ihr ist nun weiter nichts mehr als Lüge und Betrug und der größte Menschenhaß! Ich bin wohl schon bei zehn Jahre lang nicht mehr in dem Tempel gewesen – und werde mich auch künftighin sehr davor hüten! Am allerwenigsten aber kann mich ein Fest in den Tempel bringen; denn da werden die größten Betrügereien auf die frechste Art getrieben, und kein Gesetz schützt mich vor ihnen. An den Festen treiben die Templer den größten Unfug ohne alle Verantwortlichkeit als Götter für sich; ich aber kann das ohne den größtmöglichen Ärger nicht ansehen und bleibe darum lieber fern. – Habe ich recht oder nicht?“

11. Sagte Ich: „Ganz vollkommen; denn du kannst das nicht ändern, und darum ist es für dich besser, fern von dem Orte zu bleiben, an dem du nichts Gutes und Wahres erfahren kannst und dich als ein noch altechter Jude ärgern mußt. Ich aber bin darum gekommen, um alles, was da krumm ist, gerade, und was da blind und taub ist, sehend und hörend zu machen. Aber nun lassen wir den Tempel, da euch seine völlige Unbrauchbarkeit nur zu bekannt ist!

12. Wir aber werden bald noch einen Zuwachs von Gästen bekommen, und zwar echte Römer und Griechen. Sie werden hier zehren und wahrscheinlich auch hier übernachten; denn unten ist in der ganzen Stadt beinahe keine Herberge zu finden, und du als Wirt kannst dich deshalb ein wenig vorbereiten.“

13. Als der Wirt solches vernahm, da eilte er alsbald hinaus zu seinen Leuten und machte sie darauf aufmerksam; und die gaben nun acht, ob wohl Gäste kommen möchten. Als sie aber hinabsahen an das Gartentor, durch das man gehen mußte, um auf den Ölberg zu gelangen, da sahen sie schon eine Menge von dreißig Menschen durch das Tor eingehen und machten sich darum auch schnell an allerlei Arbeit, um die bald ankommenden Gäste auf ein geziemendes zu bedienen. Es war aber das Zimmer, in dem auch wir waren, groß genug, um hundert Gäste zu beherbergen. Auch waren noch einige ganz geräumige Seitengemächer da, in denen für die Nachtruhe ganz gut gesorgt war, und da dürfte es niemand um die ganz gute Unterkunft der ankommenden Fremden bangen, die mit sich eine Anführerin hatten, die eine Freie in Jerusalem war und sich viel mit den Fremden abgab. Wir werden sie späterhin schon noch besser kennen lernen.

181. Kapitel. Ankunft fremder Römer in der Herberge.

1. Es dauerte natürlich nicht lange, so waren die Fremden auch schon da. Der Wirt und auch Lazarus gingen ihnen höflich entgegen und hießen sie willkommen. Die Fremden traten darauf ein, grüßten uns nach ihrer Sitte, und wir erwiderten den Gruß. Sie setzten sich an einen Tisch und verlangten gleich zu essen und zu trinken; denn sie seien schon sehr hungrig und durstig, da in der Stadt nirgends mehr etwas Annehmbares zu bekommen wäre.

2. Und der Wirt sagte: „Brot und Wein könnet ihr sogleich haben; auf ein ordentliches Abendmahl aber werdet ihr schon ein wenig länger warten müssen!“

3. Sie waren damit ganz zufriedengestellt, bekamen sogleich Brot und Wein in schwerer Menge und aßen und tranken ganz wohlgemut, lobten den Wein und waren voll guter und heiterer Dinge. Auch die freie Maid war ganz heiter und erzählte ihnen allerlei lustige Dinge. Wir aber verhielten uns ruhig, und die Jünger, die der griechischen und auch der römischen Zunge mächtig waren, horchten am emsigsten zu, was diese Fremden alles vorbrachten.

4. Es war aber unter ihnen ein sehr angesehener Mann. Er war ein Römer und war nun das erste Mal in Jerusalem. Der sagte zu den andern: „Höret, wir haben nun des Scherzhaften in schwerer Menge vorgebracht, und so können wir denn nun auch einmal von etwas Ernsterem einige Worte fallen lassen, damit die ehrenwerte Gesellschaft, die wir hier schon angetroffen haben, sich nicht heimlich denke, daß wir nichts als pure Possenreißer seien. Und so will ich sogleich den Anfang machen und sagen:

5. Wir kommen alle von Rom hierher in die große Judenstadt, welche von den Juden eine heilige genannt wird. Wir kamen durch die Dienstbereitschaft unserer schönen Jüdin in diese Bergherberge, die nach der Äußerung unserer Führerin zwar von der jüdischen Priesterschaft sehr verrufen ist, sich aber dessenungeachtet doch stets als die beste und billigste von ganz Jerusalem schon seit langem bewährt hat. Was unsere liebe Führerin uns also von dieser Herberge als gut anpries, das bestätigt sich nun ganz vollkommen; denn wir sind nun selbst da, und das Brot, der überaus gute Wein und die ganz besondere Freundlichkeit unseres Wirtes geben uns das beste Zeugnis. Daher müssen wir uns gegen unsere schöne Führerin auch ganz besonders dankbar erweisen, was nach unserer alten Römersitte auch sicher der Fall sein soll.

6. Aber wir sind nun schon ein paar Tage hier in dieser Stadt und haben uns von gestern auf heute mit der schlechtesten Herberge behelfen müssen, und die guten Götter haben uns heute eine bessere beschieden. Daß wir gestern vor lauter Herbergesuchen dem nicht nachgehen konnten, weshalb wir so ganz eigentlich von Rom hierhergereist sind, das ist wohl ganz leicht begreiflich; aber nun haben wir einmal eine rechte Herberge, und so wäre es denn nun nach meinem Dafürhalten auch wohl schon Zeit, an das zu denken anzufangen, dessentwegen wir die große und gefahrvolle Reise unternommen haben. Denn die Reise von Rom hierher ist wahrlich keine Kleinigkeit! Unsere liebe Führerin, die uns den Weg in diese gute Herberge gewiesen hat, wird morgen vielleicht auch in dieser Beziehung Auskunft geben können, – vielleicht auch unser Wirt; aber den müssen wir denn zuvor doch noch etwas näher kennenlernen, weil das bei den Juden so ein wenig eine kitzlige Sache sein soll, und diese haben es – unter uns gesagt – stets faustdick hinter den Ohren.

7. Daß aber unsere schöne Führerin eine ganz ehrliche und biedere Persönlichkeit ist, davon haben wir schon einige treue Überzeugungen; und so werden wir uns so ganz geheim an sie wenden, und sie wird uns da wohl gütigst eine gute Auskunft zu geben imstande sein, damit wir wissen mögen, ob wir unsere Reise hierher umsonst oder nicht umsonst gemacht haben. Denn ist etwas Wahres an der Sache, so bleiben wir so lange da, bis wir völlig dahintergekommen sind, was an der Sache ist; ist aber an der Sache nichts, so gehen wir in ein paar Tagen schon wieder nach Hause.

8. Ein Gewitter sieht in der Ferne wohl auch allzeit gefährlicher und drohender aus als bald darauf, wenn es in der Nähe ist, und so wird es wahrscheinlich auch mit dieser unserer Sache sein. Allerdings ist es sehr sonderbar, daß wir hier im Judenlande beinahe noch von niemandem etwas davon haben reden hören. Aber dessenungeachtet können wir uns darüber etwas intensiver erkundigen; und so möchte ich dich, unsere holdeste Führerin, denn fragen, ob du von einem jüdischen, ganz neu aufgestandenen Propheten noch nichts vernommen hast, der gar unerhört wunderbare Dinge zustande bringen soll.

9. Sage es uns aufrichtig und wahr, ob und was du von dem Propheten gehört hast, und was da eigentlich an der Sache ist! Hast du ihn schon einmal selbst gesehen und gesprochen oder andere glaubwürdige Menschen von ihm reden hören? Und so sie von ihm geredet haben, so wirst du auch vielleicht vernommen haben, was sie von ihm geredet haben? Sage uns alles, was du von dieser Sache weißt, und wir werden dir – wie schon gesagt – gar sehr erkenntlich sein!“

182. Kapitel. Gespräch der Führerin Magdalena mit den Römern über Jesus.

1. Sagte hierauf die Maid: „Ja, meine achtbarsten Freunde, da werde ich euch wahrlich keinen genügenden Dienst leisten können! Ich habe wohl – so mehr weitschichtig – von ihm so manches reden hören; aber alles, was ich von ihm vernommen habe, klang noch um vieles fabelhafter als die Geschichten von euren Göttern.

2. Er soll übrigens ein sonst ganz weiser und überaus guter Mensch sein, was man sich so allgemein in besseren Kreisen erzählt; aber neben seiner Weisheit tauchen gleich wieder eine Menge von allerlei Wundertaten auf, die natürlich ein recht vernünftiger Mensch sogar dann nicht glauben könnte, so er sie selbst von dem Propheten hätte wirken sehen! Ich selbst glaube das von dem Menschen auch nicht; aber es ist das unter den Menschen schon einmal so gang und gäbe. Sowie irgendein so recht grundgescheiter Mensch unter den andern vielen gar dummen Menschen aufsteht und sie über ihre große Dummheit belehrt und die Blinden nachher einsehen, daß er in aller Wahrheit ein rechter Weiser ist, dann halten sie ihn aber auch schon gleich für einen Gott! Er darf ihnen dann auch so manches Kunstvolle von seinen Fertigkeiten zum besten geben, die sicher auf ganz natürlichen Prinzipien beruhen, und er hat Wunder gewirkt gleich einem Gott, und die Menschen laufen ihm nach aus allen Gegenden der Erde! Und so, meine ich, wird es auch mit dem guten und sonst sehr gescheiten Menschen stehen, der sowenig ein Prophet sein wird wie unsereins.

3. Er soll einige Male auch schon hier in Jerusalem gewesen sein, auch einige Wunder gewirkt und dann das Volk in seiner Weise belehrt haben; aber da sei er bei den Pharisäern angestoßen, und sie haben ihm, glaube ich, gar sehr verboten, seine Sachen offen zu treiben, – und so dürfte er in dieser Zeit wohl seltener in dieser Stadt zu sehen sein. Er soll zumeist in Galiläa sein Wesen treiben; daher weiß man hier weniger irgend etwas Genaues von ihm als etwa in einer Stadt Galiläas.

4. Ich selbst habe ihn noch nie gesehen und habe gerade auch keinen besondern Wunsch, ihn zu sehen. Von seiner besonderen Weisheit würde ich ganz verzweifelt wenig verstehen, und Zaubereien aller Art habe ich auch schon eine Menge gesehen – und das sogar bei den Essäern, die sogar die Toten wieder lebendig und ganz gesund machen –, und so habe ich wahrlich keine besondere Lust, den so weit berühmten Wunderpropheten zu sehen. Jetzt bin ich aber auch schon fertig und kann euch nichts Weiteres weder pro noch contra diesen Propheten sagen.

5. Übrigens muß ich ganz offen gestehen, daß ich auf gar keinen Propheten je etwas Besonderes gehalten habe; denn erstens war noch ein jeder so langweilig und düster wie ein nebliger Spätherbsttag, zweitens so unverständlich wie der gestirnte Himmel und drittens so finster und unfreundlich wie eine Gewitternacht in Ägypten. Wer kann sich mit solchen Menschen wohl je befreunden? Allein das ist nur so ganz meine Privatansicht, die ich niemandem aufdrängen will; denn ich werde wahrlich nie eine Prophetin, und da ist mir schon alles eins, was die Menschen glauben, wenn sie nur sonst ganz gut und ehrlich sind.“

6. Sagte der Römer: „Na sieh, dein natürlicher Hausverstand ist wahrlich gar so übel nicht! Du hast einen ganz gesunden Sinn, der uns recht wohl gefällt; aber dessenungeachtet muß hinter dem großen und neuen Propheten doch mehr stecken, als du uns über ihn zu sagen wußtest. Nun, daß dich derlei wenig oder auch gar nicht interessieren dürfte, dafür spricht deine noch bedeutende Jugend und dein weiblicher Flattersinn; wir aber als schon so ziemlich betagte Leute und Männer aus der ersten und größten Stadt der bis jetzt bekannten Welt interessieren uns sicher sehr für so einen seltenen Mann, ansonst wir seinetwegen sicher nicht eine so große Reise bis hierher gemacht hätten, – und du wirst darum schon einsehen, daß wir uns nach dem Manne schon noch näher werden erkundigen müssen. Aber das wirst du mit deinen gewandten Sinnen doch wohl wissen, ob man unseren Wirt nach so etwas fragen darf; denn es sollen hier die Priester und des Herodes Mietlinge sehr lange Ohren und adlerscharfe Augen haben. Zu diesen wird er etwa doch nicht gehören?“

7. Sagte die Maid: „Oh, da könnet ihr ganz unbesorgt sein! Der Wirt ist stumm wie eine Mauer und hat meines Wissens noch nie jemanden verraten. Den könnet ihr schon fragen, und die etlichen dreißig Gäste scheinen Freunde von dem eigentlichen Besitzer, mit Namen Lazarus zu sein, und der ist selbst ganz gegen den Tempel, weshalb ihn die Priester auch stets necken, wo sie nur können. Aber er ist unstreitig einer der Reichsten im ganzen Lande, und so können sie ihm nicht leichtlich etwas anhaben, und das um so weniger, weil er mit allen seinen Besitzungen unter dem alleinigen römischen Schutze steht. Oh, da könnet ihr mit dem einen wie mit dem andern sprechen, und das ganz frei von der Leber weg, und es wird euch niemand verraten! Ich schon am allerwenigsten; denn welche Achtung ich vor dem Tempel habe, das habe ich euch schon unten ganz fest erklärt, und eines weiteren bedarf es da wohl nicht!“

8. Sagte der Römer, welcher der griechischen Zunge mächtig war: „Gut gesprochen, liebe Führerin! Es ist nun schon ganz gut, weil wir nun wissen, mit wem wir es zu tun haben; alles andere wird sich dann schon machen!“

9. Meine Jünger murmelten leise untereinander über diese Fremden und machten ihre Glossen, und es war ihnen die etwas stark leichtfertige Maid nicht besonders angenehm; aber Ich bedeutete ihnen, daß sie vor der Zeit ja nicht laut werden sollten. Und sie taten das denn auch.

10. Es dauerte aber nun nicht mehr lange, daß Lazarus und der Wirt ins Zimmer kamen und ankündigten, daß sogleich das Abendmahl aufgetragen werde. Das war für die Fremden natürlich eine überraschend gute Nachricht.

11. Und als sogleich eine Menge gar sehr wohlschmeckender Speisen in edlen Geschirren auf die Tische gesetzt wurden, da machten die Fremden große Augen und sagten: „Wahrlich, geschmackvoller kann man es auch in Rom nicht haben!“

12. Als sie dann erst zu essen begannen, da ward es gar aus bei ihnen, und sie konnten die Güte der Speisen gar nicht genug loben und preisen. Aber auch unser Tisch wurde reichlich mit den Speisen versehen, und wir aßen und tranken; wir erhoben jedoch kein so lautes Lob, was den Fremden etwas sonderbar vorkam, und sie meinten, daß unsere Speisen etwa minder gut seien.

13. Aber Lazarus samt dem Wirte, die an unserem Tische speisten, sagte: „Meine Freunde, das ist bei mir stets einerlei! Jeder Gast, hoch oder gering, wird da ganz gleich bedient! Jedem wird das Beste, was ich habe, mit vieler Freude dargereicht.“

14. Mit diesen Worten waren die Fremden völlig zufrieden, aßen und tranken und fragten während des Essens um nichts Weiteres mehr.

183. Kapitel. Der Römer fragt den Wirt und Lazarus nach dem Wundermanne Jesus.

1. Nach dem reichlich eingenommenen Mahle erst fing es im Speisesaal an, lauter zu werden, und da der Wein den Fremden auch mehr Mut einflößte, so begannen sie mehrfach wieder ihr altes Thema von dem neuen Propheten zu besprechen, und unser angesehener Römer wandte sich an unseren Wirt und fragte ihn, sagend: „Lieber Wirt, du wirst es mir nicht ungütig aufnehmen, so ich dich um etwas ganz Besonderes frage!?

2. Sieh, es hat sich von Judäa aus der Ruf sogar bis nach Rom verbreitet, daß irgend in den Judenlanden ein außerordentlicher Mann, so eine Art Prophet, aufgestanden sei, der zukünftige Dinge voraussage, und alle Kräfte der Natur sollen seinem Willen vollkommen untertan sein! Wir wollten das lange nicht glauben; aber es kamen, erst in jüngster Zeit, abermals Nachrichten von sehr bewährten Seiten nach Rom und also auch an mich – da ich einer der ersten Patrizier Roms bin –, und ich und alle diese meine Freunde, die auch zu den Angesehensten Roms gehören, dachten: Es muß an der Sache doch etwas sein, – was wird es denn sein? Schiffe haben wir genug und Seeknechte zu vielen Hunderten, machen wir eine Reise nach Asien, und zwar nach Judäa! Dort werden wir es am ehesten erfahren, was an der Sache ist!

3. Und sieh, wir reisten vor vierzehn Tagen ab, hatten teilweise ziemlich guten Wind und sind nun hier! Aber merkwürdig, in Rom erfuhren wir offenbar mehr als hier im Lande, wo der Wundermann sich aufhalten soll! Wen wir auch auf der Reise hierher darum befragt haben, der wußte uns entweder gar keinen Bescheid oder kaum einen bessern zu geben, als was für einen wir aus Rom mitgebracht haben.

4. Jerusalem als die Hauptstadt dieses Landes sollte denn doch am ersten von der Sache wohlunterrichtet sein! Darum kommen wir auch gerade hierher. Aber auch hier ist alles still! Diese unsere recht angenehme Führerin, die wir heute aufgenommen haben bloß zu dem Behufe, daß sie uns in der Stadt herumführe, hat uns zwar noch den meisten Bescheid erteilt, der uns aber für so eine außerordentliche Sache auch durchaus nicht genügen kann. Daher habe ich mich nun in eben dieser Angelegenheit an dich gewandt, ob vielleicht du uns darüber einen besseren Bescheid geben kannst. Sage mir! Besteht in Judäa ein solcher Mann, und was leistet er? Was ist euer Urteil über ihn?“

5. Hier blickte der Wirt Mich an und fragte Mich gewisserart mit den Augen, ob er Mich bekannt geben dürfe. Aber er vernahm in sich die klare Antwort: „Jetzt noch nicht, sie werden Mich schon später selbst erkennen!“

6. Darauf erst sagte der Wirt zum Römer: „Ja, mein gar sehr achtbarster Freund, der Mann besteht ganz also, wie ihr in Rom von ihm die Nachricht vernommen habt; aber es ist ihm unsere überselbstsüchtige und herrschgierige Priesterschaft im höchsten Grade aufsässig und desgleichen jedem, der mit ihm wohlbekannt ist, und so dürfen wir zum Heile unserer Haut von ihm eben nicht gar zuviel und zu laut reden.

7. Ich kenne euch natürlich gar nicht und weiß auch nicht, in welcher Absicht ihr eigentlich nun nähere Aufschlüsse wünschet, und ihr werdet es mir vorderhand schon zugute halten müssen, so ich euch jetzt über ihn nichts Weiteres sagen kann als: Er besteht ganz also, wie er euch bis nach Rom beschrieben worden ist; doch wo er nun ist, und was er tut, das kann und darf ich euch nicht verraten.

8. Auch dieser Herr da, dem nun die ganze alte Stadt Bethania sowie dieser Berg mit dieser Herberge gehören, kennt ihn sehr gut und weiß, was der große Mann leistet! Der kann euch auch der vollsten Wahrheit gemäß das bezeugen, daß der Wundermann noch besteht und wirkt; aber übers Wo wird auch er schweigen. Wir wissen es wohl, daß ihm alle unsere Priester, die sich gleich nur für Götter halten, ewig nichts anhaben können; aber wir wollen dennoch alles Aufsehen vermeiden, um Ruhe vor den giftvollen Priestern zu haben. Mehr kann und darf ich dir nicht sagen.“

9. Sagte der Römer: „Ich bin auch schon mit dem zufrieden; nur möchte ich noch von dir, du Hausherr, diese Aussage bestätigt haben! Was sagst du über den großen Mann?“

10. Sagte Lazarus: „Was euch der Wirt sagte, das ist wahr, und mehr kann und darf ich euch auch nicht sagen! Aber da ihr morgen und auch übermorgen noch nicht abreiset, so kann es sich gar leicht fügen, daß ihr Ihn, so ihr eine ganz gute Absicht mit Ihm habt, noch ganz leicht werdet persönlich kennenlernen! Denn Er gehet denen gerne zu, die da redlichen Sinnes und eines wahrhaft guten Willens sind; doch die Verräter haßt Er, nicht Seiner Selbst willen, sondern ihrer eigenen, verwerflichen Bosheit willen. Er ist so mächtig in Seinem Willen, daß Er nur zu wollen braucht, und es geschieht im Augenblick, was Er will. So dürfte Er zum Beispiel wollen, daß diese ganze Erde nicht mehr bestehen soll, so ist sie auch schon nicht mehr da! Darum fürchtet Er auch keinen Feind; aber Er ist ihm darum kein Gegenfeind, – nicht, als hätte Er etwa irgendeine Furcht vor einem Feinde, sondern weil Er Selbst den Menschen nichts so sehr ans Herz legt als eben die gegenseitige Liebe. So sind Ihm die argen Menschenfeinde ein Greuel, und wehe dem, den Sein gerechter Zorn ergreift! Kurz, Er ist der weiseste, beste und allermächtigste wahre Gottmensch auf der ganzen Erde! Mehr brauche ich euch nicht zu sagen.“

11. Sagte der Römer: „Ich bin nun schon auch mit dem vollkommen zufrieden! Daß wir alle aber nur vom besten Willen für den großen Mann beseelt hierhergekommen sind, dessen kannst du völlig versichert sein! Hätten wir alle unsere Schätze bei uns, die wir zum größten Teil in unserm Schiffe zurückgelassen haben, so möchte ich sie dir alle für unsere gute Absicht mit dem großen Mann einsetzen! Aber du kannst uns schon trauen; denn ein echter Römer gehet offenen Weges und verachtet jeden Hinterweg. Wenn wir mit ihm nur irgendwo zusammenkommen, da soll er unsere Achtung vor ihm nicht nur im Worte und in tiefer Verbeugung, sondern in der vollsten und gewichtigsten Tat kennenlernen!“

12. Antwortete Lazarus: „Mit Gold, Silber und Edelsteinen aber dürfet ihr Ihm ja nicht kommen; denn so Er so etwas wollte, da würde Er Selbst Berge ins blankste Gold verwandeln! Bei Ihm gilt sonst gar nichts als nur ein reines und gutes Herz. Wer Ihm mit diesem größten Schatze entgegenkommt, der ist Sein Freund, und dem tut Er aber auch alles, was Er ihm ansieht, daß es ihm nütze. Aber nur mit Gold und Silber komme Ihm niemand; denn Er haßt derlei, weil es die Menschen hart und sehr böse macht. Alles, was vor der Welt groß und glanzvoll genannt werden kann, das ist in Seinen Augen ein Greuel. Nun wisset ihr, wie Er beschaffen ist; daher verhaltet euch auch also, so ihr Ihn finden werdet, und Er wird euch dann gerne geben Seine Liebe, die Wahrheit und das ewige Leben!“

184. Kapitel. Lazarus erzählt dem Römer von Jesus.

1. Sagte der Römer: „Ich sehe es euch an, daß ihr die Wahrheit und keine Lüge sprechet, und unsere Begierde ist nun um so mehr gesteigert, den großen Mann persönlich kennenzulernen. Wenn er aber ohne Zweifel also ist, wie ihr beide ihn uns wortgleich beschrieben habt, so könnte er sich gar leicht zum König der Juden aufwerfen. Denn da genügte ja die Macht seines Willens, um uns Römer hinauszuwerfen und dann auch also zu verfügen, daß fürder nimmer ein Römer ins Land käme! Wir Römer wissen es auch schon seit langem, daß alle Juden nach dem Wortlaute ihrer alten Propheten auf einen großen König harren. Am Ende ist ihre lange Hoffnung mit diesem großen Manne völlig erfüllt, und wir Römer werden eines schönen Morgens von ihm durch seinen allmächtigen Götterwillen mit Blitzesschnelle hinausgeschafft werden! Was ist da eure Meinung?“

2. Sagte nun Lazarus: „Das haben die Römer von Ihm durchaus nicht und nimmer zu befürchten; denn fürs erste ist Er ein großer Freund der Römer, und fürs zweite muß die Weissagung der alten Propheten dahin gedeutet werden, daß Er als der nun in aller Wahrheit gekommene Messias nach den alten Prophezeiungen ein irdisches Reich auf dieser Erde zu gründen nicht die entfernteste Absicht hat, wohl aber ein geistiges Reich der Liebe und der wahren Weisheit Gottes bei allen Menschen der Erde, die Seine Lehre von Gott, von Seinem Himmelreiche und vom ewigen Leben der Seele nach dem Tode des Leibes annehmen und nach Seinem kundgegebenen Willen leben und handeln werden. Siehe, das ist Seine reinste und wahrste Absicht; aber von einer Vertreibung der Römer aus diesem Lande ist bei Ihm schon ganz sicher ewig keine Rede!

3. Ja, daß da gar viele geistig blinde Juden dieses Glaubens sind, das kann ich durchaus in keine Widerrede stellen; sie aber halten unseren großen Mann durchwegs nicht dafür. Und so Er zu ihnen sagt, daß Er eben der Verheißene ist, so glauben sie Ihm das dennoch nicht trotz aller Wunderzeichen, die Er vor ihren Augen wirkt, sondern sie beschuldigen Ihn noch der Gotteslästerung und heißen Ihn einen Schänder des Sabbats, und so es nun möglich wäre, da wären sie die ersten, die Ihn töten würden! Was ich euch hier sage, ist die volle Wahrheit, und ihr habt durchaus nicht im geringsten zu befürchten, daß Er je die Juden von euch Römern befreien werde, sondern gerade das Gegenteil!“

4. Sagte der Römer: „Nun, wenn das, da soll er aber lieber nach Rom ziehen; dort wird man ihn sicher auf den Händen tragen und vergöttern! Was macht solch ein großer und einziger Mann unter den schon allbekannt dummen Juden, die sich für Gottes Kinder halten, aber in ihrem Denken, Reden und Handeln dümmer sind als die Skythen des Nordens?!“

5. Sagte Lazarus: „So Er das wollen würde aus Seiner unerforschbar tiefen Weisheit, da wäre Er auch schon lange in Rom! Wer hätte Seinem allmächtigen Willen irgend den Weg versperren können?! Aber Er weiß es, warum Er zumeist nur bei uns Juden verbleibt! Wir Menschen aber sind allesamt zu blöde, um Ihm sagen zu können: ,Herr, tue dies, oder tue jenes!‘; denn Er ist wahrlich allein ein Herr in aller Weisheit und in aller Macht. Wer soll Ihm da etwas raten können?!“

6. Sagte der Römer: „Ja, wenn also, da wird mit ihm schwer zu reden und zu verhandeln sein! Na, sei ihm aber nun schon, wie ihm wolle, wir werden ihm dennoch im höchsten Grade dankbar sein, so er uns nur einmal dahin würdigen wird, daß wir ihn allein nur irgend zu sehen bekommen! Euch beiden aber werden wir sehr glänzend dankbar sein, so ihr uns irgend die Gelegenheit verschaffen könnet, daß wir ihn zu Gesichte bekommen!“

7. Sagte Lazarus: „Da wäret ihr sehr leichtsinnig! Denn wären ich und mein Wirt irgend habsüchtig, da ginge es eben nicht gar zu schwer, irgendeinem Menschen aufzureden, daß er gegen eine gute Bezahlung sich euch als der große Mann zeige; und so ihr auch fragtet, ob er der große Wundermann sei, da würde er euch dann auch eine ganz gut und wahr klingende Antwort zu geben imstande sein, – denn auch dafür würden wir schon zum voraus sorgen können. Seht, das wäre demnach von euch unklug und von uns aus schlecht! Ihr werdet Ihn schon aus euch selbst erkennen, ohne daß wir gegen eine glänzende Dankbarkeit von eurer Seite notwendig haben werden, euch zu sagen: Sehet, dieser oder jener ist es!“

8. Als der Römer solches von Lazarus vernommen hatte, da lobte er ihn und pries ihn als einen selten klugen und ehrenhaften Mann.

185. Kapitel. Die Heilung der besessenen Maria Magdalena durch Jesus.

1. Es begab sich aber bald darauf, etwa nach einer Viertelstunde, daß die Führerin der Römer, die sonst eine freie Maid für unzüchtige Männer war, ob des zu vielen Weingenusses von gewaltigen Krämpfen befallen wurde und gar jämmerlich schrie, ihr Gesicht verzerrte und ihre Glieder und Muskeln gar furchtbar verzog.

2. Die Römer entsetzten sich darob sehr, weil sie eine solche Erscheinung für ein außerordentliches MALUM OMEN hielten. Sie sagten: „Wehe uns, die Götter sind auf uns voll Zorns geworden, weil wir einen fremden Gott aufsuchen gegangen sind! Was tun wir nun?“

3. Sagte Lazarus: „Gar nichts als dableiben! Denn diese Person kenne ich ja schon eine geraume Zeit; sie ist mit dieser Krankheit schon mehrere Jahre lang behaftet, und es ist ihr das schon oftmals begegnet, besonders wenn sie etwas zuviel Wein genossen hatte. Wir Juden nennen das Besessenheit von einem oder oft auch mehreren argen Geistern. In den früheren Zeiten, als es unter den Juden noch viele fromme Menschen gab, konnten solche argen Geister durch das Gebet eines Frommen aus dem Menschen hinausgeschafft werden; aber in dieser Zeit gibt es so etwas kaum mehr. Natürlich könnte so etwas unser großer Mann wohl augenblicklich bewirken, so Er es wollte!

4. Seht, das liegt an dieser Erscheinung und sonst gar nichts! Wie könnten eure Götter über euch erzürnt werden, da sie doch nirgends anderswo bestehen können als allein in der Phantasie der Menschen, die von einem wahren Gott nichts wissen, weil sie von Ihm nie etwas vernommen haben? Warum nicht? Das liegt im ewig großen Weisheitsplane Dessen, der die Menschen erschaffen hat.“

5. Das beruhigte die Römer, und sie konnten die Führerin, die sich in einem elenden Zustande befand, doch wieder anschauen und einiges Mitleid in sich wachrufen.

6. Der erste Römer aber trat an unseren Tisch, an dem wir ganz ruhig saßen, suchte sich gerade Mich aus und sagte: „Aber lieber Freund, ist denn gar niemand unter euch, der dieser unglücklichen Maid irgendeine Hilfe zu leisten imstande wäre? Ihr sitzet wahrlich so teilnahmslos da, während diese Arme mit dem Tode ringt! Ich möchte ihr gewiß gerne helfen, so ich ein Mittel für ein solches Übel kennen würde; aber wir Römer sind eben in der Heilkunde besonders solcher Übel noch überaus schlecht bestellt.“

7. Sagte Ich: „Du hast dich an Mich gewandt, ohne zu wissen, wer Ich bin; aber dein halbes Vertrauen, daß an unserem Tische jemand der Besessenen helfen könnte, hat dich zu Mir geführt. Und Ich sage es dir, daß dich dein Geist schon an den rechten Mann gewiesen hat, der ihr auch helfen wird zu ihrem leiblichen Wohle und zum Wohle ihrer Seele. Gebet denn wohl acht, mit welchen Mitteln Ich dieser Maid für immerdar helfen werde!“

8. Hierauf erhob Ich Mich von Meinem Stuhle, ging hin zur schon ganz erstarrt daliegenden Maid, streckte Meine Hände über sie aus und bedrohte die sieben argen Geister in ihr.

9. Die Geister aber schrien laut aus ihrem Bauche: „O Jesus, Du Sohn Davids, laß uns nur noch eine kurze Zeit in dieser unserer Wohnung!“

10. Ich aber bedrohte sie noch einmal, und sie verließen die Maid im selben Augenblick.

11. Und die Maid erhob sich und war so heiter, frisch und gesund, als ob ihr nie etwas gefehlt hätte. Als sie aber Mich an ihrer Seite ersah und man ihr gesagt hatte, daß Ich ihr geholfen habe, da sah sie Mich fest an und sagte: „Ach, das ist doch sicher jener herrliche Mann, für den mein Herz schon seit einem Jahre stets lebendiger schlug! Und gerade der, den ich gar unendlich liebte und noch liebe, seit ich ihn nur einmal im Vorübergehen gesehen habe, kam mir nun zu Hilfe! O Freund, hättest du mich nur lieber sterben lassen, als daß ich dich zur größten Qual meines Herzens wiedersehen muß, ohne je eine Hoffnung zu haben, auch von dir geliebt zu werden! Denn du bist ein reiner Mensch, und ich bin eine verworfene Hure!“

12. Hierauf fiel sie zu Meinen Füßen nieder, umklammerte sie kniend und benetzte sie mit Tränen der Liebe und Reue.

13. Da traten einige Jünger hinzu und wollten sie von Meinen Füßen hinwegziehen, und bemerkten ihr, daß sich so etwas hier nicht schicke.

14. Ich aber sagte zu den Jüngern: „Was geht euch denn das an?! Bin denn nicht Ich der Herr über Mich und nun auch über sie? Wenn es Mir zuviel sein wird, da werde schon Ich ihr sagen, was sich da schickt oder auch nicht schickt! Ich sage euch: Diese Maid hat viel gesündigt, – aber sie liebt Mich auch mehr denn ihr alle zusammen; darum wird ihr auch vieles vergeben werden. Und noch sage Ich euch, daß allenthalben, wo Mein Evangelium gepredigt wird, auch dieses Vorfalles und dieser Maid Erwähnung gemacht wird.“

15. Da zogen sich die Jünger zurück und gaben sich zufrieden.

16. Ich aber sagte darauf zur Maid: „Stehe nun auf; denn es ist dir geholfen, und deine Sünden alle sind dir vergeben! Aber gehe nun hin und sündige nicht mehr, auf daß dir darob nicht noch etwas Ärgeres widerfahre! Denn wenn der böse Geist einen Menschen verläßt, so durchzieht er dürre Steppen und Wüsten und sucht, ob er eine Wohnung fände, und so er nichts findet, da kehrt er wieder zurück. Da findet er seine alte Wohnung sauber gefegt und gereinigt, daß er darob eine große Lust faßt, wieder einzuziehen. Wenn er aber sieht, daß er allein zu schwach ist, da nimmt er noch sieben andere Geister, die noch ärger sind denn er, und diese alle ziehen dann mit Gewalt in die gereinigte Wohnung ein, und dieser zweite Zustand des Menschen ist dann ein um vieles ärgerer, als da war der erste. Darum habe wohl acht, daß dir nicht ein Gleiches widerfahre! Stehe darum auf, gehe hin und sündige ja nicht mehr!“

17. Hier erhob sich die Maid und wußte sich vor lauter Liebe und Dank gegen Mich kaum zu helfen. Nach einer Weile bat sie Mich, ob sie doch diese Nacht hier in der Herberge verbleiben dürfte, da es schon spät in der Nacht geworden sei.

18. Und Ich sagte zu ihr: „Ich redete nicht mit deinem Leibe, sondern mit deiner Seele und mit ihren mannigfachen weltlichen Begierden; mit deinem Leibe kannst du bleiben, wo du willst!“

19. Damit war die Maid zufrieden und setzte sich wieder zu Tische, – aber ihre Augen wandte sie keinen Augenblick von Mir ab.

186. Kapitel. Die Römer und Maria Magdalena ehren Jesus.

1. Aber jetzt fing auch der Römer an, Mich genauer zu betrachten, und sagte zu Mir: „Freund, vergib es mir, daß ich dich nach meinem Herzensdrange auch mit einer bedeutenden Frage belästige! Meine früheren Erkundigungen über den großen Mann dieses Landes werden dir nicht entgangen sein. Du hast nun an dieser Maid eine Wunderheilung vollbracht, wie ich etwas Ähnliches noch nie erlebt habe. Du heiltest sie bloß durch die Macht deines Willens. Wie, wenn am Ende gar du der große Mann, der wahrste Gottmensch wärest, von dem die Kunde gar nach Rom gekommen ist?! Und solltest du es dennoch nicht sein, so wirst du sicher um ihn wissen. Ist das der Fall, dann führe uns zu ihm hin, und was ich an Schätzen mit mir habe, soll dein sein!“

2. Darauf sagte Ich: „Weil du darum gar von Rom die weite Reise mit diesen deinen Gefährten hierher gemacht hast, so sage Ich es dir, daß du schon am rechten Orte und an rechter Stelle dich befindest; denn Ich bin eben Der, den du gesucht hast. Was ist nun dein Anliegen? Warum suchtest du Mich mit so großen Opfern?“

3. Sagte der Römer, ganz entzückt über dieses Mein Bekenntnis: „O Freund, wenn du das bist, dann habe ich mit allen diesen meinen Gefährten mein Heil gefunden; denn ich will für mich selbst erfahren Deine Lehren und sehen Deine große Macht und Herrlichkeit. Aber erst morgen werden wir Dich weiter belästigen; diese Nacht aber wollen wir wie alte, gute Freunde zubringen.

4. Vor allem aber nun meinen Dank für die Heilung dieser wahrlich lieben Maid. Und ihr beiden Wirte aber bringet nun noch mehr Wein; denn wir haben nun unser höchstes Heil gefunden, und morgen sollen alle Armen dieser Stadt auf unsere Kosten gesättigt werden! Fiat!“

5. Lazarus und der Wirt gingen und brachten noch Wein in gerechter Menge, und er ward in die Trinkbecher eingeschenkt.

6. Darauf ergriff der Römer den vollen Becher und sagte: „Heil uns, und Ehre, Liebe und Dank Dir, großer Meister! Erkennen Dich auch die finster- dummen Juden nicht, so werden Dich schon die Römer um so besser und tiefer erkennen!“

7. Hier trank er den Becher ganz aus und lobte darauf den Wein. Darauf taten die andern alle desgleichen. Nur die Maid trank nicht, da sie sich fürchtete, wieder ihren Zustand zu bekommen.

8. Aber der Römer sagte zu ihr: „Höre, du holde Maid! Wir Römer haben einen alten Spruch, und der heißt: ,In Gegenwart des Arztes schadet nichts!‘ Wir aber haben hier einen Arzt aller Ärzte, und so kannst du schon auch Ihm zur Ehre einen Becher leeren!“

9. Da sagte die Maid: „So ich wüßte, daß ich Ihm dadurch eine rechte Ehre erweisen könnte, wenn ich den Wein austrinke, so möchte ich alle Schläuche von ganz Palästina austrinken und dann sterben für Ihn; aber ich weiß es, daß ich durch das Trinken des Weines Seine Ehre nicht im geringsten erhöhe. Da Er von allen Mächten der Himmel und der Natur dieser Erde im höchsten Grade geehrt wird, so ist neben solcher höchsten Ehre meine Ehre soviel wie nichts, und so trinke ich nun darum auch den Wein nicht; aber aus Liebe zu Ihm und auch zu euch, ihr lieben Männer aus Rom, trinke ich dennoch den Wein! Und so gelte denn dieser Becher voll Wein soviel als: Mein Herz Ihm allein, und meine Achtung euch allen!“

10. Auf diesen guten Spruch trank sie den Becher aus, stand auf von ihrem Sitze, begab sich zu Mir hin und sagte: „O großer Meister, lasse einer unwürdigsten Maid, anzurühren und zu küssen Deines Kleides Saum, auf daß das meinem Herzen eine Linderung verschaffe!“

11. Hierauf kniete sie nieder, erfaßte den Saum Meines Gewandes und küßte ihn viele Male, benetzte ihn mit ihren Tränen und konnte sich gar nicht trennen von dem Saume des Kleides.

12. Da murrten einige Jünger und sagten: „Aber Herr, schaffe sie doch von Dir; denn sie beschmutzt Dir ja Dein gutes Kleid!“

13. Sagte Ich: „Was kümmert euch denn das! Wenn es Mir also recht ist, warum denn euch nicht?! Sie war eine Sünderin, ist nun eine rechte Büßerin und ist Mir nun eben darum lieber denn viele Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.

14. Sehet, da war einmal ein Mensch, der hundert Schafe hatte! Und es ereignete sich, daß sich auf der großen Weide ein Schaf im Gebüsch verlief. Als er aber am Abend seine Schafe zählte, da merkte er wohl, daß ihm ein Schaf in Verlust geraten war. Er besann sich gar nicht lange, ließ die neunundneunzig Schafe stehen und ging eilig hin, zu suchen das verlorene. Und als er es nach längerem, eifrigem Suchen fand, da legte er es aus großer Freude auf seine Achsel und trug es heim. Als es wieder unter den anderen neunundneunzig war, da hatte er mehr Freude über das glücklich wiedergefundene denn über die neunundneunzig, die niemals verloren waren.

15. Und sehet, also wird auch im Himmel mehr Freude sein über einen Sünder, der wahrhaft Buße tut, als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nie bedurft haben!

16. Also war denn auch ein Weib, das von ihrem Gelde einen Groschen verloren hatte. Es trug ein großes Leid um den verlorenen Groschen, zündete alsobald ein Licht an und suchte den Groschen so lange, bis es ihn wiedergefunden hatte. Als es aber den Groschen wiedergefunden hatte, da lud es seine Nachbarn zu sich und gab ein Mahl, auf daß auch diese seine große Freude teilen mußten.

17. Sehet, so wird es auch im Himmel der Fall sein über einen Sünder, der sich durch eine rechte Buße hat wiederfinden lassen! Denn die Engel Gottes schauen allzeit Sein Angesicht, beobachten wohl der Menschen Tun und Treiben und haben eine übergroße Freude an einem Menschen, der frei von der Sünde absteht und sich mit allem seinem Tun und Lassen zu Gott wendet.

18. Und so habe denn nun auch Ich eine rechte Freude an dieser Sünderin, die sich nun für immer von ihren Sünden entfernt hat; und sie hat auch eine Freude, daß sie ihr rechtes und wahres Heil gefunden hat. Darum lasset ihr ihre Freude!“

19. Darauf sagten die etwas eifersüchtigen Jünger nichts mehr, tranken dann ihre Becher aus und ließen sich dieselben auch gleich wieder anfüllen.

187. Kapitel. Über die Wirkung des Weines.

1. Ich aber sagte zu ihnen: „Meine lieben Freunde und Brüder, es ist der Wein, im rechten Maße genossen, eine rechte Stärkung und macht des Leibes Glieder kräftig und gesund; aber so er zu übermäßig getrunken wird, dann erweckt er die bösen Geister des Fleisches und betäubt die Sinne. Die bösen Geister aber erwecken dann des Fleisches Lust, die da heißt Unkeuschheit und Unzucht, durch die dann die ganze Seele auf langehin unrein, darauf auch unmutig, zänkisch, träge und oft nahe wie völlig tot wird. Darum beachtet auch im Trinken des Weines ein gerechtes Maß, und ihr werdet Ruhe haben in eurem Fleische!“

2. Sagte Petrus: „Herr, sind denn auch wir besessen, da Du von den bösen Geistern in unserem Fleische nun geredet hast?“

3. Sagte Ich: „Allerdings; denn das Fleisch und das Blut eines jeden Menschen sind voll natürlicher böser Geister, die darum böse genannt werden können, weil sie im Gerichte stehen; und stünden sie nicht im Gerichte, so wären sie nicht euer Fleisch und Blut. Wenn aber der Leib von euch genommen wird, so wird er auch alsbald darauf aufgelöst werden, und seine Geister werden dann schon einer freieren Bestimmung zugeführt werden.

4. Aber nicht nur in eurem Fleische, sondern auch in allen Elementen sind solche Geister, die man noch lange nicht gut wird nennen können. Allein für den, der schon durch Mich rein geworden ist, ist dann alles rein und gut durch die Bestimmung, die es von Gott aus in sich birgt.

5. Sehet, ein Stein, der ganz tot da am Boden liegt, ist eigentlich nur scheintot! Beleidiget ihn nur durch ein gewaltiges Schlagen und Reiben, und er wird euch durch Funkensprühen schon kundtun, daß er pur aus gerichteten Geistern besteht! Und leget ihr ihn in eine große Glut, so wird er weich werden und zu fließen anfangen. Und wäre das nicht, wovon würden die Menschen sonst wohl ihr teures Glas bereiten?

6. Also, der bösen und ungegorenen Naturgeister gibt es allenthalben, wie es Körper, Wasser und Luft gibt, und das irdische Feuer ist nichts anderes als eine Erlösung der schon reifer gewordenen Geister, die darauf schon wieder einer höheren Bestimmung zugeführt werden.

7. Aber es ist dennoch ein großer Unterschied zwischen jenen bösen Geistern, von denen oft Menschen besessen werden, und den ungegorenen Naturgeistern, aus denen die ganze Erde in allen ihren Teilen und Elementen besteht; aber diese Verwandtschaft und gegenseitige Beziehung haben sie doch, daß ein Mensch, der seines Leibes Naturgeister nicht irgend zu sehr erweckt, auch nicht leichtlich dem Leibe nach von den wirklichen bösen Menschenseelengeistern besessen wird.

8. Eben darum aber warne Ich euch denn auch vor aller Leidenschaftlichkeit, denn sie ist in sich eine Folge der Wachrufung der verschiedenartigen Fleisch- und Blutgeister. Sind diese einmal zu wach, so gesellen sich dann auch bald die sich sehr häufig noch in dieser unteren Erdregion aufhaltenden noch unreinen Seelen verstorbener Menschen zu ihnen; und geschieht das, dann ist ein solcher Mensch im vollsten Ernste besessen. – Verstehet ihr das?“

9. Sagten die Jünger: „Ja, Herr; denn solche Dinge hast Du uns ja schon zu öfteren Malen erklärt, aber doch niemals so unverhohlen klar wie eben jetzt, und wir müssen Dir darum sehr danken und werden in dieser Nacht auch keinen Wein mehr trinken.“

10. Sagte Ich: „Tuet das, so wird es euch wohltun am Morgen; denn ein nüchterner Leib bewahrt eine gesunde Seele, und eine gesunde Seele ist der beste Arzt für einen kranken Leib!“

188. Kapitel. Der Wert des Denkens und des wahren Glaubens.

1. Sagte der Römer: „Höre, Du großer Meister, so ich auch kein Wunderwerk sähe, sondern allein anhörete Deine Rede, da wüßte ich dennoch, daß in Dir sehr viel von irgendeinem wahrhaft göttlichen Geiste wohnen muß! Ohne seinen Einfluß kann kein Mensch so weise reden, und es hat bei Dir unser alter Wahlspruch: SINE AFFLATU DIVINO NON EXSISTIT VIR MAGNUS! seine volle Geltung; denn Du bist von dem höchsten Gott sicher am meisten angehaucht worden! Bei solch einer außerordentlichen Weisheit ist es wohl begreiflich, daß auch der Wille ungewöhnlich mächtig sein muß, da er nur zu klar weiß, was er will, und welches Mittel zur Effektuierung tauglich und notwendig ist. Ein dummer Mensch wird in seinem ganzen Leben nichts irgend Großes und Wundersames effektuieren, wohl aber der, welcher sich sowohl des zu effektuierenden Werkes wie der dazu erforderlichen Mittel völligst klar bewußt ist.

2. Wer im Worte weise ist, der wird es auch in seinen Werken sein; wer aber im Worte verlegen und sogar dumm ist, dessen Werke werden die Menschen sicher niemals bewundern. Wenn es manchmal aber auch einer blinden Henne gelingt, ein Gerstenkorn mit ihrem Schnabel zu treffen, so ist sie aber darum niemals ein Sinnbild der Weisheit gleich der Nachteule, die auch zur Nachtzeit wohl sieht, wo sich ihre zu machende Beute befindet.

3. Jene Menschen, die die bekannten Bauweltwunder erbaut haben, haben zuvor sicher einen Bauplan entworfen, in dem alles schon zum voraus genau bestimmt war, wie das große Baukunstwerk aussehen, und wie es beschaffen sein solle. Der Baumeister eines solchen Wunderbaues, der nun schon – wie die Pyramiden Ägyptens – etlichen Jahrtausenden getrotzt hat und wahrscheinlich auch hinfort noch Jahrtausenden trotzen wird, war sicher keine blinde Henne, sondern eine auch zur Nachtzeit klarsehende Nachteule, ansonst es ihm wohl unmöglich gewesen wäre, ein solches Bauwunder zu effektuieren. Und so bin ich der Meinung, daß nur die überwiegend große Weisheit eines von einem mächtigen Gott angehauchten Menschen allein imstande ist, Wunderbares vor den Augen der anderen schwachen Menschen darum zu bewerkstelligen, weil sie zuerst die Meisterin und Kräftigerin ihres Willens und die alleinige Auffinderin der tauglichsten Mittel ist, durch die sie das, was sie will, auch allzeit ins Werk setzt und mit dem Werke auch unabweisbar und ungehindert den vorgesteckten Zweck erreicht.

4. Du, großer und weisester Meister, hast für mich darum gar nicht mehr nötig, durch irgendwelche Wunderzeichen den Beweis zu liefern, daß Dir alles werden muß, was Du in Deiner großen Weisheit nur immer willst; denn mir ist Deine unbegreiflich große Weisheit und die große Entschiedenheit Deines Wortes der sicherste und ungezweifeltste Bürge dafür. – Habe ich als ein Römer recht oder nicht?“

5. Sagte Ich: „Da sehet Mir diesen Heiden an gegenüber den Juden, die da sagen, daß Gott ihr Vater sei! Diesen genügen all die großen Zeichen nicht, die Ich vor ihren Augen und Ohren schon so oft und so vielfach gewirkt habe, und dieser Heide erkennt Mich aus dem Worte! Darum sage Ich es euch Juden da unten in der großen Stadt: Es wird das Licht der Himmel euch genommen und den Heiden gegeben werden!

6. Dir aber, Mein lieber Agrikola, werde Ich dennoch ein Zeichen eben darum wirken und geben, weil du Mir auch ohne Zeichen glaubst; denn die Heilung dieser Mir Selbst nun recht lieb gewordenen Maid ist für Denker deiner Art zu gering, da einige aus deiner Gesellschaft sich denn doch heimlich also gedacht haben: ,Siehe, der Mensch ist klug! Er wartete mit der Heilung gerade so lange, bis er wohl gewahrte, daß es der Maid von selbst besser würde! Als der einem Arzte sicher wohl erkennbare Selbstbesserungsmoment eintrat, da erst rief er sie, und sie erwachte, wie sie auch ohne den Ruf sicher erwacht wäre!‘ Siehe, so dachten geheim deine auch recht tief denkenden Gefährten und teilweise auch du selbst!

7. Allein Ich mache damit niemandem einen Vorwurf, da Mir ein freier Denker stets lieber ist als tausend leichtgläubige Seelen, denen es einerlei ist, ob man ihnen ein Alpha oder ein Omega vormacht. Denn wer nicht denkt, der lernt und begreift auch nichts, und ihm ist Gold und Blei am Ende ein und dasselbe; aber der Denker kauft niemals eine Katze im Sack. Darum sagtest du auch nach der Heilung dieser lieben Maid bei dir selbst: ,Das Zeichen wäre ihm vor unseren Augen wohl gelungen, – aber ich muß ihn erst reden hören, dann erst wird sich's zeigen, ob er im Ernste aus seiner Weisheit die Fähigkeit besitzt, solche Zeichen bloß durch seinen Willen zu effektuieren!‘ Als du Mich aber reden hörtest, da wich bei dir der Zweifel; denn Meine Worte wurden dir und auch deinen Gefährten ein Bürge für die volle Wahrheit des Zeichens und für den eigentlichen Zweck Meines Daseins.

8. Weil ihr, du samt deinen Gefährten, aber nur dem Worte und nicht dem Zeichen geglaubt habt, so will Ich denn nun vor euren Augen auch ein großes Zeichen wirken.

9. Sehet, wo Ich bin, da bin Ich wahrlich nicht allein, sondern da dienen Mir zahllose Scharen der mächtigen, lichten Engelsgeister aller Himmel! So ein Kaiser oder ein König eines großen Regierungsgeschäftes wegen irgendwohin reist, so reist er wahrlich nicht allein, sondern es reist nach seinem Willen noch ein gar starkes und zahlreiches Gefolge mit ihm. Und sehet, also ist es denn auch um so mehr bei Mir der Fall, da auch Ich eines gar großen und neuen Welten- und Geisterregierungsgeschäftes halber als der alleinige Herr der ganzen Unendlichkeit von ewig her nun in der Weltenzeit eben auf diese Erde im Fleische dieser Menschen eine gar endlos wichtige Reise unternommen habe, ohne welche Reise kein Mensch dieser Erde ein wahres, ewiges Leben je erreichen könnte!

10. Und weil Ich denn sonach auch als ein größter Monarch diese Reise auf die Erde aus gar sehr wichtigen Lebensgründen unternommen habe, so könnet ihr es euch wohl selbst vorstellen, daß nun auch gar viele Legionen Meiner dienstbaren Engel die Reise mit Mir machten und auch stets um Mich sind, auf Meine Winke horchen und Meine Befehle auf allen Sternen ausrichten.

11. Mit den fleischlichen Augen allein könnet ihr sie zwar jetzt noch nicht sehen und wahrnehmen; so Ich euch aber nun auf eine Zeit hin eure innere Sehe auftun werde, dann werdet ihr sie wohl sehen und hören und werdet sogar mit ihnen reden und von ihnen dies und jenes begehren können. Aber vorerst muß Ich an euren freien Willen die gar gewichtige Frage richten, ob ihr solche Meine Begleiter auch im Ernste zu sehen und auch zu sprechen wünschet; denn Zwang findet bei Mir niemals statt!“

12. Da stutzten die Römer einige Augenblicke; denn diese Meine Erklärung war ihnen denn doch ein wenig zu bunt.

13. Aber Agrikola sagte zu den andern: „Wisset ihr was? Wir lassen uns diese Geschichte denn doch zeigen und wollen sehen, was daran ist! Mir sind von Ihm nun wieder einige Dinge sehr aufgefallen! Wer sagte es Ihm, wie ich heiße?! Denn ich habe aus einer gewissen Vorsicht hier noch keinem Menschen meinen Namen anvertraut. Wie kann Er darum wissen?! Aber noch mehr! Wer wohl konnte Ihm unsere Gedanken verraten?! Und seht, doch wußte Er um jede Kleinigkeit! Ah, wisset, das ist wahrlich keine Kleinigkeit mehr! Nun sagte Er uns das, daß Er nicht allein hier ist, sondern zahllose Scharen der Machtgeister mit Ihm! Freunde, wenn das, so ist Er offenbarst ein ganz vollkommener Gott OPTIMA FORMA, und wir alle haben das noch nie dagewesene Glück, den wahren Jupiter leibhaftig zu sehen! Wir stimmen also alle ein, das zu schauen und zu hören, was Er uns vorhin angetragen hat, daß Er es uns zeigen werde, so wir das sehen und hören wollen. Nun, wir wollen aber das, und so ersuchen wir Ihn, daß Er uns Seine mächtigen Reisegefährten zeigen möchte, wenn Ihm solches möglich ist!“

14. Alle, selbst Meine früheren Jünger, waren damit vollkommen einverstanden, daß sie solches sehen möchten.

15. Und Agrikola kam zu Mir und sagte: „Großer Meister, so Dir das möglich ist, dann zeige uns Deine zahllosen und allermächtigsten geheimen und unsichtbaren Begleiter, und wir wollen sehen, was das denn doch für Wesen sind. Wir alle bitten Dich darum, daß Du uns das zeigen wollest, was zu zeigen Du uns ehedem verheißen hast!“

16. Sagte Ich: „Das soll auch sogleich geschehen! Aber fasset euch zuvor ordentlich; denn was ihr nun schauen werdet, das wird, wenn auch durch Meinen Willen gemildert, euch sehr ergreifen, obwohl ihr tapfere Römer seid!“

17. Sagte der Römer: „Meister, unser Wahlspruch ist: SI TOTUS ILLABATUR ORBIS, IMPAVIDUM FERIENT RUINAE! Meister, wer keine Furcht vor dem Tode hat, der fürchtet auch die guten Geister nicht und noch weniger die bösen, deren Macht eben nicht gar zu groß sein dürfte! Wir sind schon auf alles noch so Außerordentliche völlig gefaßt, und Du kannst Dein Zeichen schon zu wirken anfangen. Wir sind alle sehr begierig darauf!“

18. Sagte Ich: „So erhebet euch von euren Sitzen und gehet mit Mir hinaus ins Freie! Alldort sollet ihr auf eine Stunde schauen die Herrlichkeit Gottes des Vaters, der Mich, das heißt in diesem Leibe in diese Welt gesandt hat des Heiles der Menschen wegen.“

19. Als Ich solches ausgeredet hatte, da erhoben sich alle von ihren Sitzen und gingen mit Mir hinaus ins Freie.

189. Kapitel. Ein Blick in die Wunder der Engelswelt vermittels des Zweiten Gesichtes. Der Unterschied zwischen Engeln und Menschen.

1. Als wir uns also, in allem bei siebzig Menschen, im Freien in guter Ordnung befanden, da sagte Ich über alle: „Epheta“, das heißt „Tue dich auf!“

2. Und alle waren im Zweiten Gesichte und ersahen unabsehbare Scharen von lichtvollen Engelsgeistern, von denen mehrere sich zu ihnen, das heißt zu den Römern, herabsenkten und mit ihnen redeten.

3. Da staunten die Römer, und Agrikola sagte zu Mir: „Herr und Meister, da sieht es nun ja aus wie in unserem fabelhaften Olymp! Nein, diese zahllosen Scharen! Wem könnte so etwas auch nur in einem hellsten Traume vorkommen! Sage mir nun, ob das Wirklichkeit ist! Oder ist das nur so eine durch Deine Willenskraft in uns belebte Phantasie, die sich nun plastisch wie außer uns darstellt? Diese Wesen sehen völlig körperlich aus, besonders die, die hier auf der Erde Boden unter uns umherwandeln! Wie ist das zu nehmen?“

4. Sagte Ich: „Sieh, neben dir steht ein Engel; frage ihn, und er wird dir antworten!“

5. Da wandte sich Agrikola an den Engel und sagte zu ihm: „Rede, du sonderbares Wesen! Bist du ein wirkliches Wesen, oder bist du nur eine Ausgeburt meiner eigenen nun etwas stark erhitzten Phantasie? Bist du aber ein wirkliches Wesen, so gib dafür einen haltbaren Beweis, auf daß ich es völlig glauben kann!“

6. Sagte der Engel mit klarer Stimme: „Wir alle sind bei weitem mehr Wirklichkeit als ihr Menschen; denn eure Leiber sind durchaus keine Wirklichkeit; denn sie sind das nicht, was sie zu sein scheinen. Sie haben wohl eine menschliche Form, die sich als gegliedert nach dem Willen der Seele bewegen läßt; wenn aber diese Form vergeht, so geht sie gleich wieder in zahllos viele andere Formen über. Nur die reine Wahrheit ist eine reelle Wirklichkeit, alles andere an euch noch irdischen Menschen ist Schein und ein notwendiger Sinnentrug. Denn solange ein Mensch seines Leibes wegen arbeitet, um sich Schätze dieser Welt zu sammeln, so lange ist auch seine Seele aus dem Truge ihres Leibes selbst im größten Truge; denn wer das Leibesleben ein Leben heißt und es als solches betrachtet, dessen Seele ist so lange als tot anzusehen, als wie lange sie in sich nicht gewahr wird, daß das Leben des materiellen Fleischleibes der eigentliche Tod ist.

7. Wir aber sind durchaus Realität, weil wir keinen wandelbaren Leib haben, sondern durchaus die Lebenskraft selbst sind, die nimmerdar verwandelt oder irgend zerstört werden kann. Was ihr als Fleischmenschen auf der Welt nur immer betrachtet und ansehet, das alles kann euren Leib zerstören und verwandeln. So dir ein Stein auf den Kopf fällt, so tötet er dich. Wenn du ins Wasser oder ins Feuer fällst, so bist du tot. Kurz und gut, du kannst für deinen Leib in allen Elementen den sichern Tod finden. Das ist aber bei uns ewig nicht der Fall; denn wir selbst sind durchaus aus Gott die Lebenskraft selbst, durchdringen alles, und kein materielles Element kann uns je etwas anhaben. Wir haben in uns die nie besiegbare Macht und Kraft, alle materiellen Elemente in einem Augenblick zu vernichten oder auch eine Elementenwelt herzustellen. Wir beherrschen alles; uns selbst aber kann ewig nie etwas anderes beherrschen als nur wir selbst, weil wir ein vollkommenster Ausdruck des göttlichen Willens sind.

8. Damit du als ein denkender Römer aber das noch mehr einsiehst, so hebe den Stein auf und schleudere ihn mit aller Gewalt auf mein Haupt, und es wird mir das gar nichts machen! So ich aber dir dasselbe täte, da wärest du im Augenblicke dem Leibe nach tot. Gehe und versuche das, und überzeuge dich selbst, daß es also und nicht anders ist!“

9. Der Römer versuchte das, und der Stein fiel durch den Engel hindurch zur Erde, und der Engel stand ganz unversehrt vor dem Römer.

10. Darauf aber hob der Engel den Stein wieder auf und sagte: „So ich nun dir das täte, so lägest du mit klein zerschmettertem Kopfe tot am Boden; aber ich will dir das nicht tun, sondern dafür etwas anderes. Da siehe den Stein an, der sehr hart ist! Nimm du ihn nochmals in deine Hand, und versuche ihn zu zerstören!“

11. Der Römer nahm den Stein und versuchte seine physische Kraft an der Härte und großen Kompaktheit des Steines; aber es nützte da kein Schlagen und kein Werfen auf den sehr harten Steinboden, – der Stein blieb bis auf einige Ritzen völlig unversehrt.

12. Da nahm der Engel denselben Stein aus der Hand des Römers und sagte zu ihm: „Siehe, das ist derselbe Stein, den du vorher durch mich geworfen hast, und den du nun zu zerstören versuchtest! Du siehst nun, daß ich den Stein ebenso wie du in meiner Hand halten kann, und das fürwahr um sehr vieles fester, als du ihn zuvor gehalten hast. Versuche ihn aus meiner Hand zu nehmen, und du wirst dich von Meiner Kraft überzeugen!“

13. Der Römer versuchte das mit aller seiner Kraft; aber es war ihm ebensowenig möglich, des Engels Hand nur um ein Haarbreit nach links wie nach rechts oder nach oben oder nach unten weiterzurücken, und noch weniger gelang es ihm, den Stein aus der Hand des Engels zu bringen.

14. Da sagte der Engel: „Sieh, das wird doch sicher mehr sein als nur deine erhitzte Phantasie?!“

15. Sagte der Römer: „Ja, Freund, wer und was du auch seist! Wenn ich nun träumte, so sähe ich die da unten ausgebreitete Stadt sicher nicht und vernähme nicht den Volkslärm hier herauf, und ich sähe neben mir auch nicht alle diese meine Gefährten und diese Herberge in ihrer ganzen Natürlichkeit sicher auch nicht! Denn ich habe schon sehr oft ganz helle Träume gehabt und darin auch schon auf der Erde bestehende Gegenden geschaut; aber niemals sahen sie ganz so aus, wie sie in der Natur bestehen. Nur wenn es mir von einem oder dem andern meiner Freunde träumte, da sahen diese stets so aus – wenigstens im Gesichte und in ihrer Rede –, wie sie in der Naturwelt waren, redeten und handelten. Aber hier ist das nicht der Fall; denn ich sehe hier alles Natürliche, wie es ist, und sehe dabei auch euch unnatürlichen Wesen, und so halte ich euch denn auch für wahre und nicht für geträumte Wirklichkeiten. – Was willst du aber nun mit dem Steine machen?“

16. Sagte der Engel: „Das wirst du sogleich sehen! Sieh, du hast dich zuvor an dem Steine versucht, ob du ihn zerbrechen könntest; aber der Stein leistete dir einen äußerst hartnäckigen Widerstand! Nun aber werde ich es dir zeigen, wie ich den Stein in meiner Hand alsogleich völlig zermalmen werde! Siehe, da ist noch der ganze Stein, und siehe nun, da hast du mehrere hundert Bröckchen! Und sieh nun diese an! Wo sind sie nun? Sieh, nichts ist mehr da von ihnen! Ich habe sie ganz in ihre Ursubstanzen aufgelöst!

17. So ich aber als ein Geist das mit der größten Leichtigkeit vermag, ist da mein rein geistiges Sein nicht ein endlos vollkommeneres als das Sein aller Leibmenschen dieser kleinen Erde?! Daher ist unser Sein allein ein wahres Sein und das eurige auf dieser Erde nur insoweit, als es ein Leben nach dem Willen des Herrn ist, der nun endlos gnädig unter euch lebt und euch wahrhaft zu leben lehrt, und der da allein von Ewigkeit her alles in allem ist, den ihr hören und nach dessen Worten ihr leben und handeln sollet.“

190. Kapitel. Die Verschiedenheit der Lebensaufgabe von Engeln und Menschen.

1. Sagte der Römer: „Jawohl, jawohl, das sehe ich nun schon ganz gut ein, – aber weil ihr mächtigen Geister nun einmal da seid und eure Existenz eine offenbar wahrere ist als die unsrige nun, warum lasset ihr euch denn zu unserer Belehrung und zu unserer Tröstung nicht zu öfteren Malen sehen? Wir haben euch nun gesehen, und so wir unseren Mitmenschen das erzählen werden, dann werden einige wohl daran glauben, doch viele andere werden darüber lachen und uns für Schwärmer und Halbnarren ansehen. Wäre es denn dann nicht gut, so einer oder der andere von euch erschiene und uns für die Wahrheit unserer Aussage ein sicher sehr gültiges Zeugnis abgäbe?“

2. Sagte der Engel: „Wir tun allzeit genauest den Willen des Herrn; was Er will, das ist allein gut, und das tun wir!

3. Wenn es für die werdenden Menschen dieser Erde gut und zu ihrem Seelenheile notwendig wäre, so wären wir auch beständig sichtbar unter den Menschen; da aber das nicht der Fall ist, so dürfen wir die Menschen nur ungesehen leiten, auf daß ihr freier Wille keine Nötigung erleide. Denn niemand kann vor Gott bestehen, wenn er nicht zuvor eine gerechte Zeitlang wie von uns ganz isoliert die vollste Lebensfreiheitsprobe in seinem Fleische durchgemacht hat. Das ist des Herrn Liebe, Weisheit und Wille, und es muß demnach alles also geschehen, bestehen und sein; und geschieht, besteht und ist etwas nicht also, so ist es auch so gut wie ein pures Nichts. Wenn ihr Menschen aber von nun an also leben und handeln werdet, wie es der Herr haben will, so werdet auch ihr nach der Ablegung eures Fleisches das werden und sein, was wir nun sind; denn auch wir waren einmal auf irgendeinem Weltkörper das, was ihr nun seid.

4. Aber selbst der geringste Mensch dieser Erde ist schon in der Wiege um vieles mehr als wir in aller unserer Größe, Weisheit und Macht; denn die rechten Menschen dieser Erde sind Kinder der puren ewigen Liebe Gottes, und die höchste Weisheit und Macht muß sich bei ihnen ganz frei aus ihrer Liebe zu Gott, ihrem wahrsten Vater, entfalten. Wir aber sind als Geschöpfe aus Seiner Weisheit hervorgegangen; darum müssen wir auch erst aus unserer großen Weisheit die Liebe zu Gott in uns selbst schaffen, was da um ein kaum Begreifliches schwerer ist, als aus Liebe zu Gott die höchste Weisheit und Macht in sich zu finden.

5. Aus dem Grunde aber, weil ihr Menschen dieser Erde eben aus der puren Liebe in Gott hervorgegangen seid, also selbst die Liebe in Gott seid, dürfen wir Weisheitswesen euch nicht im geringsten stören in eurer freien Entwicklung aus eurer Urliebe Gottes in eurem Sein, und du, irdischer Bruder, wirst nun etwas heller begreifen, warum wir Engel Gottes euch nicht sichtbar umgeben dürfen. Denn wir dürfen bei euch die in eurer Gottesliebe schlummernde Weisheit und Macht nur leise und ganz unbemerkt wecken, aber euch nie auch nur einen Funken von unserer eigentlichen Weisheit einhauchen; denn das würde eure Weisheit nicht erwecken, sondern nur erdrücken.

6. Es ist aber auch schon unter euch Erdenmenschen also der Fall. Denn was würde wohl aus einem Kinde werden, so ihr es von der Amme weg gleich auf eine hohe Schule gäbet, wo grundweise und hochgelehrte Lehrer ihren schon wohl vorbereiteten Jüngern die tiefsten und für den gewöhnlichen Menschen völlig unbegreiflichen Wissenschaften und geheimen Künste vortragen? Ein solches Kind würde am Ende wohl seiner Lehrer Worte nachsagen, aber ihren tiefen Sinn und ihre tiefe Bedeutung nie fassen können. Daher lasset die Kindlein zuerst einmal von der Amme erziehen und sie durch allerlei Spielereien zum ersten, kindlichen Denken leiten. Von Jahr zu Jahr wird das Kind reifer und fähiger für einen höheren Unterricht.

7. Was ihr aber mit euren Kindern tut, das tun wir Engel auch mit euch Menschen, und müssen das eben darum also tun, weil ihr Menschen dieser Erde Kinder des Herrn seid.

8. Wäret ihr auf jener Welt, auf der wir einst in einem Fleische lebten, geboren worden, so hättet ihr schon alle nötige Weisheit mit in jene Welt gebracht und bedürftet beinahe keines andern Unterrichtes als allein den zur Auffindung der Liebe Gottes im Lichte eurer großen Weisheit.

9. Sehet an die sämtlichen Tiere eurer Erde! Sie sind auch Geschöpfe der Weisheit Gottes; darum bedürfen sie auch keines Unterrichts, durch den sie das erst mühsam erlernen müßten, was sie nach ihrer Fähigkeit und Natur verrichten müssen, sondern sie bringen alles das schon gleich bei der Geburt mit und sind sogleich in ihren Weisen ganz vollendete Künstler. Wer hat je einer Biene die Kräuterkunde beigebracht, wer ihr gezeigt, wo der Honig in den Blumenkelchen sitzt, und wo das Wachs? Wer lehrte sie ihre Zelle bauen und in ihrem Magen aus dem süßlichen Blütentau den duftenden Honig bereiten? Wo hat die Spinne gelernt, ihren Faden zu bereiten und ihn zu ihrem höchst brauchbaren Netze zu verweben? Seht, das alles haben die Tiere aus der Gottesweisheit, deren Produkte sie zunächst sind! Weil sie aber vorderhand nur das sind, so haben sie auch das, was sie haben, in der höchsten Vollendung, können aber, da ihnen die Liebe und deren freier Wille nahezu völlig mangelt, auch nicht viel Weiteres mehr hinzuerlernen.

10. Es gibt aber dennoch auch Tiere, denen schon gewisse Symptome der höheren Liebe gewisserart beigemengt sind. Und sieh, solche Tiere sind darum denn auch schon fähig, einen Seitenunterricht von den Menschen anzunehmen, und können darum auch für so manche Verrichtung abgerichtet werden! Und je mehr von einer Liebe bei gewissen Tieren, wie zum Beispiel bei einem Hunde oder so manchen Vögeln, vorhanden ist, desto fähiger sind auch solche Tiere für eine bessere Ausbildung zu verschiedenen Verrichtungen.

11. Nun ist aber das bei Menschengeschöpfen anderer Weltkörper im höchsten Grade der Fall, weil sie schon mit allen erdenklichen Fähigkeiten versehen auf die Welt kommen. Sie brauchen nichts mehr in irgendeiner Schule zu erlernen. Aber da sich die Liebe nur als ein Produkt ihrer Weisheit in ihnen nach und nach entfaltet, so haben sie denn auch Schulen, in denen es gelehrt wird, wie man aus der puren Weisheit denn auch zur freien Liebe und zu einem freien Willen gelangen kann. Hat es dann ein solcher Mensch mit vieler Mühe dahin gebracht, so ist er dann erst fähig, sich Gott und auch Seinen Kindern dieser Erde zu nahen.

12. Und so dürftest du nun schon wieder um etwas klarer einsehen, warum ihr wahren Menschen dieser Erde während eurer Weisheitsentwicklung mit uns in keinem beständig sicht- und fühlbaren Verkehr bleiben dürfet. Kurz und gut, eure Lebensaufgabe ist, Weisheit aus der Liebe zu suchen und zu entwickeln, und unsere Aufgabe war es, aus der Weisheit die Liebe Gottes zu suchen und zu entwickeln.

13. Der nie beschreibbar große Unterschied besteht nur darin, daß ihr Menschen dieser Erde Gott gleich werden könnet, wir aber nie, – außer, wir nehmen selbst noch einmal das Fleisch dieser Erde an, wozu wir aber bis jetzt wahrlich noch keine gar zu große Lust in uns verspüren; denn wir alle sind mit unserem Los mehr als völlig zufrieden und leisten auf ein besseres gerne vollkommen Verzicht.

14. Wer ein vollkommenes Kind Gottes werden kann – wozu wahrlich sehr vieles gehört –, der ist freilich wohl endlos glücklich; aber wir sind auch mit unserem Los vollkommen zufrieden, und eines mehreren und Höheren bedürfen wir nicht!

15. Es sind unter diesen dir nun noch auf eine kurze Zeit sichtbaren zahllosen Scharen wohl auch schon einige wenige wahre Kinder Gottes da, – aber ihr, die ihr nun von dem Allerhöchsten von Ewigkeit belehrt und geleitet werdet, seid um ein Unaussprechliches besser daran! Denn es ist durchaus nicht ein und dasselbe, ob man ein Sohn des Hauses oder nur ein Knecht desselben ist. Den Kindern gehört alles, was der große Vater besitzt, den Knechten nur das, was der Herr ihnen geben will. – Verstehst du, mein lieber Agrikola, das?“

16. Hier wurde unser Agrikola nahezu sprachlos und wußte wahrlich nicht, wie er daran war; denn der Engel führte für ihn eine zu kategorische Sprache, auf die er natürlich nichts einwenden konnte. Zugleich aber fehlten dem sonst ganz biedern Römer alle möglichen rein geistigen Kenntnisse, mittels derer er sich mit dem Engelsgeiste in eine weitere Besprechung hätte einlassen können.

17. Darum kam er zu Mir hin und sagte (Agrikola): „Herr und Meister ohnegleichen, das ist doch offenbar kein Traum, und der Geist – oder was er sonst noch irgend sein kann – entwickelte vor mir Ideen, von denen wahrlich noch keinem Menschen je etwas geträumt hat! Was soll unsereiner denn daraus machen?! Das Schönste ist, daß er sagt, daß auch er einmal ein Fleischmensch auf irgendeinem andern Weltkörper gewesen ist. Ich aber frage, wo denn außer dieser Erde noch ein anderer Weltkörper sein soll! Ich und zahllos viele andere Menschen haben nie etwas davon gehört. Was ist denn das für eine neue Rede?“

18. Sagte Ich: „Sei nur ruhig, Mein Freund! Gehe hin, und er wird dir schon noch die anderen Erdkörper zeigen, deren es eine Unzahl im endlosen Raume gibt! Ich sage es dir, daß dieser Geist dir nicht ein Jota Unwahres gesagt hat; aber gehe du hin und erkundige dich näher bei ihm darüber, worüber du einen Zweifel hast, und er wird dir alles das ganz praktisch zeigen und erklären!“

191. Kapitel. Vom Zweiten und vom Dritten Gesicht (Hellsehen).

1. Der Römer bedankte sich sehr für diesen Meinen Rat und ging abermals hin zu dem Engel und sagte zu ihm: „Mein lieber Engelsgeist, ich bin dir zwar sehr verbunden für alle deine Lichtworte, die ich von dir vernommen habe, – aber wir Bürger dieser Erde und respektive sein sollende oder werdende Kinder Gottes können uns mit eurer überirdischen Weisheit durchaus nicht befreunden! Was wissen denn wir von noch anderen Erden im endlos weiten Raume, da wir doch diese unsere Erde noch lange nicht gut genug kennen! Sei sonach so gut und gib mir handgreifliche Beweise für deine Aussage, ansonst du mit aller deiner Weisheit bei uns wahrlich keine große Wirkung machen wirst!“

2. Sagte der Engelsgeist: „Du verlangst vieles von mir, das ich dir nun wohl gewähren muß, da es der Herr also haben will. Deine Sehe ist dir nun wohl so weit aufgetan, daß du mit dem Auge deiner Seele uns reine Geister schauen kannst, – aber auch das nur also, weil wir uns aus eurer Lebensaußensphäre gewissermaßen einen substantiellen Leib an uns gezogen haben.

3. Wären wir als pure Geister bei euch, so würdet ihr uns trotz eures nunmaligen Zweiten Gesichtes dennoch nicht sehen. Wenn ihr aber dereinst im reinen geistigen Schauen sein werdet – was ihr das Dritte Gesicht oder die innerste Sehe des Geistes nennen möget –, dann könnet ihr uns wohl als reine und purste Geister sehen. Eben dieses Dritte Gesicht aber ist auch notwendig, damit du, gleich uns, alle die anderen Weltkörper schauen kannst, die in der Entsprechung im kleinsten Maßstabe auch in dir sind, aber von deiner Seele nicht eher bemerkt werden können, als bis sie mit dem Geiste aus Gott eins wird.

4. Mit der Zulassung des Herrn aber können wir bei euch Menschen schon auch auf eine kurze Zeit das bewirken, daß ihr vollwachen Geistes werdet und also ins dritte und somit ins höchste und reinste Schauen verzückt werdet.

5. Ich werde euch denn zuerst zwischen den Mond und diese Erde stellen, auf daß ihr da werdet merken können, daß diese Erde auch nur ein Ball ist, gleichwie ihr den Mond und die Sonne mit den Augen eures Fleisches sehen könnet. Darauf erst werde ich euch ganz in den Mond, dann in die Sonne und darauf erst in mehrere andere Welten und Erden bringen. – Seid ihr mit diesem meinem Antrage zufrieden?“

6. Sagte der Römer: „Allerdings; aber die Sache wird etwa doch nicht einer zu langen Zeit bedürfen? Denn so jene Sterne lauter Welten, größer denn diese Erde, sind, so müssen sie wohl ungeheuer weit von dieser Erde entfernt sein, weil sie gar so klein erscheinen, und da versteht es sich schon von selbst, daß eine noch so schnelle geistige Reise dahin eben nicht gar zu kurz dauern dürfte.“

7. Sagte der Engel: „Für den reinen Geist gibt es weder eine Zeit, noch einen Raum. Hier und dort in einer endlosen Ferne von hier ist eins, und ,jetzt‘ und ,vor Äonen Jahren‘ ist auch eins. Daher könnet ihr in einem rein geistigen Zustande auch in einem Augenblick mehr sehen und erfahren, als ihr in eurem Fleische kaum in etlichen tausend Jahren nur dunkel auf dem Wege des Wortunterrichtes erfahren könntet, wozu aber freilich des Menschen Lebenszeit auf dieser Erde eine viel zu kurze ist. Das hat aber auch darin seinen großen Vorteil, weil die Seele bei uns dann auch in einem Augenblick um vieles mehr und reiner und wahrer erlernt und erfährt, als sie hier auf dieser Erde in einer langen Reihe von Jahren imstande wäre. Denn hat sich eine Seele nur einigermaßen in ihrem Leibe verselbständigt, so ist es ihr von einem großen Lebensvorteile, wenn ihr das schwere und leidende Fleisch abgenommen wird und sie dann in unsere Gesellschaft tritt und von uns den wahren Lebensunterricht völlig lebendig überkommt.

8. Aber nun gebet alle acht; denn ich werde euch nun alsogleich frei stellen in eurem Geiste, der da ist das eigentliche Liebeleben aus Gott, und dessentwegen ihr auch Kinder Gottes seid oder doch ganz sicher werden könnet, so ihr nach dem Willen Gottes also lebet, wie er euch gar sehr umständlich geoffenbart wird. Es sei! Werdet frei, und schauet nun die euch verwandte ewige Schöpfung Gottes!“

9. Nach diesem Ausrufe des Engels nach Meinem Willen verfielen alle dem Leibe nach in einen Schlaf, konnten aber dabei doch mit dem Munde reden, obwohl sie in diesem Zustande aller Leibessinne völlig beraubt waren.

192. Kapitel. Ein Besuch im Universum.

1. Alle ruhten auf der Erde. Nur Agrikola saß auf einer Bank und fing bald also zu reden an, sagend: „Also da unten der große Ball ist die Erde, und da oben ist der Mond als der kleinere Ball und dort noch tiefer unter der Erde unverkennbar die Sonne! Oh, das ist ein wunderbarer Anblick, und der scheinbar leere Raum ist erfüllt von Wesen meiner Art! Einige schweben hinab zur Erde, und andere schweben wieder von ihr hinweg. Und, oh, oh, da ist schon die Monderde! Sie hat viel Ähnlichkeit mit unserer Erde; aber es sieht alles so öde und verlassen aus. Da gefiele es mir wahrlich nicht, und es scheint auch seinen Bewohnern eben nicht am besten zu gefallen; denn sie machen alle sehr betrübte Gesichter und sehen sehr verkümmert aus.“

2. Sagte der Engel: „Das sind nur gewisse Seelen der Erde, die da von ihrer zu großen Weltsucht gewisserart abgespänt werden, damit sie dann einer höheren geistigen Bildung fähig werden. Sieh, hier auf der Gegenseite dieser Erde sieht es schon heiterer und natürlicher aus! Da sind die wirklichen Bewohner dieser Monderde.“

3. Der Römer stellte sich zufrieden und machte seine großen und verwunderlichen Betrachtungen.

4. Von da an ging es zur Sonne hin.

5. Als Agrikola in die Nähe der Sonne kam, da sagte er zum Engel: „Freund, diese Welt ist mir zu groß! Da vergehe ich und werde zu einem gänzlichen Nichts. Bringe mich auf eine kleinere Erde hin!“

6. Sagte der Engel: „Ja, mein Freund, das steht nicht in meiner Macht, sondern ich muß da handeln nach dem Willen des Herrn! Wenn wir auf dem Boden dieser Lichtwelt stehen werden, da wird sie dir schon freundlicher vorkommen. Also nur hinein mit uns!“

7. Im Augenblick befanden sie sich auf dem schönsten Punkte des Mittelgürtels. Da vergingen dem Römer die Sinne vor der zu großen Pracht. Und als er dann erst die Menschen sah, die von ungewöhnlicher Schönheit waren, da wollte er sich von da gar nicht mehr wegbringen lassen und bat den Engel, daß er eine Maid von dieser großen Erde auf die kleine Erde mitnehmen dürfe, damit die Menschen alle sich überzeugen könnten, daß auch die Sonne eine Welt ist, auf der viel schönere und auch um vieles bessere Menschen wohnen.

8. Sagte der Engel: „Ja, Freund, das geht schon wieder gar nicht! Und so ich sie wohl zur Erde bringen könnte, da wäre es für sie aber doch etwas rein Unmögliches, auf der Erde fortzuleben, weil die Luft der Erde für sie ganz dasselbe wäre, was da für den Fleischmenschen das Wasser der Erde ist. Also siehst du schon, daß die Menschen der anderen Welten auch eine solche Beschaffenheit haben, daß sie nur auf der ihnen angewiesenen Welt bestehen können. – Aber nun gehen wir wieder weiter!“

9. Von der Sonne weg wurden noch die Planeten besucht und einige nächste Sonnen, auf denen es dem Römer stets am besten behagte, so daß er in einem fort bedauerte, daß nicht er ein Bewohner solch einer großen und prachtvollst schönen Lichtwelt geworden sei.

10. Der Engel aber sagte zu ihm: „Ja, mein Freund, gerade auf dieser Lichtwelt hast du der Seele nach viertausend Erdenjahre hindurch in einem Leibe gehaust! Und sieh, da ist noch deine schönste Behausung; und die Menschen, die da aus und ein gehen, waren dem Leibe nach deine nächsten Anverwandten.

11. Als du aber durch einen umherwandernden Weisen belehrt warst, daß es im endlos großen Schöpfungsraume irgendwo eine Welt gibt, auf der die Menschen früher oder später völlig Großkinder des großen Gottes werden können, so sie sich entschließen können, von dieser Welt der Seele nach abgelöst zu werden, um auf jener Gotteserde noch einmal in einem schwerfälligen Leibe eine Liebelebensfreiheitsprobe durchzumachen – jedoch ohne alle einstweilige Rückerinnerung an diese schönste Welt, weil das Leben dort nicht die sehende Weisheit, sondern nur, besonders im Anfange, die völlig blinde Liebe zum Grunde hat –, so warst du damit zufrieden. Und siehe, du wurdest darauf sogleich verwandelt, und deine frei gewordene Seele wurde alsbald in einen dortirdischen Mutterleib eingezeugt, und das in der prachtvollsten Stadt der Gotteserde, auf daß du in gewissen Hellträumen nicht irgendeine geheime Sehnsucht bekämest, dich wieder hierher zu wünschen!

12. Und siehe, also warst du schon einmal in einer solchen schönen Welt, was du nun in deinem Geiste gar wohl erkennst, und dich auch an alles erinnerst, was du vor etlichen fünfzig Erdenjahren gemacht und getrieben hast! Aber auf daß deine Sehnsucht, wieder hier zu verbleiben, nicht zu wach werde, so werden wir uns sogleich wieder auf unsere Gotteserde begeben.“

13. In diesem Augenblick waren sie alle, das heißt alle die Römer wieder vom Dritten Gesicht ins frühere Zweite zurückversetzt und wurden somit wieder wach, doch mit genauer Beibehaltung all des Geschauten und treu und klar Vernommenen.

14. Als sich alle auch wieder vom Boden aufgerichtet hatten, sagte der Römer: „Ich habe das und das gesehen! Habt auch ihr etwas Ähnliches gesehen und vernommen?“

15. Ein jeder gab mit kurzen Worten an, was auch er gesehen und vernommen hatte.

16. Und Agrikola sagte: „Jetzt glaube ich es auch, daß es schon also sein wird, wie ich die Dinge geschaut und was ich vernommen und erfahren habe, weil ihr alle auf ein Haar ganz dasselbe vernommen und geschaut habt. Also das sind lauter Sonnen und Erden, und die meisten um ein ungeheures größer und schöner als unsere Erde, – und das soll alles der Geist dieses wunderbaren Juden erschaffen haben?!“

17. Sagte der Engel: „Ja, du mein irdischer Bruder, das alles und noch endlos mehreres, Größeres und Wunderbareres! Und Er, der erhabenste, ewige Geist, hat nun als auch ein Mensch eurer Erde dieses Zeichen gewirkt, auf daß auch ihr Ihn wahrhaft erkennen, nach Seinen Worten leben und dann als Seine Kinder überselig werden sollet. Und nun gehet alle hin und danket Ihm aus vollem Herzen, daß Er euch so Großes geoffenbart hat und euch gezeigt hat, daß Er allein der Herr aller Dinge und alles Lebens ist!“

18. Hierauf taten alle das, und Ich weckte sie aus dem Zweiten Gesicht, und alle die Scharen der Engel wurden wieder unsichtbar.

19. Und Ich fragte sie, wie ihnen denn dieses Zeichen gefallen hätte.

20. Sagten alle: „Unbeschreibbar wohl!“

21. Aber sie alle verlangten nun nach der Nachtruhe und sagten, daß sie erst am kommenden Tage nüchterner darüber zu reden imstande sein würden. Und so begaben wir uns denn wieder ins Zimmer und darin zur Nachtruhe.

193. Kapitel. Die geistige Entsprechung der Tageszeiten. Wer dem Altare dient, soll auch vom Altare leben.

1. Am Morgen waren wir mit dem Sonnenaufgang auch schon im Freien. Es war ein reiner Tag, und die Sonne ging wunderrein auf.

2. Ich betrachtete mit den Jüngern die schöne Naturszene, und Johannes sagte zu Mir: „Herr, ich weiß es wahrlich gar nicht, warum so ein schöner Morgen auf mich stets einen so angenehmen und mein Herz ganz hehr aufrichtenden Eindruck macht, während mich die Mittagssonne ganz gleichgültig und die Abendsonne mehr ernst und trübe stimmt!“

3. Sagte Ich: „Das rührt von eines Menschen besserem und richtigem Lebensgefühle her. Der Morgen gleicht der heiteren und unschuldigen Jugend des Menschen, daher er denn auch jeden reinen und richtig fühlenden Menschen ganz jugendlich heiter stimmt.

4. Der Mittag gleicht dem kräftigen Manne, der im Schweiße seines Angesichtes sich das Brot erarbeiten muß; daher wird der Mittag auch keine so zarten Gefühle mehr erwecken wie der Morgen. Denn im ernsten Mannesalter hat die jugendliche Lebenspoesie aufgehört, und nur der gewisse sorgenvolle Lebensernst ist an seine Stelle getreten, und das zeiht (erweckt) in einem richtig fühlenden Gemüte auch wahrlich keine Anmut, sondern nur einen gewissen Ernst, an dem das Herz eben nie eine besondere Freude hat, obschon er zur Gewinnung des wahren Lebens dasein muß.

5. Und endlich der Abend, als das Sinnbild des irdischen Todes und des Vergehens aller Dinge, kann auf ein richtig fühlendes Gemüt keinen andern als nur einen düsteren Eindruck machen, obwohl der Abend auch ebenso notwendig ist wie der Morgen und der Mittag. Denn gäbe es für den Menschen keinen Lebensabend, so könnte für ihn auch der ewige Lebensmorgen nie zum Vorscheine kommen und zur ewigen Wahrheit werden.

6. Siehe, darin liegt ganz einfach der Grund deines ganz richtigen Gefühls, das aber auch nicht bei allen Menschen gleich ist! Denn es gibt Menschen, denen der Abend weit lieber ist als der Morgen; ja es gibt Menschen, auf die eben der Morgen einen ganz unangenehmen Eindruck macht, der Mittag einen besseren und den allerbesten aber der Abend und besonders die Nacht. Allein die Menschen, die so empfinden, gehören zumeist zu der verkehrten Art, und es ist schwer, solche Menschen eines Besseren zu belehren und sie auf den rechten Glaubens- und Gefühlsweg zu bringen; denn die haben sich in dieser Welt mit allem Fleiße nur solche Schätze gesammelt, die der Rost angreift, und die die Motten verzehren. Und die einmal auf dem Punkte stehen, die sind schwer auf einen andern zu stellen.

7. Darum sage Ich auch euch allen: Sammelt euch in dieser Welt niemals solche Schätze, die der Rost angreift, und die leicht von den Motten verzehrt werden! Sorget auch nicht für den kommenden Tag, was ihr essen und womit ihr euch bekleiden werdet! Es genügt, daß ein jeder Tag für sich seine Sorge bringt. Der Vater im Himmel weiß genau, wessen ihr bedürfet. Sehet an die Sperlinge auf dem Dache und die Blumen auf den Feldern! Sie säen und sie ernten nichts und werden doch vom Vater im Himmel mit allem allerreichlichst versorgt. Haben die Sperlinge nicht ihr Gewand und ihr Essen, und sind die Blumen auf dem Felde nicht herrlicher gekleidet, als es je Salomo war in aller seiner Pracht? Seid ihr aber nicht um vieles besser denn die Sperlinge, von denen man ein Dutzend um einen Pfennig kauft, und besser als das Gras auf dem Felde, das heute noch blüht, morgen aber abgemäht, dann getrocknet und als ein schlechtes Tierfutter in den Ofen geworfen und verbrannt wird?! So ihr aber das nun von Mir wisset, so verhaltet euch auch also und tuet danach, so werdet ihr als Meine erwählten Jünger in eurem Amte wohl bestehen!

8. Hat doch Moses gesagt, als er für den Priesterstamm Levi den Zehent zu geben bestimmte: ,Wer aber dem Altare dient, der soll auch vom Altare leben!‘ Und Ich sage euch nun dasselbe, wenn auch mit anderen Worten. Darum aber habe Ich das nun auch nur zu euch und für euch geredet und will damit kein Gebot gegeben haben, nach dem niemand mehr einen Acker bebauen solle und nimmer den Weinstock im Weinberge pflegen und graben, sondern das gilt nur für euch als die erwählten Arbeiter in Meinem geistigen Weinberge; denn zu den andern sage Ich: Wer da nicht arbeitet, der soll auch nicht essen! Wer aber da sucht Mein Reich und seine Gerechtigkeit, dem wird, so wie euch, alles andere als eine freie Gabe hinzugegeben werden.“

9. Da dankte Mir besonders Johannes für diese Lehre und fragte Mich, ob er das auch aufzeichnen solle.

10. Ich aber sagte: „Ganz sicher, aber hauptsächlich nur für euch und eure Nachfolger; denn gälte das für alle Menschen, da sähe es auf der Erde bald sehr wüst aus.“ (Siehe Matth.6,19-21;25-34)

194. Kapitel. Jesus kennzeichnet die 30 Römer.

1. (Der Herr:) „Jetzt aber sind auch unsere Römer schon aufgestanden und werden uns bald umringen; aber da machet eben nicht viel Wesens mit ihnen! Was da not tut, das werde schon Ich mit ihnen abmachen. Sie sind als Heiden im Grunde gute Menschen; aber sie sind dennoch nur Heiden und haben einen guten Schlaf. Ihr werdet euch bald selbst überzeugen, wie wenig sie heute als weinnüchterne Menschen darauf achten werden, was alles sie gestern gehört und gesehen haben. Sie erinnern sich alles dessen wohl; aber es kommt ihnen vor, als hätte ihnen davon nur so recht lebhaft geträumt. Darum sage Ich euch, daß ihr sie nicht anreden und daran erinnern sollet.

2. Die Maid aber hat sich schon heute früh davongemacht, nachdem sie zuvor dem schon wachen Wirt einen liebebrennendsten Gruß an Mich aufgegeben hat, und zwar mit der lebendigsten Versicherung, daß sie in Zukunft nimmer sündigen werde. Und Ich sage es euch, daß sie auch ihr gegebenes Wort halten wird. Also was Ich euch nun bezüglich der Römer für diesen Moment gesagt habe, das haltet und beachtet, so gut ihr das nur immer möget; denn ihr werdet euch bald selbst überzeugen, daß nur Ich allzeit und ewig recht habe!“

3. Die Jünger verwunderten sich darüber, daß diese dreißig Römer, die gestern abend gar so außerordentlich für Mich glühten, heute alles das nur so für einen lebhaften Traum betrachten sollten.

4. Sagte Ich: „Wundert euch darüber nicht zu sehr; denn diese Menschen haben schon gestern unten in der Stadt des Guten etwas zuviel genossen und dann hier auch ums gut Siebenfache mehr denn wir alle. Daher haben sie auch schon mehr geträumt als gewacht, denn ein Berauschter träumt mit offenen Augen. Daher kommt ihnen all das gestern in der Nacht Erlebte um so mehr wie ein heller Traum vor. Aber das Beste an der Sache ist das, daß sie sich nun ihren gehabten Traum gegenseitig erzählen und ein jeder auf ein Haar den gleichen Traum erzählt. Da kennen sie sich nicht aus und geben dem Weine die Schuld, der etwa durch einen Magier also verzaubert gewesen sei. Es geht ihnen nicht einmal die Maid ab.

5. Ich habe ihnen auch eben darum in solch ihrer Berauschung ein so außerordentliches Zeichen gewirkt. Denn wären sie völlig nüchtern gewesen, so hätten sie Mich offenbar für einen ihrer Götter angesehen und ausgerufen; aber also ist es gut, und es ist für die Freiheit des menschlichen Gemüts immer besser, es bekommt ein offenbarliches Zeichen im Traume als in einem völlig nüchtern- wachen Zustande. Und das war denn auch bei diesen Römern gestern der Fall. Ihr werdet es bald sehen, was diese Sache für ein Gesicht machen wird.“

6. Als Ich solches mit Meinen Jüngern abgemacht hatte, da kamen Lazarus und der Wirt zu uns hinaus ins Freie, und der Wirt richtete Mir zuerst den guten Gruß von der Maid aus.

7. Und Lazarus sagte zu Mir: „Aber Herr, das ist doch wahrlich recht sonderbar mit den Römern, und zwar namentlich mit dem gestern nacht so gesprächigen Agrikola! Der Gesprächigste ist heute so einsilbig wie nur immer möglich, und alle zusammen halten die gestrigen von Dir gewirkten außerordentlichen Zeichen für gehabte Träume; und das Schönste ist, daß natürlich alle einen und denselben Traum haarklein hererzählen! Ein Teil hält ihn für eine Wirkung des sicher verzauberten Weines; Agrikola aber sagt, der Traum rühre daher, weil ihre Phantasie sich schon zuviel mit dem berühmten Juden beschäftigt und daher in ihnen allen zugleich ein solches Bild ohne ihr Bewußtsein geschaffen habe, das sie nun alle zugleich diese Nacht hindurch beschäftigt habe. Aber das Allerschönste ist, daß sie eigentlich gar nicht wissen, wie sie auf diese Bergherberge gekommen sind! Ich sagte zu Agrikola, daß sie schon ziemlich abends von einer Maid heraufgeführt worden seien; aber nun können sie sich dessen auch nicht mehr erinnern! Ja, da kenne sich jemand bei diesen Menschen aus, wer sich da nur immer auskennen möchte, – für mich sind diese zu krumm!“

8. Sagte Ich: „Lasset das nur ganz gut sein! Es ist schon recht also; denn wären diese Menschen gestern ganz nüchtern gewesen, so hätte Ich Mich ihnen nicht also offenbaren können. Aber da sie in ihrer starken Berauschung mehr träumten als wachten, so hat sich die Sache dennoch ganz gut gemacht. Merke dir's aber wohl, daß du Mich nicht verrätst! Wenn sie einen von euch wieder nach dem berühmten Juden fragen werden, so saget ihnen, daß er heute vormittag im Tempel lehren werde! Sie werden darauf bald in den Tempel dringen und Mich sehen und hören wollen. Nachher werden sie erst reifer sein, etwas Näheres über ihr sein sollendes Traumgesicht zu Erfahren.“

9. Sagte Lazarus: „Ganz gut! Aber Herr, es ist nun das Morgenmahl auch schon bereitet! Möchtest Du mit Deinen Jüngern nicht vorher das Morgenmahl einnehmen und Dich sodann erst in den Tempel begeben?“

10. Sagte Ich: „Oh, allerdings; aber stelle es in ein anderes Zimmer, damit wir mit den Römern nicht gar zu offen zusammenkommen! Es werden alsbald mehrere herauskommen und sich nach allerlei erkundigen. Meine Jünger aber haben schon die Weisung, was sie zu tun haben; Ich aber werde mit ihnen ganz leicht fertig werden. Unterdessen richte du in einem andern Zimmer unser Morgenmahl her, und wir werden dann alsbald kommen und werden es verzehren und uns darauf sogleich hinab in den Tempel begeben!“

195. Kapitel. Die 30 Römer suchen Jesus.

1. Als die beiden das vernahmen, gingen sie sogleich wieder ins Haus und taten alles nach Meinem Wunsche. Kaum waren aber diese im Hause, da kamen auch schon mehrere Römer heraus zu uns und ergötzten sich an der schönen Aussicht von diesem Berge.

2. Einer aber trat zu einem Jünger hin und fragte ihn, ob er auch die Nacht über in dieser Herberge gewesen sei, und vielleicht auch die andern mit ihm.

3. Der Jünger aber wies ihn zu Mir hin und sagte: „Der dort ist auch eurer Zunge mächtig, gehet hin und redet mit Ihm!“

4. Das verstand ein Römer, der auch etwas Jüdisch verstand, und dieser kam sogleich zu Mir und fragte Mich, wie früher den Jünger.

5. Und Ich sagte zu ihm: „Was fragst du darum denn uns? Haben wir dich doch auch nicht gefragt, ob du diese Nacht in dieser Herberge zugebracht hast! Wir sind wohl hier gewesen, und das wird euch Fremde doch nichts angehen, da wir euren Ruheraum ganz sicher nirgends mit unserer Gegenwart behindert haben! Sage du Mir aber nun, warum du solches von uns erfahren willst!“

6. Sagte der Römer: „Ei, wir suchten gestern und auch schon vorgestern gar sehr den berühmten Juden und sind durch Zufall in diese Herberge geraten! Wir waren aber alle von dem starken Wein ein wenig berauscht, und im Schlafe hatte einer um den andern ein und denselben ganz wunderbaren Traum: Wir fanden den wunderbaren Juden. Dieser hat uns unter anderm auch gerade also auf diesen Punkt geführt und zeigte uns da seine ganze göttliche Macht und Herrlichkeit, daß wir darauf im höchsten Grade entzückt waren und den wunderbaren Juden für einen Gott ansahen, der auf eine Zeit einen Menschenleib so pro forma angenommen hat, um so die besseren Menschen für ein höheres Leben zu belehren. Aber das ist nur so ein ganz kurzer Inhalt unseres Traumbildes. Allein, hätte das bloß einem von uns geträumt, – nun, so wäre das ein ganz artig selten schöner Traum gewesen; aber nun hatten wir alle ohne Ausnahme ganz vollkommen ein und denselben Traum, was gewiß nichts Gewöhnliches ist! Wir gaben dem Weine die Schuld und wollten euch denn nun fragen, so auch ihr hier übernachtet habt, ob nicht auch ihr selbst einen ähnlichen Traum hattet. Seid darum nicht ungehalten!“

7. Sagte Ich: „O nein, nicht im geringsten! Aber könnet ihr euch denn gar nicht mehr entsinnen, wie etwa doch der berühmte Jude ausgesehen hat?“

8. Sagte der Römer: „Ja, das ist nun ein wenig schwer; aber wenn ich schon so für mich reden dürfte, so sah er meiner schwachen Erinnerung nach beinahe so aus wie so ungefähr du, bester Freund! Bitte aber darum nur nicht ungehalten zu sein!“

9. Sagte Ich: „Nun ja, das macht ja eben nichts; am Ende kann Ich's ja doch selbst gewesen sein!“

10. Sagte der Römer lächelnd: „Hm, hm, du guter Freund beliebst wohl zu scherzen? Aber ich sage dir: Der sonderbare Traum war durchaus kein Scherz; denn hättest auch du einen solchen Traum gehabt, so würdest auch du davon ganz absonderlich erregt sein!“

11. Sagte Ich: „Das kannst du ja nicht wissen, ob nicht auch Ich ganz dasselbe gesehen habe wie ihr! Aber lassen wir diese Sache nun gut sein! Wir bleiben auch heute abend hier, und so auch ihr noch da verbleiben werdet, da werden wir auf diesen Gegenstand schon noch zurückkommen. Jetzt aber wollen wir sogleich unser Morgenmahl einnehmen und uns dann zu unserm Geschäfte begeben! Wo aber heute der Wunderjude zu sehen und zu hören sein wird, das wird euch späterhin schon der Herr dieser Herberge sagen; denn er wird davon sicher in Kenntnis sein.“

12. Sagte der höfliche Römer: „So wünsche ich, daß euch das Morgenmahl wohlschmecke! Der Hausherr aber wird dann schon die Güte haben und uns davon Nachricht geben, wo der berühmte Mann zu sehen und zu hören sein wird!“

13. Sagte Ich: „Ganz gut! Aber da bleibet nüchtern, sonst verschlafet und verträumet ihr Ihn wieder, wie es schon vielen gegangen ist und sehr vielen noch gehen wird! Aber nun zum Morgenmahle!“

14. Hier verließen wir die Römer und gingen in das Zimmer, wo schon das Morgenmahl unser harrte. Die Römer taten dasselbe, nur wie gestern im großen Speisesaale. Wir waren natürlich bald fertig und zogen uns dann schnell in die Stadt hinab, in der wir uns vorher ein wenig umsahen; denn vor neun Uhr (nach jetziger Zeitrechnung) war im Tempel nichts zu machen, das heißt am heutigen Nachfesttage.

196. Kapitel. Johannes.08,02: Jesus lehrt im Tempel. Die Urteile des zuhörenden Volkes.

1. Als der Tempel aber geöffnet ward, da ging Ich also sehr zeitig morgens mit den Jüngern in den Tempel und war sonach einer der ersten darin. (Joh.8,2) Und als das Volk sah, daß Ich in den Tempel gegangen war, da kam es in großer Menge zu Mir, und Ich setzte Mich und fing an es zu lehren durch Gleichnisse, Bilder und Beispiele, wie solche vielfach in den Evangelien vorkommen.

2. Ich zeigte ihnen die große Liebe, Güte und Gerechtigkeit Gottes des Vaters, und also zeigte Ich ihnen auch, worin eigentlich das Reich Gottes besteht, das nun so nahe zu ihnen gekommen ist.

3. Und gar viele glaubten an Mich.

4. Und es sagten etliche: „Das ist wahrlich ein großer Prophet, und es wundert uns sehr, daß die Pharisäer das nicht anerkennen wollen! Er ist zugleich im höchsten Grade uneigennützig; denn so vielen er auch schon unseres guten Wissens übergroße Wohltaten erwiesen hat, so hat er sich doch nie von jemandem etwas bezahlen lassen, und es ist ganz gewiß, daß er überall, wo man ihn und seine Jünger noch nach altem Brauch gastfreundlich aufgenommen und bewirtet hat, dem Wirte stets auf eine wunderbare Weise eine Wohltat erwies, die offenbar mehr wert war als tausend Male das, was er vom Wirte empfangen hat. Dazu ist er kein Kopfhänger und geht mit allen Menschen gleich um, und so er nun sagt: ,Kommet alle zu Mir, die ihr mühselig und belastet seid, Ich will euch alle erquicken, und ihr sollet bei Mir den rechten Trost des Lebens und seine wahre Ruhe finden!‘, so müssen wir es ja glauben!

5. Ein Mensch aber, der also weise und herzlich gut redet und selbst auch also handelt und so große Zeichen wirkt, ist doch wahrlich ein großer Prophet, und komme er her, von wannen er wolle! Und so der Messias kommen wird, da fragt es sich, ob Er größere Zeichen tun wird! Wenn Er nicht mit Donner, Blitz und Schwefelregen kommt, so werden die Pharisäer an Ihn ebensowenig glauben wie an diesen!“

6. Andere wieder, die noch gläubiger waren, sagten: „Wir brauchen auf gar keinen andern Messias mehr zu warten; denn wir halten Den schon für den ganz rechten! Denn Seine Worte haben Kraft und Leben, und Seine Taten sind völlig göttlicher Art, und so ist Er schon ganz vollkommen der rechte Messias für uns. Die auf einen andern warten wollen, die sollen warten und sich selbst betrügen!“

7. Sagten wieder andere: „Wir stehen noch zu sehr unter der Gewalt der Pharisäer und können nicht tun, was wir wollen. Was nützet uns die Wahrheit und der Glaube, solange die Pharisäer die Gewalt in ihren Händen haben, und das eben jetzt unter den Römern mehr denn jemals zuvor?!“

8. Da sagte aber Ich: „Gott Selbst ist die ewige Liebe und die Wahrheit selbst! Nichts in der Welt kann euch frei machen als allein nur die Wahrheit. Wer die Sünde, welche allzeit eine Lüge war, tut, der ist auch der Sünde Knecht und ein Sklave der andern noch größeren Sünder, die kein Gewissen und keine Liebe haben als allein nur für ihr schmähliches Ich. Wer aber die Wahrheit in sich hat, der ist ein mächtiger Feind der Lüge und der Sünde und ist frei; denn niemand kann ihn einer Sünde überführen. Darum erwählet die Wahrheit und fürchtet die nicht, die wohl euren Leib töten, aber eurer Seele weiter nichts tun können; aber fürchtet vielmehr Gott, der eure Seele samt dem Leibe töten und verderben kann!

9. Den Schaden am Leibe wird euch Gott dereinst tausendfach vergelten; aber den Schaden an eurer Seele wird euch Gott nimmerdar vergelten. Denn darum hat Gott der Seele den Verstand, die Vernunft, das Gewissen und den freien Willen und das Gesetz gegeben, damit sie wohl beurteilen kann, was da gut und böse ist, und sie kann mit ihrem Willen das eine oder das andere erwählen. Was sie aber erwählen wird, danach wird sie auch aus sich selbst gerichtet werden, entweder zum Tode oder zum Leben.

10. Der Vater im Himmel aber will, daß ihr alle das ewige Leben überkommen sollet, und hat Mich darum in diese Welt zu euch gesandt. Darum sage Ich euch noch einmal: Wer an Mich glaubt, der wird das ewige Leben haben; wer aber nicht glaubt, daß ich vom Vater aus zu euch gesandt wurde, der wird um das Leben kommen, das er sich nun leicht hätte nehmen (erwerben) können. Der Vater im Himmel aber hat Mich lieb und so auch alle, die an Mich glauben, und Ich Selbst werde ihnen geben in der Wahrheit Meiner Worte das ewige Leben!“

11. Hier sagten einige: „Es ist doch sonderbar, wie der Mensch aus sich redet und sich selbst Gott nahezu gleichstellt. Es ist nur ein wahres Wunder, daß ihn heute die Pharisäer so lange ertragen können!“

12. Sagten wieder andere: „Er redet frei und offen, und wir finden nichts Ungebührliches in seinen Worten! Er spricht offen die volle Wahrheit, und die Pharisäer müßten erst suchen, daß sie etwas wider ihn fänden!“

13. Sagten wieder andere: „Oh, sorget euch um etwas anderes; die werden bald etwas haben!“

14. Sagte ein danebenstehender Zöllner: „O ja, womit sie wieder, wie noch allzeit, abziehen werden! Diese Faulhäute erfinden schon lange nichts mehr wider diesen Wahrhaftigen!“

15. Darauf ward eine kleine Weile Ruhe, und die Pharisäer wurden voll Grimm und sannen nach, wie sie Mich etwa mit einem Worte oder mit einem von Mir begehrten Rechtsspruche fangen könnten, auf daß sie Mich dann einer Unwahrheit zu zeihen imstande wären, um dem Volke mit allem Pompe zu sagen: ,Da sehet nun euren wahrhaftigen Propheten oder gar euren schönen Messias! Wie steht er nun als ein Lügner vor euch!‘ Aber trotz ihres gewaltigen Nachsinnens wollte sich nichts so recht Haltbares finden lassen.

197. Kapitel. Johannes.08,03-11: Jesus und die Ehebrecherin.

1. Aber während sie so nachsannen, da brachten ihre ausgesandten Schergen eine Ehebrecherin zu ihnen, die auf frischer Tat ertappt wurde und nun nach Mosis gesteinigt werden sollte, – was aber von den gegenwärtigen Pharisäern, wenn die Ehebrecherin eine Reiche war, stets in eine große Geldbuße umgewandelt wurde. Und war sie arm, aber jung und schön, so ward sie gewöhnlich gestäupt und mußte dann den Templern dienen; eine Alte und Häßliche aber war ja schon durch die Natur vor dem Ehebruch gesichert. Die gegenwärtige Ehebrecherin aber war noch sehr jung, aber arm und wollte sich bei dieser Festzeit von einem sehr reichen Fremden einen ausgiebigen Notpfennig verdienen, um sich dann leichter fortzubringen. Diese wäre dem Tempel offenbar auch verfallen gewesen, wenn Ich nicht dagewesen wäre, und wenn die Templer nicht genötigt gewesen wären, sie zu einem Hauptmittel zu gebrauchen, um Mich durch dasselbe nach ihrer Meinung ganz sicher zu fangen.

2. Also diese arme Ehebrecherin ward von den weisesten Pharisäern sogleich vor Mich hingestellt und somit in die Mitte des Volkes, das Mich natürlich von allen Seiten dicht umgab. (Joh.8,3)

3. Und als das Weib, von der Todesangst geplagt, nun vor Mir stand, da fragte Mich einer der hochweisen Pharisäer: „Dies Weib ist auf frischer Tat im Ehebruch ergriffen worden. (Joh.8,4) Moses hat uns in einem Gesetze geboten, solch eine Person zu steinigen, – und Mosis Gesetz ist soviel wie Gottes Gesetz. Was sagst du nun dazu?“ (Joh.8,5)

4. Es versteht sich von selbst, daß sie das nur darum taten, um Mich dahin zu versuchen, daß Ich teils durch das harte Gesetz Mosis und teils durch Meine Rede von der großen Barmherzigkeit Gottes des Vaters und auch durch Meine ihnen wohlbekannte Güte gegen die Sünder in eine nach ihrer Rechnung unvermeidliche Verlegenheit käme, sie dann eine Sache wider Mich fänden und dann dem Volke, wie schon bemerkt, mit großem, feierlichem Pompe sagen könnten: ,Da seht nun den großen Betrüger und Volksverführer, den wir nun mit Recht ergreifen und der Gerechtigkeit überliefern!‘

5. Aber Ich gab ihnen auf ihre Frage so schnell, wie sie solche haben wollten, keine Antwort, sondern bückte Mich nieder und schrieb der Sünderin Schuld in den Sand des Bodens (Joh.8,6); denn es gab bei so großen Festen stets viel Sandes am Boden, weil der Tempel erst nach dem ganz verstrichenen Feste wieder gefegt wurde und der Kehricht darauf verkauft ward an allerlei abergläubische Juden.

6. Als aber die Pharisäer und die Tempeljuden mit ihren Fragen anhielten, da richtete Ich Mich auf und sagte zu ihnen: „Es ist vollkommen wahr, daß Moses ein solches Gesetz gegeben hat; aber die, die solch eine Sünderin zu steinigen das Recht hatten, mußten ohne Sünde sein, – das stehet auch geschrieben! Wenigstens mußte der, welcher den ersten Stein nach der Sünderin warf, völlig rein und ohne Sünde sein! Wer also unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein nach dieser Sünderin! (Joh.8,7) Gottes Barmherzigkeit leidet dadurch keinen Schaden; denn Moses gab dem Menschen weise Gesetze. Wer sie kennt und nicht beachtet, der hat sich selbst gerichtet und sein Todesurteil besiegelt.“

7. Darauf bückte Ich Mich wieder zu Boden und schrieb wie zuvor. (Joh.8,8)

8. Als sie aber solche Worte von Mir vernahmen mit denen sie nicht gerechnet hatten, und ihr Gewissen ihnen sagte: ,Ihr seid ja selbst vielfache Sünder und Ehebrecher, und alles Volk kennt euch als das!‘, da sagte vom Größten bis zum Geringsten keiner ein Wort mehr, und ein jeder verließ, so geschwind er nur konnte, den Tempel und zog sich hinaus.

9. Nun war nach einigen Augenblicken von den Pharisäern und Tempeljuden und von den Leviten und Knechten und Schergen niemand mehr in der Mitte des Tempels als Ich und die Sünderin und natürlich weit herum im Kreise das Volk und Meine Jünger alle. (Joh.8,9) Da staunte das Volk ganz wohlgemut, wie Ich die Pharisäer mit ganz wenigen Worten aus dem Felde in die Flucht getrieben hatte.

10. Und mehrere sagten ganz laut: „Oh, die hätten nur einen Stein aufzuheben brauchen, so hätten wir sie zerrissen, diese alten Sündenböcke! Denn ein Sünder kann und darf besonders einen viel kleineren schon gar nie richten.“

11. Bei dieser Gelegenheit richtete Ich Mich wieder ganz auf und sah niemand von den Richtern im Kreise, sondern das Weib nur, das da hätte gesteinigt werden sollen.

12. Und Ich fragte es: „Nun, wo sind denn deine Verkläger? Hat dich denn niemand verdammt?“ (Joh.8,10)

13. Sagte die Ehebrecherin: „Nein, Herr, es hat mich niemand verdammt, sondern sie gingen alle eiligst hinaus!“ (Joh.8,11)

14. Darauf sagte Ich zu ihr: „So verdamme auch Ich dich nicht! Aber gehe nun hin in deine Heimat und sündige hinfort nicht mehr! Denn wo du sündigst, wird es dir übel ergehen!“ (Joh.8,11)

15. Da dankte die Sünderin für die ihr erwiesene Gnade, bat Mich aber, daß Ich ihr einen Rat geben möchte, wie sie sicher nach Hause käme; denn sie fürchte dennoch, daß die Schergen der Pharisäer ihr unterwegs aufpaßten und ihr Übles zufügten.

16. Da sagte Ich: „Habe keine Furcht vor ihnen; denn sie werden froh sein, dir nicht so leicht unters Gesicht zu kommen! Gehe nun aber unters Volk, das wird dich schon schützen und dich ganz wohl nach Hause bringen! Da sieh nur dorthin gegen den Vorhang des Tempels, und du wirst sie alle sehen, die ehedem da standen! Denn sie wurden draußen von dem Volke befragt, was es denn gegeben habe, daß sie alle so eilig aus dem Tempel flöhen. Sie schämten sich aber, die Wahrheit zu sagen, machten dann eine plumpe Ausrede und kehrten bei dem Tore, das gegen Morgen geht, wieder ganz still zurück. Aber gehe du nun nur unters Volk, das an Mich glaubt, und du wirst ganz wohlbehalten bleiben! Ich werde das Volk nun weiter lehren, und da werden sie sich gleich wieder melden und zu Mir vordringen; denn sie haben nun einen um so größeren Grimm auf Mich, weil Ich sie beschämt und dich aus ihren Klauen gerettet habe. Aber gehe nun nur getrost dahin, wohin Ich dich beschieden habe, sei fromm und sündige hinfort nicht mehr!“

17. Da ging sie schüchtern hin unters Volk, und das nahm sie gut auf und flößte ihr unter lauten Drohungen gegen die Pharisäer Mut ein.

198. Kapitel. Johannes.08,12-29: Jesu Sendung durch den göttl. Vater; Licht der Welt.

1. Als es darauf wieder ruhig im Tempel wurde, da sagten einige aus dem Volke: „Herr und Meister, laß Dich von den Pharisäern nicht beirren, und lehre uns weiter Deine Sendung und das Reich Gottes kennen; denn so Du redest, da sind wir alle ganz Aug und Ohr, und unsere Herzen schlagen wahrlich Dir allein laut entgegen!“

2. Sagte Ich darauf zum Volke: „So habet denn acht und merket wohl auf; denn Ich will es euch offen sagen und euch nicht mehr hinhalten, wer Ich bin!

3. Höret! Ich Selbst bin das Licht der Welt; wer Mir folgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern er wird das wahre Licht des Lebens haben.“ (Joh.8,12)

4. Da jubelte das Volk hell auf und sagte laut: „Ja, das ist vollwahr; denn Du, Meister, bist als ein hellscheinendes Licht in diese Welt gekommen, und wie wohl tut Dein Licht uns, die wir so lange in der dicksten Nacht der Seele umhergeirrt sind!“

5. Das war für die grimmerfüllten Pharisäer zuviel, so daß sie darob wieder zu Mir vordrangen und sagten: „Da du von dir selbst zeugst, so ist dein Zeugnis nicht wahr!“ (Joh.8,13)

6. Darauf sagte Ich: „So Ich auch von Mir Selbst zeugen würde, so wäre Mein Zeugnis dennoch wahr; denn Ich weiß, von wannen Ich gekommen bin, und weiß auch, wohin Ich gehen werde. Nur ihr Pharisäer allein wisset es eures Hochmutes wegen nicht, von woher Ich gekommen bin, und wohin Ich gehen werde. (Joh.8,14) Ihr urteilet und richtet alles nach dem Fleische, da ihr keinen Geist kennet. Darin aber richte Ich niemanden. (Joh.8,15) So Ich aber richte, da ist Mein Gericht recht; denn Ich bin hier nicht allein, wie ihr es meinet, sondern Ich und der Vater, der Mich gesandt hat, sind es. (Joh.8,16) Steht es aber nicht in eurem Gesetze geschrieben, daß zweier Menschen Zeugnis gültig sei? (Joh.8,17) Und so bin erstens Ich, der Ich von Mir Selbst zeuge, und zweitens der Vater, der Mich in diese Welt gesandt hat. Wie viele Zeugen wollet ihr dazu noch?“ (Joh.8,18)

7. Da fuhren die Pharisäer auf und sagten: „Hältst du uns denn für Narren? Wo ist denn dein Vater, daß er dir Zeugnis gäbe vor uns?“

8. Da erhob Ich Mich und ging hin an den Pfeiler, an dem der sogenannte Gotteskasten sich befand, der wegen der Opfer für den Tempel solchen Namen hatte, und redete laut in den Kasten hinein: „Ihr Blinden kennet weder Mich noch Meinen Vater! Denn kenntet ihr Mich, so kenntet ihr auch Meinen Vater!“ (Joh.8,19)

9. Als Ich diese Worte laut in den Gotteskasten hineingeredet hatte, da fragten sie Mich, warum Ich nun in den Kasten hineingeredet hätte.

10. Sagte Ich: „Weil das einerlei ist, ob Ich die Worte euch ins Angesicht rede oder in jenen nun leeren und toten Kasten! Der Kasten hat die Worte wenigstens geduldig angenommen, was bei euch nicht der Fall gewesen wäre.“

11. Das nahm das Volk gut auf und forderte die Pharisäer auf, Mich ungehindert reden zu lassen. Da zogen sich die Pharisäer wieder etwas zurück.

12. Ich aber lehrte das Volk weiter und ließ Mich schonungslos über die Pharisäer aus, und je mehr Ich ihre Schandtaten vor dem Volke enthüllte und ihnen ordentlich an den Fingern ausrechnete, für was alles sie desto mehr Verdammnis ernten würden, desto mehr jubelte das Volk, und desto grimmiger wurden die Pharisäer. Aber sie griffen Mich nicht an, da Meine Zeit noch nicht gekommen war. (Joh.8,20)

13. Da traten aber einige andere Juden zu Mir, die es noch sehr mit den Pharisäern hielten, aber Mir in so mancher Hinsicht auch nicht ganz unrecht gaben, und sagten: „Aber sage uns doch, wohin du mit solchen deinen Reden kommen willst!“

14. Da sagte Ich abermals zu ihnen: „Wisset! Ich werde von hier hinweggehen auf eine Weise, die ihr nicht kennet, und ihr werdet Mich suchen und nicht finden und dabei in euren Sünden sterben! Denn wo Ich hingehe, da könnet ihr nicht hinkommen.“ (Joh.8,21)

15. Da redeten sie untereinander (die Juden): „Will er sich etwa nun, da er die Pharisäer zu sehr ergrimmt hat und ihrer Rache nicht leichtlich mehr entgehen wird, aus Verzweiflung selbst töten? Denn sonst könnte er bei gesunder Vernunft nicht sagen: ,Wo Ich hingehe, da könnet ihr nicht hinkommen!‘ (Joh.8,22)

16. Ich aber sagte mit ganz heiterer Miene zu ihnen: „Zerbrechet euch darum die Köpfe nicht! Ich werde euch gleich Selbst den wahren Grund zeigen, und ihr werdet dann leicht und gleich einsehen, warum ihr also, wie ihr nun seid, nicht dahin kommen könnet, dahin Ich gehen werde.

17. Sehet! Ihr seid von unten her und werdet wieder dahin kommen; Ich aber bin von oben her und werde ganz sicher auch wieder dahin zurückkehren, und ihr werdet Mir nicht nachfolgen können.“ (Joh.8,23)

18. Da wurden auch diese Juden ärgerlich und sagten: „Was soll das heißen? Kannst du uns etwa gar die Hölle verheißen?“

19. Sagte Ich: „O nein, aber die Sache ist also: Ihr seid von dieser Welt auch eurer Seele nach; Ich aber bin nicht von dieser Welt!“

20. Und die Juden sagten: „Wo ist denn nachher eine andere Welt? Wir kennen keine andere!“

21. Sagte Ich: „Ja, wohl kennet ihr keine andere! Und Ich habe darum solches zu euch gesagt, weil ihr bei eurem Unglauben sterben werdet in euren Sünden. Denn so ihr es nicht glaubet, daß eben Ich der verheißene und nun zu euch gekommene Messias bin, so werdet ihr sterben in euren Sünden und nimmer dorthin kommen, wo Ich sein werde mit Meinen Erwählten. (Joh.8,24) Und wäre es nicht also, wahrlich, als ein purer Mensch, wie ihr es seid, hätte Ich nimmer den Mut, euch solches zu sagen!“

22. Da sprachen die Juden: „Was sagst du von dir? Rede klar und wahr, wer du denn wohl so ganz eigentlich bist!“

23. Und Ich sagte: „Es ist schwer, zu ganz tauben Ohren zu reden. Weil ihr Mich ehedem nicht verstanden habt, so höret denn jetzt Mich an! Erstens bin Ich Der, der Ich soeben mit euch rede!“ (Joh.8,25)

24. Sagten die Juden: „Nun, und wer bist du denn dann zweitens?“

25. Sagte Ich: „Nur Geduld, das ,Zweitens‘ werdet ihr selbst schon aus Meiner Rede finden; denn Ich habe noch vieles vor euch zu reden und zu richten! Höret! Der Mich gesandt hat, ist im höchsten Grade wahrhaftig, und nur, was Ich von Ihm allzeit gehört habe, das verkünde Ich nun vor der Welt, die ihr alle seid.“ (Joh.8,26)

26. Da aber diese blinden Juden abermals nicht verstanden (Joh.8,27), daß Ich vom Vater oder von der ewigen Liebe in Mir zu ihnen redete, so fragten sie abermals und sagten: „Aber beim Tempel und Sinai! Wer ist denn der, der dich gesandt hat?“

27. Da sagte Ich, auch mit sehr ernster Miene, zu ihnen: „Höret! Wenn ihr des Menschen Sohn werdet erhöhet haben, dann werdet ihr, wenn auch zu spät, erkennen, daß Ich es bin, der Ich als Mensch nichts von Mir Selbst aus tue, sondern wie Mich allzeit Mein Vater gelehrt hat, also rede und handle Ich. (Joh.8,28) Und wisset noch ein mehreres und Näheres: Der Vater, der Mich gesandt hat, ist nicht irgend ferne von hier, sondern Er ist hier mit Mir. Der Vater läßt Mich nimmerdar allein; denn Ich allein tue allzeit das, was Ihm wohlgefällt, und fürchte gleich Ihm keinen Menschen in der ganzen Welt. (Joh.8,29) Denn wäre es nicht also, so würde Ich es euch nicht sagen.“

199. Kapitel. Johannes.08,30-49: Jesus und Seine Gegner.

1. Als Ich solches voll Ernstes zu den Juden geredet hatte, da machten viele große Augen und sagten: „Wahrlich, der Mensch redet wie einer, der Gewalt hat, und es wagt sich niemand, ihn anzurühren oder ihm zu verbieten, also zu reden im Tempel! Wenn unsereiner das offen im Tempel wider die Pharisäer geredet hätte, so hätten sie ihn ja schon zehnmal gesteinigt, – und diesen lassen sie reden zu ihrem offenbarsten Nachteil und getrauen sich nicht mehr hervor. Das ist wahrlich etwas Übermenschliches, und wir wollen seinen Worten glauben!“ (Joh.8,30)

2. Sagte Ich darauf zu den Juden, die an Mich zu glauben anfingen: „So ihr bleiben werdet an Meiner Rede, so werdet ihr dadurch auch Meine rechten Jünger. (Joh.8,31) Ihr werdet die darin liegende Wahrheit erkennen, und diese Wahrheit wird euch frei machen, wie Ich solches schon zuvor berührt habe.“ (Joh.8,32)

3. Darauf antwortete der ungläubigere Teil der Juden, sagend: „Wisse, wir sind Abrahams Samen und sind nie jemandes Knechte oder gar Sklaven gewesen! Wie sollen wir denn als freie Herren und Bürger noch freier werden?“ (Joh.8,33)

4. Darauf sagte Ich zu ihnen: „Wahrlich, wahrlich sage Ich euch: Wer da Sünde tut, der ist auch der Sünde Knecht, wie Ich dessen schon zuvor erwähnt habe! (Joh.8,34) Der Knecht ist aber kein Freier, da er stets den Gelüsten und Leidenschaften seines Fleisches gehorchen muß. Der Knecht bleibt nicht ewig im Hause, sondern nur der Sohn. (Joh.8,35) Knecht aber ist jeder Sünder, und das Haus ist das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und der Sohn ist die Wahrheit. So euch aber nun Ich als der wahre Sohn des Reiches Gottes frei mache, so seid ihr denn auch wahrhaft und recht frei.“ (Joh.8,36)

5. Sagten die Ungläubigen abermals: „Vergiß nicht, daß wir Abrahams Samen sind und sind nie jemands Knechte gewesen! Was sprichst du denn immer, daß du uns frei machen wirst?“

6. Sagte Ich: „Oh, Ich weiß es wohl, daß ihr Nachkommen Abrahams seid, – Ich bin es dem Leibe nach aber auch! Aber obschon ihr saget, daß ihr als Samen Abrahams niemals jemandes Knechte gewesen seid, so waren es aber doch eure Väter in Ägypten und später in Babylon, und jetzt seid ihr Knechte Roms, – wenn ihr schon von dem äußeren Verhältnisse redet. Ich aber rede von dem inneren Lebensverhältnisse, und dem nach waret ihr allzeit Knechte eurer Leidenschaften und ließet euch von ihnen wie Besessene beherrschen. Daß es aber also ist, das beweist der Umstand, daß ihr Mich zu töten suchet, so wie das gleiche auch die Pharisäer allereifrigst zu tun trachten. Und das tut ihr darum, weil Meine Rede nicht unter euch fährt, ihr sie nicht fasset und Mich darum hasset, weil Ich die volle Wahrheit zu euch rede. (Joh.8,37) Ich rede zu euch nur das, was Ich allzeit von Meinem Vater sehe und höre, und ihr achtet des nicht, sondern nur gleichfort dessen, was ihr auch von euren Vätern gesehen und gehört habt, das aber zu nichts nütze ist.“ (Joh.8,38)

7. Als Ich ihnen solches unter die Nase gerieben hatte, da sagten sie abermals (die Juden): „Vergiß nicht, daß Abraham unser Vater ist! Das hebt alle deine Beschuldigungen gegen uns auf. – Verstehst du das?“

8. Sagte Ich: „Oh, gar wohl verstehe Ich euch! Oh, wäret ihr Abrahams Kinder, so würdet ihr auch Abrahams Werke tun! (Joh.8,39) Nun aber sucht ihr Mich zu töten wie einen ärgsten Verbrecher, und das bloß darum, weil Ich euch die Wahrheit sage, die Ich von Gott allzeit gehört habe. Wahrlich, das hat Abraham den drei Jünglingen niemals tun wollen, weil sie ihm die Wahrheit gesagt haben. (Joh.8,40) Ihr tut zwar wohl eures Vaters Werke, – aber nicht die des Vaters Abraham! Verstehet es!“

9. Da sagten die schon ganz ergrimmten ungläubigen Juden: „Freund, wir sind nicht unehelich geboren! Wir haben alle einen Vater, und der ist Gott Selbst!“ (Joh.8,41)

10. Sagte Ich zu ihnen: „Oh, wäre Gott euer Vater, so liebtet ihr Mich also, wie die Mich lieben, die Mich erkannt haben; denn Ich bin dem Geiste nach von Gott ausgegangen und komme von Gott. Denn wahrlich, Ich bin nicht etwa gleich einem Menschen von Mir Selbst gekommen, sondern Gott hat Mich gesandt, das heißt diesen Leib, durch den Er Sich Selbst euch nun offenbart, und welchen Leib ihr zu töten trachtet. (Joh.8,42) Aus welchem Grunde aber könnet denn ihr Meine Stimme nicht hören, so ihr Gottes Kinder seid?“ (Joh.8,43)

11. Sagten die Juden: „Hören wir dich etwa nicht?“

12. Sagte Ich: „O ja, ihr höret Mich wohl sicher mit euren Fleischesohren, – aber Ich frage euch nur, warum euch der Sinn Meiner Worte nicht behagt. Warum behagt er denn gar vielen anderen, sogar den Römern dort, die sich um den Gotteskasten aufgestellt haben?“

13. Da schwiegen sie und wußten nicht, was sie Mir darauf hätten antworten sollen; denn sie fürchteten das Volk und getrauten sich mit ihrer Antwort nicht laut zu werden, die natürlich eine sehr grobe und beleidigende gewesen wäre.

14. Das Volk aber rief zu Mir: „Herr und Meister, siehe doch, daß Du diese reichen Finsterlinge loswirst; denn wir möchten nur von Dir heilsame Lichtworte vernehmen, nicht aber dieser Blinden stete und allerdümmste Gegenreden. Sage es ihnen einmal klar und rund heraus, was und wer sie sind, auf daß sie dann gehen!“

15. Sagte Ich: „Nur Geduld! Ich habe es ihnen schon gesagt, daß sie keine Gotteskinder sind, und das sollte ihnen ja doch genügen!“

16. Sagten die Juden ganz erbittert: „Wie kannst du sagen, daß wir keine Gotteskinder sind?!“

17. Sagte Ich denn auch vollernstlichen Angesichtes: „Ich habe euch den Grund klar und wahr gezeigt. Was fragt ihr Mich da noch weiter?! Ja, Ich will euch denn auch weiter sagen, was ihr seid, dieweil ihr Mich weiter gefragt habt! Wisset, wessen Kinder ihr seid: Ihr seid Kinder von dem Vater der Teufel! Der war ein Mörder von Anfang an und ist nicht bestanden in der Wahrheit; denn die Wahrheit war niemals in ihm (in der Materie). Wenn dieser Geist, der euer Vater ist, die Lügen redet, so redet er von seinem Eigenen; denn er war allzeit ein Lügner und ein Vater der Lügen.“ (Joh.8,44)

18. Sagten die ganz ergrimmten Juden: „Wer berechtigt dich dazu, solches vor allem Volke von uns zu reden? Warum sind wir Kinder des Satans?“

19. Sagte Ich: „Weil Ich die Wahrheit zu euch rede und ihr Mir nicht glaubet!“ (Joh.8,45)

20. Sagten die Juden: „Warum sollen denn wir dir glauben?“

21. Sagte Ich: „Auf daß ihr nicht sterbet in euren Sünden und selig werden möchtet!“

22. Sagten die Juden: „Du bist auch ein Mensch wie wir; warum soll uns gerade dein Wort selig machen?“

23. Sagte Ich: „Jawohl, Ich bin nun auch nur ein Mensch, – aber ein Mensch, der da sagen kann: ,Welcher unter euch kann Mich einer Sünde zeihen?‘! So Ich aber als ein vor Gott und allen Menschen sündenfreier Mensch die Wahrheit sage, warum glaubet ihr Mir denn nicht? (Joh.8,46) Wer aus Gott ist, der hört auch gerne Gottes Wort. Und ihr wollet nun aber eben Mein Wort, das Gottes Wort ist, nicht hören, weil ihr nicht aus Gott seid!“ (Joh.8,47)

24. Sagten die Juden, schon ganz dumm vor lauter Grimm: „Sagen wir nicht recht, daß du ein Samariter bist und den Teufel in dir hast anstatt des Geistes Gottes?“ (Joh.8,48)

25. Sagte Ich: „Ich bin kein Samariter und habe noch weniger einen Teufel, wie solches Tausende von Mir bezeugen können, sondern Ich ehre allzeit wahrhaft Gott, Meinen Vater. Warum verunehret ihr Mich? (Joh.8,49) Warum verunehren Mich denn so viele andere nicht, die Mich und den Vater wohl erkannt haben?“

200. Kapitel. Johannes.08,50-59: Das Wesen Jesu.

1. Hier ward das gläubige Volk wieder ungeduldig und sagte: „Herr, wir bitten Dich, schaffe diese blinden Narren von Dir; denn sie stören Dich und uns! Wenn sie nicht bald Ruhe geben, so werden wir mit Gewalt Ruhe schaffen; denn wir sind Deinetwegen hiergeblieben, wollen Dich hören und nicht diese dummen Finsterlinge. Denn da ist ja ein Kind in der Wiege gar oft schon vernünftiger als diese unsinnigen Narren!

2. Wir alle, über zweitausend an der Zahl, sind völlig im klaren über Dich und Deine göttliche Sendung. Wir haben recht gut gemerkt, was Du damit anzeigtest, als Du sagtest: ,Ich bin nicht allein da, sondern der Vater ist allewege bei Mir!‘ Aber diese Dummen merkten es nicht und werden es ewig nicht merken, daß der Vater und Du ein und dasselbe seid, und daß, so Du sagst: ,Der Vater hat Mich gesandt!‘, Du damit nur andeuten willst für der Menschen schwachen Verstand, daß Du, Ewiger, Dir Selbst einen Leib geschaffen hast, um uns Würmern dieser Erde ein sichtbarer Gott, Lehrer und Tröster zu sein in unserer großen Not. Dein heiliger Leib ist Dein Sohn, und Du, Vater, bist in Dir vor uns armen Sündern und Würmern dieser Erde!

3. Und diese Narren begreifen das nicht und wollen doch alle die Propheten verschluckt haben, die doch ausdrücklich genug die Zeit mit allen ihren Farben und Zuständen bestimmt haben, in der der Messias kommen wird. Und diese Zeit ist nun vollends da; warum soll denn der Verheißene unterwegs geblieben sein?

4. Haben aber die großen, von Gottes Geist erfüllten Seher diese jetzige Zeit vor nahezu tausend Jahren so bestimmt, wie sie nun ist, anzeigen können, und ist diese Zeit nun auf ein Haar also gekommen, wie sie damals vorausbeschrieben ward, warum sollte der eben in dieser Zeit zu kommen verheißene Messias ausgeblieben sein?! Er ist aber auch nicht ausgeblieben, sondern Er ist da unter uns; wir haben Ihn bald und leicht erkannt!

5. Aber diese blinden Nachkommen derer, die schon in der Wüste, am Fuße des Sinai, während Jehova auf dem Berge dem Moses unter Blitz und Donner die heiligen Gesetze gab, das goldene Kalb angebetet und Jehovas nicht geachtet haben – obschon Er ihnen ordentlich vor ihren Nasen laut Seine Gesetze verkündete –, sind nun im Angesichte Gottes noch dieselben Anbeter ihrer goldenen Kälber und sind bei aller ihrer unermeßlichen Dummheit dennoch keck genug, sich an Dir, o Herr, sogar zu vergreifen. O Herr, laß sie gehen, und lehre uns Dich besser und tiefer erkennen – und auch unsere großen Sünden, die wir sooft vor Dir begangen haben!“

6. Sagte Ich zum Volke: „Seid ruhig; denn Ich muß ja auch diesen sagen, wer Ich bin, auf daß sie sich dereinst nicht werden entschuldigen können, daß es ihnen nicht wäre gesagt und gezeigt worden! Ich habe zu ihnen schon gesagt, daß Ich nicht Meine Ehre suche, und bei diesen Menschen wahrlich schon gar nicht, und daß da Einer ist, der sie sucht und richtet. (Joh.8,50) Aber diese blinde und verschlagene Art wird das nimmer einsehen und begreifen, bis ihr die Axt an die Wurzel gelegt wird. Darum aber sage Ich zu ihr noch einmal: Wahrlich, wahrlich, so jemand Mein Wort halten wird, der wird den Tod nicht sehen ewiglich!“ (Joh.8,51)

7. Sagten die nun schon ganz blind ergrimmten Juden: „Nun erkennen wir erst recht, daß du den Teufel in dir hast! Wenn dein Wort so gut wie Gottes Wort ist, so war ja das auch Gottes Wort, das Abraham, Isaak und Jakob und alle die Propheten gehalten haben, und dabei sind dennoch alle gestorben! Ist denn dein Wort mehr göttlich als jenes der Väter und Propheten, daß du sagst: ,Wer Mein Wort halten wird, der wird den Tod nicht schmecken ewiglich!‘? (Joh.8,52) Bist du denn mehr denn unser Vater Abraham, der gestorben ist, und die Propheten, die alle gestorben sind? Was machst du aus dir selbst?“ (Joh.8,53)

8. Sagte Ich: „So Ich Mich Selbst ehrte, da wäre Meine Ehre nichts; es ist aber Mein Vater, der Mich ehrt, von dem ihr sprecht, daß Er euer Gott sei. (Joh.8,54) Ihr kennet Ihn aber nicht; Ich aber kenne Ihn. Und wenn Ich sagen würde: ,Ich kenne ihn nicht!‘, da würde Ich wahrlich, gleichwie ihr, ein Lügner sein, die ihr saget, daß Er euer Vater ist! Ich kenne Ihn aber wahrlich und halte darum Sein Wort! (Joh.8,55)

9. Ich sage euch aber noch etwas, woraus ihr ersehen möget, daß Mir euer Vater Abraham nicht unbekannt ist. Sehet, Abraham freute sich, daß er Meine Zeit auf dieser Erde sähe! Ihr saget aber, daß Abraham gestorben sei; Ich aber sage euch, daß er dennoch diese Meine Zeit von Meinem ersten Tage an stets gesehen hat und darob eine übergroße Freude empfand (Joh.8,56); er sieht Meine Zeit noch und freut sich!“

10. Das war für die blinden Juden etwas zu unglaublich, und sie sagten mit weit aufgesperrtem Munde: „Was?! Du bist noch nicht fünfzig Jahre und hast Abraham gesehen?“ (Joh.8,57)

11. Sagte Ich: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Endlos eher als Abraham war Ich!“ (Joh.8,58)

12. Das machte der Juden Grimm platzen. Sie hatten keine Worte mehr, um ihre vollste Entrüstung auszudrücken. Sie bogen sich denn zu Boden und hoben die lockeren Steine auf, an denen es im Tempel keinen Mangel hatte, da man auf den Boden selten etwas verwendete, und wollten sie nach Mir werfen; aber Ich verbarg Mich schnell, ward völlig unsichtbar und ging aus dem Tempel, mitten durch sie hinstreichend. (Joh.8,59) Die Jünger und Lazarus mit den Römern kamen Mir schnell nach, und wir begaben uns darauf schnell wieder auf unseren Ölberg.

13. Aber im Tempel gab es nun einen seltenen Auftritt, der sich in den Festzeiten wohl kaum je einmal ereignet hatte. Das Volk fiel über die Juden her und fing an, sie derart zu würgen, daß Soldaten herbeigeholt werden mußten, um die Ruhe nur einigermaßen wieder herzustellen. Das Volk aber ließ sich kaum besänftigen und verlangte von den römischen Soldaten, alle die bösen und die Ruhe so gewaltig störenden Juden zu binden und sie den Gerichten zu überliefern, was denn – wenigstens pro forma – auch geschah. Dann erst gab sich das Volk wieder zufrieden.

14. Es trat aber darauf ein Schriftgelehrter in die Mitte und wollte das Volk gegen Mich belehren; aber er hatte kaum zehn Worte geredet, so mußte er schon das Weite suchen.

201. Kapitel. Die Entlarvung des Verführers der Ehebrecherin.

1. Es war schon weit über die Mittagszeit hinaus, als auch das große Volk den Tempel verließ und in seine Herbergen ging und also auch unsere Ehebrecherin nach ihrer Wohnung trachtete und ihrem Manne alles entdeckte, was sich im Tempel mit ihr zugetragen hatte.

2. Da wurde der Mann traurig und sagte: „Nicht dies, mein braves Weib, sondern ich trage die Hauptschuld daran!“

3. Da fragte ihn einer von denen, die ihm das Weib zurückgebracht hatten: „Wie ist das wohl möglich, daß du die Schuld am Ehebruche deines Weibes trägst?“

4. Da sagte der Mann: „Freunde, nur die wahrhaft größte Not hat mich und das Weib dazu gezwungen, dem glänzenden Antrage eines Fremden Gehör zu leihen! Aber der Fremde muß entweder ein verkleideter Scherge oder gar ein geiler Pharisäer gewesen sein, der auf dies mein Weib schon lange lüstern war. Denn als ich das Geld nahm und es in ein anderes Gemach trug, da kamen auch schon die Häscher, rissen das Weib aus den Armen des Fremden, und ich mußte es mir leider selbst zuschreiben, mein teuerstes Weib in das größte Unglück gestürzt zu haben. Da es nun wieder da ist, so muß etwas Besonderes vorgefallen sein; denn es ist noch keines aller der vielen auf diese Weise Eingefangenen je wieder ans Tageslicht gekommen. Was war es denn, daß dies mein Weib frei wurde? Ihr lieben Männer waret ganz sicher Zeugen alles dessen, was sich im Tempel ereignet haben muß. Möchtet ihr es mir nicht kundgeben, was ihr gesehen habt?“

5. Sagten die Männer: „Das alles wird dir dein Weib erzählen. Dem großen Propheten aus Galiläa allein hat diese Arme ihre Befreiung zu danken. Aber das sagte er auch, daß sie in der Folge nicht mehr sündigen solle; denn so sie das täte, würde es ihr dann noch um vieles schlimmer ergehen. Das also zu eurer Lebensrichtschnur!“

6. Hier fragte der Mann, ob er selbst nicht das große Glück haben könnte, mit dem Propheten irgendwo zusammenzukommen, auf daß er ihm den gebührendsten Dank abstatten könne.

7. Sagten die Männer: „Wo er sich etwa nun aufhalten dürfte, das können wir dir wohl nicht angeben; aber so viel haben wir wohl erfahren, daß er sich, sooft er nach Jerusalem kommt, stets bei Lazarus von Bethania aufhält. Dahin wollen wir selbst ihn aufsuchen gehen. Tut ihr desgleichen! Wenigstens erfahren wir dort, wohin er etwa gezogen ist.“

8. Sagte der Mann: „Da ist er vielleicht auf dem Ölberge, weil Lazarus sich in den Festzeiten gewöhnlich auf dem Ölberge aufzuhalten pflegt, da er dort eine große Herberge unterhält, die von den Fremden stark besucht wird.“

9. Sagten die Männer: „Um so besser! Da werden wir ihn zuerst dort aufsuchen! Und ist er dort nicht, so ziehen wir nach Bethania!“

10. Hier dankte der Mann samt dem Weibe den Männern für diese Nachricht und machte sich samt dem Weibe auf, versperrte seine kleine Behausung und zog gleich mit den Männern, was die Männer ganz gut aufnahmen. Aber unterwegs stießen sie auf etliche Pharisäer, und da war einer, den das Weib und auch der Mann sogleich als jenen Fremden gar wohl erkannten, der in römischer Kleidung an diesem Morgen das schöne junge Weib ums Geld zur Ehebrecherin machte. Solches sagten die beiden den sie begleitenden Männern.

11. Die Männer aber traten zu dem Pharisäer hin und fragten ihn ganz barsch: „He, Freund, kennst du dies Weib, das du heute morgen ums Geld zum Ehebruch verlocktest in der Tracht eines Römers? Daß du es warst, das beweist dein geschorenes Haupt, und die beiden haben dich auch schon von weitem erkannt! Was sagst du nun dazu? Sieh, wir sind unser bei zweiundsiebzig an der Zahl und werden nun dich vor das römische Gericht ziehen. Was sagst du nun dazu?“

12. Da wollten die drei davonlaufen; aber die Männer ließen das nicht zu, hielten sie auf und fragten den Geschorenen noch einmal. Der aber fing an, sie zu verfluchen und zu schwören, daß er es nicht wäre.

13. Aber der Mann und das Weib sagten: „Dieses elende Schwören nützt dir gar nichts; denn du weißt, daß das Zeugnis zweier Menschen vor dem Gerichte gültig ist. Daher gehe nun nur mit uns zum Gerichte, auf daß du Elender in das Grab stürzest, das du für uns gegraben hast!“

14. Da fingen die drei an zu bitten und wollten dem Manne viel Geld geben. Der Mann aber nahm es nicht an, sondern begehrte von ihnen, daß er in Zukunft Ruhe vor dem Tempel habe. Das versprachen sie denn auch auf das feierlichste, und die Männer ließen dann die drei weiterziehen, aber wohl nur unter der sehr fatalen Versicherung, daß sie sogleich zum Landpfleger gehen würden, sowie sie nur das Geringste irgend vernehmen würden, daß der Tempel sich über sie ungünstig geäußert habe. Daß danach dies Ehepaar vor den Templern volle Ruhe hatte, das kann man sich wohl leicht denken.

15. Und also war denn auch dieser Zwischenfall durch Meinen Willen herbeigeführt; denn ohne ihn hätte das arme Ehepaar einen schlechten Stand in Jerusalem gehabt und stünde immer in großer Gefahr.

202. Kapitel. Arbeiter besuchen Jesus auf dem Ölberg.

1. Darauf begaben sich alle auf den Ölberg, wo Ich eben mit den Jüngern und mit Lazarus speiste, und wo sich auch die dreißig Römer befanden und speisten. Als sie da ankamen, fragten sie einen Knecht der Herberge, ob Ich da wäre. Und der Knecht bejahte diese Frage. Als die etlichen siebzig Männer diese für sie höchst frohe Kunde erhielten, da frohlockten sie und baten den Knecht, daß er ins Zimmer gehe und Mich frage, ob sie hinein zu Mir kommen dürften.

2. Da ging der Knecht hinein zu Mir und fragte Mich darum.

3. Und Ich sagte zu ihm: „Gehe hinaus und sage zu denen, die dich gesandt haben: Wen es da hungert, der komme und esse sich satt, und wen da dürstet, der komme und trinke! Denn wer von Mir gesättigt wird, den wird es nimmer hungern in Ewigkeit, und wer von Meinem Weine getrunken hat, den wird es nimmerdar dürsten; denn es werden aus seinen Lenden Bäche des lebendigen Wassers fließen. – Gehe nun hinaus und sage ihnen das!“

4. Der Knecht ging eilig hinaus und sagte das den Männern wortgetreu.

5. Als sie solches vernahmen, da wußten sie nicht, wie sie daran waren und fragten sich gegenseitig, ob Ich ihnen denn hier ein freies Mahl geben wolle, welches anzunehmen sie sich für unwürdig hielten.

6. Darum sagten sie zum Knechte (die siebzig): „Sei doch so gut und gehe noch einmal hinein, und sage es dem guten Meister und Herrn, daß wir nicht des Essens und Trinkens wegen hierher gekommen sind, sondern allein seinetwegen, um von ihm noch einige Worte des Lichtes und des Lebens zu vernehmen!“

7. Da ging der Knecht wieder ins Zimmer.

8. Aber Ich Selbst ging ihm entgegen und sagte zu ihm: „Ich weiß es schon, was du Mir zu hinterbringen hast. Gehe nun nur deinem Geschäfte nach, Ich werde mit den Männern Selbst reden!“

9. Da ging der Knecht, und Ich trat hinaus zu den Männern und sagte zu ihnen: „Wer Ohren hat, der höre und verstehe es, und wer da Augen hat, der sehe und begreife es! Darum ihr hierher gekommen seid, das eben ist die wahre Speise und der wahre Trank, was alles Ich euch geben will. Die Speise des Leibes wirkt nicht zum ewigen Leben der Seele, sondern allein Mein Wort und euer Glaube und euer Handeln nach dem Worte. Mein Wort ist die rechte Speise, und euer Glaube und euer Handeln ist der rechte Trank. Darum kommet alle, die ihr mühselig und belastet seid, zu Mir; denn Ich will euch alle erquicken!“

10. Sagten die Männer: „O Herr, wie gut und weise bist du! Wenn du es uns gestattest, so wollen wir schon in das Zimmer gehen und daselbst harren auf solche deine geistige Speise, bis es dir, o Herr und Meister, genehm sein wird, uns mit einigen Worten zu stärken und zu beleben. Aber da sieh, in unserer Mitte befindet sich die, welche deine große Weisheit heute im Tempel der Frechheit der Pharisäer entrissen hat, und auch ihr armseliger Gemahl! Sie kamen beide mit uns, um dir noch einmal zu danken für die ihnen erwiesene große Wohltat! Wenn du willst, so gehen sie auch mit uns in das Zimmer.“

11. Sagte Ich: „Darum bin Ich ja in diese Welt gekommen, daß alle zu Mir kommen sollen, die irgend mühselig und belastet sind. Denn Ich bin ein wahrer Arzt, der zu den Kranken geht und ihnen hilft und nicht zu den Gesunden, die des Arztes nicht bedürfen. Darum kommet nun alle herein in das Zimmer!“

12. Ich ging nun wieder in das Zimmer, und alle folgten Mir.

13. Der Wirt aber hatte schon einen großen Hochzeitstisch gestellt, an dem die etlichen siebzig Mann samt dem Weibe ganz gut Raum hatten. Als alle an dem Tische saßen, fragte sie der Wirt, ob sie etwas essen und trinken wollten.

14. Da sagte einer: „Freund, wir sind alle mehr oder weniger arm und haben nicht so viel Geld, daß wir uns auch einen Wein anschaffen könnten; daher bringe uns Brot allein und einige Krüge Wasser, und wir sind auch damit zufrieden! Wir sind alle Tagwerker und leben von der Arbeit unserer Hände. Diese zehn Festtage sind für uns die schlechteste Zeit, weil wir da nicht arbeiten dürfen. Gibt es für uns aber keine Arbeit, so gibt es auch keinen Verdienst und somit kein Geld, mit dem wir uns übers tägliche Brot hinaus noch etwas anderes anschaffen könnten, da unser kleines Ersparnis ohnehin schon zu Ende geht.“

15. Sagte der Wirt: „Ihr habt aber doch sicher Weiber und Kinder! Wovon leben dann diese, wenn es euch Männern schon so enge geht?“

16. Sagte der Mann, der zuvor geredet hatte: „O Freund, dieses Glück ist uns bis auf den, dessen Weib mit da ist, nicht beschieden! Weiber sind nun nur für die Reichen auf der Welt; wir Armen können uns kein Weib nehmen, und noch weniger es dann erhalten. Siehe, wir sind ledig und haben für keine Weiber und Kinder zu sorgen! Wir bringen uns in dieser äußerst schlechten Zeit kaum selbst durch; wie ginge es uns erst dann mit Weibern und Kindern? Dem Herrn Jehova sei's gedankt, daß wir ledig sind!“

17. Hier sagte Lazarus: „Aber, meine Lieben, wenn es euch in Jerusalem so knapp ging, warum kamet ihr nicht nach Bethania zu mir? Da hättet ihr Arbeit in die schwere Menge gefunden! Und bei mir kann sich keiner beklagen, daß es ihm je zu enge gegangen wäre.“

18. Sagte der Mann: „Das wissen wir wohl; aber wir wissen es auch, daß alles von weit her zu dir geht und bei dir Arbeit und Verdienst sucht, und so wagten wir es nicht, dir jemals lästig zu werden. Doch in der nächsten Folge werden wir von diesem deinem Antrage schon Gebrauch machen.“

19. Hierauf gebot Lazarus dem Wirte, alle diese Menschen mit Brot und Wein ganz reichlich zu versehen. Da ging der Wirt mit seinen vielen Dienern und brachte Brot und Wein zur Genüge.

20. Als diese Gäste auch den Wein sahen, da dankten sie, und einer sagte zu Lazarus: „Herr, trinken werden wir den Wein schon, aber mit dem Bezahlen wird es schlecht aussehen! Wir werden dir aber die Zeche nach den Festtagen schon ganz getreulich abdienen.“

21. Sagte Lazarus: „Esset und trinket ohne Sorge; denn was ihr hier verzehret, das ist schon bezahlt!“

22. Da fragten alle, wer dies alles schon bezahlt habe; denn sie möchten das wohl wissen, damit sie dem Wohltäter ihren gebührendsten Dank darbringen könnten.

23. Aber Lazarus sagte: „Fraget nicht danach, sondern esset und trinket; denn der Wohltäter ist schon mit eurem guten Willen völlig zufrieden!“

24. Hier erhoben sich alle und sagten: „So sei denn dem unbekannt sein wollenden Wohltäter unser vollster Dank dargebracht!“

25. Darauf erst setzten sie sich wieder und fingen an zu essen und zu trinken.

203. Kapitel. Der Grund des Unglaubens der Templer.

1. Wir aber saßen auch und aßen und tranken, und die Römer taten dasselbe und besprachen sich viel über Mich; nur konnten sie nicht so recht begreifen, wie und warum Ich Mich bei solcher Meiner göttlichen Kraft und Gewalt vor dem Häuflein Juden aus dem Tempel habe flüchten können.

2. Da sagte Ich zum Agrikola: „Du irrst, wenn du meinst, daß Ich Mich etwa aus Furcht vor den Juden geflüchtet habe! Sondern ich wußte, warum Ich das tat. Die Hauptsache bestand darin, daß Mich das Volk erkannte, und daß es auch die argen, ungläubigen und selbstsüchtigen Juden tiefer kennen lernte, als das früher jemals der Fall war. Darum vergriff es sich nachher auch an ihnen und brachte ihnen die Huldigung dar, an die sie ihr Leben lang denken werden. Warum hätte da Ich Mich an den Argen vergreifen sollen, da Ich doch zum voraus wußte, was ihrer wartet, so Ich aus dem Tempel gehen werde? Hier aber sitzen etliche siebzig Zeugen, die sicher es gar wohl wissen, wie es nach Mir den ergrimmten Juden ergangen ist.“

3. Sagte der Römer: „Höre, Du göttlicher Meister, wir sind Römer, kennen von der Gotteslehre der Juden nur weniges, und doch glauben wir, daß Du wahrhaft der den Juden verheißene Messias bist! Warum glauben denn das eben die mit eurer Gotteslehre doch sicher am meisten vertrauten Juden nicht? Welchen Grund haben sie wohl, das nicht zu glauben, da sie doch sehen, daß viele andere es glauben?“

4. Sagte Ich: „Das macht ihre Selbstsucht, ihr unbegrenzter Hochmut und ihre ebenso unbegrenzte Herrschgier. Nach ihrer Idee soll der Messias mit einem über alle Begriffe gehenden Himmelspomp unter Donner und Blitz aus den Himmeln herabsteigen, in den Tempel einziehen und die Hohenpriester, Pharisäer und Schriftgelehrten mit aller Macht und allem Glanze ausrüsten, die Römer aus dem Lande treiben und die Templer an Seiner Seite mit aller Macht und Gewalt ausrüsten, auf daß sie dann bald die ganze Welt beherrschen könnten.

5. Da Ich aber auf eine ganz andere und das schon vor der Erschaffung dieser Welt genaust bestimmte Weise in diese Welt gekommen bin, in äußerster Armut und großer Dürftigkeit, so glauben diese Blinden nicht, daß Ich der Verheißene bin, und hassen Mich, weil sie doch einsehen, daß durch Mich ehest all ihr Ansehen und alle ihre Macht zunichte wird.

6. Das Volk lernt sie jetzt erst ganz kennen und hat keine Achtung mehr vor ihnen, was sie sehr wohl verspüren, und sie trachten daher stets wie sie Mich töten könnten. Wenn ihr das so recht überdenket, so werdet ihr nun wohl einsehen, warum die Priester nicht an Mich glauben.

7. Es sind aber auch schon etliche Priester zu Mir übergegangen, weil sie erkannt haben, daß Ich wahrhaft der Messias bin, und diese befinden sich hier an Meinem Tische in griechischer Kleidung und ziehen als Meine Jünger nun schon über ein halbes Jahr mit Mir umher und sind Zeugen von gar vielen Meiner Lehren und Taten. Fraget sie darum, und sie werden euch alles kundtun!

8. Und diese zwölf Mir zunächst Sitzenden sind vom Anfange dieses Meines Wirkens an bei Mir und wissen um gar alles, was Ich gelehrt und was Ich zum Heile aller Menschen gewirkt habe. Auch mit ihnen könnet ihr euch besprechen, und sie werden euch nichts vorenthalten. Aber nun essen und trinken wir; hernach werden wir dann weiterreden!“

9. Mit dieser Erklärung waren die Römer ganz zufrieden, und Agrikola sagte: „So ist das Priestervolk doch überall des Pluto! Man sollte es ganz aufheben und nur Deine wahrhaft rein göttliche Lehre allen Menschen verkünden!“

204. Kapitel. Die Erziehung der Menschheit zur Erkenntnis Gottes.

1. Sagte Ich: „Mein Freund, was du wünschest, das wird auch geschehen! Aber so leicht, wie du es dir vorstellst, wird es wahrlich nicht gehen. Denn es hat das alte Priestertum schon zu tiefe Wurzeln geschlagen, und das hebt man von heute bis morgen nicht auf! Dazu gehören Jahrhunderte. Und selbst da wird es auch noch vielfach seine geweisten Wege haben; und in ein paar tausend Jahren wird diese Erde noch lange nicht frei sein von allem Priestertum und noch weniger von allem Heidentum.

2. Die Weltmenschen gefallen sich in der Welt, und so muß auch eine Gotteslehre ganz weltlich aussehen, wenn sie bei den Menschen einen Anklang finden soll.

3. Die Wahrheit wird stets nur verdeckt den Menschen dieser Erde gegeben werden; denn offen würden die Menschen sie ebensowenig ertragen, wie du das Licht der Mittagssonne mit offenen Augen zu ertragen imstande bist. Die Menschen müssen denken lernen, dann suchen und selbst finden. Und hat ein Mensch das innere Licht des Lebens nicht selbst gefunden, so nützen ihm tausend Lehrer nichts. Und es ist da am Ende schon eins, ob er das Licht für Finsternis oder die Finsternis für Licht hält.

4. Daher muß ein Mensch wohl einen Stoß zur Aufsuchung der Wahrheit bekommen, aber die volle Wahrheit niemals urplötzlich; denn diese würde kein Mensch ohne Verlust seines irdischen Lebens ertragen, so sie ihm auf einmal völlig klar würde. Und so werden wir bei den Menschen dieser Erde auch noch lange Zeit hin mit der ganzen, vollen Wahrheit nicht gar so geschwinde herauskommen können. Du bist ein pur vernünftig gebildeter Römer, und Ich kann darum mit dir auch nicht anders als nur ganz natürlich reden. Aber urteile nun selbst, ob Ich nicht völlig recht habe!“

5. Sagte der Römer: „Das sicher; aber ich begreife da die Weisheit Gottes nicht und noch um vieles weniger Seine Allmacht! Hat Er denn nicht diese ganze Erde samt der Menschheit erschaffen, und hängt nicht alles Sein von Ihm ab?“

6. Sagte Ich: „Allerdings, aber auch vor allem die wahre, innere Lebensbildung und vor allem die mögliche volle Selbständigkeit und Selbstkraft des geschaffenen Lebens eines jeden Menschen! Und diese kann Gott nur durch Seine möglichste Zurückgezogenheit und eben auch nur durch ein leises Einfließen in das Gemüt des Menschen nach und nach bewirken.

7. Daher muß der Mensch anfangs nur durch allerlei Erscheinungen in der Materiewelt und dann durch manche Träume sogar und durch kleine innere Stößchen dahin gebracht werden, daß er über alle die Erscheinungen und Wahrnehmungen nachzudenken anfängt, – und das nicht gleich ein jeder Mensch, sondern nur der, welcher ganz geheim von Gott dazu bestimmt ist. Die andern hören es dann erst von solch einem geweckteren Menschen, machen dann auch Beobachtungen und denken darüber nach.

8. Wenn besonders geweckte Menschen viel darüber nachdenken, so wird es erst zugelassen, daß sie von selbst auf die Spur kommen, daß es einen Gott geben muß, der alles werden läßt und alles ordnet und leitet. Auf diese Weise entwickelt sich auf dem ganz natürlichen Wege die Erkennung eines allmächtigen, allgütigen und allweisesten Gottwesens.

9. Ist einmal die Menschheit allgemeiner zu dieser Erkenntnis gelangt, dann erst werden größere Offenbarungen und genauere Bestimmungen zugelassen, aus denen die Menschen schon heller und mit einer größeren Zuversicht das Gottwesen zu erkennen anfangen, aber dabei doch noch einen großen, ganz freien Spielraum haben, alles das ihnen Geoffenbarte als Wahrheit anzunehmen und danach zu handeln oder auch nicht anzunehmen und nicht danach zu handeln.

10. Wer die Offenbarung als wahr annimmt und danach handelt, der kommt dann auch bald zu stets hellerem Erkennen und zum wahren, selbständigen, freien Leben. Wer aber das nicht annimmt, sondern sich allein auf seine Vernunft und an seine Erfahrungen hält und danach handelt, der begeht darum keine Sünde; aber er bleibt dennoch zurück und wird um sehr vieles länger zu tun haben, bis er zur reinen Erkenntnis Gottes und zur Vollendung seines inneren, wahren Lebens gelangen wird.

11. Wer aber die volle Wahrheit einer Offenbarung annimmt und sie mit seinem Verstande klar einsieht, aber eigenwillig dagegen handelt, der sündigt und verdirbt dadurch sein Leben auch jenseits auf eine für euch oft undenkbar lange Zeitenfolge; denn der ist allen inneren Lichtes bar, da er weder seiner absoluten Vernunft, noch der wohlverstandenen Offenbarung willig Folge geleistet hat.

12. Wenn aber eine Seele also durch ihr eigenes Verschulden in die dickste Lebensfinsternis gelangt, so kann ihr Gott mit aller Seiner Allmacht auch nicht helfen, sondern muß sie in ihrem eigenen Zustande belassen, so lange, bis sie noch immer möglicherweise in sich anfängt, zu einiger Erkenntnis zu kommen. Ist das der Fall, so hat Gottes Liebe und Weisheit der geeignetsten Mittel und Wege in endlosester Fülle, solch eine Seele auf die unbemerkbarste Art zurechtzubringen. Und siehe, also steht das Verhältnis zwischen Gott und allen Menschen auf dieser Erde, welche da ist, um die Kinder Gottes zu tragen.

13. Was das Verhältnis der Menschen anderer Erden zu Gott betrifft, so geht das den Menschen dieser Erde gar nichts an; wenn sie aber als Kinder Gottes vollendet sein werden, dann erst werden sie das vollste Recht aus Gott, ihrem Vater, überkommen, sich auch darum zu bekümmern.

14. Nun aber geschieht von Gott aus für die Menschen dieser Erde wohl die höchste Offenbarung; denn mehr als Ich Selbst im Fleische der Menschen kann zu den Menschen dieser Erde ewig nimmer kommen. Wohl dem, der an Mich glaubt, sich nicht an Mir ärgert und dann also lebt und handelt, wie Ich es hier offenbar lehre! Denn wer Meine Worte hält und genau danach lebt und handelt, der wird es bald innewerden, daß diese Worte, die Ich zu euch rede und geredet habe, nicht Menschenworte, sondern Gottesworte sind, die in sich selbst Leben, Licht und die ewige Wahrheit sind.

15. Darum aber lassen wir auch die da unten, wenn sie an Mich auch nicht glauben wollen; denn es gibt ja daneben doch sehr viele schon, die an Mich glauben und darum das wahre, ewige Leben schon jetzt völlig in sich tragen; denn wahrlich, es gibt schon jetzt solche da, die den Tod nicht fühlen und schmecken werden! Wahrlich, Ich bin ein rechter Bräutigam, und wer an Mich glaubt und Mich liebt, ist wahrhaft Meine Braut! Und die Braut wird ebenalso in sich das ewige Leben haben, wie Ich es in Mir Selbst habe und es auch geben kann, wem Ich es geben will. – Verstehst du das?“

205. Kapitel. Die Willensfreiheit und die geistige Mission des Menschen auf Erden.

1. Sagte der Römer: „Wahrlich, Du bist ein Gott! Denn wärest Du nur ein Mensch mir gleich, nimmer möglich könntest Du so weise reden. Deine gestrigen Wunderzeichen bekommen erst durch diese Deine Worte, wie auch durch die heutigen im Tempel, die vollste Wahrheitsbestätigung. Viel haben wir schon in Rom von Dir sprechen hören; aber all dies Gerede ist dennoch nichts gegen diese Wirklichkeit. Aber jetzt essen und trinken wir wieder; denn das Vernommene ist endlos groß und tief, und wir müssen es erst ordentlich unter unser Verstandesdach bringen, auf daß wir dann fähig werden, etwas Weiteres von Deiner Gnade und Liebe zu vernehmen. Denn Du redest nicht, wie ein gewöhnlich vernünftiger Mensch da redet über ein kunst- und prachtvollstes Gebäude, sondern Du redest wie ein Baumeister, der das Gebäude von Grund aus selbst gebaut hat. Und darum heißt es, sich bei Deinen Reden wohl zusammennehmen und sie ordentlich von Punkt zu Punkt fassen und begreifen, so man daraus für sein Leben den wahren Nutzen ziehen will. Darum nun eine kleine Pause; etwas Brot und Wein wird uns das tiefere Begreifen erleichtern!“

2. Darauf aßen und tranken die Römer wieder ganz wacker darauf los, und wir aßen und tranken auch. Auch die etlichen siebzig Männer und das gerettete Weib aßen und tranken nach Herzenslust, besprachen sich über Meine Worte an die Römer und auch über das Zeugnis, das Mir der Römer ganz offen und unverhohlen gegeben hatte.

3. Auch Meine Jünger verwunderten sich heimlich sehr über den Verstand des Römers und sagten: „Da seht, wie bald kam dieser Stockheide ins klare, und die Juden da unten sehen noch immer den Wald vor lauter Bäumen nicht! Es ist doch wahrlich in hohem Grade merkwürdig, daß solche Menschen zu ihrem sogar irdisch größten Vorteile das allerhellste Licht des Lebens nicht freudigst erschauen wollen oder können!“

4. Sagte einer der dreißig Judgriechen: „Oh, begreifen könnten sie das schon; aber sie wollen das nicht, weil sie der Meinung sind, daß sie dadurch ihr Ansehen, ihre großen Reichtümer und ihr gutes Leben verlieren. Und da können die Engel sichtbar aus den Himmeln herab zu ihnen kommen und ihnen sagen, daß unser Herr und Meister Christus sei, so werden sie das doch nicht annehmen aus eben dem Grunde, den ich soeben angeführt habe, – was ich wohl am besten weiß, da ich weiß, wie sie sich zur Zeit des frommen Hohenpriesters Zacharias benommen haben. Ich und viele andere sahen den Engel Gottes mit dem frommen Manne reden und waren in uns ganz vollkommen überzeugt, daß das eine wahre Erscheinung war; aber der unbegrenzte Hochmut der anderen Pharisäer und ihre Selbstsucht setzten sich über alle diese Wahrheit hinaus und erwürgten ihn gleich darauf zwischen dem Opferaltare und dem Allerheiligsten. Wie sie aber damals waren, so sind sie noch bis zur Stunde und würden sogar mit Jehova zu Mosis Zeiten einen Kampf aufgenommen haben, so sie damals gelebt hätten. Und das sind noch immer von Dir, o Herr, geduldete Priester und sogenannte Diener Gottes, während sie doch schon lange für den Satan zu schlecht wären!“

5. Sagte Ich: „Lassen wir nun das; denn Ich habe ja soeben den Römern dargetan, wie von Mir aus alle Menschheit zum Leben erzogen wird, und die Priester sind ja auch Menschen. Aber so arg auch ihre freiwillige Starrheit ist, in allen Sünden zu verharren, so gibt sie euch aber dennoch einen klarsten Beweis, wie sehr von Gott aus des Menschen freier Wille als der einzige Keim zur Gewinnung des selbständigen, freien, ewigen Lebens der Seele geachtet und geschützt wird. Und weil er so geachtet und geschützt wird, so liegt eben darin auch der größte Beweis, daß Gott die Menschen nicht allein für diese Erde und für ihre kurze Lebenszeit geschaffen hat, sondern für ein ewiges, geistiges Leben, das aber eben nur durch die vollste Willensfreiheit der Seele in diesem kurzen Leibesleben vollkommen erreicht werden kann, – das aber auch verloren werden kann, so ein Mensch bis ans Ende in der freien Verstocktheit verharrt. Das heißt: es wird die Seele nimmer völlig aufhören, Seele zu sein; aber was für eine, das ist eine andere Frage. Denn jenseits läßt sich jene Vollendung nicht mehr erreichen wie in diesem Leben. Das Warum habe Ich euch schon oft gezeigt. So wir uns aber nun gestärkt haben werden, dann erst werden wir weitere Betrachtungen anstellen und von der großen Barmherzigkeit Gottes reden.“

6. Es werden aber heute noch allerlei Sünder und Zöllner und auch etliche verkleidete Pharisäer hierher kommen, die da erfahren haben, daß Ich Mich hier aufhalte. Mit denen werden wir unser Wesen haben; – aber verzehren wir die daseiende Speise und kehren darauf zu unserer Arbeit zurück! Solange Ich aber nun ruhen und essen werde, solange fraget Mich nicht um allerlei Dinge! Also sei es!“

7. Darauf aß und trank ein jeder still seinen Speise- und Trankrest, und das Sitzen an den Tischen hatte sein Ende bald erreicht.

206. Kapitel. Über Sünde und Opfer.

1. Es war kaum noch eine Zeit von drei Stunden bis zum Sonnenuntergange hin übrig, als wir uns von den Tischen erhoben und ins Freie hinausgingen. Wir gingen auf dem Berge etwa eine Viertelstunde lang umher und lagerten uns dann unter einer Gruppe von Ölbäumen. Da kamen schon eine Menge Menschen auf den Berg und fragten die Diener der Herberge, ob Ich Mich nicht allda aufhalte. Die Diener bejahten das und zeigten dahin, wo Ich Mich befand. Da die Angekommenen aber viele Menschen um Mich sahen, so getrauten sie sich nicht zu Mir hin.

2. Ich aber sagte zu Lazarus: „Lasse jene Menschen hierher kommen; denn es sind das schon diejenigen, die Ich ehedem im Hause erwähnt habe, daß sie kommen würden. Sie suchten Mich, und so sollen sie Mich auch gefunden haben.“

3. Da ging Lazarus und sagte ihnen das, und sie gingen schüchternen Schrittes zu Mir hin.

4. Als sie bei Mir ankamen, da erhob Ich Mich vom Boden und fragte sie, warum sie zu Mir gekommen seien.

5. Und ein Zöllner faßte Mut und sagte: „Herr und Meister, wir sind große Sünder, die wir vermöge unseres Amtes schon mehrere Jahre lang nicht des Tempels Feste, Opferungen und Predigten besuchen konnten; aber heute waren wir Deinetwegen im Tempel und vernahmen Deine Worte. Durch diese Worte wurden wir sehr erleuchtet und haben für uns die Überzeugung gewonnen, daß Du unfehlbar der verheißene Messias bist, obgleich Dich die Pharisäer nicht als einen solchen anerkennen wollen oder mögen.

6. Wir entnahmen aber auch aus Deinen wahrhaftigen Worten, daß Du Selbst eben kein zu großes Wohlgefallen am Tempel hast, und so wollen wir Dich, Du Wahrhaftigster, fragen, ob und wie wir von Gott die Vergebung unserer großen Sünden erlangen können. Was sagst Du, Herr und Meister, zu unseren Sünden? Dürfen wir noch hoffen, daß uns Gott barmherzig sein wird? Du hast im Tempel wohl gesagt, daß da alle, die mühselig und belastet sind, zu Dir kommen sollen und Du sie dann erquicken werdest, und so sind wir denn nun auch zu Dir gekommen, um von Dir sicher die wahre Erquickung zu bekommen.“

7. Sagte Ich: „Höret, was Ich heute im Tempel sagte, das gilt auch für euch hier auf diesem Berge! Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht, und die Wahrheit ist nicht in ihm; wo aber die Wahrheit nicht im Menschen ist, da ist auch keine Freiheit.

8. Daß ihr vermöge eures Amtes den Tempel und dessen Werke nicht besuchtet, das wäre gerade eure größte Sünde nicht; aber ihr bedrücktet gar oft zu sehr die Armen, die euer Zollhaus passieren mußten, und habt auch oft denen, die für euch arbeiteten, den Lidlohn (Gesindelohn) vorenthalten. Seht, das ist wahrhaft Sünde, und wer sie tut, kommt nicht in den Himmel, sondern in das Gericht und in den Tod!

9. Denn wer keine Liebe zu seinem Nächsten hat, der hat um so weniger eine Liebe zu Gott, den er doch über alles lieben soll. Denn wer schon seinen Nächsten nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht? Die Liebe zu Gott und daraus die Liebe zum Nächsten aber ist ja das Leben der Seele; wer diese nicht hat, der hat auch kein Leben, sondern nur das Gericht und den Tod in sich.

10. Ich aber sage nun euch, daß von Mir aus euch eure Sünden vergeben sind, weil ihr solche erkannt, bereut und verabscheut habt; aber es ist zur vollen Vergebung eurer Sünden auch noch das höchst nötig, daß ihr, wo möglich, denen, die von euch irgend verkürzt worden sind, das ersetzet, und daß ihr in Zukunft nicht mehr sündiget. Wer nicht bis auf den letzten Heller alles bezahlt hat, was er seinen Brüdern und Schwestern schuldete, der wird ins Reich Gottes nicht eher eingehen, als bis er gutgemacht hat, was er an seinem Bruder gesündigt hat. Tuet also, so werdet ihr das ewige Leben ernten, und eure Sünden sind euch völlig vergeben!

11. Niemand aber kann Gott und dem Mammon dieser Welt zugleich dienen; denn wer den Mammon sucht und liebt, der kann Gott nicht lieben. Wer aber Gott nicht liebt, der hat kein wahres Leben aus Gott in sich, sondern nur ein Scheinleben aus dem Fürsten dieser Welt, der in sich selbst tot ist und niemandem je etwas anderes als nur den Tod geben kann, der da seine Wesenheit ist für immerdar. Ihr wisset nun, was ihr zu tun habt; tuet also das, und ihr werdet leben in Ewigkeit!“

12. Sagte der Zöllner: „O Herr und Meister, wir danken Dir allerinbrünstigst für diesen großen Trost! Wir werden uns alle Mühe geben, um alles auf das pünktlichste zu erfüllen, bitten Dich aber noch um einen Rat, den Du uns noch allergnädigst erteilen wollest. Siehe, wir haben uns als Juden sehr am Tempel versündigt! Sind wir nun nach Deinem Sinne dem Tempel nicht schuldig, auch alles zu ersetzen, was wir ihm durch unsere Abtrünnigkeit entzogen haben?“

13. Sagte Ich: „Ihr könnet auch das tun, – aber Gott achtet dessen nicht; denn bei Gott gilt nichts als allein ein reines, sanftes, demütiges und liebevolles Herz. Was ihr aber dafür tun könnet, das bestehe darin, daß ihr das den Armen gebet, nach rechtem Maße und Ziel und zumeist den armen Witwen und Waisen; denn das ist Gott wohlgefällig. Aber den Tempel noch mehr bereichern, als er schon bereichert ist, das hat vor Gott nicht den allergeringsten Wert.

14. Wißt ihr, wie es im Propheten steht von der Verehrung Gottes im Tempel? Seht, also aber steht es im Propheten: ,Dieses Volk ehrt Mich mit den Lippen, aber sein Herz ist ferne von Mir!‘ Ich sage es euch: Alle großen Opfer, samt den Brandopfern, sind ein Greuel vor Gott; denn alles dessen benötigt Er nicht. Denn was sollet ihr von diesen irdischen Dingen Gott geben, die doch ihr zuvor von Ihm empfangen habt?! Gott bedarf nicht des Brandgeruches von geschlachteten Tieren; aber des Liebebrandes eurer Herzen bedarf Er als euer Vater von euch, Seinen Kindern. – Habt ihr solches nun wohl verstanden?“

15. Sagte ein hintenstehender, freilich verkleideter Pharisäer, um Mich zu versuchen: „Meister, so denn die Opfer vor Gott gar keinen Wert haben, weshalb hat sie denn Moses und Aaron auf Jehovas Geheiß eingesetzt?“

16. Sagte Ich: „Um euch ein Bild zu geben von dem Opfer Dessen, der Sich nun in dieser Zeit freiwillig für alle Menschen aufopfert aus purster Liebe. Dann ward aber das Brandopfer und das Schlachtopfer auch zu einem Zeugnisse wider euch eingesetzt, auf daß ihr euch allzeit dabei erinnern sollet, daß ihr allzeit Sünder und von dem wahren Gott Abtrünnige waret und daher eines Sühnopfers bedurftet, das euch als ein treffendes Bild allzeit sagte, daß ihr euch durch eure vielen Sünden von Gott abgewendet habt und eines Mittlers benötiget, der euch mit Gott wieder verbinde und vereine.

17. Und so hat das eingesetzte Opfer keinen andern Wert als nur den der Belehrung. Es ist auch darum, von euch dargebracht, von gar keinem tatsächlichen Werte, der auch vor Gott etwas gölte, sondern hat für euch allein den Wert eines euch belehrenden festen Gotteswortes, gegeben in einem wohlentsprechungsvollen Zeichen, das für den Weisen sicher wohlverständlich ist. Wer es versteht, der hat dann auch schon alles, was das Zeichen lehrt. Soll das Zeichen für den Menschen aber auch bei Gott einen Wert haben, so muß er aus seinem Herzen also handeln, daß sein Handeln dem geistigen Sinne des Zeichens entspricht.

18. Der eigentliche geistige Sinn des Opfers, das ihr nun noch, aber ganz blind und sinnlos, verrichtet, und das darum auch für gar niemanden mehr irgendeinen Wert hat, aber besteht darin, daß ihr Gott über alles und euern Nächsten wie euch selbst lieben sollet, und daß ihr nicht treiben sollet allerlei Unzucht, Hurerei und Ehebruch. – Verstehst du das?“

19. Da machte der Pharisäer große Augen und sagte zu seinem Nebenmann: „Was meinst du, wie spricht und lehrt dieser Mensch?“

20. Sagte der Gefragte: „Der Mensch hat einen klaren Verstand, was nicht in Abrede zu stellen ist; aber nun werde ich ihm eine Frage stellen, und wir werden sehen, wie er diese beantworten wird.“

21. Hierauf wandte er sich zu Mir und sprach: „Meister, du hast recht geantwortet; aber da man schon den Nächsten wie sich selbst lieben soll, so fragt es sich denn, wer so ganz eigentlich mein Nächster ist.“

22. Sagte Ich: „Zuerst ein jeder Mensch, der irgend möglich deiner Hilfe bedarf, und zum zweiten dann auch jeder Fremde, ob er auch ein Heide wäre vom Ende der Welt her. Ich will euch aber ein Gleichnis geben, nach dem ihr dann urteilen möget, wer ein ganz rechter Nächster zu euch ist.“

23. Hierauf erzählte Ich ihnen allen das Gleichnis vom barmherzigen Samariter und fragte dann den Fragesteller: „Wer war da des Halberschlagenen Nächster?“

24. Sagte er: „Der ihm die Wohltat erwies!“

25. Sagte Ich: „Gut, so gehe hin und tue desgleichen, so wirst du Gott ein höchst angenehmes und wahres Opfer darbringen, das besser sein wird als eure Brand- und Schlachtopfer!“

26. Hierauf erwiderte keiner der verkleideten Pharisäern mehr etwas; alle andern aber lobten Gott, daß Er dem Menschen solch eine Weisheit gegeben hatte.

207. Kapitel. Jesu Betrachtungen über Jerusalem und über die Endzeit der Erde. Das tausendjährige Reich und das Feuergericht.

1. Ich aber erhob Mich vollends und ging mit den Jüngern ein wenig fürbaß. Allda waren der schönen Aussicht halber mehrere Bänke und anderartige Sitze angebracht. Daselbst hielt Ich an und setzte Mich. Von da aus übersah man Jerusalem am besten.

2. Die Jünger betrachteten die schöne Stadt, und Johannes sagte in einem wehmütigen Tone zu Mir: „Herr, Du meine Liebe, ist es nicht doch ewig schade um diese Stadt, daß sie nach Deiner Aussage schon in der jüngsten Zeit gar so elendiglich zerstört werden wird?“

3. Sagte Ich: „Du, Mein geliebter Johannes, hast hier eine für diesen Punkt ganz taugliche Bemerkung gemacht und siehst auch in Meinen Augen Tränen. Aber was kann man hier noch mehr dawider tun?! Seht, um der Erhaltung dieser Mauern willen die ganze Einwohnerschaft durch einen Würgengel vertilgen, wäre sicher nicht etwas besonders Weises, sondern etwas sehr Bedauerliches; denn es leben nun ja doch noch mehrere Tausende in diesen Mauern, die in der Zeit doch noch an Mich glauben werden! Und ihr sehet dort die etlichen siebzig und die vielen Zöllner samt den etlichen verkleideten Pharisäern und Schriftgelehrten; die werden schon heute noch völlig an Mich glauben, und es gibt deren noch gar viele im Volke, die in der Folge auch noch bekehrt werden. Darum soll dieser Ort denn auch solange verschont werden von einem wie immer gestalteten zu großen Gerichte. Aber wenn alle die guten Fischlein aus diesem Teiche werden ausgehoben sein und darin nichts als Nattern und ekelhafte Frösche herumschwimmen werden, dann wird es auch an der Zeit sein, den elenden Sumpf durch Feuer und Erdbeben zu verschütten.

4. Oh, da sehet euch diese ganze Landschaft an! Wie sah diese vor zehnmal tausendmal tausend Jahren aus?! Da gab es noch gar wenig Festland, und von allen diesen nun so üppig bewachsenen Bergen und Tälern war damals noch keine Spur. Erst durch nachfolgende, viele Tausende von Jahren währende, für euren Verstand undenkbar großartigste und beinahe auf der ganzen Erde allgemein tobende Feuerausbrüche ist nach und nach die Erde erst zu dieser Gestalt gekommen.

5. Und seht, also wie mit der naturmäßigen Bildung der Erde geht es denn auch mit der geistigen Bildung des Menschen vorwärts! Jetzt ist in den Gemütern der Menschen noch alles voll der höchsten Stürme und Ausbrüche des wildesten Feuers. Die wildesten Leidenschaften machen sich Luft und verheeren alles in und über sich. Aber lassen wir das, – denn es wird schon eine Zeit kommen, in der sich alle solche Leidenschaften in ein ruhiges und fruchtbares Erdreich umgestalten werden, und dann erst wird es völlig helle und wonniglich unter den Menschen werden! Doch wird es aber der wahrhaft guten und reinen Menschen stets eine geringere Anzahl geben als derjenigen, die sich noch immer von ihren Weltleidenschaften mehr oder weniger werden beherrschen lassen.

6. Solch eine bessere Zeit wird tausend und noch etliche Jahre währen und wird gleichen der gegenwärtigen Gestalt dieser Erde, die nun, von nur wenigen Stürmen heimgesucht, in einer gewissen Ruhe und Ordnung voll üppiger und fruchtreicher Fluren ist, aber daneben dennoch bei weitem mehr unfruchtbare und sehr stürmische Wüsten zählt als ruhige und fruchtbare Lande, – abgesehen vom großen Weltmeere.

7. Aber nach solcher über tausendjährigen Zeit wird die Erde abermals eine große Feuerprobe zu bestehen bekommen. In solcher Zeit werden die Berge auf dieser Erde auch zu einem ebenen und fruchtbaren Lande werden, und das Meer wird das tote Land, das noch in seinen Tiefen begraben liegt, vielfach hergeben müssen, und die besseren Menschen werden es in Besitz nehmen und es bald in ein Eden umgestalten. Da wird dann für immerhin, bis zur völligen Auflösung der ganzen Erde, der wahre Friede herrschen und der Tod sein Recht nicht und nimmerdar haben.

8. Aber wie die Berge der Erde einst dem ebenen Lande gleichgemacht werden, also werden auch die Menschen ihren Hochmut durch harte Prüfungen gänzlich ablegen müssen, ansonst es auf der Erde unter den Menschen nimmerdar zu einem wahren, inneren Frieden käme. Denn den Krieg gebiert nur der Hochmut der Menschen; hört der Hochmut auf, dann hören auch Mißgunst, Neid, Geiz, Haß, Unfriede und mit ihm aller Zank, Hader, Streit und Krieg auf.

9. Und also wird diese nun so weltberühmte und nahezu älteste Stadt, zu deren Mauern schon der große König von Salem den Grundstein gelegt hat, als nun ein höchster Hochmutsberg moralisch und materiell sehr erniedrigt und dem ebenen Lande gleichgemacht werden, und es wird mit ihr gehen wie mit einem alten, sehr hohen Zedernbaume, der, weil er dürr, morsch und tot geworden ist, von einem Sturme an seiner faulen Wurzel abgebrochen, dann von den Holzknechten zersägt, mit der Axt zerhauen und im Feuer verbrannt wird.

10. Bei dem Baume verursachte das seine Natur, bei dem Menschen aber verursacht das sein böser Wille, der sich unter kein noch so weises Gesetz fügen will, so wie einst die Hanochiten durch ihren zügellosen Ungehorsam die Sündflut über sich gebracht haben, in der sie alle übel umgekommen sind. Wie viele tausend Male sind sie von Mir durch eine Menge Seher gewarnt worden, die Berge in Ruhe zu lassen! Allein niemand von ihnen achtete darauf. Sie aßen, tranken, schwelgten und sündigten auf alle mögliche Weise, sie freiten und hielten große Hochzeitsmähler, bis die Flut von allen Seiten her über sie hereinbrach und sie alle ersäufte. Ebenso wird es auch hier sein.

11. Diese überhochmütige Schlangenbrut wird sich mit der Zeit in ihrer Blindheit und in ihrem Machtwahne über die Römer erheben und sie aus diesem Lande hinaustreiben wollen. Und das wird ihr Ende sein. Der Feldherr und nachher auch Kaiser ist bereits schon geboren, der dieser Stadt und ihrem Volke den Garaus geben wird.

12. Und zu Ende dieser Weltmenschenzeit – nicht etwa auch dieser Erde – wird es eben also gehen: Die Menschen werden in selbiger Zeit zwar keine Berge bis zu ihren tiefsten Grundlagen abgraben, wie es die Gold und Edelsteine suchenden Hanochiten getan haben, auch werden sie keine Römer mehr in Harnisch zu bringen vermögen; aber sie werden durch allerlei Maschinen, durch Feuerkraft getrieben, anfangen, mittels unglaublich tiefer Schächte und Löcher ins Innere der Erde zu dringen, durch die die höchst brennbaren Gase (brennbare Luftarten) in großen Massen auf die Oberfläche der Erde dringen werden. Und wird einmal die atmosphärische Luft mit solchen Gasen zu sehr gesättigt sein, so werden sich diese beinahe um die ganze Erde entzünden und alles zu Asche verbrennen. Nur wenige Menschen werden dabei am Leben bleiben. Doch die da bleiben werden, die werden aber dann auch Menschen von echtem Schrot und Korne sein. Diese werden dann wahrhaft eine ganz erneute Erde bewohnen, und ihr und viele, die nach euch in Meinem Namen kommen und erweckt werden, werden ihre Lehrer und Führer sein.

13. Von da an erst wird Mein Reich auf dieser Erde vollends ausgebreitet sein, und die Menschen der Sonne werden mit Meinen Kindern dieser erneuten Erde in eine vollste und gleichberechtigte Gemeinschaft treten und großwachsen in der Liebe Meiner vollwahren Kinder.

14. Das was Ich euch jetzt gesagt habe, aber, behaltet für euch; denn in dieser Zeit würde das wohl niemandem zu seinem Heile etwas nützen, so er auch davon alles klar wüßte. Zur rechten Zeit aber werde schon Ich Selbst den Menschen, wenn sie Tieferes werden vertragen können, solche Dinge umständlich kundmachen. – Habt ihr alle davon nun wohl alles verstanden?“

15. Sagte Johannes: „Herr, Du meine alleinige Liebe, das habe ich wohl begriffen; denn Du hast Dich da einmal wieder ganz klar ausgesprochen, und darum habe ich es von Dir auch ganz leicht verstehen können! Ob die andern Brüder alle das alles auch also verstanden haben, das natürlich werden sie für sich wohl sicher ganz gut wissen!“

16. Sagten bis auf den Judas alle, daß auch sie alles recht wohl verstanden hätten.

17. Nur dieser Jünger sagte (Judas): „Mir, Herr, ist nicht alles klar!“

18. Sagte Ich: „So es den andern Brüdern klar ist und dir aber nicht, der du dich mit deinem Verstande noch allzeit am meisten zu brüsten wußtest, da gehe hin zu den Brüdern, und sie werden dir das Unverstandene schon verständlich machen! Die Demut aber begreift alles eher denn der starre, eigensinnige Hochmut, der, so du noch länger bei ihm verharrst, dein Teufel, dein Richter und dein Tod sein wird. Was wohl hast du vor all den andern voraus, darauf du dir soviel zugute tust?! Demütige dich selbst, auf daß du den Schlingen des Satans entrinnen mögest!“

19. Da kehrte sich Judas um und ging hin zu Nathanael, mit dem er noch am besten harmonierte, und fragte ihn um dies und jenes ehedem Unverstandene, und Nathanael erklärte es ihm. Und als nun auch dieser Jünger so ziemlich im klaren war über das von Mir ehedem den Jüngern Prophezeite, da gab er sich wie in Ruhe und fragte um nichts Weiteres.

20. Einer von den Judgriechen die auch bei Mir waren, aber meinte, daß es vielleicht doch nicht schaden würde, so man den andern Juden auch etwas davon zu verstehen gäbe.

21. Sagte Ich: „Was irgend not tut, das werden sie schon noch zur rechten Zeit erfahren; alles aber brauchen sie durchaus nicht zu wissen. – Nun aber kommt unser Lazarus. Wir wollen auf ihn warten! Er hat nun viel mit den verkleideten Templern geredet, und wir wollen nun sehen, was er uns bringen wird.“

208. Kapitel. Bericht des Lazarus über ungläubige Pharisäer.

1. Lazarus kam alsbald an und sagte: „Herr und Meister! Unbeschreiblich leid ist es mir, daß ich nicht bei Dir hier bleiben konnte; aber ich sah ein, daß Du Ruhe haben wolltest, und so ging ich zurück zu dem Volke, damit ich es aufhielt, auf daß es Dir nicht auf den Fersen nachziehen und Dich in Deiner Ruhe stören möchte. Natürlich wurde da von nichts anderem geredet als nur allein von Dir, und zwar viel pro und wenig contra.

2. Die Römer haben die etlichen verkleideten Templer auf eine ganz eindringliche Weise bearbeitet, so daß die Templer am Ende gar keine Einwendung mehr vorzubringen imstande waren. Zwei wären nahe daran, an Dich zu glauben; aber die andern reiten noch darauf, daß aus Galiläa kein Prophet aufstünde. Aber das gerettete Weib hat ihnen eine ganz gute Einwendung gemacht, indem es sagte: ,Da habt ihr wohl sehr recht, da es wahrlich also geschrieben steht, daß aus Galiläa kein Prophet aufsteht; aber Dieser ist ja auch kein Prophet, sondern Er ist der Messias, also der Herr Selbst, der Sich durch die Propheten zum voraus angekündigt hat! Da steht aber nirgends geschrieben, daß der Messias Selbst nicht aus Galiläa aufstehen werde! Dazu habe ich es eben zuvor von diesen Männern als wahr vernommen, daß eben dieser Herr und Meister, den ihr verfolgt, und an den ihr nicht glauben möget, nicht irgend in Galiläa, sondern zu Bethlehem in Judäa geboren und am achten Tage nach Seiner höchst denkwürdigen Geburt im Tempel beschnitten wurde und den Namen Jesus aus Bethlehem erhielt. Wenn die Sachen um diesen Gottmenschen aber also stehen, wie sagt ihr dann, daß aus Galiläa kein Prophet ersteht?‘

3. Herr, als dieses wahrlich höchst anmutige Weib die Templer bearbeitet hatte, da zollten ihr alle Römer, die etlichen siebzig Männer und auch alle die anwesenden Zöllner den vollsten Beifall und forderten die Templer auf, die gute Rede des Weibes zu widerlegen; aber es konnte ihr da keiner irgend etwas entgegnen, und so triumphierte das Weib ganz ordentlich vor dem Volke gegenüber den hochweisen Pharisäern und Schriftgelehrten, – was meinem Herzen ein wahrer Balsam war. Ich habe darum dem Weibe und ihrem Manne auch sogleich versprochen, daß sie deshalb lebenslänglich bei mir versorgt sein sollen mit allem, was ihnen not tut, – worüber die Templer sehr ihre Nasen rümpften, sich aber doch nichts Weiteres zu sagen getrauten.

4. Darauf kehrte sich der Römer Agrikola zu den am meisten ungläubigen Templern und sagte: ,Es ist, meine Freunde, wahrlich ganz sonderbar komisch mit euch! Ihr seid als Priester und Lehrer des Volkes doch offenbar sehr bewandert in euren Schriften und Lehren, in denen mit Händen zu greifen von eben diesem Manne geschrieben steht. Alle in den Propheten erwähnten Umstände, unter denen euer Messias zu euch kommen soll, treffen mit diesem Manne auf ein Haar zusammen und stimmen mit allem überein. Wie möget ihr dann noch sagen, er sei das nicht, als was er sich selbst durch Wort und Tat vor aller Welt offen, ohne den geringsten Hinterhalt, ankündigt?!

5. Ihr seid doch auch Menschen und habt des Vermögens in gerechter Menge, durch das sich einer oder der andere von euch in Gold und Seide kleiden könnte. Und so er, in kaiserliche Pracht gekleidet, sich dem Volke vorstellen und sagen würde: ,Höre Volk, ich bin der verheißene Messias der Juden!‘, – gelt, dazu hätte auch der Verschmitzteste und Verwegenste von euch allen den Mut nicht, weil er schon zum voraus wissen würde, wie solch eine Erklärung vom Volke und von seinen früheren Kollegen aufgenommen werden würde. Wer gibt denn dann diesem schlichten und ganz einfachen Menschen den Mut, vor euch wie vor aller Welt laut zu verkünden, daß eben nur Er der verheißene Messias der Juden und eigentlich aller Menschen dieser Erde sei?! Und was Er von Sich aussagt, das bestätigt Er mit Wort und Tat. Wenn aber vor aller Menschen Augen und Ohren also, – warum glaubet ihr das nicht? Warum können denn wir Heiden das ungezweifelt glauben – und warum ihr nicht? Weil ihr voll Hochmut und voll der allerschmutzigsten Eigenliebe seid!

6. Wir Römer aber sind das noch nie gewesen; denn bei uns gilt noch immer der alte Rechtsgrundsatz: Gib jedem das Seinige, beleidige und betrüge niemanden, und lebe ehrbar! Prüfet alles, und behaltet das Wahre und Gute, und was du tust, das tue klug und sei der Folgen eingedenk! – Diesen unseren Grundsätzen lebt ein jeder biedere Römer getreu und ist für alles Große und Wunderbare mit ganzer Seele eingenommen. Ihr aber saget, daß ihr schon gleich soviel wie Götter selbst seid; und taucht unter euch irgend etwas wahrhaft Göttliches auf, so hasset ihr es mehr als den Tod und wollet von selbem nichts wissen und hören. Ja, welcher Art Menschen seid ihr denn da?‘

7. Darauf sagte ein Verkleideter: ,Ja, ja, euch Römern als nun unseren Herren und Gebietern ist ein solch schwacher, es mehr mit euch als mit uns haltender Messias freilich wohl recht, und ihr werdet begreiflicherweise allzeit für solch einen eingenommen sein; aber so da der wahre und mächtige Messias kommen wird, der wird euch hinaustreiben aus dem Lande und wird dann Selbst herrschen in unserem Lande und dann bald auch über die ganze Welt!‘

8. Da mäßigte sich der Römer und sagte in einem ganz gelassenen Tone: ,Daß ihr euch den Messias also vorstellt, das hat uns heute eben unterm Mahle jener von euch nicht geglaubte und angenommene Messias haarklein gezeigt. Aber ich sage es euch: auf solch einen Messias werdet ihr sehr vergeblich warten! So ihr aber saget, daß uns Römern dieser Messias recht sei, weil Er schwach sei und keine Macht habe, dann seid ihr böswillige Lügner und verleugnet, was ihr von diesem Manne nur zu gut wisset! Ich sage es euch: Dieser Eine hat endlos mehr Macht und Kraft in Seinem Willen als alle noch so mächtigen Reiche in der ganzen Welt! Das wissen und kennen wir, da wir es von den glaubwürdigsten Augen- und Ohrenzeugen bis nach Rom vernommen haben. Und ihr seid hier und sagt uns Römern unverschämt ins Gesicht, daß wir Ihm Seiner Schwäche wegen zugetan seien?! Nun, wartet, so Er wiederkehrt, da werden wir Ihn bitten, daß Er euch ein Pröbchen von Seiner Allmacht zu schmecken geben wolle, und wir werden dann sehen, ob ihr noch sagen werdet, daß Er schwach sei!‘

9. Darauf schwiegen die Verkleideten, und die Römer berieten sich untereinander, was sie da tun sollten; denn sie schienen die Sache der Verkleideten eben nicht gar zu gleichgültig aufgenommen und begriffen zu haben.

10. Da ich wohl sah, daß einige hitzigere Römer die Sache und die Unverschämtheit von – sage – nur zwei verkleideten Pharisäern sehr ungünstig aufnahmen, so sagte ich zu ihnen: ,Liebe Männer aus Rom, der großen Kaiserstadt! Achtet doch nicht auf das sinnlose Gerede dieser zwei Blinden! Denn hätten sie einen Funken lichteren Verstandes, so würden sie sicher keine solchen Worte von sich gegeben haben. Wir gar vielen sind ja auch Juden, und unser Herr und Meister ist es auch, und wir achten euch hoch und sind der weisen Regierung Roms vielen Dank schuldig; denn sie ist unser Schutz und Schirm vor den oft zu unmäßigen Bedrückungen von seiten des Tempels und von seiten des Landpächters Herodes. Wir wissen, was wir an den Römern haben; diese aber als vermeintliche Selbstherren wissen das nicht oder wollen es nicht wissen, und so denn achtet nicht auf ihr leeres Gerede! Ich aber werde den Herrn Selbst auf den Knien bitten, daß Er diesen Blinden ein Pröbchen von Seiner Macht geben wolle, auf daß euch diese Toren nicht vorhalten können, als hieltet ihr nur auf Seine Schwäche!‘

11. Mit dieser Rede beschwichtigte ich die Römer und ging darauf erst zu Dir herüber und bitte Dich denn nun auch darum, daß Du diesen etlichen blinden Pharisäern zeigen mögest, daß Du kein schwacher, sondern ein allmächtig starker Messias bist!“

209. Kapitel. Jesu Wunder in der Herberge.

1. Sagte Ich: „O du Mein Freund und Bruder! Diese Blinden aus eigenem bösen Wollen wissen nur zu gut, daß Ich sehr mächtig bin, und sie bedürfen keines noch größeren Beweises Meiner Weisheit, Kraft und Macht; denn sie hassen Mich ja eben darum, weil sie Mich Meiner Weisheit und Meiner Macht wegen fürchten. Also darum wäre es wahrlich nicht nötig, diesen Blinden einen neuen Beweis Meiner Macht zu geben; aber den Römern zuliebe werde Ich ganz unversehens doch etwas tun, auf daß dadurch die Römer eine Sache wider sie in ihren Mund bekommen. – Da nun aber die Sonne schon knapp am Horizonte steht, so wollen wir denn aufbrechen und ins Haus ziehen. Wer uns folgen will, der wird uns dann schon im Hause finden; denn im Freien werde Ich heute nichts mehr reden und tun. Und so begeben wir uns denn ins Haus!“

2. Sagte Lazarus: „Herr, mein Haus hat zwar eine große Räumlichkeit, – ob es aber alle, die nun da sind, fassen wird, das weiß ich nicht!“

3. Sagte Ich: „Sorge dich nicht darum; denn friedliche Schafe haben viele Platz in einem Schafstalle! Auf die zwei etwas räudigen Pharisäer wird es da nicht ankommen. Gehen wir denn!“

4. Darauf gingen wir und waren bald im Hause an unserem Tische, auf dem sich schon Brot und Wein befand. Wir aber hatten uns noch kaum gelagert, so drangen auch schon alle, die draußen ehedem noch ganz lebhaft miteinander Worte tauschten, zu uns in den großen Speisesaal; aber so viele ihrer auch waren, so fanden sie doch alle bequem Platz, und Lazarus und sein Wirt wunderten sich darob.

5. Und der Wirt sagte: „Entweder sind die Menschen kleiner – oder der Saal ist größer geworden! So viele Menschen waren noch nie in diesem einen Saale beisammen! Und woher sind alle die bestgeordneten Tische und Stühle gekommen, und woher auf einmal soviel Brot und Wein? Ich habe noch keinen Tropfen und auch nicht ein Stückchen Brot aufgetragen. Wie ging denn das zu? Hast du heimlich den Dienern befohlen, daß sie das tun sollen?“

6. Sagte Lazarus: „Ich sicher noch weniger als du! Das hat schon wieder der Herr also angeordnet durch Seinen allmächtigen Willen. Ich und die Römer durch mich haben Ihn der blinden hier verkleideten Pharisäer wegen um ein Zeichen gebeten, und wie ich's nun deutlich sehe, so hat Er es auch ganz unbemerkt schon gewirkt. Und sieh auf den Tisch der Römer hin! Die Weinkrüge reinstes Silber, und die Trinkbecher blankstes Gold! Hast du etwa derlei zur Bedienung der Gäste?!“

7. Hier machte der Wirt große Augen und noch größere die Römer.

8. Agrikola war ganz außer sich vor Bewunderung über solch eine Auszeichnung und sagte zu Lazarus: „Freund, warum ehrst du uns denn heute abend also, und warum hast du das nicht schon gestern abend und heute am Tage getan? Denn das ist ja nun eine solche Prachtehrung, welche jene, die es haben, ausschließlich nur einem Kaiser tun.“

9. Sagte Lazarus: „Meine Freunde! Wenn ich solche Geschirre gestern und heute gehabt hätte, wahrlich, ihr wäret stets also bedient worden; aber es sind diese Geschirre mir ganz unbewußt gleichsam wie ins Haus und hier auf euren Tisch gebracht worden, und so meine ich, daß das schon das gewisse Machtpröbchen wegen der an Seiner Macht Zweifelnden sein wird!

10. Es geht hier nun schon in allem ganz wunderbar zu. Seht die vielen Tische im Saale an! Sie sind da, und weder ich noch mein Wirt wissen es, woher sie gekommen sind! Auch befindet sich auf allen Tischen Brot und Wein in schwerer Menge, und weder der Wirt noch ich und irgendeiner unserer Diener haben eines von beiden auf irgendeinen Tisch gesetzt! Dazu weiß ich nur zu genau, wie viele Gäste im äußersten Falle hier Raum zur Genüge haben. Und nun sind gut fünfmal soviel Gäste da, und es ist noch freier Raum zur Genüge für noch einmal so viele, und dennoch hat der wahrlich sehr vergrößerte Saal seine vorige Gestalt ganz unverändert! Wenn ihr diese Sache so recht bei Lichte betrachtet, so ist das alles ja doch noch mehr als das von euch verlangte Machtpröbchen des puren Willens unseres Herrn und Meisters!“

11. Sagte der ganz über und über erstaunte Römer: „Ja, Freund, da wirst du schier recht haben! Denn hättest du auch für uns irgend heimlich die kostbaren Geschirre von deinem Bethanien herschaffen lassen, wobei wir dreißig doch bemerkt hätten, daß irgend etwas ins Haus gebracht worden wäre – außer, du hättest von hier bis nach Bethanien einen unterirdischen Gang, was sehr zu bezweifeln ist –, so hättest du aber in den wenigen Stunden doch nicht alle die vielen Tische und Stühle herbeischaffen und den Saal erweitern können! Und somit ist das wahrhaft ein nie erhörtes Wunderwerk, und der es bewirkte, ist ein Gott und kein Mensch mehr!“

12. Hier schauten (staunten) die im ganzen nun fünf Pharisäer und ein paar Leviten und wußten nicht, was sie dazu sagen sollten.

13. Da es aber im Saale bald recht dunkel geworden war, so mußten Lichter angezündet werden, was da stets etwas beschwerlich war; denn man hatte in jener Zeit keine derartigen Zündapparate wie heutzutage. Wenn das sogenannte ewige Licht, womit jedes Haus versehen war, erlosch, so mußte man zu einem Nachbar gehen und allda Feuer leihen, oder man mußte gewisse ganz trockene Hölzer miteinander so lange reiben, bis sie zu brennen begannen. Diesmal aber war auch in diesem Hause das Feuer ganz ausgegangen, und die Diener rieben die gewissen Hölzer, die aber diesmal nicht brennend werden wollten. Und so ward es stets dunkler, und niemand konnte ein Licht zustande bringen.

14. Da kam Lazarus zu Mir und sagte: „Herr, es ist im ganzen Hause das Feuer erloschen, und wir können nun kein Licht zustande bringen! Dir ist ja alles möglich; so Du willst, erzeuge Du uns ein Licht!“

15. Sagte Ich: „So setzet die Lampen auf die Tische, und bestellet auch die Wandlichter; dann werde Ich sehen, ob wir ein Feuer zuwege bringen werden!“

16. Es ward alles hergestellt und hergerichtet, und Ich sagte: „Wie es im ersten Buche Mosis geschrieben steht, da Gott sprach zu den Finsternissen: ,Es werde Licht!‘, und es ward Licht in den Weiten der Schöpfung, ebenalso habe auch Ich die Macht, zu sagen: Es werde Licht in diesem ganzen Saale und in dem ganzen Hause!“

17. Als Ich solches ausgesprochen hatte, da erbrannten augenblicklich alle Lampen im ganzen Saale und also auch im ganzen Hause, und in der Küche brannte das Holz auf dem Herde, so daß da die Köche sich an die Bereitung der Speisen machen konnten.

18. Als die Pharisäer das sahen, da wurden sie ganz verblüfft, sahen sich nach den Römern um und erwarteten, was etwa diese zu dieser Erscheinung sagen würden. Aber die Römer konnten sich selbst vor lauter Staunen gar nicht fassen, so daß beinahe eine halbe Stunde verstrich, bis die Zungen wieder in Bewegung gesetzt wurden.

19. Aber da erhob sich Agrikola, ging an den Tisch, an dem ganz separat die Verkleideten saßen, und sagte zu ihnen: „Saget mir, wie euch solche Schwäche dieses wahrsten Messias gefällt! Nennet ihr das nun auch noch eine Schwäche, oder könnet etwa auch ihr das Gleiche mit eurem puren Willen bewirken? Könnet ihr solche kostbaren Trinkgeschirre also erschaffen und sie mit dem köstlichsten Weine füllen? Könnet auch ihr das herrlichste Brot aus der Luft herzaubern, dann die Tische und die Bänke? Euer Tisch und eure Bänke und Stühle sind doch sicher fest genug, und sie sind nicht gemacht, sondern erschaffen bloß durch den Willen Dessen, von dem ihr behauptet, daß wir Römer Ihm nur deshalb also sehr zugetan sind, weil wir von Seiner Schwäche gewisserart nichts zu befürchten hätten. Was also saget ihr nun dazu?“

210. Kapitel. Zweifel der Pharisäer über Jesus als Messias.

1. Darauf sagte ein Pharisäer mit stark verlegener Stimme: „Es ist das alles ganz außerordentlich, und es ist noch nicht erhört worden, daß Menschen solche Taten jemals verrichtet hätten! Aber wir haben auch schon andere Magier gesehen, die auch unbegreifliche Dinge zustande gebracht haben, – ob mit natürlichen Mitteln, oder ob irgend mit Hilfe dienstbarer Geister, das sind wir nicht zu beurteilen imstande. Und so kann dieser Mensch auch Geheimnisse besitzen, die er sich irgend durch sein großes Talent zu eigen gemacht hat, und hinter die er niemanden wird sehen lassen. Bevor man dann so einen Menschen noch für einen Gott annehmen kann, muß man wohl vieles und eigentlich schon gar alles prüfen und daraus erst ersehen, wen man da so ganz eigentlich vor sich hat. Ich bestreite nicht die Möglichkeit, daß er der wahre Messias sein kann; aber das ohne eine gehörige Prüfung annehmen, ist immerhin eine bedenkliche Sache.

2. Bei uns Juden gibt es ein Gesetz, demnach es nur einen Gott gibt, an den wir glauben sollen, und wir sollen keine fremden Götter neben Ihm haben. Nehmen wir diesen auch als einen Gott an, was ist dann mit dem alten Gesetze? Dann müssen wir an zwei Götter glauben, zuerst an einen sichtbaren, der uns hier am nächsten wäre, und dann an den unsichtbaren, von dem es auch heißt, daß Ihn kein Sterblicher sehen und dabei das Leben behalten kann.

3. Ihr Römer habt es da mit eurer Götterlehre um sehr vieles leichter. Ihr habt im ganzen mehrere Tausende von Göttern, die ihr verehret, und da kommt es auf einen wahrlich nicht an, dessen Gedächtnis ihr wieder in euren Olymp und in euer Pantheon setzet. Aber bei uns Juden ist das ganz himmelhoch anders. Wir können uns unter unserem kommen sollenden Messias nur einen mächtigen Propheten, so einen potenzierten Moses oder Elias, vorstellen, der allenfalls nebst seiner geistigen Kraft eines Hohenpriesters auch die eines Königs, wie einst David war, besitzt; aber daß der verheißene Messias entweder der alte Jehova Selbst oder doch mindestens ein wahrer Sohn von Ihm sein soll, das ist trotz all der wahrhaft großen Zeichen, die er nun vor unseren Augen verrichtet, für uns mit dem alten Gesetze vernagelte Juden schwer anzunehmen.

4. Er sagt freilich, daß der das ewige Leben haben wird, der an ihn glaubt; aber da sollte der alte Jehova Sich doch auch irgend vernehmen lassen und anzeigen, daß dieser Nazaräer wahrhaft Sein Sohn ist, und sollte aufheben das alte, uns überlästige Gesetz, und wir werden dann gerne statt an einen an zwei Götter glauben. Aber es geschieht so etwas, wenigstens vor unseren Augen und Ohren, nicht, und so bleibt uns vorderhand leider nichts anderes übrig, als beim alten Gesetze zu bleiben.“

5. Sagte der Römer: „Du hast nun zwar ganz taktmäßig gesprochen; aber wir Römer wissen es nur zu gut, wieviel ihr für euch aufs alte Gesetz haltet. Euch liegt an dem, was euch eure Gotteslehre und euer Tempel eintragen; euern Jehova samt Moses und den anderen Propheten verkauft ein jeder von euch um etliche Pfunde Goldes und Silbers! Wäre es nicht also, so würdet ihr die Samaritaner nicht hassen und verfolgen aus dem Grunde, weil sie eure neuen Satzungen nicht annehmen und fest bei Moses und den anderen Propheten stehengeblieben sind!

6. Seht, wir sind zwar Römer, aber wir wissen in Rom um jedes Verhältnis in unseren asiatischen Ländern! Und so wissen wir auch ganz genau, daß ihr vor dem Volke wohl Priester seid dem Anscheine nach, der Wahrheit nach aber seid ihr Atheisten, ärger denn unsere Kyniker und Epikuräer. Ihr glaubet an gar keinen Gott und seid darum auch stets bereit, im geheimen die größten und greuelhaftesten Verbrechen gegen jedes bürgerliche und noch mehr gegen jedes göttliche Gesetz zu verüben. Würdet ihr euch nicht vor unseren weltlichen Gesetzen, die stets unerbittlich streng gehandhabt werden, scheuen, so wäre schon lange kein Leben vor euch mehr sicher.

7. Daß ihr nun diesen wahren Gottmenschen nicht als das, was Er unzweifelhaft ist, annehmen wollet, daran schuldet weder euer Jehova noch euer Moses, sondern allein die Furcht, daß ihr dadurch euer Ansehen und eure guten Einnahmen einbüßen könntet. Ihr seid in eurer Gewissenlosigkeit nur sehr froh, daß ihr jedes Fünkchen Glauben an einen Gott losgeworden seid! Jetzt sollet ihr auf einmal ganz ernstlich wieder an einen Gott zu glauben anfangen, – was für euer taubes Gewissen sicher etwas sehr Unbequemes wäre! Das lasset ihr für euch fein bleiben! Nur eines ist für euch etwas, das euch nicht gleichgültig sein kann, und das besteht offenbar darin, daß nun soviel Volk an diesen wahrsten Gottmenschen glaubt, dadurch weise und helle wird und euch dann doch offenbar den Rücken kehren muß. Und da möchte ich wohl auch zu euch sagen: HINC ERGO ILLAE LACRIMAE? Nach meinem klaren Verstande habe ich euch nun nichts als ganz offen die vollste Wahrheit gesagt; ihr aber könnet nun dennoch tun, was ihr wollet!“

8. Auf diese ganz energische Rede des Römers, die Ich ihm, leicht erkennbar, auf die Zunge gelegt hatte, war der eine der zwei stutzigsten Pharisäer ganz verdutzt und wußte vor Ärger nicht, was er dem Römer erwidern sollte.

9. Da sagte aber ein anderer, der da gläubiger war und heimlich an Mich zu glauben begann, zu dem Römer: „Lieber Freund! Du hast uns denn doch ein wenig zu scharf gezeichnet! Ich will damit nicht sagen, als gäbe es unter uns nicht vielleicht solche, wie du sie beschrieben hast; aber ich und noch so manche gehören nicht so ganz zu ihnen. Wir glauben noch fest an den alten Jehova und an die Propheten! Wir aber haben die Neusatzungen nicht erfunden und nicht gemacht; aber wir müssen sie dennoch halten, weil sie einmal da sind. Wir sind aber der Meinung, daß sie nie hätten entstehen können, so sie Jehova nicht genehm gewesen wären; denn in den alten Zeiten durften die Priester ja nichts an dem alten Gesetze ändern. Und hat es jemand gewagt, da war die Strafrute samt dem Propheten, der sie ansagte, auch schon da. Aber jetzt ist davon schon lange keine Rede mehr. Es muß daher Gott mit den neuen Satzungen des Tempels doch ganz einverstanden sein, weil Er Sich zu unserer Kenntnisnahme gar nicht rührt und uns auch keinen annehmbaren Propheten sendet.

10. Jetzt unser Galiläer wäre freilich wohl mit allen Kennzeichen eines Propheten geschmückt, und wir würden ihn als solchen auch annehmen, wenn er als das, was er ist, nur nicht in Galiläa aufgestanden wäre. Dasselbe war auch mit Johannes dem Täufer der Fall. Seine Rede klang ganz wie die eines rechten Propheten; aber er war denn auch sonst ein Stockgaliläer, und so konnten wir als Schriftgläubige denn doch nicht so ganz unbedingt annehmen, daß er ein wahrer Prophet sei. Es ist übrigens wohl wahr, daß da beide keine geborenen Galiläer, sondern geborene Judäer sind; aber in der Schrift ist nicht die Geburt, sondern nur der Aufstand eines echten Propheten angezeigt. Da es aber heißt, daß aus Galiläa kein Prophet aufsteht, so können wir auch nicht ganz so leicht, wie ihr es meinet, annehmen, daß dies ganz echte und wahre Propheten sein können. Und ihr könnet uns darum durchaus nicht gram werden, so wir sagen, daß wir da noch so manches zuvor zu prüfen haben werden, bis wir den Nazaräer nur als einen Propheten annehmen können. Dann wollen wir erst sehen, wie es da mit dem Messias aussieht. Hast du doch selbst gesagt, daß ihr Römer alles zuvor wohl prüfet und sodann erst das Gute behaltet! Fehlen wir denn, so wir da deinem weisen Rate folgen?“

11. Sagte der Römer: „Oh, das durchaus nicht! Aber da gibt es nichts mehr, was irgend noch einer Prüfung unterworfen sein sollte, sondern da waltet die vollste und untrüglichste Wahrheit, die nur eine zu große Blindheit nicht merken kann, weil der Blinde auch die Sonne des Mittags nicht sieht.

12. Wir Römer und Griechen gehören durchaus nicht zu den gar so leichtgläubigen Menschen und haben vielen Scharfsinn, um einen Menschen, der etwas Außerordentliches zum Vorscheine bringt, nach allen Seiten hin zu prüfen. Wir sind auch in der Sphäre der Magie durch und durch bewandert, und sowohl die ägyptischen als auch die indopersischen Geheimnisse sind uns durchaus nicht fremd; aber Werke, wie sie dieser Mann verrichtet, und dazu Seine Worte und Lehren hat noch nie ein Mensch verrichtet und nie ein Mensch geredet. Und das sind doch für jeden frei denkenden Menschen Beweise zur Genüge, die ihm sagen: ,Siehe, hier ist kein Mensch mehr, sondern ein Gott, dem wir die höchste Ehre zu geben schuldig sind!‘ Da kommt es nicht mehr darauf an, daß man das nur glaube, sondern daß man komme, sehe und den unverkennbaren Gott anbete und liebe!

13. Aber die Wahrheit erkennt nur der, in dem die Wahrheit schon vorher zu Hause ist; in dem aber dieses Licht der Seele nicht ist, der kann auch gleich euch dieses Licht nimmer erkennen. Ihr wollet die Werke und die Lehren dieses Gottmenschen prüfen?! Und wir Römer fragen euch, womit ihr das tun wollet. Wer prüfen will, der muß sich zuvor selbst allerlei Kenntnisse und Fertigkeiten vom Grunde aus zu eigen gemacht haben. Wo aber sollet ihr euch das je zu eigen gemacht haben? In eurem verrosteten Tempel sicher nicht, – und sonst seid ihr auch nirgends weit gewesen, wo ihr etwas Gutes, Nützliches und Gründliches hättet erlernen können. Eure Altschrift verstehet ihr nicht, und eure Neuschrift ist keinen Stater wert. Was aber kennet ihr noch?! So ihr aber schon ganz sicher nichts Weiteres kennet, wie und womit wollet ihr dann diesen Gottmenschen prüfen? Saget es selbst, ob wir Römer euch nicht haarklein durchschauen!“

211. Kapitel. Wette zwischen Römer Agrikola und einem Pharisäer.

1. Sagte einer von denen, die da gläubiger waren: „Ihr habt auch darin nicht ganz unrecht; aber es gibt bei uns Juden denn doch auch Menschen, die etwas gelernt haben und somit auch etwas verstehen und dadurch auch so manches zu prüfen und zu beurteilen imstande sind. Und so gibt es auch Priester, die etwas mehr verstehen, als man als ein Fremder meint.“

2. Sagte der Römer: „Ah, das meine ich auch, daß auch ihr Juden irgend etwas gelernt haben müßt! Aber was ihr gelernt habt, das reicht ja lange nicht hin, um nur den Verstand eines Römers zu beurteilen, geschweige die Weisheit dieses Gottmenschen, die wahrhaft unbegrenzt ist, und vor der wir die höchste Ehrfurcht haben.

3. Ich will mit euch sieben eine Wette von tausend Pfunden Goldes eingehen, daß ihr mir auf keine Frage eine rechte Antwort zu geben imstande sein sollet, die nur ich aus meinem Verstande euch geben könnte. So ihr aber das ganz sicher nicht imstande seid, wodurch wollet ihr uns beweisen, daß dieser Gottmensch nicht der völlig rechte und wahre Messias ist? Lasset den Allerverständigsten von euch herkommen, und ich gehe sogar mit ihm die ausgesprochene Wette ein! Ich aber werde dann als Gegenbeweis diesem Gottmenschen vor euch die schwierigsten Fragen stellen, und ich wette zehntausend Pfunde Goldes, daß Er mir alle beantworten wird. So Er aber mich befragen wird, so werde ich Ihm auf tausend nicht eins antworten können, obschon ich sicher tausendmal soviel verstehe als irgend der Weiseste von euch.“

4. Sagte ein Pharisäer: „Freund, da würdest du dein Gold auf ein sehr gewagtes Spiel setzen; denn wir sind in gar vielen Dingen bewandert!“

5. Sagte der Römer: „Gut, mir liegt nichts an meinem Golde, da ich wohl noch über tausendmal soviel zu gebieten habe, als was da diese Wette ausmacht! Aber was ich als ein Patrizier Roms sage, das halte ich auch auf Leben und Tod! Verstehet ihr das? Lasset euch sonach von mir fragen! Und beantwortet ihr mir die Fragen richtig, so habt ihr tausend Pfunde Goldes gewonnen; wo ihr aber das nicht könnet, so zahlet ihr mir nur hundert Pfunde als Strafe für eure Vermessenheit vor uns Römern, euren Herren!“

6. Da fragten die sieben einander, ob sie diese glänzende Wette eingehen sollten. Da meinte einer, daß das denn doch sehr gewagt wäre, da man doch nicht wissen könne, um was alles der Römer fragen werde.

7. Aber einer der Ungläubigsten von ihnen sagte: „Ich meine, daß der Heide mir keine vernünftige Frage wird zu geben imstande sein, die ich ihm nicht zu beantworten imstande sein sollte. Ich gehe die Wette ein; aber es müssen auch Schiedsrichter dasein, die da entscheiden werden, ob meine Antworten gut und recht sind.“

8. Sagte er nun zum Römer: „Wenn wir hier ein kundiges und unbefangenes Schiedsgericht haben können, so gehe ich die Wette ein!“

9. Sagte der Römer: „Gut, so stellet ihr euch eins zusammen! Es gibt nun etliche Hunderte von Menschen hier, – die werden doch wohl zu beurteilen imstande sein, ob deine Antworten wahr, gut und gründlich sind? Ich habe meinen Schiedsrichter schon.“

10. Sagte der Pharisäer, sich aufblähend: „Ganz wohl, so frage denn, – die Wette gilt!“

11. Nun stand der Römer auf und sagte noch einmal zum Pharisäer: „Freund, sei nicht leichtsinnig! Denn ich sage es dir noch einmal, daß du mir auf jede Frage die Antwort schuldig bleiben wirst, und die hundert Pfunde Goldes werden dir nicht nachgesehen werden.“

12. Sagte ganz stolz der Pharisäer: „Ganz wohl, es gilt schon! Nur die Bedingung setze ich bei, daß du dagegen meine darauf an dich gestellten Fragen in gleicher Anzahl auch beantworten mußt. Bist du mir da keine richtige Antwort schuldig geblieben, so bekommst du erst die hundert Pfunde Goldes.“

13. Sagte der Römer: „Bin ganz zufrieden mit diesem Antrage, und so will ich dir in allem nur zehn Fragen stellen. Und so höre mich denn an!

14. Da auch wir Römer in euren Propheten zumeist sehr erfahren sind, so möchte ich eben darüber eine rechte Erklärung haben, was der Prophet Jesajas im zehnten Kapitel damit meinte, da er sagt:

15. ,Wehe den Schriftgelehrten, die unrechte Gesetze machen, und die danach ein unrechtes Urteil schreiben, auf daß sie die Sachen der Armen beugen und Gewalt üben am guten Rechte der Elenden unter Meinem Volke, daß darum die Witwen ihr Raub und die Waisen ihre Beute werden müssen! Was wollt ihr machen am Tage der großen Heimsuchung und am Tage des großen Unglücks, das von ferne her über euch kommen wird? Zu wem wollet ihr da fliehen, daß er euch helfe? Und wo werdet ihr eure Ehre lassen, daß sie nicht unter die Gefangenen gebeugt werde und unter die Erschlagenen falle? In allem dem läßt des Herrn Zorn nicht ab, und Seine Hand ist über euch ausgestreckt.‘

16. Das, mein Freund, wäre die erste Frage ganz aus eurem Gebiete, auf daß du nicht sagen kannst, daß ich dich um etwas ganz Fremdes gefragt hätte. Gib mir darüber eine gültige Antwort!“

17. Als der hochtrabende Pharisäer diese Frage vernahm und diese Texte des Propheten, die ihn mehr als der Tod genierten, da kam seine Zunge in eine völlige Stockung, und er wußte nicht, was er darauf antworten sollte, weil in eben diesen Texten die Greuel der Pharisäer so, wie sie waren, ganz hell ausgesprochen waren.

18. Als der Pharisäer mit der Antwort zauderte, da sagte der Römer: „Ja, Freund, wenn du mir auch die noch übrigen neun Fragen so beantworten wirst, da werden unsere Schiedsrichter leicht zu urteilen haben! Bist du denn nicht bewandert in eurer Schrift?“

19. Sagte endlich der Pharisäer: „Oh, das wohl; aber das zu erklären, ziemt sich hier nicht, sondern nur im Tempel, und selbst da ist es fürs Volk besser, wenn es nicht alles erfährt und versteht!“

20. Sagte der Römer: „Oh, das glaube ich dir recht gerne; denn hättet ihr solches dem von euch schon ganz ausgeplünderten Volke vorgetragen und erklärt, so würde es euch schon lange gleich den Wandläusen ausgebrannt haben! Sagte ich als ein Heide ehedem ein Unrecht, so ich euch ins Gesicht behauptete, daß ihr an gar keinen Gott glaubet? Denn würdet ihr an einen Gott glauben, so würde euch euer berühmtester Prophet nicht ein so gottloses Zeugnis gegeben haben. Ich sage euch das: Nun ist die Zeit eurer großen Heimsuchung und eures Unglücks gekommen! Wohin wollt ihr nun fliehen, daß euch jemand helfe?

21. Aber lassen wir nun das! Die erste Frage ist so gut wie verhauen. Gehen wir zu der zweiten über; vielleicht geht es dir mit der besser!“

22. Sagte der stutzige Pharisäer: „Aber ich bitte mir eine bessere aus!“

23. Das Volk aber frohlockte dabei im stillen und hätte den Römer schon gleich umarmen mögen.

212. Kapitel. Agrikola deutet Weissagungen aus Jesaias.

1. Der Römer schritt nun zur zweiten Frage und sagte: „Habe denn acht! Also lautet klar die zweite Frage: Wie verstehet ihr denn diesen Text aus demselben Propheten, der also lautet:

2. ,Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über die, welche da wohnen im finstern Lande, scheint es helle.‘

3. Wo ist das Volk, das im Finstern wandelt? Wo ist das finstere Land, und wer ist das Licht? Beantworte mir diese sicher ganz leichte Frage!“

4. Der verschmitzte Pharisäer merkte gar wohl, was der Römer aus seinem Munde herausholen wollte und blieb deshalb abermals stumm.

5. Als aber der Römer ihn noch einmal aufforderte, daß er reden solle, sagte der Pharisäer: „Das ist abermals eine Frage, die nur im Tempel beantwortet werden kann, und daselbst auch nur unter vier Augen und bei verschlossenen Türen. Darum kann ich sie dir hier nicht beantworten.“

6. Sagte der Römer: „Ich sehe, daß du hier ganz offen eine Unwahrheit sagst. Siehe, ich habe sogar in Rom auf offenem Felde aus dem Munde eines eurer Apostel alle eure Propheten vortragen und erklären hören, und das durchaus nicht schlecht! Der Apostel hielt seine Vorträge beinahe ein ganzes Jahr hindurch offen, und wer sich einzeln in seine Sache tiefer und klarer einweihen lassen wollte, zu dem kam er ins Haus und unterwies ihn um ein beliebiges Honorar. Ich selbst habe mich volle drei Jahre hindurch privatim von ihm unterrichten lassen. Der Apostel war seinen Zeugnissen zufolge auch ein Priester aus diesem eurem Tempel. Warum konnte und durfte denn er uns Römern sehr weit außerhalb dieses eures Tempels die Propheten erklären, und warum nun du nicht? Siehe, da werde schon wieder ich dir den wahren Grund sagen, weswegen du mir diesen Text nicht erklärend beantworten willst! Höre! Du fürchtest das Volk hier, – obschon du vor Gott, an den du nicht glaubst, gar keine Furcht hast! Denn das Volk weiß es, daß es eben das Volk ist, das durch euch Schriftgelehrte im Finstern wandelt, und daß auch eben dieses Land es ist, das durch euch finster gemacht wurde schon seit lange her.

7. Aber dort an jenem Tische sitzet das große Licht, das vom Volke nun gar wohl gesehen wird; denn es scheint gar hell in diesem finstern Lande. So das Volk aber dieses Licht aus Gott wohl erschaut und darob sehr fröhlich ist, warum denn ihr nicht? Ihr wollet es nicht ansehen, weil ihr voll Hochmut, voll Selbstsucht und voll der unbegrenztesten Herrschgier seid und haben wollet, daß Sonne, Mond und alle Sterne und der ganze Erdkreis sich unter euer Zepter beugen sollen. Darum aber wird auch jüngst mit euch das geschehen, was eben der angeführte große Prophet über euch geweissagt hat, indem er im zehnten Kapitel vom 16. Verse an sagte:

8. ,Darum wird der Herr Zebaoth unter Seine Fetten (die ihr seid) die Dürre (euren Starrsinn) senden, und Seine Herrlichkeit (Seine größte Macht und Weisheit) wird Er vor euch anzünden (wie es hier soeben der Fall ist), daß sie brennen wird wie ein mächtiges Feuer.‘

9. Dieses Licht, das dort unter uns sitzet, ist das Feuer nun in Israel, und Sein Heiliger dort ist die Flamme und wird euch als Seine Dornen und Hecken anzünden und verzehren an einem Tage. Die alte Herrlichkeit Seines Waldes und Seines Feldes soll zunichte werden. Wer Sein Wald und Sein Feld ist, brauche ich euch wahrlich nicht näher zu bestimmen! Von euren Seelen bis auf die letzte Fiber eures Fleisches, das nun euer wahrer Gott ist, werdet ihr zunichte werden und werdet zergehen wie die Butter an der Sonne und verschwinden wie ein Morgennebel in ihren Strahlen. Ihr als die übriggebliebenen Bäume Seines Waldes werdet leicht von einem Knaben gezählt und aufgeschrieben werden.

10. Sehet, ich als ein Römer verstehe eure Schrift besser denn ihr ersten Juden in der Mitte eures Landes und in der Mitte eurer Gottesstadt! Aber es macht das nun nichts. Die Wette ist gemacht, und ein Römer steht nicht ab von dem, um was er einmal vor Zeugen gewettet hat. Die zweite Frage ist auch verloren, und so denn schreiten wir zu der dritten!“

11. Sagte der Pharisäer: „Verlieren wir nun schon, weil wir die ersten zwei Fragen nicht beantworten konnten?“

12. Sagte der Römer: „Oh, ihr habt es mit keinem Gewinnsüchtigen zu tun! So ihr nur eine meiner zehn Fragen richtig beantwortet, so habt ihr die Wette gewonnen! Ich aber frage euch, um was ich will. So ihr darauf mich fragen werdet – wie wir es ausgemacht haben –, so werde auch ich euch nicht vorschreiben, um was ihr mich fragen sollet. Und darum nun zur dritten Frage!

13. Seht, ich las im Jesajas das zwölfte Kapitel, und da stand:

14. ,Zu derselben Zeit (die nun da ist) wirst du (Israel) sagen: Ich danke Dir, o Herr, daß Du zornig gewesen bist über mich und Dein Zorn sich gewendet hat und tröstest mich. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der Herr ist meine Stärke, mein Psalm und mein Heil. Ich werde mit Freuden Wasser (Weisheit und Leben) schöpfen aus dem Heilsbrunnen (des Herrn Liebe), und ihr Völker werdet zu derselbigen Zeit sagen: Danket dem Herrn, prediget Seinen Namen (Wort des Lebens), machet kund unter den andern Völkern Sein Tun, verkündiget, wie Sein Name (das Wort Gottes) so groß ist! Lobsinget dem Herrn; denn Er hat Sich herrlich bewiesen! Solches werde kund in allen Landen! Jauchze und rühme dich, du Einwohnerin zu Zion (die verwaiste Erkenntnis der Juden); denn der Heilige Israels ist bei dir!‘

15. Nun, mein blinder Freund, was sagst du zu dieser außerordentlichen Exklamation des großen Propheten? An wen ist diese wohl gerichtet? Ist nicht nach allen alleruntrüglichsten Zeichen der Heilige Israels unter uns?“

16. Hier sah der Pharisäer den Römer ganz verdutzt an und sagte nach einer Weile: „Freund, sage mir doch, wo und wann du dir unsere Schrift so gut einstudiert hast! Dir sind ja alle Propheten so geläufig, als wärest du ein Schriftgelehrter des Tempels! Ich kenne dieses Kapitel wohl ganz gut; aber es hat das einen pur geistigen Sinn und bezieht sich nach meinem Urteil ganz und gar nicht auf diese unsere Gegenwart. Es sind das so ganz gewöhnliche geistige Lobesausbrüche eines Propheten, die für einen gewöhnlichen Menschen gar nicht taugen. Es ist dies eine Art Psalm auf Gott den Herrn.“

17. Sagte der Römer: „Freund, da bist du ungeheuer schlecht beraten! Ich als ein Heide sage dir das, was nun schon Hunderttausende dir sagen würden: Der Heilige Israels sitzet dort am Tische unter jenen, die ganz gut und noch um sehr vieles besser wissen um das, was ich dir soeben gesagt habe! Du weißt es nun, wie ich es dir ganz klar bewiesen habe, daß du seit deinen Kinderjahren nie an einen Gott geglaubt hast. Was hindert dich denn nun, an diesen wahren Heiligen Israels zu glauben, von dem allein du das ewige Leben haben kannst?“

18. Sagte der Pharisäer: „Ich bin nicht der Höchste im Tempel, und meine geschworene Pflicht ist es, zu halten, was mir des Tempels Höchster auferlegt; denn es hängt nun meine Existenz davon ab und das Heil meiner Haut. Wäre mein Stand irgendeinem Gotte nicht recht, so hätte Er es mit Seiner Weisheit und Allmacht wohl gar leicht verhindern können, daß ich nicht das geworden wäre, was ich nun bin; weil Er es aber nicht verhindert hat, nun, so bin ich denn das, was ich bin, und rede und handle nach dem, was mir der Tempel gebietet. Tue ich dadurch unrecht, so ist Gott Selbst – so Er irgend Einer ist – schuld daran, daß Er mich das hat werden lassen. Und weil ich nun einmal das bin und meine weltliche Versorgung damit gefunden habe, so bleibe ich auch das, was ich ohne mein Verschulden und Dafürkönnen geworden bin.

19. Ich weiß es nur zu gut, daß unser ganzer Moses samt allen andern großen und kleinen Propheten nichts als ein Phantasiebild vieler alter Priester ist, und daß an irgendeiner Gottheit – ob heidnisch oder jüdisch – keine wahre Silbe haftet; aber die sternsüchtigen Menschen haben nun einmal in ihrer faulen Phantasie einen Gott aufgefunden und haben uns damit für die leichtgläubige Volksmenge ein Erbe hinterlassen, und wir Narren kultivieren und erhalten die Sache des altmenschlichen Unsinns fort, solange es geht. Hat unsere Sache einmal einen Stoß bekommen, so gehen wir offenbar unter, – was mir selbst nun schon nur zu klar ist.

20. Darauf wird höchstwahrscheinlich dieses offenbar wunderbaren Menschen Lehre eine Zeitlang fortwuchern; aber am Ende wird auch sie ein ganz gleiches Los zu erwarten haben. Denn alles, was der sterbliche Mensch errichtet, vergeht wie er selbst; nur was irgendein uns ewig unbekannter Gott erschaffen hat, das bleibt sich auch ewig gleich, wie zum Beispiel Sonne, Mond, Sterne und diese Erde. Und so weißt du nun von mir selbst, daß ich für mich an gar nichts glaube, aber die alten Dinge und Sachen des armen Volkes wegen aufrechterhalte, weil sonst unter dem Volke die größte Roheit ausbrechen würde, durch die alles zugrunde gehen müßte, da sich sogar jetzt bei aller unserer Wachsamkeit so manches ereignet, was der Menschheit eben nicht zur größten Ehre gereicht.

21. Du kannst nun daraus schon ersehen, daß ich an gar nichts glaube, und schon am allerwenigsten an einen solchen Gott, der irgendwann den Menschen dieser Erde Gesetze gegeben hätte. So es einen Gott gäbe, der alles aus Sich erschaffen hätte, so hätte Er durch die Macht Seines Willens große Gesetze in die Natur gelegt; aber daß ein solches Wesen je einem Menschen irgendwelche moralischen Gesetze gegeben habe, das glaube ich für mich schon aus dem Grunde nicht, weil Er irgend vor alters nur einem für alle Menschen Gesetze gegeben habe, während nach meiner Ansicht doch alle Menschen gleich sind. Da ich mich dir nun gezeigt habe, wie ich bin und denke, so verschone mich mit Fragen aus unserer Schrift; denn ich glaube nicht an ihre Echtheit!“

213. Kapitel. Unwisseneit des Pharisäers betreffs der Sonne und der Sündflut.

1. Sagte der Römer: „Wußte ich's doch, daß du und wahrscheinlich gar viele deinesgleichen an keinen Gott glaubet, aber dabei das Volk zum Glauben an euch zwinget und ihm allerlei nur eurem Bauche dienende Gesetze vorschreibet! Aber es macht das nun nichts; die Bedingung der Wette muß erfüllt werden! Wenn du aus der Bibel schon durchaus keine Fragen mehr haben willst, so werden wir gleich andere Fragen haben. Und so gehen wir zur vierten Frage über!

2. Sage mir, was die Sonne in sich ist!

3. Sieh, das ist nun eine ganz natürliche Frage! Beantworte sie, – aber richtig und wahr!“

4. Sagte der Pharisäer: „Das wird doch eine lächerliche Frage sein! Wer kann das wissen? So eine Frage könntest du wohl einem Gotte geben, aber nicht einem Menschen! Wer ist denn bei oder gar in der Sonne gewesen, um sagen zu können, was die Sonne an und für sich ist?! Wir Menschen können nur soviel von ihr sagen, was wir an ihr sehen und wahrnehmen.

5. Sie ist eine ziemlich große, überaus stark leuchtende Scheibe, und ihr mächtigstes Licht erzeugt Wärme und sogar, wie manchmal in der großen Wüste Ägyptens, eine solche Hitze, daß darob die Steine zu schmelzen anfangen sollen. Dann geht die Sonne auf und unter, was auf dieser Erde den Tag und die Nacht bewirkt. Dann geht sie regelmäßig im Winter tiefer im Süden und im Sommer wieder weiter oben gen Norden zu auf, welcher Wechsel das Jahr und seine vier Teile gibt. Zugleich bewirkt das Licht der Sonne nach den Abstufungen des Lichtes und der Wärme das Wachstum der Pflanzen und die Geburt der zahllos vielen Insekten. Manchmal wird sie verfinstert, was jedoch selten geschieht. Wie aber solche Verfinsterung bewirkt wird, das wird wohl kein Mensch auf der ganzen Erde wissen, wie auch nicht, wo sie (die Sonne) zur Nachtzeit sich befindet.

6. Siehe, das ist aber auch schon alles, was wir Menschen von der Sonne wissen und wissen können, und ich kann dir darum auch nichts Weiteres sagen! Daß sie in sich wahrscheinlich ein starkes Feuer sein wird, läßt sich teilweise daraus vermuten, daß ihr Licht so weit her noch eine so große Wärme verbreitet; nur ist dabei das sehr sonderbar, daß es auf den hohen Bergen stets um ein bedeutendes kälter ist als hier unten in der Tiefe, obschon die hohen Bergspitzen der Sonne näher sind als diese Tiefe. Weiter wissen wir Menschen – wie schon gesagt – nichts mehreres und Näheres von diesem Himmelsgestirn. – Hast du gegen diese Antwort auch etwas einzuwenden?“

7. Sagte der Römer: „Oh, nur zu viel! Denn was du da gesagt hast, das weiß ein jeder noch so gemeine Tagewerker, der kein Schriftgelehrter ist und seine Weisheit, die, so wie die deinige, wahrlich nicht weit her ist, vom Volke nicht förmlich anbeten läßt, wie das eben ihr vom Volke verlanget. Warum wissen denn wir Römer und die vielen Jünger unseres großen Meisters und Herrn auch sehr genau darum, und warum du nicht? Sieh, darum, weil du an keinen Gott glaubst, so wie die meisten deinesgleichen! Kommt aber jemand, der euch in allerlei Weisheit führen könnte, so verfolget ihr ihn gleich aus allen euren Kräften; denn ihr fürchtet, daß seine überwiegende Weisheit eurer alten, verrosteten Dummheit Ansehen sehr schmälern könnte. Und so wollet ihr selbst nichts Höheres lernen und erfahren und lasset es auch nicht zu, daß es eure stockblinden Bekenner lernen und erfahren. Darum seid ihr selbst aber auch doppelt strafbar.

8. Wer an keinen Gott glaubt, ist offenbar ein Gottloser. Ohne Gott aber ist die Seele finster und so gut wie tot und sieht und vernimmt nichts von dem, was Gott alles in ihren Geist der vollsten Wahrheit nach eingeschaffen hat. Der von Gott begeisterte und erleuchtete Mensch aber sieht alles und begreift auch alles. Er kann daher auch die Sonne und den Mond, die Sterne und die ganze Erde in sich also beschauen, als wäre er dort selbst gegenwärtig. Und hat er das, so weiß er dann auch, was die Sonne und wie beschaffen sie ist, und also auch alles andere.

9. Mir und vielen andern, die auch hier sind, ward solche Gnade zuteil; darum wissen wir nun auch alle gleich, was der Mond, was die Sonne und was die Sterne sind. Da du solches nicht weißt und nicht einmal soviel weißt, wie die Essäer wissen, die uns Römern sehr wohl bekannt sind, so hast du auch diese vierte Frage ganz schal und unrichtig beantwortet. Wenn du dich davon selbst überzeugen willst, so haben wir schon Mittel, dich auch von dem zu überzeugen.“

10. Sagte der Pharisäer: „Oh, laß das nur gut sein! Denn Menschen, wie ihr es da seid, in aller Magie und Zauberei wohlbewandert, könnten mich noch über alle Wolken hinaus in die Sonne hineinzaubern, – und von solch einer Luftfahrt schaffe (halte) ich nichts! Ich begebe (begnüge) mich schon und gestehe es ein, daß ich auch diese vierte Frage so gut wie gar nicht beantwortet habe. Wolle du mir denn eine fünfte Frage stellen!“

11. Sagte der Römer: „Es wird dir schon mit allen Fragen also gehen! Daß du am Himmel nicht bewandert bist, das habe ich bereits gesehen; vielleicht geht es dir auf dieser Erde besser!

12. Was sagst du von der Noachischen Sündflut? War sie eine allgemeine oder nur eine teilweise? Hatte Noah wohl von jeder Tierart ein Paar in seinen Kasten genommen? Wie fütterte er mit den Seinen all die vielen Tiere? Woher nahm er besonders für die reißenden Tiere das Fleisch und woher für die Fischfresser die Fische? Wovon ernährten sich die Raubtiere nachher, als Noah wieder aus der Arche stieg? Denn da war die Erde noch wüst und öde und nirgends war eine Schaf- oder Schweineherde, die dem Löwen, dem Tiger, der Hyäne, dem Wolfe usw. zur Nahrung hätte dienen können. Das Wasser soll im allgemeinen noch um vieles hoch über sogar den höchsten Bergen der Erde gestanden haben. Wohin floß es am Ende ab, da doch die ganze Erde allenthalben gleich hoch unter Wasser stand?

13. Gib mir darüber eine vernünftige Auskunft! Denn das ist sogar für mich etwas Unglaubliches, und ich kann mich darin durchaus nicht zurechtfinden. Vielleicht weißt du mir da eine befriedigende Auskunft in deiner Weise zu geben? Rede!“

14. Sagte ganz verdutzt der Pharisäer: „Freund, du fragst mich um etwas, das du selbst nicht zu verstehen scheinst! Was wirst denn du dann tun, wenn ich dich um so etwas fragen werde?“

15. Sagte der Römer: „Dann wirst du nichts verlieren! Ob ich aber gerade diese Sache selbst nicht besser verstehe als du, das ist eine andere Frage, und es wird sich das schon noch in der Folge zeigen. Nun ist die Reihe an dir zu reden!“

16. Sagte weiter der Pharisäer: „Ja, mein Freund, es wird sich über diesen höchst mystischen Punkt der Schrift Mosis eben wieder nicht gar zuviel sagen und erklären lassen! Denn diese Sache, mit der uns eigenen Vernunft betrachtet, ist in allem ein der Natur widrigster Unsinn. Wir haben darüber keine anderen historischen Daten, und so heißt es: entweder an den Unsinn glauben, wie er gegeben ist, und sich zu all dem die in jener Zeit sehr launige Allmacht Gottes als Großhelferin denken – oder den ganzen alten Kram über Bord werfen!

17. Das Buch spricht von einer allgemeinsten Flut, die nach den uns doch mehr und mehr bekannten Gesetzen der Natur rein unmöglich ist. Fragt man die alten Indier, die doch noch ältere Bücher als wir besitzen, so wissen die von einer Noachischen Sündflut gar nichts. Wohl aber sagen sie, daß vor vielen tausend Jahren ein großer Schweifstern der Erde ganz nahe gekommen sei. Und der Stern war pur Wasser, und die Erde zog sein Wasser an sich. Da ward dadurch ein großer Teil des flachen Indien unter Wasser gesetzt, das sich erst nach und nach mit dem großen Indischen Meere verband. In jener Zeit kam alles um, was in den Tälern hauste: Menschen und Tiere. Die aber auf den Bergen wohnten, zeichneten solches auf, auf daß davon Kinder und Kindeskinder eine Kunde haben sollten. Das ist indische und auch persische Sage.

18. Die alten Ägypter wissen außer ihren Nilüberschwemmungen von keiner andern Flut. Nur das sagen einige Neger, daß dort, wo nun die große Wüste Sahara ist, einst Wasser stand und ein großer See war.

19. So haben uns unsere zurückgekehrten Apostel von einem übergroßen Reiche im äußersten Morgen Asiens über der großen Mauer erzählt, und sie redeten mit den Wächtern mittels der indischen Zunge. Sie erkundigten sich auch wegen der großen Sündflut, und ob die Mauer vor oder nach der allgemeinen Flut erbaut worden sei. Doch jene ganz gemütlichen Wächter wußten ihnen wohl viel von großen Bergbränden zu erzählen, aber von einer so großen Wasserflut wußte niemand auch nur eine Silbe. Das alles wissen wir aus allerlei Erfahrungen. Und so ist es wohl schwer, an eine allgemeine Sündflut zu denken und noch weniger zu glauben.

20. Ihr Römer gebet in euren Götterlehren auch gleich zwei große Überflutungen an: die Ogygische und die von Deukalion und Pyrrha. Ob daran etwas Wahres ist oder nicht, das können weder wir Juden noch ihr Römer beurteilen und wissen. Fällt aber bei der Noachischen Sündflut die Allgemeinheit weg, so fällt auch der Kasten und alles andere weg.

21. Aber das Bild der Noachischen Flut hat sicher einen ganz anderen Sinn als nur den, der nicht zu glauben ist, weil so viele andere Tatsachen dagegensprechen. Aber wer hat den Schlüssel dazu? – Du siehst also aus allem dem, daß ich dir darüber auch keine für deinen Verstand annehmbare Antwort geben kann, und deine Frage ist so gut wie unbeantwortet, doch aber gründlich entschuldigt.“

22. Sagte der Römer: „Ja, das habe ich ganz gut aus deiner Rede entnommen; allein mir ist damit nicht gedient, und ich sehe an dir als sicher einem Priester eben das Mißliche, daß du von den Menschen den unbedingten Glauben dafür forderst, was du für dich für einen barsten Unsinn erklärst. Ich aber sage es dir, daß dieser unser großer Herr und Meister es dir genauest und klarst angeben könnte, was es mit der Sündflut Noahs für eine ganz wahre Bewandtnis hat; aber weil du an keinen Gott glaubst und noch weniger an die rein göttliche Sendung dieses Gottmenschen, so bleibst du gleichfort in der Nacht des Gerichtes deiner Seele! Also mit der Beantwortung meiner fünften Frage ist es auch soviel wie nichts! Und so gehen wir zu der sechsten Frage über! Vielleicht geht es dir mit der besser!“

214. Kapitel. Vom Buche Hiob und vom Tempel zu Jabusimbil.

1. (Sagte der Römer:) „Sage mir: Was hältst du von dem Buche Hiob? Wie gefällt dir das Zwiegespräch zwischen Gott und Hiob, und das zwischen Gott und Satan? Was sagst du dazu, und wie erklärst du mir diese sonderbare Geschichte?“

2. Sagte der Pharisäer: „Schon wieder so eine Frage, die von keinem vernünftigen Menschen beantwortet werden kann! Was sagst denn du zu eurem Ikarion, zu eurem Bacchus und zu eurem Orpheus? Unser Hiob hat niemals bestanden, und alles ist eine fromme Sage, gedichtet von irgendeinem alten Seher, der damals seine Dichtung mit einem moralisch dunklen Schimmer gerade also niederschrieb, wie er die Sache verstanden hat. Wir erblicken darin einen äußerst rechtschaffenen Mann, auf den Sich Gott Selbst viel zugute tut. Gott läßt Sich aber erstens vom Satan einreden, daß auch dieser Hiob fallen würde, so er – Satan – ihm auf den Zahn fühlen dürfe. Gott gibt darauf zweitens dem Satan das Recht, dem Hiob auf die schmählichste Weise auf den Geduldszahn zu fühlen, und das so lange fort, bis am Ende dem armen Hiob denn doch die Geduld zu kurz wird und er mit Gott ordentlich aufbegehrt. Dann sendet ihm Gott einen Sprecher, der den armen Hiob ganz scharf zurechtweist; und als Hiob sich dann wieder in den harten Willen Gottes völlig ergibt, wird ihm Gott wieder gnädig.

3. Nun, wer da etwas Weises von seiten eines höchst weise sein sollenden Gottes findet, der muß aus den Zeiten dieses höchst geplagten Mannes herrühren! Wir lesen diese Geschichte mit Überdruß und haben sie schon lange für apokryphisch (unecht) erklärt; denn in dieser Geschichte liegt ebensowenig Wahres und Weises wie in der von eurem Atlas, der den ganzen Himmel in einem fort auf seinen Schultern tragen muß, und es läßt sich darüber auch keine vernünftige und verständige Antwort geben.“

4. Sagte der Römer: „Na, na, bei euch geht es wahrlich nicht übel! Weil ihr zu träge seid, zu suchen, zu denken und zu lernen, so verwerfet ihr lieber alles, was euch nicht in euren faulen Kram paßt! Ich habe im Hiob die innere, geistige Bildung des Menschen auf den ersten Blick gefunden, und ihr erkläret das für ein Apokryph! Ist darin nicht ganz klar gezeigt, wie die Seele sich nach und nach von all dem trennen soll, was der Welt und was des Fleisches ist?

5. Ein Mensch, im Wohlstande nach jeder Richtung hin, kann Gott leicht loben und preisen; denn es geht ihm ja ganz gut dabei; aber es nützt das seiner Seele noch nicht viel. Der Mensch aber wird nun auf die Probe gestellt, wie er auch im Elend und in der Not sich zu Gott verhält, und da ist im Hiob ja ein herrlichstes Bild gegeben, wie man nicht nur im Wohlstande, sondern auch im äußern Elende Gott erkennen, loben und preisen soll. Und so etwas nennst du mir unecht und bezeichnest es für ein sinn- und verstandloses Zeug?! Oh, du stehst noch tief unten im Pfuhle des Gerichtes und des Todes! Und so hast du nun schon sechs Fragen rein verhauen! Aber lassen wir nun das, und ich will dich nun zum siebenten Male um etwas ganz Natürliches und Leichtes fragen! Und so höre!

6. Sieh, in Oberägypten besteht, noch ganz gut erhalten, ein in einen Granitberg gemeißelter Gottestempel! Sein Name ist Ja-bu-sim-bil. Dieser Tempel – ganz etwas anderes als dieser Tempel zu Jerusalem! – ist von den Urbewohnern des denkwürdigsten Landes der ganzen Erde, also von den damaligen Gotteskennern, mit der unsäglichsten Mühe von der Welt hergestellt worden. Vor der Eingangstür sind in sitzender, also in ewig ruhender Stellung, die vier Elemente dieser Erde personifiziert dargestellt. Ihre kolossale Darstellung soll die ungeheure Kraft Gottes in den Gesetzen der gesamten Natur darstellen und ihre Ruhe die nie wandelbare Ordnung des göttlichen Geistes. Das Innere dieses Tempels, eine sehr geräumige Halle, besteht aber dennoch aus drei Abteilungen. In der ersten stehen gigantische Menschengestalten, in der zweiten Menschen unserer Art, und in der dritten sind unter verschiedenen Zeichen ganz im Hintergrunde, wennschon stark verwittert, die Wortzeichen Ja-bu-sim-bil angebracht. – Wie möchtest du, als ein Schriftgelehrter, mir wohl das Innere dieses denkwürdigen Tempels der Erde erklären? Denn ich hoffe, daß dir das wohl nicht unbekannt sein dürfte.“

7. Sagte der Pharisäer: „Ja, ja, ich habe davon viel reden hören, und es wird sich die Sache schon genau also verhalten, wie du sie mir nun beschrieben hast; aber der Tempel ist ungeheuer alt, und wer weiß es, wer die Völker waren, die so einen Tempel gefertigt haben? Ihre Zeichen sind für uns unlesbar, und wer kann es genau erraten, was sie besagen?! Sie haben nicht die leiseste Spur von einer Ähnlichkeit mit unserer Schrift, und somit sind sie für uns tot. Ihr schreibet von der Linken zur Rechten, und wir umgekehrt, und somit könnet ihr die Urschrift Ägyptens auch leichter lesen als wir, da man sagt, daß auch die alten Ägypter von der Linken zur Rechten hin geschrieben haben sollen. Wir schreiben umgekehrt und kennen uns daher in jener alten Schrift durchaus nicht mehr aus. Was können die drei Hallen und die sonderbaren großen und kleinen Skulpturen in den ersten zwei Hallen anzeigen, und was endlich die dritte Halle mit den gewissen Inschriften, die wir Juden nicht lesen können?“

8. Sagte der Römer: „O ihr sein sollenden Gotteskinder, die ihr von aller Weisheit der ganzen Welt gleich den großen Sumpffröschen aufgebläht einherschreitet – also, als hättet ihr die ganze Erde erschaffen! Das, was euch doch so naheliegt, verstehet ihr nicht und wollet doch Erzieher und Leiter eines von Gott erwählten Volkes nach eurer Schrift sein! Niemand kann jemandem etwas geben, was er selbst nicht hat, sondern nur das, was er hat! Ihr habt aber nur die Dummheit und gänzliche Unwissenheit in allen Dingen! Was also kann das arme Volk von euch lernen? Nichts als eure unbegreifliche Blindheit! Denn wahrlich, ich habe in Rom oft das schon alt gewordene Sprichwort vernommen: ,Sieh, der Mensch ist noch dümmer denn ein Jude!‘, und nun überzeuge ich mich selbst, daß es wahrlich also ist!

9. Wir Römer haben es noch nie unter unserer Würde gehalten, uns mit den geistigen Götterkunden jedes eroberten Volkes genau abzugeben und uns genaust darin unterrichten zu lassen, und doch heißt man uns Heiden, – und ihr als Gottesvolk glaubet an euren großen Gott nicht, verachtet aber dabei dennoch jede andere Götterkunde, ohne sie nur im geringsten je näher erforscht zu haben! Was seid ihr da denn für Menschen? Wahrlich, ihr seid, mehr denn die gemeinsten Epikureer, zu puren Magen- und Bauchmenschen geworden!

10. Sieh, ich, ein Heide von Geburt an, werde dir es nun sagen, was der denkwürdige Tempel zu Ja-bu-sim-bil für eine Bedeutung hat, die mich auch zumeist auf ganz andere Begriffe von der wahren Gottheit führte als die, welche ich früher besessen habe.

11. Als ich einmal, vor ungefähr zehn Jahren, in Staatsgeschäften nach Oberägypten reisen mußte, da kam ich denn auch zu dem besagten Tempel, der auf mich einen unbeschreiblichen Eindruck machte. Ich besah alles mit der größten Aufmerksamkeit und ließ mir von einem dortigen, ganz verarmten Priester und Wärter dieses Altertums erklären, was dieses und jenes alles zu bedeuten habe. Der alte Mann, voll Liebe und Demut, war im höchsten Grade dienstfertig und erklärte mir alles so gut, daß ich zu mir selbst sagen mußte: Siehe, der Mann ist weise und redet die volle Wahrheit!

12. Er sagte zu mir: ,Siehe, Freund, die Riesengestalten zur Rechten stellen die sieben Geister Gottes vor, durch die der Mensch auf dieser Erde zu allerlei Erkenntnis gelangt und sich darauf dann vieles und Riesengroßes einbildet! Die Gestalten zur Linken stellen des Menschen wilde und unbändige Leidenschaften vor, weshalb du zu ihren Füßen auch allerlei Zeichen des Todes und des Gerichtes ersehen kannst. Und siehe da die zweite Halle! Sie ist um einiges niedriger als die erste, und man gelangt in sie durch ein so ziemlich beengtes Tor. Das zeigt des Menschen Demut an, ohne die es unmöglich ist, zur wahren Erkenntnis Gottes zu gelangen. Darum erschaust du hier schon ganz bescheidene Menschengestalten in tiefgebeugter Stellung. Und nun hier in der dritten und letzten Halle ersiehst du nichts als Geistiges, dargestellt durch wohlentsprechende Zeichen. Und dort, hoch oben, ersiehst du in einem Kreise die Zeichen: Ja-bu-sim-bil, – das ist: Gottes Wort im Herzen jedes Menschen, der Gott liebt und sucht. Und die Zeichen lauten: Ich war- bin- und werde sein. Ich bin der Alleinige, und außer Mir gibt es keinen Gott!‘ –

13. Mein Freund, wer da sucht, der findet, und ich habe von meiner Jugend an gesucht und habe viel gefunden! Doch das Allerhöchste, was in dieser Welt je irgendwo zu finden war, das fand ich hier, aber nicht in dem blindesten Wesen eures Tempels, sondern da! Und dort sitzet Der in Menschengestalt freundlichst unter uns, von dem es in dem alten Tempel in der dritten Halle geschrieben steht: Ja-bu-sim-bil! Es liegt aber auch gar nichts daran, ob du und noch viele deinesgleichen das glauben oder nicht; denn darum ist es doch also, wie ich und viele Tausende es nun glauben und allzeit glauben werden.

14. Die siebente Frage ist aber somit auch unbeantwortet geblieben, und ich werde dir nun die achte Frage stellen und sehen, ob du in dir eine Antwort auf sie finden wirst!“

215. Kapitel. Das Orakel zu Delphi. Vom Fortleben nach dem Tode.

1. (Der Römer:) „Höre! Was hältst du denn von dem noch bestehenden Orakel zu Delphi? – Diese Frage ist doch gewiß kurz und dir sehr nahegelegen! Rede!“

2. Sagte der Pharisäer: „Ich habe davon wohl einmal etwas reden hören; aber wie soll ich dir da sagen können, was ich von einer Sache halte, die mir kaum mehr als nur dem Namen nach bekannt ist?! Daß es in Delphi eine Wahrsagerin gibt, die Pythia heißt, auf einem Dreifuße sitzt und den Menschen um Geld auf ihre Fragen ganz pfiffige Antworten erteilt, so viel weiß ich; aber wie diese Pythia das zustande bringt, wie der Tempel dieser Wahrsagerin und ihr Dreifuß beschaffen sind, und ob auf ihre Wahrsagereien etwas zu halten ist oder nicht, das weiß ich nicht und kann dir denn auch keine andere Antwort geben als die, die ich dir bereits gegeben habe.“

3. Sagte der Römer: „Wahrlich, für etwas erfahrener hätte ich dich denn doch gehalten, als du im Ernste und der Wahrheit nach bist! Und mit solchem eurem Unglauben und mit solch einer Unwissenheit getrauet ihr euch, diesen Weisesten der Weisen zu prüfen und zu erproben?! Nein, das ist denn doch ein bißchen zu viel! Ich habe aber das schon in Rom gehört, wie ihr bei euren Sabbatsreden das Volk von allem, was das Heidentum betrifft, auf das eifrigste abmahnet und jeden Juden mit der ewigen Verdammnis auf das schauderhafteste bedrohet, der es wagen würde, sich je einen solchen Tempel anzusehen und sich über seine Einrichtung unterweisen zu lassen, um daraus so klug zu werden, daß er dann leicht die Licht- und Schattenseiten der anderen Völker erkenne.

4. Ich frage dich aber nun zum neunten Male und sage: Wie könnet ihr denn das tun, da ihr doch gar keinen Dunst habt, worin das eigentliche Heidentum besteht? Eure Schrift verstehet ihr nicht, an euren Gott glaubet ihr nicht, und doch wollet ihr Richter sein über Menschen, denen daran liegt, ihrem Geiste einen höheren Aufschwung zu erteilen durch die auswärtig gemachten Erfahrungen! Sage es mir, wie und warum ihr solches tut!“

5. Sagte ganz verlegen der Pharisäer: „Wir müssen das tun, weil es uns von dem Obersten des Tempels also strenge geboten ist. Um das eigentliche Warum haben wir uns gar nicht zu kümmern, und es geht uns solches auch nichts an; denn die uns solches gebieten, sind die Verantwortlichen. Wir sind nur ihre Maschinen, die aber dabei gut leben und die ganze Welt im geheimen auslachen können; denn je dümmer diese ist, desto besser geht es uns. Es hat auch bei uns Menschen gegeben, die mit allen möglichen Opfern und Entsagungen das Reich Gottes gesucht und am Ende doch nichts anderes als den Tod ebensogut gefunden haben, wie ihn unsereiner auch bald finden wird. Ist derjenige, der sein Leben genießt, nicht offenbar weiser als irgendein verschrobener Frömmling, der sich selbst entmannt eines zu erhoffenden, höchst unbekannten und noch mehr ungewissen Himmelreiches wegen und am Ende schon nichts mehr ißt als Heuschrecken und wilden Honig, den die wilden Drohnen und Hummeln in den Erdlöchern zusammensammeln? Sage mir da jemand, was er will, so bleibe ich für mich einmal dabei stehen: Man sorge dafür, daß man gut, gesund und möglichst sorglos lebe; alles andere ist nicht eines Nasenstübers wert! Wer nicht viel gelernt hat, der wird am Ende auch nicht viel zu vergessen haben.

6. Und es wird am Schlusse unseres Lebens denn doch einerlei sein, ob wir mit vielen Wissenschaften und Kenntnissen oder als Narren von den Würmern verzehrt werden! Ob es aber einst wieder eine Auferstehung oder ein Seelenleben nach dem Tode des Leibes gibt, das ist eine Frage, die noch kein Sterblicher anders als nur durch seinen blinden Glauben beantwortet hat. Diese Antwort wird auf deine Frage etwa wohl genügen?!“

7. Sagte der Römer: „Weißt du, total finsterer und seelenlebloser Mensch, auf solche deine Äußerung – vor dem Volke hier auch noch dazu! – kann unsereiner nichts mehr erwidern! Ich habe doch schon mit gar vielen über geistige Dinge gesprochen; aber noch nie, selbst unter fanatischsten Heiden, ist mir ein so stockblinder Narr vorgekommen! Ich als ein Heide könnte Hunderte von den sprechendsten Beweisen geben, die das Leben der Seele nach dem Abfalle des Leibes in das hellste und ungezweifeltste Licht stellen, – und du als ein Priester redest dümmer, wie das schlechteste Tier reden könnte, so es sprachfähig wäre!

8. Sieh, als ein Freund des Lichtes und der Wahrheit will ich dir im Punkte der zehnten Frage einen von mir selbst im Beisein vieler Zeugen erlebten vollwahren Fall ganz kurz erzählen und bin darauf auf deine Antwort sehr begierig!

9. Ich bin vor sieben Jahren in staatsdienlicher Hinsicht nach Hispania beordert worden. Saguntus hieß der Ort, in welchem ich zu tun hatte. Ich blieb mit meiner Dienerschaft in einer der größten Herbergen jenes Ortes, in der ich ganz gut bewirtet worden bin. Am dritten Tage, frühmorgens, kam bei meinem ganz wachen Zustande mein schon vor zwanzig Jahren verstorbener Vater, wie er je geleibt und gelebt hatte, zu mir und rief mich so laut beim Namen, daß den Ruf auch alle meine Diener vernahmen, – wie sie auch alle die Gestalt sahen.

10. Ich fragte den Geist, was da sein Begehren wäre.

11. Und der Geist sagte: ,Was ihr Sterblichen noch lange nicht ahnet, das sehen wir Unsterblichen schon zum voraus in großer Klarheit! Verlasset längstens in einer Stunde diese Herberge, und gehet vor drei Stunden auch in keine andere, sondern bleibet im Freien, fern von den Mauern; denn es wird in solcher Zeit ein Erdbeben kommen, durch das dieses Haus und andere schwach gebaute Häuser einstürzen werden, und es werden dabei mehrere Menschen und Tiere zugrunde gehen! Machet aber zuvor einen Lärm auf dem Platze der Stadt, auf daß sich noch mehrere retten können! Wenn alle Gefahr vorüber sein wird, dann wird ein Knabe zu euch kommen und euch in eine sichere Herberge führen!‘

12. Hierauf verschwand die Gestalt und uns alle ergriff ein unheimliches Grauen. Wir eilten mit Sack und Pack hinaus ins Freie und weckten durch unser Lärmen die Hausleute, die auch ins Freie eilten und noch eine Menge anderer Menschen wachriefen, die dann auch eiligst aus ihren Häusern flohen; denn diese Menschen waren sehr leichtgläubig und glaubten an unsere Vision, flohen und retteten dadurch ihr Leben.

13. Die ominöse Stunde kam und mit ihr ein heftiger Erdstoß, durch den sogleich bei zwanzig Häuser, wie auch unsere vorher bewohnte Herberge, bis auf die Grundmauern zusammengerüttelt wurden. Darauf folgten einige Schwebungen, durch die aber weiter kein besonderer Schaden angerichtet wurde. Nach drei Stunden unseres traurigen Harrens kam denn auch der Knabe zu uns und führte uns in eine etwas entlegenere, aber völlig unbeschädigte Herberge, die uns aufnahm, und worin wir eine sichere Unterkunft fanden. Für die vollste Wahrheit dieses Faktums bürgen alle meine hiesigen Gefährten, weil sie auch damals mit mir waren.

14. Nun sage du mir, was du von dieser wahrsten Begebenheit hältst! Lebt die Seele nach des Leibes Tode fort, oder stirbt sie mit dem Leibe für immer?“

15. Sagte der nun schon ganz verdutzte und verwirrte Pharisäer: „Wenn die Geschichte wahr ist, so könnte man denn doch annehmen, daß eine Seele fortlebt; aber was die Seele ist, und wie und wo sie fortlebt, das wissen wir dennoch nicht.“

16. Sagte der Römer: „Wenn der Geist meines Vaters wußte, was geschehen wird, und wo ich mich befand, so muß sein Leben und Sein ein offenbar vollendeteres und helleres und somit auch ein besseres sein als dieses blinde Fleischprobeleben. Wenn wir Heiden aber da wissen und noch immer suchen, um stets noch etwas Helleres darüber in unsere Erfahrung zu bringen, warum tuet denn ihr das nicht, und warum verfolgt ihr Den, der euch darin das höchste und reinste Licht geben könnte? Warum suchet ihr Ihn in eurer Blindheit sogar zu töten, – wie ihr am Vormittage dieses Tages im Tempel, nur zu sehr in die Augen fallend, gezeigt habt?“

17. Sagten all die Pharisäer: „Das haben nur die gemeinen Juden tun wollen und nicht wir! Wir sind aber nun nicht des Tempels wegen, sondern um unser selbst willen hierher gekommen, um zu sehen und zu prüfen, was da an der Sache ist. Sollen wir glauben oder nicht glauben? Aber bis jetzt genügt uns das Gesehene und Vernommene noch nicht völlig, und wir warten darum noch auf etwas Weiteres. Bekommen wir eine größere Überzeugung, so können auch wir dieses Meisters Jünger werden. Darum sollet ihr uns nicht drängen! Du, Freund, hast uns mit deinen Fragen nun zwar besiegt, und wir schulden dir die hundert Pfunde Goldes; aber nun steht uns das Recht zu, an dich zehn Fragen zu stellen! Wenn du sie alle wirst beantwortet haben, dann wirst du die hundert Pfunde auch sogleich erhalten. Ist dir das recht also?“

18. Sagte der Römer: „Ganz vollkommen; darum fraget mich nur! Für die Antworten wird schon bestens gesorgt werden!“

216. Kapitel. Die sieben Bücher Mosis.

1. Hierauf fragte der ehedem redende Pharisäer den Römer, ob wieder er oder ein anderer ihm die Fragen stellen dürfe.

2. Sagte der Römer: „Das ist mir ein und ganz dasselbe! Frage mich von euch, wer da wolle und zu fragen versteht!“

3. Mit diesem Bescheide waren sie zufrieden, und es trat ein anderer hervor, der ein Schriftgelehrter ersten Ranges war, tat seinen Mund auf und sagte: „Höre! Eine von dir nicht zur allgemeinen Zufriedenheit beantwortete Frage verliert dir nach deiner eigenen Aussage tausend Pfunde Goldes!“

4. Sagte der Römer: „Das wissen wir schon! Denke du nun nicht ans Gold, sondern an eine weise Frage! Denn an der wirst du mehr Not haben als am bedungenen Golde, das du noch lange nicht gewonnen hast. Gib nun nur die erste Frage von dir, auf daß ich ihren Geist werde kennenlernen!“

5. Hier dachte der Pharisäer nach, was er dem Römer zuerst für eine Frage geben solle, die etwa der Römer nicht zu leicht beantworten würde. Da fiel ihm ein, daß der Römer nicht wissen dürfte, wie viele Bücher Moses geschrieben habe. Denn allgemein unter dem Volke war es nur bekannt, daß Moses nicht mehr als fünf Bücher geschrieben habe. Da aber Moses eigentlich sieben Bücher und noch einen rein prophetischen Anhang geschrieben hatte – was der Pharisäer wohl wußte, aber doch mit großer Sicherheit voraussetzte, daß solches außer den Eingeweihtesten des Tempels wohl niemand wissen werde –, darum fragte er den Römer, ob er wohl wisse, wie viele Bücher Moses geschrieben habe.

6. Darauf lächelte der Römer – was bei den ernsten Römern eine seltene Erscheinung war – und sagte zum Pharisäer: „Wahrlich, du hättest mir keine erwünschtere Frage geben können als gerade diese; denn aus der ganz sicheren Beantwortung wird sich's sehr klar herausstellen, wie gar nichts ihr schon seit lange her auf Gott und auf Moses gehalten habt! Ihr waret, meines guten Wissens, schon seit Samuels Zeiten mehr Feinde als Freunde Gottes und des Volkes und habt darum auch ohne alle Furcht vor Gott und vor dem Volke beinahe die zwei wichtigsten Bücher und den prophetischen Anhang, in welchem euer gewissenlosestes Handeln und euer Ende haarklein beschrieben ist, von Samuels Zeit bis zu dieser Stunde dem Volke vorenthalten. Aber zur Zeit, als ihr von uns Römern erobert worden seid, mußten alle eure Bücher, vom Alpha bis zum Omega, uns Römern zur klaren Einsicht und zur Abschrift ausgeliefert werden, und so kamen wir Römer auch hinter alle eure Geheimnisse und wissen gar wohl, daß Moses sieben Bücher und noch einen prophetischen Anhang geschrieben hat.

7. Im sechsten Buche gab er genaue Kunde über die natürliche Entstehung der Erde und beschrieb ihre Zustände von ihrem Anbeginn bis auf seine Zeit, und von da an prophetisch weiter bis zu ihrer völligen Auflösung. In eben diesem sechsten Buche beschrieb der große Mann auch den gestirnten Himmel, diese Sonne, den Mond dieser Erde und ihre Bewegungen, wie auch die Bewegungen all der Planeten, was sie sind, wie sie aussehen, und wie sie als Welten beschaffen sind. Er beschrieb auch die Kometen, die Sonnen- und Mondfinsternisse und zeigte, wie gute Rechner sie genau vorausberechnen können. Und schließlich zeigte er auch noch, was die Fixsterne sind, zeigte an ihre Größen und ungeheuren Entfernungen und sagte am Ende dieses wichtigen Buches, daß dieses alles dem Volke wohl beizubringen sei, damit das Volk Gottes in aller Wahrheit wandle auf Erden und in den Gestirnen und nicht in allerlei Irrwahn der Heiden verfalle.

8. Aber ihr Priester dachtet bald anders. Ihr wußtet, daß das blinde Volk stets eine eigens große Furcht vor den außergewöhnlichen Erscheinungen am Himmel hat. Da dachtet ihr: „Wozu benötigt das gemeine Volk solcher Kenntnisse? Es genügt, daß wir allein sie besitzen! Wir werden die Finsternisse für uns berechnen, werden dem Volke, das davon nichts weiß, drohen und es zu größeren Opfern zwingen, und es wird opfern und glauben, daß wir die Finsternis des Mondes oder der Sonne vertrieben haben!“ Mit noch mehreren solchen Vorbehalten für euch habt ihr dem Volke ganz gewissenlos das sechste Buch Mosis entzogen und behieltet es zu eurem irdischen Vorteile.

9. Das siebente Buch enthielt die wahre Schöpfung des Menschen, seine geistige Entwicklung durch den beständigen Einfluß des Geistes Gottes. Es erklärte zu jedes Menschen Verständnis das erste Buch Mosis und gab Kunde von den Büchern der Patriarchen Kenan, Henoch und Lamech und erklärte sie. Am Schlusse gab es an die Kriege Jehovas oder die treue Geschichte der Völker der Tiefen der Erde, und ganz am Ende stand wieder eine starke und sehr bedrohliche Vermahnung an die Volkslehrer, daß sie alles das allem Volke ordentlich lehren sollten, und daß da niemand zuvor ehelichen oder ein Amt überkommen dürfe, bevor er sich den ganzen Inhalt dieses Buches völlig zu eigen gemacht habe.

10. Solche Vermahnung aber schluget ihr auch in den Wind und sagtet: ,Es ist dem Volke besser, in Unkenntnis alles dessen zu verbleiben; denn weihte man das Volk in alles das zu tief ein, so würde es dann bald gar keiner Priester mehr benötigen, und diese würden dann bemüßigt sein, sich auch mit ihren Händen das tägliche Brot zu verdienen.‘ Diese Voraussetzung war aber gewiß sehr dumm, da Moses doch eigens geboten hatte, daß der Stamm Levi vom Zehnten leben solle.

11. Nun kommt noch als beinahe ein eigenes Buch ein Anhang zum siebenten Buche. Der ist ganz prophetisch, zeigt aber doch ganz klar an, daß die Priester und die Richter und die Könige alles Gottwidrige tun werden, und wie Er sie darum allzeit züchtigen werde.

12. Darin wird auch der große Messias beschrieben, wie Er in diese Welt kommen wird, wie Er leben, was Er tun und lehren und wie Er von den Priestern gehaßt und verfolgt werden wird. Dann kommt der Juden Untergang, des Messias Kirche, ihre langen Verfolgungen durch den Gegen Messias, dann kommt das Ende desselben und darauf die Glorie der reinen Kirche Gottes auf Erden. Am vollen Schlusse dieses Anhangs steht wieder eine starke und kräftigste Verwarnung, daß dieser Anhang dem Volke auch allzeit offengehalten werden solle. – Habt ihr das je getan?

13. Ja, schon zu den Zeiten der Propheten habt ihr von all diesem dem Volke keine Erwähnung gemacht, darum auch der Prophet Jesajas, Mosis Weissagung aufnehmend, im zehnten Kapitel eben das wieder gezeigt hat, um dessen Erklärung ich euch in meiner ersten Frage anging. Und so haben alle, besonders die vier großen Propheten, das dem Volke wiedergeben müssen, was Moses in seinem Anhange sagte, den ihr aber dem Volke aus den euch nur zu wohlbekannten Gründen allzeit vorenthalten habt, und ihr waret in der letzten Zeit zu träge, euch darin zu unterrichten, und müsset euch nun gefallen lassen, daß euch die Essäer sogar den irdischen Vorteil abgenommen haben; denn die kennen sich wenigstens beim sichtbaren Himmel aus, berechnen seine Erscheinungen und machen sich solche zu ihrem irdischen Vorteile. Seht, auch das ist eine gerechte Strafe von oben! Und ich bin der nur zu überzeugten Meinung, daß ich deine erste Frage ganz der vollsten Wahrheit und strengen Wissenschaft gemäß beantwortet habe.“

14. Sagte ganz verlegen der Schriftgelehrte: „Ja, – leider nur zu genau und wahr! Es ist mir nun, als sollte ich dir gar keine zweite Frage mehr geben. Denn einen Mann mit einem so umfassenden Wissen ist schwer fragen. Wir würden lieber schon gleich die hundert Pfunde Goldes zahlen – als dir noch mehrere Fragen geben! Denn wir verraten uns ja selbst mit jeder Frage von neuem und kommen in eine stets größere Verlegenheit vor dem Volke, das darüber sicher nicht schweigen wird.“

15. Sagte der Römer: „Das kümmert mich wenig! Die Wette muß eingehalten werden, und wenn darob auch die Erde samt uns in Trümmer ginge, und so mußt du mir die weiteren Fragen stellen! Frage, und ich werde dir antworten; denn jetzt bin ich erst stolz darauf, daß ich ein Römer bin!“

16. Hier steckten die sieben Templer die Köpfe zusammen und berieten, um was sie den Römer weiter fragen sollten.

217. Kapitel. Vom Hohenlied Salomos.

1. Nach längerem Fragen und Raten unter sich kamen sie auf den Einfall, den Römer zu fragen, wieviel des Sandes es im Meere gäbe, und wieviel des Grases auf der Erde.

2. Sagte der Römer: „Nur Narren und niemals denkende und vernünftige Menschen können so eine Frage stellen, deren numerisch genaue Antwort ihnen selbst ewig fremd und gänzlich unbekannt bleiben wird und auch bleiben muß, erstens, weil da die Zählung aus sehr wohlbegreiflichen Gründen für jeden Sterblichen völlig unmöglich ist; und zweitens, so auch das Zählen zum Beispiel des Grases auf der Erde ermöglicht wäre, so haben wir bis jetzt keine uns bekannte Zahl, die die Vielheit des Grases auf der ganzen Erde ansagen könnte; und endlich drittens, so ich euch auch durch eine nahezu endlose Anhäufung von uns bekannten höchsten Zahlen und Ziffern die Vielheit des Sandes im Meere und des Grases auf der Erde ansagen würde, so frage ich euch: Wer wird es sagen können, daß ich die unendlich große Zahl zu hoch oder zu niedrig angegeben habe? Und sagt einer das, so bin ich als ein hoher und mit vieler Staatsgewalt vom Kaiser aus versehener Römer wohl dahin ermächtigt, von dem Gegner meiner Angabe auf Leben und Tod den völlig mathematisch erwiesenen Gegenbeweis zu verlangen, den mir kein Mensch, sondern nur Gott allein zu geben imstande wäre; denn der Mensch müßte mit vielen Zeugen zuvor den Sand und das Gras zählen, was doch ganz unmöglich wäre, sowohl der elementarischen Verhältnisse als auch des menschlichen Alters wegen, und so könntet ihr mir in tausend und abermals tausend Jahren mit gar keinem gültigen Gegenbeweise entgegentreten.

3. Wozu also eine solche lächerliche Frage, deren Unsinn die Sperlinge auf dem Dache einsehen müssen? Ihr könnet mich nur um derlei Dinge fragen, von denen ihr selbst eine erwiesen genaue Kunde habt und allenfalls vermuten könnet, daß mir solches unbekannt sein dürfte. Aber mit solchen Fragen, auf die ich antworten kann, was ich will, und hinsichtlich welcher ihr mir ewig nicht beweisen könnet, daß ich euch eine unrichtige Antwort gegeben habe, schlage ich euch ja allzeit am leichtesten! Ihr seid also nun mit eurer zweiten Frage noch mehr eingegangen als mit der ersten; daher gebet mir nun eine dritte, aber vernünftige Frage!“

4. Hier fing das Volk an zu jubeln über die Dummheit des Schriftgelehrten und lobte den Römer wegen seines nüchternen und klaren Verstandes. Der Römer aber bat das Volk um Ruhe, da er noch nicht fertig sei. So er fertig sein werde, dann könne das Volk jubeln nach Herzenslust. Hier ward das Volk wieder ruhig, und der Römer verlangte die dritte Frage.

5. Nach einer kurzen Pause fragte der Schriftgelehrte den Römer, sagend: „Da du also gar so bewandert bist in unserer Schrift, so frage ich dich, ob dir das Hohelied Salomos bekannt ist, und was es besagt.“

6. Sagte der Römer: „O ja! Es ist dieses Lied wegen seiner hohen Poesie und Mystik schon lange mein Liebling gewesen. Ich verstand bis jetzt den tiefen Sinn wahrlich nicht völlig; aber da ich nun eben Den gefunden habe, auf den allein es sich ausschließlich bezieht, so versichere ich euch, daß darin auch nicht ein Vers vorkommt, der mir nicht so klar wie die Sonne am hellsten Mittage wäre. So es euch beliebt, so will ich euch vor allem Volke hier sogleich eine Probe abgeben, daß ich das Lied nun wohl verstehe.“

7. Hier besann sich der Schriftgelehrte, den Römer weiter zu fragen; denn er merkte es wohl, daß der Römer alles sehr geistreich auf Mich und Meine Lehre beziehen werde, das eben die neue Kirche ist, die an Mir ihren gesuchten Freund gefunden und Mich zu Gaste der Liebe und des Lebens geladen hat.

8. Darum sagte der Schriftgelehrte: „Wir sehen es schon, daß wir auch mit dieser Frage einen Fehlwurf gemacht haben und geben sie freiwillig verloren. Daher, weil wir dich schon fragen müssen, wollen wir dir eine andere und also die vierte Frage geben.

9. Was ist die Seele des Menschen, und wo hat sie ihren Sitz im Leibe? – Das ist doch gewiß eine ganz ordentliche Frage, gegen die sich doch sicher nichts einwenden lassen wird!“

10. Sagte der Römer: „Oh, durchaus nichts, und ich werde sie euch nach der Seelenkunde und nach meiner eigenen Erfahrung ganz genau und völlig der Wahrheit nach beantworten, obschon ich nur zu bestimmt weiß, daß keiner von euch es weiß, was die Seele ist, und wo sie im Leibe wohnt!“

218. Kapitel. Agrikola spricht über das Wesen der Seele.

1. (Der Römer:) „Seht, die Seele als eine geistige Substanz ist ganz vollkommen Mensch, sowohl der Gestalt als auch allen Gliedern und Bestandteilen des Leibes nach! Und wäre sie das nicht, so könnte sie auch nicht von ihrem Leibe den möglich vollkommenen Gebrauch machen. Die Hände der Seele befinden sich in den Händen des Leibes, ihre Füße in des Leibes Füßen, und so fort alle Teile der Seele in den entsprechenden Teilen des Leibes. Wird der Leib irgend krank, so ist die Seele auch in den kranken Leibesteilen gegenwärtig und ist sehr bemüht, dieselben wieder gesund zu machen. Gelingt ihr das nicht, so wird sie darin untätig, und die Folge davon ist, daß dann ein solcher Leibesteil ganz gelähmt, nahezu gefühllos und somit untätig erscheint. Das ist eine gute und wahre Lehre aller alten und auch neuen Psychologen. Aber es fragt sich hier, wie solche Weise hinter ein solches Geheimnis kamen. Diese Frage ist ganz leicht zu beantworten.

2. Zuerst führt einen nüchternen Denker die Vernunft darauf; denn so die Seele völlig das eigentliche Lebensprinzip des Menschen in allen seinen Teilen ist, so muß sie auch innerhalb aller Teile des Leibes zugegen sein, da sonst gewisse Teile des Leibes offenbar kein Leben hätten und ebensogut tot wären, wie dann der ganze Leib tot ist, so ihn die Seele verlassen hat. Da aber der ganze Leib tätig ist, so muß auch als Grund der Lebenstätigkeit die Seele im ganzen Leibe ausgebreitet sein. Und so ist die Seele nur allein schon nach den untrüglichen Gründen eines reinen und gesunden Menschen unzweifelhaft ganz Mensch in geistiger Substanz und hat ihren Sitz – nota bene – im ganzen Leibe.

3. Aber es könnte dazu jemand sagen: ,Ja, diese Sache läßt sich ganz gut hören; aber wo sind dafür die tastbaren Beweise, die allein als haltbare Zeugen für die volle Wahrheit der Vernunftgründe dienen können?‘

4. Oh, auch solche tastbaren Beweise haben wir aus den vielfachen Erfahrungen aller Zeiten, Länder und Völker! Zunächst gelten natürlich jene, die man als ein gesunder und wahrheitsliebender Mensch selbst gemacht hat, und dann können die Erfahrungen vieler anderer Menschen die eigene Erfahrung unterstützen und ihre Wahrheit bestätigen.

5. Die sonderbare Geschichte von Saguntus in Hispania wisset ihr. Der fortlebende Geist meines Vaters war ganz so Mensch, wie er es bei seinen Leibeslebenszeiten war. Das beweist, daß er als Seele auch im Leibe das sein mußte, nämlich ganz vollkommen ein Mensch mit Kopf, Leib, Händen und Füßen.

6. Aber es ist das nicht die einzige Erfahrung auf diesem Gebiete. Als ich vor mehreren Jahren Ägypten bereisen mußte, da machte ich folgende höchst sonderbare Erfahrung: Ich war mit den meisten dieser meiner Gefährten in Sicilia, um von da zu Schiff nach Ägypten zu steuern. Wir bestiegen am Morgen unser großes und festes Schiff, das schon vielen Stürmen getrotzt hatte. Wir alle empfahlen uns voll Andacht und Inbrunst dem Schutze der Götter und ich geheim noch dem Schutze des Gottes der Juden, den ich aus eurer Schrift kennengelernt hatte. Als wir vom Lande stoßen wollten, da war das Schiff um keinen Preis flottzumachen. Ich ließ sogleich alles auf das sorgfältigste untersuchen, und es fand sich nirgends etwas vor, das das Schiff nur im geringsten im Flottwerden hätte beirren können. Es wurde darauf alles aufgeboten, um das Schiff, das doch auf sehr tiefem Wasser stand, vom Lande zu stoßen; aber das war alles vergebliche Mühe. Ich, mit etlichen dieser meiner Gefährten voll ärgerlicher Gedanken auf dem Verdeck stehend, schaute auf und ab und hin und her und über Bord hinab ins Meer, um vielleicht doch irgendeinen Grund dafür zu entdecken, was uns die Abfahrt verhindere.

7. Da entdeckte ich auf einmal eine weiß gekleidete Mannesgestalt am Ufer des Meeres hin und her wandeln, die mit ihren Augen das Schiff fixierte und nicht aus den Augen ließ. Ich rief mehrere meiner Gefährten zu mir und machte sie auf die Gestalt aufmerksam. Diese meinten, daß dies vielleicht ein Uferzauberer sei, und man werde ihm ein Opfer geben müssen, auf daß er das Schiff loslasse. Wir gingen darum aus dem Schiffe ans Ufer zu der Gestalt hin, die festen Blickes unser wartete. Bei dem vermeinten Zauberer angelangt, fragte ich festen Mutes die Gestalt: ,Du hältst mein Schiff mit deiner Zaubermacht fest. Aus welchem Grunde denn? Verlangst du ein Opfer als Löse des Schiffes von uns? Rede; denn meine Reise nach Ägypten ist dringend!‘

8. Die Gestalt sah mich fest und ernst an und sagte laut und wohl vernehmlich: ,Ich bin kein Zauberer und verlange von dir kein Opfer. Aber da du dich dem Schutze des Jehova der Juden empfahlst, so wurde ich hierher gesandt, um dich vor dem Untergange zu beschützen. Denn wenn du heute abfährst, so bist du in der dritten Stunde der Nacht samt dem Schiffe eine Beute des Meeres! Es wird zwanzig Stunden Weges von hier dem Wasser entlang ein großer Sturm wüten. Wehe dem, den seine Wut erreicht! Morgen aber kannst du fahren, und du wirst deine Fahrt glücklich vollenden.‘

9. Darauf fragte ich den Geist: ,Wer bist du denn, und wie lautet dein Name?‘

10. Da erwiderte der Geist: ,Ich bin dein Urgroßvater gewesen, war ein ehrsamer Patrizier und allzeit gegen jedermann gut und gerecht und bin deshalb nun auch selig, wenn auch noch nicht ganz vollendet. Du wirst auf der Erde noch Großes erleben. Wenn aber das sein wird, da gedenke meiner, der ich dir nun durch die Zulassung des einen allein wahren Gottes solches kundgetan habe!‘

11. Darauf verschwand der Geist, und wir blieben am Lande.

12. Nun, das war ein von uns allen gesehener Geist oder die fortlebende Seele eines schon lange verstorbenen und zerstörten Leibes, hatte vollkommene Menschengestalt und sprach wohlvernehmliche Worte zu meinem Heile und bewies eine Kraft in ihrem Willen, gegen die alle unsere physische Kraft in ein pures Nichts verschwand. Diese Erscheinung ist völlig wahr und kann von den meisten dieser meiner Gefährten bezeugt werden. – Gehen wir aber auf eine andere über, die uns in Oberägypten vorkam!“

219. Kapitel. Seele und Leib.

1. (Der Römer:) „Wir kamen nach Memphis und nahmen Herberge, die uns der dortige römische Oberste und Pfleger verschaffte, und das in seinem großen Palaste. Die drei ersten Tage hindurch besahen wir uns die Stadt, ihre Umgebung und die alten Tempel mit ihren Umgebungen, die uns Römer natürlich sehr interessierten.

2. Am dritten Tage, noch sehr früh, gewahrte ich, daß sich in meinem großen Schlafgemache etwas rege und bewege. Auch die Diener, die bei mir Wache hielten, bemerkten das. Ich fragte sie alsbald, was das sei, und was es zu bedeuten habe. Aber die Diener kannten das nicht und beteuerten, so etwas nie je zuvor bemerkt zu haben. Es glich bald einem Schatten an der Wand und bald einem Nebel, der sich am Boden des Gemaches erhob und hin und her schwebte, als würde er von einem leichten Luftzuge bewegt. Zum Brennen konnte da wohl nicht so leicht etwas kommen, weil wohl alles Stein war, sogar die Tische, Betten und Stühle. Wir betrachteten dieses scheinbare Naturspiel eine Zeitlang mit stummer Resignation, und ein jeder wartete mit einer gewissen Ängstlichkeit, was da am Ende herauskommen werde.

3. Es dauerte aber gar nicht lange, da verschwand dieses Schatten- und Nebelspiel auf einmal. Darauf ward ein starkes Geräusch verspürt und eine ganz jugendliche, aber sonst ganz betrübt aussehende weibliche Gestalt kam zum Vorschein; der sonderbaren Tracht nach glich sie einer Altägypterin.

4. Ich faßte Mut und fragte sie mit meiner Gemütsstimme, wer sie sei, und was sie hier wolle.

5. Im selben Augenblick richtete sich das Wesen auf und sagte: ,Ich bin eine Tochter Sesostris', und mein Name ist Isia. Du bist auch vom selben Stamme und kannst mich frei machen von dieser Burg des Elends und der Verzweiflung, in der ich schon eine lange Erdenzeit verharre. Gib mir Kunde von einem rechten und wahren Gott! Der allein wird mich frei machen von dieser langen Qual; aber deine und meine Götter sind nichts als tote Gedanken der blinden Menschen.‘

6. Sagte ich: ,So kehre dich an den Gott der Juden!‘

7. Als ich dies ausgesprochen, ward die Gestalt ganz weiß und verschwand.

8. Das Weitere brauchen wir hier gar nicht zu berühren. Die Erscheinung war diesmal eine weibliche und hatte die vollste Ähnlichkeit mit einem Mädchen von höchstens dreiundzwanzig Jahren. Als eine Tochter Sesostris' hat sie sicher auch einmal auf dieser Erde im Fleische gewandelt, und es müßte viel sein, so sie mit ihrer einstigen Fleischgestalt nicht die vollste Ähnlichkeit gehabt hätte.

9. Aber eben darin liegt ja der völlig unumstößliche Beweis, daß erstens ein jeder Leibmensch eine unsterbliche Seele hat, und daß diese zu den Leibeslebenszeiten den ganzen Leib bewohnt und nach dem Abfalle des Leibes für sich ganz dieselbe Gestalt hat, die sie ehedem im Leibe hatte. Ein mehreres habt ihr nicht gefragt, und so habe ich euch auch nichts Weiteres zu sagen.

10. Aber daß eben die Seele den ganzen Leib des Menschen einnimmt, das kann ich euch noch durch ein selbsterlebtes Faktum beweisen, und so denn höret mich noch!

11. Ich kannte in Rom einen Menschen, der hatte in einer Schlacht einen Fuß bis übers Kniegelenk eingebüßt und wurde geheilt. Wenn ich den Menschen fragte, ob er von dem verlorenen Fuße nie mehr, gleichsam in einer wie rückerinnerlichen Ahnung, etwas wahrnehme, und ob es ihm vorkomme, daß ihm dieses Glied mangle, so beteuerte der Mensch, daß es ihm vorkomme, als habe er gar nie einen Fuß verloren. Er sei in solchem Gefühle schon zu öfteren Malen dahin gekommen, auf den noch immer als daseiend empfundenen Fuß aufzutreten und sei darum auch schon mehrere Male recht hart gefallen.

12. Aus dieser wahren Begebenheit aber läßt sich ja gleich wieder der Schluß ziehen, daß die Seele erstens den ganzen Leib durchdringt und kein Glied verliert, wenn auch der Leib ganz verstümmelt würde, und zweitens, daß die Seele in sich unsterblich ist und nach des Leibes Tode fort und fort lebt und sich weiter ausbildet.

13. Ich meine, daß ich nun eure Frage ganz in aller Ordnung beantwortet habe. Wohl könnte ich euch noch eine Menge solcher Daten von alten Zeiten her und von allen uns bekannten Völkern erzählen; aber das würde meine Antwort nicht mehr zur Wahrheit erhöhen. Und somit habe ich euch auch diese Frage ganz gut beantwortet, und so könnet ihr mir nun schon eine fünfte Frage geben! Was saget ihr?“

14. Sagte der Schriftgelehrte: „Daß du diese vierte Frage überaus gut beantwortet hast, das müssen wir alle eingestehen. Aber wir gestehen auch das ein, daß wir dir keine Frage mehr zu geben imstande sind; denn du bist ein tiefst gelehrter und mit vielen Erfahrungen bereicherter Mann, zu dem wir alle in die Schule gehen könnten. Um was sollten oder könnten wir dich noch weiter fragen?! Wir werden dir die hundert Pfunde Goldes zahlen, und damit hat diese Geschichte ein Ende.“

15. Sagte der Römer: „Ganz gut! Wir können unterdessen diese Geschichte wohl fahren lassen, da ihr nun einsehet, daß wir Römer nicht so dumm sind, wie ihr solches von uns zu glauben gewohnt waret. Ihr habt nun gesehen, daß wir alles streng prüfen und das daran gefundene Gute und Wahre behalten. Aber da ihr von dem nun wohl überzeugt seid, so frage ich euch nun und sage: Habe ich da recht, so ich euch darob der größten Torheit zeihe, daß ihr den Gottmenschen dort nicht als das erkennen wollet und möget, was Er nach meiner Beurteilung unbestreitbar ist?“

16. Sagten die Pharisäer: „Lieber und wahrlich sehr weiser Freund! Wir wollen auch das tun, und wir sind für uns insgeheim sogar überzeugt, daß jener Galiläer ganz gut der verheißene Messias sein kann und auch sein wird; aber da können auch wir euch ein altes Sprichwort von euch sagen, und das lautet: ULTRA POSSE NEMO TENETUR. Und so steht es mit uns. Wir können das nicht vermöge unserer Stellung, die wir leider einnehmen. Denn bekennen wir uns offen als seine Jünger, so werden wir vom Tempel auf das schonungsloseste verflucht und hinausgestoßen werden. Wohin gehen wir dann, und was machen wir dann, und wer wird uns Kost und Wohnung geben?

17. Ja, wenn man so leben könnte wie die Vögel in der Luft, dann wäre das etwas ganz Leichtes, eine Lehre anzunehmen, die in sich wohl voll der reinsten Wahrheiten, aber das unserem nunmaligen Judentum Entgegengesetzteste ist! Wir können das also nur ganz geheim für unsere Persönlichkeit annehmen und glauben. Öffentlich aber müssen wir dieser Sache entgegen sein, weil wir sonst nichts zu leben und nirgendswo zu wohnen hätten. Wer das bedenkt, der wird das wohl einsehen, was zu tun oder nicht zu tun wir imstande sind.“

18. Sagte der Römer: „Diese eure Entschuldigung ist so eitel und leer wie ein ausgeblasenes Ei und hat in sich nicht den geringsten Grund, der euch von der Annahme der Wahrheit abhalten könnte. Denn so ihr nun wisset und wohl erkennen müsset, wer dieser Gottmensch ist, so könnet ihr doch unmöglich fragen, was ihr essen, womit ihr euch bekleiden, und wo ihr wohnen werdet. Wenn der höchste Geist Gottes in Ihm wohnt, der Himmel und Erde erschaffen hat und alles erhält und regiert, und von Ihm allein ein jeder Atemzug und ein jeder Pulsschlag abhängt, so wird Er wohl auch denen, die an Ihn glauben und Ihn lieben, alles das geben, was sie zu ihrem Leibeslebensunterhalt benötigen.

19. Da sehet diese Menge von Menschen hier! Sie essen und trinken und sind ganz gut bekleidet. Wenn sie auch schon früher mit Kleidern versehen waren, so doch nicht mit der Kost, die sie nun hier genießen. Auch ihr genießet nun den Wein, der nie zuvor in einem Schlauche war, und esset ein Brot, das nie in einem Bäckerofen war. So ihr davon gleich uns Römern überzeugt sein müsset, wie könnet ihr mir mit so leeren Entschuldigungsgründen kommen?

20. Was nützt euch aber am Ende eure gegenwärtige Stellung und leibliche Versorgung? Wird sie euch wohl das ewige Leben sichern? Wer wird dereinst eure Seelen versorgen, so ihr Dem den Rücken kehret, der allein euch solches tun kann, wie Er solches euch Selbst am Vormittage im Tempel laut genug vorgetragen hat, daß der, welcher an Ihn glaubt, den Tod in Ewigkeit nicht sehen, fühlen und schmecken werde?! So ihr nun nach eurer Aussage erkennet, daß Er der große Verheißene ist, so gibt es für euch und für gar niemanden einen haltbaren Grund, nicht offen vor allen Menschen an Ihn zu glauben und nach Seiner Lehre zu leben. – Habe ich recht oder nicht?“

21. Sagten alle Anwesenden: „Ja, du hoher Römer hast in allem recht; denn also ist es und ewig nicht anders! Wohl jedem, der nun das Glück hat, den Herrn zu sehen und Seine göttliche Lehre zu vernehmen, wie wir alle ein solches Glück genießen, dessen wir nicht im geringsten würdig sind!“

220. Kapitel. Weltentsagung und Reich Gottes.

1. Hierauf sagte Ich: „Und selig ist auch der, welcher sich an Mir nicht ärgert! Ihr blinden Pharisäer saget: ,So der Himmel abends rot ist, da wird morgen ein schöner Tag werden; ist aber der Morgen rot, so wird der Tag ein trüber sein!‘ Diese Zeichen könnet ihr beurteilen; wie sehet ihr denn die großen Zeichen dieser Zeit nicht, die euch von Mir gegeben werden? Ihr aber sehet wohl auch diese Zeichen und verstehet sie auch; aber eures Welttums wegen wollet ihr sie nicht annehmen und haltet auch das Volk davon ab. Und so wollet ihr selbst nicht in das Himmelreich, lasset aber auch niemand anders hinein; und darum werdet ihr dereinst auch desto mehr Verdammnis überkommen!

2. So ein Blinder an einen Stein stößt, so kann ihm das niemand für einen Fehler anrechnen. Aber wenn solches ein Sehender tut, so ist das offenbar ein grober Fehler; denn er konnte es ja sehen, daß ein Stein am Wege liegt. Und so ist es um so mehr in geistigen Dingen der Fall. Wer da auf Grund seiner Seelenblindheit diese Zeichen und Worte, die Ich tue und rede, nicht fassen kann, dem wird das auch zu keiner Sünde gerechnet werden, – aber wohl dem vielfach, der da sieht und dennoch der Wahrheit feind ist!

3. Bei euch Pharisäern und Schriftgelehrten ist das nun der Fall. Ihr sehet es bei euch selbst gar wohl ein, daß Ich der Verheißene bin; aber ihr sehet daneben auch ein, daß euer ganz zerstörtes Judentum neben Meiner Lehre nicht bestehen kann, weil ihr Moses und die Propheten nahezu gänzlich aufgehoben habt und dafür eure Satzungen zur Unterdrückung, und nicht zur Aufrichtung des Volkes der Witwen und Waisen aufgestellt habt. Und weil ihr das tut und euch nicht bekehret zu Mir, so bleibt eure Sünde in euch und mit ihr das Gericht und der Tod! Wahrlich, mit demselben Maße, mit dem ihr nun ausmesset, wird euch dereinst von Meinem wahren Vater vergolten werden!“

4. Sagte ein Pharisäer, der zuvor noch ganz ungläubig war: „Das, Meister, ist eine sonderbare Rede von dir! Kann es denn nimmer geschehen, daß wir von nun an auch deine Jünger werden?“

5. Sagte Ich: „Ihr könnet wohl Meine Jünger werden, aber nicht so leicht, wie ihr das meinet; denn wer Mein Jünger werden will, der muß mit der Welt ganz brechen und darf nicht sehen auf ihre Lockungen; denn alle Welt ist ein beständiges Gericht und ein fortwährender Tod! Wer die Welt liebt, ist nicht wohlgeschickt und tauglich, ein rechter Jünger von Mir zu werden; denn der Liebe zur Welt liegt kein Leben zugrunde, sondern nur das Gericht und der Tod. Ich aber brauche keine toten, sondern nur so ganz freie und lebendige Jünger. Könnet ihr solche werden, dann möget ihr auch bei Mir bleiben!

6. Denn Ich bin nicht in diese Welt gekommen, um zu richten alle die blinden und kurzsichtigen Menschen, sondern Ich bin nur gekommen, zu suchen das Verlorene, zu heilen die Kranken, aufzurichten das Gebeugte und zu erlösen alle die Gefangenen. Wem Ich helfe, dem wird auch geholfen sein für ewig; wer aber Meine Hilfe nicht wird annehmen wollen, dem wird niemand, weder im Himmel noch auf dieser Erde, helfen können.

7. Ich meine aber hier nicht diese Meine Persönlichkeit, sondern Meine Lehre; denn diese ist das Reich Gottes, das nun nahe zu euch gekommen ist und jedem, der danach lebt, das ewige Leben geben wird. Wahrlich, Ich Selbst werde niemanden richten; aber das Wort, das Ich zu euch rede, wird euch richten, gleichwie auch die Wahrheit richtet und tötet die Lüge!“

8. Sagte darauf der Schriftgelehrte: „Meister, du hast nun ganz wohl und weise geredet, und es ist schon also; aber es ist darin doch ein Etwas, mit dem ich mich noch nicht so recht befreunden kann, und das besteht darin: Du sagtest, daß man die Welt nicht lieben solle, weil die Welt das Gericht und der Tod ist. Nun, das ist zwar an und für sich schon ganz wahr, – aber nun bedenke man, wie groß die Erde ist, und wie viele Menschen unfreiwillig auf ihr leben! Wer aber kommt zu ihnen und bringt ihnen einen Trost und ein Evangelium aus den Himmeln? Sie wachsen wild auf wie das Unkraut auf einer Heide und kennen nichts und wissen nichts. Sollen auch solche durch den allmächtigen Willen Gottes ganz blind auf diese Erde gesetzten Menschen an dieser Welt, die sie trägt und nährt, mit keiner Liebe hängen?

9. Es ist schon unser Judentum beinahe mehr ein Heidentum als ein wahres Judentum; wie sieht es dann erst mit den andern Völkern und Menschen aus? Denn dafür kann ja doch, soweit unser Wissen, Denken und Erinnern reicht, kein Mensch etwas, daß er als völlig willenlos in diese wahrlich schlechte und elende Welt geboren worden ist! Ist er aber einmal da, so wird er dann gleich von der Geburt an bis zum Rande des Grabes in einem fort mit allem möglichen geplagt, womit ein Mensch nur geplagt werden kann. Den Beschluß macht dann ein schmerzvoller und bitterer Tod.

10. Ja, wenn man das nur so ein wenig richtig bedenkt, so drängt sich einem unwillkürlich die ganz gewichtige Frage auf: Warum bin ich denn ein Mensch? Wer hat mich in dies Jammertal gesetzt, und warum?

11. Wenn der Mensch also sein ganzes Elend betrachtet, so ist es ihm doch wahrlich nicht zu verargen, wenn er in der Welt herumzusuchen anfängt, auf daß er ein Plätzchen finde, auf dem er sich sein Los ein wenig erträglicher machen könnte. Nun, nach vielen Mühen und Beschwerden hat er sich endlich ein solches Plätzchen errungen, wo es ihm ein wenig besser und ruhiger für die noch übrigen Lebensaugenblicke gehen könnte, – da kommen dann gleich Propheten und andere Boten voll des Geistes Gottes und verkünden ihm den Zorn Gottes, das Gericht, den Tod und eine Menge andere wahrlich nicht erfreuliche Dinge, und mit dem mühsam errungenen Ruheplätzchen ist's aus und gar.

12. Ja, wenn der Mensch von seiner Geburt an schon mit einem Gott einen Vertrag abgeschlossen hätte, unter welchen Bedingungen er auf dieser Welt zu leben hat, dann wäre freilich alles ganz anders! Aber so wird man ganz nackt und blind und beinahe ganz bewußtlos in die Welt hinausgeboren und wird gleich mit allerlei gequält. Und ist man unter allerlei Leiden und Widerwärtigkeiten endlich ein Mann geworden – sage – von einem sogar gesunden Körperbau und könnte dem Leben vielleicht hie und da doch einen vergnügten Tag abzwacken, da regnet es schon von allen Seiten her Heere von Gesetzen aller Art, und mit dem vergnügten Tage ist es aus! Denn habe ich ihn benutzt, dann habe ich mich an einer Menge Gesetze versündigt, die hernach das sehr peinigende Gewissen in die vollste Tätigkeit versetzen; habe ich aber die Gesetze vor Augen gehabt, na, da gab es dann auch keinen vergnügten Tag mehr! Ja, warum ist denn das alles also?

13. Ich glaube nun schon, daß du derjenige bist, der uns nun völlig helfen kann; aber was geschieht mit den andern zahllos vielen auf dieser Erde lebenden Menschen? Wer wird denen helfen? Und warum ist uns Juden und den Griechen und Römern nicht früher geholfen worden?“

221. Kapitel. Die göttliche Führung der Menschen.

1. Sagte Ich: „Höre, wie die Menschheit auf dieser Erde zu behandeln ist, das weiß Der allein und sicher am allerbesten, der sie erschaffen hat! Und Der hat es nie und sogar keinen Tag mangeln lassen an allerlei Einfließungen aus den höchsten Lebenshimmeln, um den Menschen die rechten Wege zu zeigen, auf denen sie zu wandeln haben, um das ihnen von Gott gesteckte Ziel ganz leicht zu erreichen. Wenn aber die Menschen sich von den Weltsüßigkeiten und ihren falschen und vergänglichen Reizen stets von neuem haben verlocken lassen und stets von neuem von Gott abgefallen sind und das goldene Kalb und den Mammon der Welt angebetet haben, den sie in ihrer blinden Einbildung und leeren Phantasie selbst zu einem Großwerte erhoben, kann da Gott dafür, so die Menschen Seine Lehren und Ratschläge verwerfen und sich dafür selbst solche Gesetze machen, durch die sie sich stets mehr und mehr des verderblichen Mammons aneignen können?!

2. Hat Gott sichtbar durch Moses euch nicht alles mögliche von Seiner unendlichen Schöpfungsfülle haarklein gezeigt, wie und warum das alles also ist bloß des Menschen dieser Erde wegen?! Hat Gott nicht gezeigt, was der Mensch dieser Erde ist, und was endlich aus ihm werden soll?! Moses hat euch haarklein gezeigt den Grund der ganzen Materieschöpfung und wohl gezeigt, warum eine jede Seele den Weg des Fleisches durchmachen muß, um sich nach der Ablegung des Fleisches als ein selbständiger und Gott völlig ähnlicher Geist eben Gott nahen zu können.

3. Das alles hat Gott schon in den ältesten Zeiten vielfach dem Adam, dem Seth, dem Enos, dem Kenan, Henoch, Lamech, dem Noah und von da an fort und fort bis auf Abraham, Isaak und Jakob den Menschen gezeigt, wohnte oft sogar persönlich unter ihnen und lehrte sie gehen auf den rechten Wegen des Heils. Warum habt ihr Menschen das alles verworfen und habt eure Weltweisheit an die Stelle der göttlichen Offenbarungen gesetzt?!

4. Wer war Melchisedek, der alleinige höchste Priester, der König von Salem? Wo sind seine Lehren und seine allen Menschen gegebenen weisesten und liebevollsten Gesetze?! Seht, eure Väter haben sie vernichtet!

5. Moses hatte in seinem großen sechsten und siebenten Buche all das Verlorene wiedergebracht, und ihr habt es vor dem Volke wieder versteckt und ihm dafür Kot gegeben.

6. Wenn alle Menschheit nun im argen ist durch die Schuld der selbstsüchtigen Priester und anderer herrschsüchtiger Menschen, kann da Gott dafür?!

7. Gott gab dem Menschen den freien Willen, auf daß der Mensch frei aus sich und für sich tätig sein kann; Gott gab dem Menschen aber auch die Vernunft und den Verstand, damit er die Ratschläge und Gesetze Gottes begreifen und verstehen kann, und hat ihm auch die Kraft verliehen, danach zu handeln. Wenn aber ein Mensch sich dabei dennoch aus seinem freien Willen von der Welt beherrschen läßt und den Rat Gottes nicht achten will, ist er da nicht selbst schuld, so er als ein durch eigenes Verschulden in aller Ordnung Gottes Unkundiger von einem Elend in das andere fallen muß?!

8. Weil es nun aber schon zu arg und zu lichtlos unter den Menschen geworden ist, so kam Ich Selbst nun abermals als der alte Melchisedek sogar im Fleische zu euch, wie Ich alles das schon durch alle die Propheten lange zum voraus habe ankündigen lassen.

9. Ich bin nun da, um den Menschen von neuem wieder auf den Weg des wahren Lichtes und Lebens zu helfen, und lehre und wirke Zeichen, auf daß ihr glauben sollet, daß Ich es bin! – und ihr glaubet es nicht und lasset auch den andern Menschen nicht, daß sie glauben und dadurch selig und völlig glücklich würden! Wer schuldet nun daran, daß ihr samt eurem blinden Anhang im argen bleibet? Ich wahrlich nicht! Und ihr werdet es in euer eigenes Schuldbuch zu schreiben haben, wenn es euch später noch um tausend Male ärger gehen wird als jetzt!

10. Der Römer hat euch den wahren Grund gezeigt, aus dem ihr nicht glauben wollet, daß Ich der verheißene Messias bin. Ich aber sage euch noch einmal: Wer an Mich glaubt, der wird das ewige Leben haben, und es werden Ströme des lebendigen Wassers aus seinen Lenden fließen; wer aber nicht glaubt, der wird das ewige Leben nicht in sich haben, sondern nur den Tod der Welt und alles Gericht! Aber Ich dränge Mich dadurch niemandem auf, sondern überlasse alles jedermanns freiestem Willen.

11. Da Ich aber schon zum Heile aller Menschen in diese Welt sogar im Fleische zu euch gekommen bin, so muß Ich es euch ja doch bekanntgeben, daß Ich da bin, auf daß ihr nicht wieder sagen könnet, daß euch solches niemand angezeigt habe, und daß Gott wohl die Menschen erschaffen habe und sie von den Weibern geboren werden lasse, Sich aber dann um sie gar nicht mehr kümmere und sie allwegs verschmachten lasse.

12. Ich bin nun da, um allen Menschen zu helfen und entsende zu allen Völkern der Erde Meine Engel, daß sie ihre Weisen in der rechten Art unterweisen. Wer sich daran kehren wird, der wird nicht verlorengehen, und befände er sich noch soweit von hier. Aber niemand wird dazu gezwungen werden. Ich sagte euch nun das, auf daß ihr wisset, daß Ich da bin, und warum. Ihr aber könnet nun tun, was ihr wollet.“

13. Sagte der Pharisäer zu den Seinen: „Was sollen wir tun? Der Mensch redet gewaltig, und sehr viele glauben an ihn. Wir können nicht sagen: ,Er ist es!‘, – aber auch nicht sagen: ,Er ist es nicht!‘ Meine Meinung wäre, sich noch zuvor recht in der Schrift umzusehen. Stimmt alles mit ihm überein, dann können wir auch nicht umhin, vollauf an ihn zu glauben; stimmt aber nicht alles mit ihm überein, so bleiben wir, was wir sind! Was meinet ihr da?“

14. Sagte der Schriftgelehrte: „Da werden wir viel zu tun haben; denn die Schrift ist groß und für uns schwer verständlich. Wir werden daraus sowieso wenig für uns schöpfen können! Ich denke, daß wir uns noch länger bei ihm und besonders bei seinen Jüngern aufhalten und uns mit ihnen besprechen sollten, was sie von Anfang an alles von ihm gehört und gesehen haben. Und das wird uns offenbar einen besseren Beweis über ihn geben als alle unsere unverständlichen Bücher. Ich bin nun schon mehr für den Glauben an ihn als für das Gegenteil! – Was saget denn ihr andern dazu?“

15. Sagte ein schon früher Gläubigerer: „Mit dem Glauben hätte es bei mir gar keinen Anstand mehr; aber wie vom Tempel loswerden? Das ist eine ganz andere Frage, die für uns schwerer zu beantworten sein dürfte als jede andere!“

16. Hierauf sagte der Römer: „Wenn euch sonst nichts beirrt als das nur, so meine ich, daß dem am ehesten abzuhelfen wäre. Meines Wissens sendet der Tempel stets wohlerfahrene Priester in alle Welt hinaus und macht sich Glaubensgenossen. So ihr euren Vorgesetzten saget, daß ihr dazu von mir, Agrikola, aufgefordert worden seid, da wird sicher niemand etwas dawider haben, und man wird euch gehen lassen. – Was meinet ihr da?“

17. Da sagte der Schriftgelehrte: „Die Sache läßt sich hören, und wir werden den Versuch machen. Geht aber der Hohepriester darauf nicht ein, was dann?“

18. Sagte der Römer: „Dann verlange ich euch von ihm mit meiner kaiserlichen Vollmacht, und euer Hoherpriester wird dagegen nichts mehr einzuwenden haben!“

19. Damit waren alle zufrieden, – nur der eine Pharisäer fragte noch wegen der hundert Pfunde Goldes.

20. Der Römer aber sagte: „So ihr mir folget, da seid ihr frei!“

21. Damit waren alle zufrieden und gingen zu den Jüngern, besprachen sich mit ihnen über verschiedenes und wurden dadurch noch gläubiger.

222. Kapitel. Reine und unreine Speisen.

1. Während aber die etlichen Pharisäer mit den Jüngern ihr Wesen hatten, besprach Ich Mich mit dem Lazarus und seinem Wirte über ganz gleichgültige irdische Dinge. Die anwesenden vielen Zöllner samt ihrem Anhang aber gaben auf alles acht, was Ich mit dem Lazarus und seinem Wirte redete, und fanden da vieles heraus, was sie bei ihrer Landwirtschaft und bei ihrer Viehzucht gar gut gebrauchen konnten.

2. Ich machte sie auf viele Wurzelfrüchte aufmerksam, die sie aus der von Mir gegebenen Beschreibung recht gut erkennen, anpflanzen und hernach zum Genusse bereiten konnten. Also machte Ich sie auch damit bekannt, wie sie das Fleisch der Schweine, der Hirsche, der Rehe, der Gemsen, Gazellen, der wilden und zahmen Hasen und einer Menge Vögel zubereiten sollen, auf daß sie es essen können und ihnen solche Kost nicht schade. Also zeigte Ich ihnen auch, wie und zu welcher Zeit man diese Tiere am leichtesten fangen, töten und ihr Fleisch dann gebeizt und wohl geräuchert auf eine längere Zeit zum nötigen Genusse aufbewahren kann.

3. Das vernahmen auch die Römer, und unser Agrikola kam von seinem Tische zu Mir hin und sagte: „Herr und Meister, ich habe auch von diesem Unterrichte alles vernommen und empfand eine große Freude darob, daß Du Dich auch in derlei Dingen unterrichtend an uns gewendet hast! Sieh, wir pflegen die Verbrecher in den Kerkern mit den Strom- und Meerkrebsen zu speisen! Diese Tiere werden, wenn man sie haben kann, in gesalzenem Wasser mit Beimischung des Thymiankrautes gesotten. So sie rot werden, dann sind sie auch schon zur Genüge gekocht. Wenn sie also zubereitet sind, werden sie den Sträflingen zum Essen gereicht. Anfangs trieb sie, wie man weiß, nur der große Hunger an, diese Speise zu genießen; doch mit der Zeit schmeckte ihnen diese Kost gar sehr, und sie wurden dabei ganz kerngesund, sahen von Tag zu Tag besser aus, und jeder freute sich am Ende auf die Krebse. Diejenigen aber, die ihre Strafzeit ausgestanden hatten, aßen auch nachher beinahe nichts als Krebse, wenn sie solche nur haben konnten. – Was sagst denn Du zu solcher Kost? Könnte sie rätlich auch von anderen Menschen genossen werden?“

4. Sagte Ich: „Oh, allerdings, – aber nur in den gewissen, euch bekannten Monden, und dann müssen sie frisch sein und lebend, wie es sich von selbst versteht! Die Zubereitungsweise ist ganz gut. Die Flußkrebse aber sind besser denn die des Meeres.“

5. Damit war Agrikola ganz zufrieden.

6. Es fingen aber einige Jünger an, unter sich zu reden und sagten: „Seht doch unsern Herrn und Meister an! Von derlei Dingen hat Er schon lange nichts geredet! Wie mag Ihm das nun doch behagen?“

7. Aber auch die Pharisäer, die sich mit den alten Jüngern über Mich besprachen, merkten auf Meine Rede, schüttelten ihre Köpfe und sagten: „Wie redet er nun also wider die Satzungen Mosis, und die Römer sagen ihm nichts dagegen, wo sie es uns doch sehr vorhielten, daß wir die Satzungen Mosis verworfen und an ihre Stelle die unsrigen gesetzt hätten! Weiß er denn nicht, was Moses verordnet hat, und daß das Fleisch von unreinen Tieren den Menschen auch schon dann verunreinigt, wenn man sie nur anrührt? Zubereitung hin, und Zubereitung her! Was unrein ist, das bleibt auch in der besten Zubereitung unrein und verunreinigt den, der es genießt! Ha, sonderbar von ihm, daß er also redet!“

8. Sagte Jakobus heimlich zu Mir: „Herr, hörst Du nicht, wie Dich die Pharisäer loben? Sage ihnen etwas entgegen!“

9. Sagte Ich: „Was kümmert Mich der blinden Pharisäer Rede! Sie sind blinde Leiter der Blinden! Wo aber ein Blinder den andern führt, da fallen beide in den Graben, und keiner kann dem andern helfen. Darum merket nicht auf ihre Reden!“

10. Es hatten aber solches auch die Pharisäer vernommen und fingen an, sich untereinander zu fragen, ob Ich nun auch sie gemeint hätte, da sie doch gläubig geworden seien.

11. Ich aber erhob Mich und sagte zu ihnen: „Ja, auch euresgleichen habe Ich gemeint! Ihr blinden Toren! Was zum Munde hinein und durch den Mund in den Leib gehet und durch den natürlichen Gang wieder aus dem Leibe geht, das verunreinigt den Menschen nicht; aber was durch den Mund aus dem Herzen kommt als böse Gedanken, schlechte und unflätige Reden, Ehrabschneidung, Meineid, Lügen aller Art, Betrug, Neid, Geiz, Unzucht, Hurerei und Ehebruch und Fraß und Völlerei, auch mit euren reinen Speisen, das verunreinigt den ganzen Menschen!

12. Schlaget nach in der Schrift, und ihr werdet es finden, warum euch Moses den Genuß von bloß reinen Speisen anbefohlen hat! Das tat er wegen eurer zu großen Fleischfreßgier und wegen eurer unbändigen Sinnlichkeit und Geilheit. Ich aber sage nun, daß für den, der im Herzen rein ist, auch alles andere rein, dem Unreinen aber auch alles unrein ist.

13. Was du zur nötigen Stärkung deines Leibes issest oder trinkest, das wird dich weder selig noch je unselig machen, sondern nur, was du glaubst, und was du tust! Glaubst du Falsches, so kannst du nichts Rechtes und wahrhaft Gutes tun; denn da ist die Wahrheit nicht in dir. Aber es wird darum deine Seele nicht im Gerichte verbleiben; denn da wären alle Heiden verloren, und das sei ferne! Aber so du die Wahrheit hörst und sie auch begreifst, handelst aber dennoch nach deiner Falschheit, so wird die Wahrheit dich richten, aber schwerlich zum Leben, sondern zum Tode deiner Seele! Denn wie das Licht der Tod der Nacht ist, so ist auch die Wahrheit der Tod der Lüge und Falschheit. Wenn nun der Tag deiner Seele gekommen ist, wie willst du in die Nacht des Gerichtes, des Todes zurückgehen?!“

14. Sagte der Schriftgelehrte: „Meister, ich weiß es schon, daß du die Wahrheit redest; aber du hast uns doch vorgeworfen, daß wir Mosis Gesetze aufgehoben und andere an ihre Stelle gesetzt haben! Und siehe, wir stellen dir das nicht in Abrede, weil es wahrlich auch also ist; aber so du nun allen Juden erlaubst, auch das Fleisch der von Moses bezeichneten unreinen Tiere unter den gewissen Zubereitungen zu essen, da hebst ja auch du in diesem Punkte die Satzung Mosis auf, wie du sie auch in dem selbst nicht gar zu strenge je beachtet hast, daß du auch an den Sabbaten die Kranken heiltest! Denn es steht geschrieben: ,Sechs Tage sollst du arbeiten, den siebenten sollst du feiern und ihn Gott dem Herrn weihen!‘ Mit welchem Rechte tust denn somit du selbst solches?“

15. Sagte Ich: „So Ich Der bin, als welcher Ich in diese Welt gekommen bin, dann tue Ich das nun mit ganz demselben Rechte, als mit welchem Rechte der Vater, der in Mir ist, dereinst dem Moses in der Wüste für euch Juden die Gesetze gab. Ich aber hebe, wie du meinst, durchaus kein Gesetz des Moses auf, sondern Ich Selbst erfülle das Gesetz selbst in allen seinen Punkten. Aber Ich zeige euch nur euren Unverstand in der Beurteilung der Gesetze des Propheten. Ihr reitet auf dem Buchstaben, der da tötet, und kennet den Geist nicht, der lebendig macht. Ich aber offenbare euch nun den alles lebendig machenden Geist; wie sagst du da, daß Ich das Gesetz Mosis aufhebe?

16. Ihr Buchstabenreiter säuget wohl mit eben euren Buchstaben die Mücken und verschlucket dafür Kamele; denn so ihr schon gar so unerschütterlich an der Buchstäblichkeit der Satzungen Mosis haltet, wie möget ihr dann um viel Geld und andere Opfer den reichen Juden Dispensen (Straferlaß) erteilen?!

17. Ihr selbst esset gesäuertes Brot sogar an den Sabbaten, esset wildes Geflügel und erteilet selbst euren Aposteln die Erlaubnis, alles zu essen, was in irgendeinem Lande die Menschen essen. Ihr tut aber solches eures irdischen Vorteiles wegen und brechet eben dadurch das Gesetz; Ich aber rate das den Menschen nun aus purer Liebe und Erbarmung und verlange für solch einen Dispens keine Opfer und hebe darum das Gesetz Mosis nicht auf! Denn so der Mensch, wenn es ihn hungert, seinen Leib sättigt mit was immer für genießbarer Speise, so sündigt er nicht wider irgendein Gesetz Mosis. Aber so ein Jude aus purer Maulleckerei und wegen eitlen Gaumenkitzels zum Ärgernis seiner Mitmenschen das Fleisch von unreinen oder erstickten Tieren ißt und zur Genüge Fleisch von als rein bezeichneten Tieren hat, der sündigt, dieweil er seine schwachen Mitmenschen geärgert hat.

18. Ich sage hiermit ja auch nichts anderes als: Der Mensch kann im Notfalle auch das Fleisch von all den von Mir bezeichneten Tieren essen und braucht sich deshalb kein Gewissen zu machen; aber er soll sich dieselben zuvor also zurichten, wie Ich es ehedem angezeigt habe, und sie werden ihm dann nicht schaden! Aber das Blut, besonders von erstickten Tieren, soll kein Mensch essen, weil darin viele böse Geister (Gifte) verborgen sind! Ihr wißt solches wohl, und dennoch esset ihr geheim das Fleisch erstickter Hühner, Kälber und Lämmer, weil es euch besser schmeckt und ihr darauf berauscht und geil und am Ende ganz gefühllos werdet.

19. Denket zuerst über euch selbst nach, was ihr tuet, dann erst könnet ihr Mir sagen, ob Ich Mosis Gesetz aufhebe! Wie magst du aber zu deinem Nachbarn sagen: ,Komm, daß ich dir den Splitter aus deinem Auge ziehe!‘, und in deinem Auge steckt ein ordentlicher Balken?! Tor! Ziehe zuerst den Balken aus deinem Auge, dann erst sieh, wie du mit dem Splitter im Auge deines Nachbarn fertig wirst! Ein jeder kehre zuerst vor seiner Tür, dann erst gehe er zu seinem Nachbar hin und sage: ,Vor meiner Haustür ist es nun rein; so du willst, will ich auch deine Hausflur fegen, auf daß sich die Vorübergehenden nicht ärgern über unsern Schmutz.‘“

223. Kapitel. Wahre und falsche Sabbatfeier.

1. (Der Herr:) „Wie es aber mit dem Essen des Fleisches unreiner Tiere steht, also steht es auch auf ein Haar mit dem Sabbat. Fürs erste ist ein jeder Tag ein Tag des Herrn, und der rechte Mensch soll an jedem Tage Gutes tun, nicht nur am Sabbat! Und fürs zweite steht es nur geschrieben, daß man diesen Tag heiligen und am selben nicht unnötigerweise schwere, knechtliche Arbeiten verrichten soll; aber daß man am Sabbat auch keine guten Werke ausüben soll, von dem steht im ganzen Moses auch nicht eine Silbe!

2. So aber der Prophet sagt: ,Ohne Not und rechtmäßige Erlaubnis sollst du am Sabbat keine schwere, knechtliche Arbeit verrichten!‘, wie saget ihr denn, daß Ich den Sabbat schände, so Ich an solchem Tage einen Kranken ohne Entgelt gesund mache? Reichet ihr doch selbst am Sabbat dem Ochsen das Futter und führet den Esel samt dem Rinde und samt den Schafen und Ziegen zur Tränke! Und lasset ihr den Ochsen oder Esel in der Zisterne ertrinken, so er an einem Sabbat hineinfiele? So ihr aber schon solches euren Haustieren tut, warum soll man dann einem Menschen an einem Sabbat nicht helfen? Ist denn ein Mensch nicht mehr wert als ein Tier?!

3. O ihr blinden Toren! Wie weit habt ihr euch von der Wahrheit entfernt! Ja, von euch ist es wahr, wie es geschrieben steht: ,Siehe, dies Volk ehrt Mich mit den Lippen; aber sein Herz ist ferne von Mir!‘

4. Sage Mir: So da ein Mensch zu euch kommt und sagt: ,Ich habe viele Arbeit mit meiner Ernte, und die Zeit ist günstig! Wenn ich den Sabbat benützen kann, so will ich opfern den dreifachen Zehent, einen gemästeten Ochsen und drei fette Kälber!‘, da gehet ihr hin und schreibet ihm einen Freibrief, damit er mit demselben die Arbeiter auch für den Sabbat dingen kann. Ist das nicht eine größere Sabbatschändung, als so man einem Kranken an einem Sabbat hilft?!

5. An einem Sabbat soll man vor Sonnenuntergang kein Brot brechen und auch nicht essen; aber wenn ihr in euren Kammern den ganzen Tag hindurch – so er auch ein Sabbat ist – schwelget und prasset und das um Geld auch den andern erlaubet – nur dem Armen nicht, weil er dafür nicht zahlen kann –, Frage: Ist das keine gotteslästerliche Sabbatschändung?!

6. Weiter frage Ich: Warum habt ihr denn das 6. und 7. Buch Mosis als eine Einschiebung erklärt und verworfen, und also auch den prophetischen Anhang? Und doch wäre das alles ein leuchtender Leitfaden für jedermann gewesen, der ihm in höchst klarem Lichte gezeigt hätte, was er in allen möglichen Fällen zu tun habe. Dafür aber seid ihr mit einer Kabbala, die aus dem altägyptischen Horus abstammt, versehen worden. Diese, wie den alten Horus, verstehet ihr nicht, und den Moses und die Propheten, denen ihr steinerne Denkmäler errichtet habt, und die eure Väter gesteinigt haben, wollet ihr nicht verstehen, sondern ihr lehret das Volk, daß es mit euch diese Schriften nur hoch zu verehren und anzubeten brauche und tue genug. Ist das nicht mehr Sabbatschändung, als so Ich einen Kranken an einem Sabbat gesund mache?!

7. Ich aber bin, der Ich bin, auch ein Herr des Sabbats! Und so sage Ich: Ich habe keine Freude an dem von euch verarbeiteten Sabbat, und Ich tue auch am Sabbat, was Ich will, so wie Ich auch am Sabbat – spricht der Herr – die Sonne auf- und untergehen lasse und fließen die Ströme, gehen Winde und großen Stürme, und lasse gehen den Mond und die Sterne in ihren vorgezeichneten Bahnen und wachsen das Gras und reifen den süßen Saft in der Traube! So aber das alles in Meiner allerabsolutesten Macht steht, soll Ich euch dann etwa fragen, was Ich an einem Sabbate tun soll?! – Rede nun und gib eine gültige und vernunftvolle Antwort!“

224. Kapitel. Gegenargumente des Pharisäers.

1. Nach dieser Meiner Gegenrede wußte der Schriftgelehrte nicht, was er Mir darauf für eine Antwort hätte geben sollen; denn auf der einen Seite fühlte er sich zu sehr getroffen, und auf der andern Seite jubelte das Volk ganz laut über diese Meine gewaltige Gegenrechtsrede. Und so waren nun diese sieben Templer wie am Boden angenagelt, und nicht einer vermochte irgendein vernünftiges Wort Mir entgegen zu sagen. Dazu waren sie heimlich auch sehr erbost auf Mich geworden, weil Ich ihnen ohne alle Schonung die volle Wahrheit ins Gesicht gesagt hatte.

2. Aber nach einer Weile raffte sich der Pharisäer wieder zusammen und sagte: „Aber Herr und Meister, was Du uns da nun sagtest, das haben wir längst gewußt! Daß wir nicht anders handeln konnten, das wird Dir auch einleuchtend sein! Du könntest uns das alles und noch mehreres sagen, und wir würden uns nichts daraus machen, – aber nur auf eine andere Weise! Aber Du bringst diese Sache gerade so heraus, als ob wir selbst die letzten Bücher Mosis verworfen, und als ob wir die Propheten gesteinigt hätten! Wärest Du Selbst auch dem Leibe nach persönlich unter uns gewesen, so wäre es mit dieser Sache nie so weit gekommen; nun bist Du auf einmal gekommen, und da ist aber schon alles über alle Himmel hoch gefehlt, – und wir können doch das alles nicht von heute bis morgen ändern! Was zählen denn wir sieben gegen fünftausend unseresgleichen?!

3. Wir für uns werden im Tempel in der Folge nicht viel zu tun haben; aber schuld sind wir denn doch auch nicht allein, daß die Sachen eben also arg und schlecht stehen. Sage, was sollen wir denn in Hinsicht des Tempels nun anderes tun, als ihm auf eine gute Art den Rücken zukehren? Denn fangen wir morgen an, für Deine wahre und gute Sache zu reden, so werden wir morgen gesteinigt, und Deine Sache hätte dadurch nichts gewonnen; so wir aber nach der Meinung des Römers unter irgendeinem Vorwande Jerusalem und seinen falschen Lehren für immer den Rücken kehren, so meine ich, daß wir unter Annahme Deiner Lehre doch alles tun, was wir in unserer gegenwärtigen Lage als schwache sterbliche Menschen nur immer zu tun imstande sind, und mehr kannst Du selbst als ein Gott nicht von uns verlangen! Gib uns Deine Willensallmacht, und wir werden mit dem Tempel bald in der Ordnung sein! Aber daß Du nun uns, die wir an Dich glauben wollen, für unbeschreibbar schlecht, falsch und arg erklärst, das finde wenigstens ich nicht sehr löblich!“

4. Sagte Ich: „Meine Lieben, für die Blinden ist schwer schreiben und für die Tauben hart predigen! So Ich eure Sache, die auch noch sehr an eurer Person klebt, euch zu eurer Besserung vor die Augen stelle, meine Ich denn dann eure Personen?! Was Ich aber darstelle, das ist der Geist eurer Tempelsache, und der geht nicht nur euch, sondern alle Juden an.

5. Die Wahrheit ist des Geistes Sonne, und die muß rein und ohne alle Höflichkeitswolken allen Menschen scheinen! Die beleuchtete Wolke aber ist keine Sonne, und eine törichte Höflichkeit ist so gut wie eine geglättete Lüge, die niemand zum wahren Heile seiner Seele bringen kann. Darum soll jeder die Wahrheit offen reden, wenn er nützen will; denn mit einer halben Wahrheit ist niemandem gedient! Bei Mir gibt es keinen Rückhalt und keine Schonung, sondern nur Liebe und Licht! Und wäre Ich nicht also wahrhaftig, wie Ich bin, wo wäre dann der Himmel und diese Erde, und wo und was wäret ihr Menschen?! Ich bin aber nicht gekommen, um den Menschen zu schmeicheln, sondern sie die Wahrheit zu lehren und ihnen durch die Wahrheit zu geben das ewige Leben. Und dazu läßt sich keine Rückhaltigkeit und Schonung gebrauchen. – Bedenket zuvor das, dann sagt es erst, ob Ich hart gegen euch war!“

6. Sagte der Pharisäer: „Ja, Du hast da wohl ganz recht, und die Menschen sind Deiner Liebe nicht wert und können Dir von nun an nicht genug danken darum, daß Du im Fleische zu ihnen gekommen bist, um ihnen das rechte Licht zu geben und ihnen den wahren Weg zum ewigen Leben zu zeigen. Aber eins ist da dennoch von uns Menschen Dir gegenüber zu bemerken, und das besteht darin: Du bist also, wie diesmal, noch nie bei den Menschen gewesen und hast sie gelehrt, Dich, Deinen Willen und ihre Bestimmung zu erkennen. Immer waren es vielerfahrene und begeisterte Menschen – Propheten genannt –, die da angaben, von Deinem Geiste ergriffen zu sein; und nicht sie haben geredet, sondern nur Dein Geist durch ihren Mund. Sie taten zur Bekräftigung ihrer Aussagen auch Zeichen gar oft der außerordentlichsten Art, wie man solches in den Büchern liest; aber sie waren dennoch Menschen und mußten sterben, obwohl sie gar oft vom ewigen Leben sprachen und schrieben. Selbst Moses war davon nicht ausgenommen. Nur dem einzigen von Elias sagt die Schrift, daß er in einem feurigen Wagen in den Himmel aufgefahren ist und nur seinen Mantel seinem Jünger Elisäus (Elisa) zurückließ. Diese Geschichte aber geht dennoch ein wenig ins Unglaubliche über und kann nicht zu einer Norm dienen, weil man so etwas weder früher noch später von einem noch so großen Weisen erlebt hat.

7. Weil aber alle diese Propheten gestorben sind und nach ihrem Tode kein Mensch mehr von ihnen etwas erfahren konnte, so fingen die Menschen nach und nach an, stets mehr und mehr daran zu zweifeln, daß es nach des Leibes Tode noch ein Fortleben der Seele gibt, und sie schafften sich endlich selbst eine bequemere Lebensnorm, als jene war, welche die Propheten eingeführt und angeordnet hatten.

8. Wenn dann auch wieder ein Prophet im Volke aufstand und angab, daß Gott durch ihn rede, so ward man nur ärgerlich über solch einen und sagte zu ihm: ,Erweise dich zuvor als ein Unsterblicher gleich dem Elias!‘ oder ,Berufe die schon lange verstorbenen Väter und Propheten, daß wir sie sehen und sie uns ein lebendiges Zeugnis geben – erstens, daß es wahrhaft ein Leben nach dem Tode gibt und wie, und zweitens, daß du ein wahrer Prophet bist! Kannst du uns diesen Beweis nicht geben, so glauben wir dir sowenig, als wir jetzt und fürder den alten Propheten geglaubt haben und je glauben werden; denn sie sind gestorben, so wie auch du sterben wirst, und niemand hat nach ihrem Tode je mehr etwas von ihnen erfahren. Wir haben wohl ihre Schriften aufbewahrt, aber sie verschlang der nie zu sättigende Erdboden. Was nützen uns aber ihre Schriften voll Lehren vom ewigen Leben, wenn sie als Lehrer nach ihrem Tode uns nicht den sichersten Beweis liefern können, daß ihre Lehren Wahrheit sind?!‘

9. Siehe, Herr und Meister, so haben mit der Zeit die Menschen zu denken und auch zu handeln angefangen und haben die Propheten auch getötet, so diese gewöhnlich nicht nachließen, ihnen allerlei Strafen Gottes zu verkünden! Warum ist denn das nicht zugelassen, daß ein verstorbener Prophet zuzeiten wieder auf diese Erde kommt und mit seinem Erscheinen von dem Zeugnis gibt, was er im Fleische auf der Welt gelehrt hat? Und warum wird der Unglaube der Menschen stets ihnen zur Schuld gerechnet?

10. Wenn nur ein Mal jemand käme – freilich wohl auf eine Weise, daß man ihn als den wohl erkennen müßte, der er auf der Erde im Fleische war, so würde das den Glauben festen, und die Menschen würden dann auch sicher nach seiner Lehre leben. Aber das ist unseres guten Wissens noch nie geschehen, und so ist es auch ganz natürlich, daß die Menschen stutzig und ungläubig werden. Daß nun und schon seit lange her der Tempel nahe ganz antimosaisch geworden ist, davon liegt der Grund hauptsächlich in dem von mir Gesagten wie auch darin, daß die von uns getrennten Sadduzäer ganz offen an keine Unsterblichkeit der Seele mehr glauben. Und wer kann ihnen aus einem vernünftigen Grunde, strenggenommen, unrecht geben? Und so sind die Templer eigentlich denn doch nicht ganz allein schuld an der Argheit, die nun im Tempel waltet, sondern die alte Beweislosigkeit für ein Leben nach des Leibes Tode. Fehlen dafür haltbare und sichere Beweise, so fällt auch der Glaube an einen Gott von selbst weg; und glaubt man auch noch an ein Dasein Gottes, so hat man doch keine rechte Achtung und Liebe zu Ihm und betrachtet Seine den Menschen gegebenen Gebote als eine Erfindung der Menschen, die zu einer gewissen Zeit und für ein damals gewesenes Lebensverhältnis der Menschen recht gut sein mochte, aber für die Gegenwart kaum mehr anwendbar ist. Ich sage das nicht darum, um etwa uns hier und den Tempel beschönigen zu wollen; aber eine Unwahrheit ist es eben auch nicht, daß es also war und nun auch noch also ist.

11. Du, Herr und Meister, ausgerüstet mit aller Fülle des Geistes Gottes, bist uns nun freilich wohl der kräftigste Beweis und Bürge für ein ewiges Leben der Seele nach dem Tode; aber außer uns gibt es noch zahllos viele Menschen, die dieses kräftigsten Beweises immer entbehren werden. Kann es ihnen etwa zu einer Schuld gerechnet werden, wenn sie an kein ewiges Leben nach des Leibes Tode glauben und etwa die Sonne oder das Feuer als eine Gottheit anbeten? Wäre es da denn nicht möglich, daß wenigstens die verstorbenen Eltern zu ihren Kindern kämen und ihnen sagten, was sie nach dem Abfalle des Leibes zu erwarten haben, was die Seele ist, und wie sie aussieht?

12. Aber so etwas geschieht nicht, und so ist denn alles über das Jenseits Gesagte eine Art Fabel, an die nur ein schwachsinniger Mensch glauben kann, die aber ein tiefer Denkender nie völlig als eine Wahrheit annehmen kann! Und wir Priester tun sogar etwas Gutes, wenn wir das Volk in der möglichst größten Blindheit erhalten und ihm allerlei nach dem Jenseits duftende Spektakel mit großem Pomp und Ernste vormachen. Denn würden wir unsere tiefere Verstandesbildung dem Volke geben, so wäre es mit dem Judentume bald zu Ende, und die Menschen würden sich bald in einem unbeschreibbar gräßlichen Zustande befinden.

13. Wir Priester allein halten das Volk im Zaume und eifern es an, die Erde fleißig zu bearbeiten und uns den Zehent gewissenhaft zu geben, – und es ist damit zufrieden. Aber freilich hat diese Zufriedenheit dann bald ein Ende, wenn ungebetene Propheten alle Augenblicke im Volke erscheinen und es gegen uns aufwiegeln. Ich meine hier nicht Dich, Herr und Meister, da Du kein Prophet, sondern der Herr Selbst bist; nur solche Propheten meine ich, wie ich sie ehedem angezeigt habe.

14. Habe ich nun recht geredet und die Sache unseres Glaubens, wie er ist, der Wahrheit nach beleuchtet oder nicht? Ich werde für eine jede bessere und wahrere Belehrung jedermann gewiß sehr dankbar mich erweisen; denn es ist durchaus kein Scherz, stets an den Tod und an die sichere und ewige Vernichtung zu denken, gegen die man in aller Welt keinen Gegenbeweis finden kann. Denn alles stirbt und vergeht und kommt nicht wieder. Sogar der Stein verwittert und löst sich in den flüchtigen Staub auf, aus dem kein harter Stein mehr wird, wie auch kein Mensch je mehr aus dem Grabe auferstehen wird an irgendeinem jüngsten Tage, obwohl wir solches das Volk lehren müssen! – Ich habe geredet.“

225. Kapitel. Geistereinflüsse und Kontakt mit dem Jenseits. Selbständigkeit und Willensfreiheit des Menschen.

1. Sagte Ich: „Geredet hast du nun wohl und hättest mit solcher deiner Rede in einer Schule der Sadduzäer, Stoiker und Epikureer viel Aufsehen gemacht; aber hier hast du gerade also geurteilt wie ein Blinder vom Lichte und von den Farben und wie ein Tauber von der Harmonie einer wohlgestimmten Harfe.

2. Das Leben der Seele kann dir weder ein Mensch und noch weniger ein schon abgeschiedener Geist zeigen und beweisen. Das mußt du in dir selbst finden; und das ist nicht anders denkbar möglich als nur durch die wahre Liebe zu Gott und durch die Liebe zum Nächsten.

3. Du meintest, daß eine Rückkunft einer schon abgeschiedenen Seele den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele und den Glauben an Gott am meisten stärken würde, und Ich sage dir, daß du da in einer ganz grundirrigen Meinung steckst! Fürs erste hat eine abgeschiedene Seele jenseits für sich und für ihre dortigen Nächsten zur Übergenüge zu tun und hat gewisserart eben nicht zu viel Muße, zu öfteren Malen wieder in einem aus der Luft der Erde sich angeschaffenen Leibe den Fleischmenschen zu erscheinen und sie zu lehren, wie es drüben steht und aussieht, und fürs zweite kann ein jeder vollkommene Geist ohnehin auf die Menschen ohne Beschränkung ihres freien Willens bestmöglich einwirken, und ein solch unsichtbares Einwirken ist dem Menschen um vieles heilsamer denn eine Sichtbarkeit und Hörbarkeit eines abgeschiedenen Geistes. Denn so dir ein guter und schon sehr erleuchteter Geist gute und edle Gedanken und Gefühle in dein Herz legt, so sind sie schon so gut, als hättest du selbst sie in dir erfunden; sie einen sich mit deinem Leben und bestimmen dich zur Tätigkeit.

4. So aber ein Geist, wie zum Beispiel der des Moses, dir erschiene und zu dir sagte: ,Dieses und jenes mußt du tun, so du zum Leben eingehen willst; tust du das nicht, so verfällst du dem Gerichte des allmächtigen Gottes, und es wird schwerlich ein vollglückliches Erstehen vom Tode des Gerichtes geben!‘, da wirst du nach solch einer Mahnung erbeben und wirst dich dein Leben lang nichts anderes zu tun getrauen, als was dir der Geist Mosis zu tun befohlen hat.

5. Welches Verdienst aber wirst du dann dabei haben? Siehe, gar keines; denn da hat nicht dein eigenes besseres Erkennen deinen freien Willen zur besseren Tätigkeit bestimmt, sondern die Macht des zu dir gekommenen Geistes, und das hat für deine Seele beinahe gar keinen Wert! Es ist nahezu dasselbe, wie wenn ihr Menschen einen Ochsen oder einen Esel oder auch ein anderes Tier zu irgendeiner Arbeit abrichtet. Ohne Stock, Spieß oder Geißel wird nicht leichtlich jemand mit einem Tier etwas ausrichten; habt ihr aber ein Tier zu einer groben Feldarbeit abgerichtet, so ist das sicher nur euer Verdienst und nicht ein Verdienst des Tieres.

6. Wenn Ich vermöge Meiner Allmacht wollte, daß kein Mensch je eine Sünde begehen solle, so würde auch kein Mensch je mehr sündigen; denn er würde sich nicht um eine Linie über Meinen Willen hinauswagen und -bewegen können, gleichwie da auch niemand seinen Leib anders gestalten kann, als wie er von dem Willen Gottes gestaltet ist, und auch sein Leibesleben nicht nach seinem Belieben verlängern kann, weil das alles von dem allmächtigen Willen Gottes abhängt. So nun Gott es nicht zuließe, daß ein Mensch je eine Sünde begehen könnte, wer hätte dann da ganz allein für sich das Verdienst ob des ganz sündenfreien Lebens eines Menschen, den allein Gottes Allmacht also leitete, wie sie das Wachstum der Bäume und aller andern Früchte leitet und die Welten leitet und führt durch den endlosen führt? Doch sicher niemand anders als Gott allein, weil der Mensch da nichts als eine Spielpuppe in den Händen Gottes wäre! Es wäre das für Gott auch um vieles bequemer, wie es für Ihn auch bequemer ist, die verschiedensten Tiere mit ihren mannigfaltigsten und seltsamsten Eigenschaften zu erschaffen und sie dann zu leiten und jegliches in seiner Art tätig sein zu lassen.

7. Aber die Menschen dieser Erde sind bestimmt, freie und völlig selbständige Kinder Gottes zu werden, und so müssen sie auch also geleitet werden, daß dabei ihr notwendig freiester Wille ja nicht die geringste Nötigung von einer mächtigeren Seite eines Geistes erfahre, sondern allein durch Offenbarung und Lehre und durch äußere Gesetze dahin geleitet werde, aus sich selbst das Wahre und Gute, das sie gelehrt wird, mit ihrem freien Willen zu ergreifen und aus eigener Selbstbestimmung danach tätig zu werden.

8. Sieh, die Achtung des freien Willens der Menschen dieser Erde geht von Gott aus sogar so weit, daß Er nicht einmal stets darauf sieht, was ein oder auch mehrere Menschen denken, wollen und tun. Nur wenn sie zu weit von Gott abgewichen sind, dann erst sieht Gott sie an und erweckt wieder Seher, Lehrer und Propheten, damit sie den Menschen wieder den Willen Gottes und Seine Absichten mit ihnen von neuem verkünden sollen. Kehren sich die Menschen daran, so geht es dann schon wieder ganz gut; kehren sie sich aber nicht daran, und verspotten und verfolgen sie die für sie von Gott erweckten Seher, Lehrer und Propheten, so muß Gott dann notwendig ein äußeres Strafgericht über die Menschen und oft über ein ganzes Volk kommen lassen. Aber selbst ein solches Gericht geht niemals unmittelbar von dem allmächtigen Willen Gottes aus, sondern ein solches Gericht kommt stets von der blinden und böswilligen Verkehrtheit der Menschen.

9. Die mächtigen Hanochiten sind mehr denn hundert Jahre hindurch gewarnt worden, daß sie nicht des Goldes und der Edelsteine wegen und auch wegen leichterer Führung ihrer Kriege ganze Berge zerstören und bis auf den Grund völlig abgraben sollten, da sie dadurch die unterirdischen großen Wasserschleusen öffnen und sie alle ersäuft werden würden. Aber es nützte alles nichts; sie taten, was sie wollten, stachen noch tiefer in die Berge und öffneten die Wasserschleusen. Siehe, das hat also Gott nicht unmittelbar durch Seine Allmacht, sondern nur durch Seine Zulassung geschehen lassen, was notwendig daraus folgen mußte, daß die Menschen Seinen rechtzeitigen Ermahnungen kein Gehör mehr leihen wollten!

10. Gott hätte die Menschen ja durch Seine Allmacht bannen können, daß sie nimmer die Berge weiter hätten zerstören können! Ja, das wäre Gott ein ganz leichtes gewesen; aber die Menschen hätten dann aufgehört, Menschen zu sein, und wären hernach auch im Geisterreiche nicht mehr auf den freimenschlichen Fuß zu stellen gewesen. Gott aber ließ eher zu, daß ein ganzes Menschengeschlecht durch seinen eigensinnigen Willen dem Fleische nach zugrunde ging, als daß es an seiner Seele nur im geringsten etwas darin einbüßen solle, was da betrifft deren freien Willen und volle Selbständigkeit.

11. Ebenso ist ein Volksstamm noch von dem König zu Salem mehrere Male gewarnt worden, die Landschaft von Sodom und Gomorra zu bewohnen, weil sie unter sich viele Schwefellager und teilweise Erdpech enthielt. Es wurde dem Volke auch klar und verständlich gezeigt, wie sich solchen Lagern in einem fort unreine Naturgeister entwinden und die Fleischmenschen zur Unzucht reizen; denn wie im Weine die Geister der Unzucht daheim sind und das Fleisch dazu antreiben, so ein Mensch im Übermaß davon genossen hat, ebenso sind sie auch im Schwefel und im Erdpech. Es ward dem Volke auch gesagt, daß sich in einer solchen Landschaft häufig Erdbeben, Bergbrände und viele böse Gewitter einstellen und oft vielen und großen Schaden anrichten, worauf leicht Hungersnot und Pest entstehen; aber es half all solcher guter Rat sogar aus dem Munde Jehovas nichts. Weil die Landschaft sonst sehr üppig und fruchtbar war, so siedelten sich dennoch die Menschen an, und bevor zweihundert Jahre vergingen, waren allda schon nächst Sodom und Gomorra noch zehn Städte erbaut. Die Menschen wurden ganz sinnlich und trieben allerlei unbeschreibbare Unzucht und die allergräßlichste Hurerei sogar mit den Tieren.

12. Sie wurden abermals zu Nahors und wieder zu Tharahs Zeiten gewarnt, und es ward ihnen geraten, die böse Landschaft zu verlassen; doch niemand kehrte sich daran. Tharahs Söhne waren Abraham, Nahor – der also hieß wie sein Großvater – und Haran, der den Lot gezeugt hat. Haran zog selbst hin und predigte auf Gottes Geheiß, richtete aber auch nichts aus. Lot, sein Sohn, tat dasselbe mehrere Jahre hindurch, hielt sich wechselweise bald in der einen und bald in der andern Stadt auf und wurde dabei nahe selbst ein Opfer des Geistes der Unzucht.

13. Da kamen sichtbare Engel, die zuvor Abraham besuchten, und Jehova war mitten unter ihnen und gab dem Abraham treulich kund, wie es Sodom und den anderen Städten ergehen werde. Und es wurden die beiden Engel in Gestalt von zwei kräftigen Jünglingen dahin abgesandt, um noch den Lot zu retten. Das Volk hörte die Jünglinge gar nicht an, sondern wollte noch mit ihnen die unnatürlichste Unzucht treiben. Da entkam Lot auf die Warnung der beiden Jünglinge. Nur sein Weib ward ein Opfer ihrer säumigen Neugier; es ward zur Salzsäule dem Leibe nach, nach der Voraussage der Jünglinge. Denn diese sagten: ,Wir müssen nun schnell fliehen und uns nicht einmal die Zeit zum Umsehen nehmen; denn das unterirdische Feuer greift schnell um sich, und seine überall ausbrechenden Dämpfe ersticken schnell alles Naturleben und verwandeln alles schnell in ein steiniges Salz!‘ Lots Weib aber blieb dennoch einige Augenblicke stehen und ward von den Dämpfen ereilt und dadurch ein Opfer.

14. Siehe, da hatte abermals nicht Gottes allmächtiger Wille so ganz eigentlich den vollen Untergang der bösen Landschaft verursacht; denn es wäre diesem unreifen Flecke das auch durch seine Natur widerfahren, was ihm nachher unter Abraham widerfahren ist. Aber daß dabei so viele Menschen zugrunde gegangen sind, daran war niemand schuld als der Ungehorsam ihres freien Willens.

15. Gott hätte diese Menschen freilich wohl mit Seinem allmächtigen Willen herausziehen und in ein anderes, gesundes Land versetzen können; aber das wäre offenbar wider ihren Willen geschehen. Da aber dieser von Gott am allermeisten geachtet wird und auch geachtet werden muß, so ließ Er es lieber zu, daß diese Menschen dem Leibe nach alle zugrunde gingen, als daß nur ein Atom an der Freiheit des Willens ihrer Seelen verwüstet wurde. Denn selbst für Gott ist das das größte Meisterwerk Seiner Liebe, Weisheit und Macht, Menschen zu erschaffen, die Ihm in allem vollkommen ähnlich werden.

16. Um aber das zu bewirken, muß der Mensch nahezu ohne Kraft in der diesweltlich größten Verlassenheit geboren werden und seinen Unterricht nach und nach von der äußersten Welt nehmen. Wenn er sich so einige Kenntnisse und Fertigkeiten gesammelt hat, dann erst wirken die ihn umgebenden guten und auch schlechten Geister ganz unvermerkt auf ihn ein, – die guten auf sein Gemüt und die schlechten auf seine physische Natur, auf daß die Seele stets in der vollkommensten Freischwebe erhalten werde.

17. Hat ein Mensch den guten äußeren Lehren und Ermahnungen freiwillig gegen manche Anfechtungen seiner Sinne Gehör gegeben und sein Leben danach eingerichtet, so wird der stille Einfluß der guten Geister auch stets mächtiger, den aber kein Mensch anders fühlt und fühlen darf, als daß er sein freies Werk ist. Wird aber der Einfluß des Guten aus den Himmeln durch des Menschen eigenen Willen einmal so gekräftigt, daß die Seele ganz in denselben übergegangen ist, so wird der wahre, göttliche Geist der Liebe in ihr wach, durchdringt die Seele ganz, und dann erst ist die Seele in die erste Stufe ihrer Vollendung getreten, ist dann schon unverwüstbar frei und kann, so sie auch noch im Fleische ist, Gesichte und Offenbarungen von Geistern und selbst von den höchsten Engeln empfangen.

18. Und da geschieht es eben häufig, daß solche Menschen Gesichte haben, mit Seelen im Jenseits sprechen und sich von ihnen wie persönlich belehren lassen und davon auch anderen, noch ganz naturmäßigen Menschen treue und wahre Kunde geben können. Wer ihnen glaubt, tut sicher ganz wohl daran, – nur muß er nicht auch gleich verlangen, dasselbe selbst zu erfahren; denn das kann nicht eher geschehen, als bis er die vorbeschriebene geistige Seelenreife erlangt hat.

19. Es soll sich aber ein jeder Mensch zuerst gläubig nach den empfangenen guten Lehren richten und dann acht haben auf sein Gemüt, aber auch auf die in seinem Fleische oft schlummernden bösen Leidenschaften, die sich in Trägheit, Arbeitsscheu, Wollust, Eigenliebe, Starrsinn, Hochmut, Neid, Geiz und Herrschsucht nur zu klar kundgeben. Diesen letzteren soll er durch die Macht der Liebe zu Gott und durch die Liebe zum Nächsten, durch Geduld, Demut und Sanftmut begegnen, so wird er gar nicht lange dahin haben, wo sich die guten Geister ihm fühlbarer und ersichtlicher offenbaren werden.

20. Übrigens gibt es aber schon gar keinen Menschen, bei dem es nicht einmal zugelassen worden wäre, gewisse Winke und sogar Gesichte aus dem Jenseits zu bekommen. Wenn aber der Mensch nachher das alles in den Wind schlägt und es für nichts als einen Sinnentrug betrachtet, so kann man ihm da nicht helfen. Ich meine, daß Ich deinen Anstand und Einwurf nun der ewigen Wahrheit nach vollkommen beleuchtet habe, und ein jeder muß daraus ersehen, wie sich die Sache mit dem Menschen auf dieser Erde verhält. – Hast du vielleicht dagegen noch etwas einzuwenden?“

226. Kapitel. Gottes Wesen und ewige Schaffensfreude. Die Verwandlung aller Materie in Geistiges. Das jenseitige Leben des Menschen.

1. Sagte der Pharisäer: „Herr und Meister, dagegen läßt sich nichts mehr einwenden; denn all des Gesagten Wahrheit liegt zu klar am Tage! Aber wenn aus den Seelen der Menschen dieser Erde am Ende lauter Götter werden, wo werden sie wohl Raum haben, sich in ihrer göttlichen Freiheit, Selbständigkeit und Macht zu bewegen, zu walten und zu herrschen? Denn auch ein Geist muß irgendeinen Raum und auch eine Zeit einnehmen, wenn er auch vermöge seiner göttlichen Eigenschaften über dem Raum und über aller Zeit steht.“

2. Sagte Ich: „O du kleinlichstes und völlig zusammengeschrumpftes Gemüt! Sahst du noch nie einen gestirnten Himmel? Weißt du noch nicht, was diese dir sichtbaren Sterne in ihrer Unzahl sind?! Sieh, wenn aus jedem Atom dieser ganzen Erde zwölftausend Seelen würden – was eine so ungeheure Anzahl abgeben würde, daß sie in dieser Zeit auch der beste Rechner nimmerdar zu fassen imstande wäre –, so käme noch kaum eine Seele auf eine Sonnenwelt im großen Schöpfungsraume, geschweige auf die noch viel zahlloseren Erdwelten, die sich nicht selten zu vielen Tausenden um eine einzige Sonnenwelt bewegen.

3. Nun aber denke dir erst die endlos größere Räumlichkeit der Himmel Gottes und die ebenso endlose Anzahl ihrer Vereine, die den Welten im materiellen Raume also entsprechen, daß zum Beispiel hunderttausendmal Hunderttausende schon von dieser beinahe kleinsten Erde bis auf diese Zeit als schon bestehend angenommen werden können! Wieviel Menschenklassen aus dieser Erde noch gebildet werden, das weiß nur Gott allein, weil Er die unendlichen Zahlen wie eine Einheit klar vor Sich hat. Wenn aber aus dieser Erde Menschen so zahllos viele Vereine im großen Jenseits gebildet werden können, wie viele dann erst von allen den zahllos vielen Welten, von denen gar überaus viele schon materiell so groß sind, daß diese Erde gegen sie kaum als ein Sandkorn zu betrachten ist?

4. Wenn du das Gesagte erwägst, so wird es dir doch etwa dahin ein wenig klarer werden, ob eine noch so endlos große Anzahl von wahren Kindern Gottes einst für die gesamten ewigen und endlosesten Himmel zu groß anwachsen wird! Meinst denn du, daß für den ewig großen Gott eine durch deinen Menschenverstand beschränkte Anzahl für ewig hin genügen würde?! Zähle die Geschöpfe nur dieser Erde, gedenke der überall ins Unendliche gehenden Fruchtbarkeit und Fortpflanzungsfähigkeit der Pflanzen und Tiere, und du wirst schon daraus entnehmen, daß bei Gott alles ins Unendliche geht, und niemand kann sagen, daß das etwas Unnützes sei!

5. Denn so Gott nicht solches in die Pflanzen und Tiere gelegt hätte, so würdet ihr in kurzer Zeit kein Brot mehr haben und kein Fleisch und keine Milch, keinen Wein und kein Obst; weil aber ein Weizenkorn, in die Erde gelegt, hundertfache Frucht bringt, so habt ihr stets Brot zur Genüge und ebenso alles andere. Wenn also Gott gleichfort in allem Unendliches wirkt nach Seiner allerhöchsten Weisheit und endlosesten Macht, kann da jemand sagen, daß das ewige und endlose Erschaffen aus Gott etwas Unnützes sei? Eure eigenen tagtäglichen Leibesbedürfnisse lehren euch schon das blankste Gegenteil, weil ihr ohne Nahrung nicht bestehen könntet! – Verstehst du nun, warum Gott fortwährend so endlos vieles erschafft?“

6. Sagte nun ganz erstaunt der Pharisäer: „Ja, Herr und Meister, das sehe ich nun wohl ein und bewundere tiefst Deine Weisheit, – nur muß ich da doch noch offen meine Meinung dahin aussprechen, daß es mir zu grauen anfängt vor der endlosesten Größe und Macht des Schöpfers, und ich frage Dich bloß noch, ob Gott ewig fort erschaffen wird; denn nach Deiner Rede hat das Erschaffen schon schier kein Ende. Ich bitte Dich darum, mir darüber ein Licht zu geben, da es mir sonst ganz schwindlig wird.“

7. Sagte Ich: „Das hättest du wohl schon aus dieser Meiner Erklärung entnehmen können. Wenn Gott ewig ist, so wird Er auch sicher von Ewigkeit her erschaffen haben! Denn was sonst sollte Er eine Ewigkeit vor der Zeit der von dir vermeinten Erschaffung dieser Welt, der Sonne, des Mondes und aller Sterne gemacht haben, da Er doch ewig gleich vollkommen war?!

8. Gott ist dem Geiste nach ewig und unendlich. Alles entsteht und besteht aus Ihm, alles ist in Ihm, alles ist die ewig endlose Fülle Seiner Gedanken und Ideen vom Kleinsten bis zum Größten. Er denkt sie im klarsten Lichte Seines Selbstbewußtseins und will, daß sie zur Realität werden, und sie sind dann schon das, was sie uranfänglich sein müssen. Dazu legt Er dann den Keimfunken Seiner Liebe in die gewisserart aus Seiner Persönlichkeit hinausgestellten Gedanken und Ideen, belebt sie, daß sie dann wie selbständige Wesen bestehen, und leitet sie dann durch Sein beständiges und stets erhöhtes Einfließen zur möglichst höchsten Stufe der unzerstörbaren Selbständigkeit.

9. Diese Wesen –, weil die göttliche Liebe in ihnen sie leitet und erhält – sind dann selbst für sich voll schöpferischer Kraft, reproduzieren sich selbst und können sich ins Unendliche vermehren, und jedes aus ihnen Hervorgehende ist – wie die Kinder den Eltern – dem Hervorbringenden nicht nur ähnlich, sondern gleich versehen mit denselben Eigenschaften, die dazu dienen, daß Zeuger und Erzeugtes durch die sehr leicht mögliche Vermehrung der göttlichen Liebe in sich endlich aus der Materie ganz ins rein Geistige und völlig Gottähnliche und doch individuell Selbständige übergehen können, und das für ewig.

10. So kehren die einmal hinausgestellten Gedanken und Ideen Gottes wieder völlig zu Gott und in Gott zurück, doch nicht mehr als pur das, als was sie hinausgestellt worden sind, sondern als völlig lebendige, ihrer selbst klarst bewußte, selbständige und selbsttätige Wesen, die dann ganz wie von Gott unabhängig für sich bestehen, wirken und schaffen können, – darum Ich denn auch zu Meinen Jüngern gesagt habe: ,Werdet also vollkommen, wie da vollkommen ist euer Vater im Himmel!‘

11. Und Ich tue nun Großes vor euren Augen und Ohren; aber ihr selbst werdet noch Größeres tun in Meinem Namen, der da ist die Liebe Gottes in euren Herzen, ohne die niemand etwas Wirksames zum ewigen Leben wirken kann, weil die Liebe Gottes das eigentlich unzerstörbare Leben sowohl in Gott Selbst, wie in jedem aus Gott hervorgegangenen Wesen ist.

12. Aber alles einmal irdisch Geschaffene nimmt als solches dann einmal ein Ende, so es durch die Vollwerdung der göttlichen Liebe in sich nach und nach ganz ins rein Geistige übergegangen ist; und so wird auch diese Erde nicht ewig bestehen, sondern nach und nach ins Geistige übergehen. Aber nach der Rechnung dieser irdischen Zeit wird es für euren jetzigen Verstand noch sehr lange bis dahin währen, bis das Feuer der göttlichen Liebe alle Materie in ihr ursprünglich Geistiges aufgelöst haben wird.

13. Die Auflösung einer Welt aber wird geschehen also, wie da geschieht die Auflösung jedes anderen irdischen Wesens, wobei der äußere Tod nach und nach stets mehr und mehr eintritt und ersichtlich wird. Wenn du einen Baum ansiehst, so wirst du sehen, wie er nach und nach siecht. Er wird alt, morsch, nur einige Äste zeigen noch Leben, andere sind faul und morsch geworden und fallen nach und nach vom Stamme. Mit der Zeit wird auch der Stamm teilweise morsch und tot, und es geht das so lange fort, bis endlich der ganze Baum faul, morsch und für sich tot ist. Aber selbst als ein für sich schon vollkommen toter Baum hat er dennoch Lebensgeister in sich; darum werdet ihr, wenn er vom Sturme umgeworfen im Walde liegt, eine Menge Moospflanzen und auch andere Kräutlein aus ihm herauswachsen sehen, auch werden sein Inneres allerlei Würmer durchbohren, und eine ebenso große Menge Insekten nagen und zehren so lange an des gestorbenen Baumes Fleisch und Mark, als noch etwas an ihm ist, bis dann etwa nach Hunderten von Jahren vom ganzen Baum keine Spur mehr anzutreffen ist.

14. Also, wenn auch in einem größeren Maße, wird es auch gehen mit einer sterbenden und endlich ganz gestorbenen Welt. Aber wo ein Baum stirbt, da wächst bald ein anderer an seiner Stelle. Also vergeht auch eine Welt, – aber eine und sogar mehrere andere treten an ihre Stelle und nehmen die übriggelassenen Lebensgeister der ganz gestorbenen und völlig zunichte gewordenen alten Welt zur weiteren Pflege und Ausbildung auf. Und siehe, so hat das eigentliche Erschaffen ewig kein Ende, weil Gott auch ewig nie aufhören kann, in Seiner ewig unbegrenzten Liebe und Weisheit zu denken und zu wollen und zu lieben!

15. Ich meine, daß das nun schon für jedermann in hohem Grade verständlich sein sollte! Wem es aber dennoch zu wenig verständlich sein sollte, dem sage Ich noch zu alldem hinzu: Denke dich selbst in ewig jugendlicher Kraft auf einer Welt unsterblich fortlebend! Wirst du einmal zu denken und zu wollen aufhören? Wirst du einmal ganz untätig werden, oder wirst du nichts mehr genießen wollen? Sicher nicht, sondern du wirst stets tätiger werden, wirst auf das eifrigste bemüht sein und wirst alles aufbieten, um dir stets mehr und größere Annehmlichkeiten des Lebens zu bereiten; denn das hat die Liebe und das wahre Leben der Liebe in sich, daß es nimmer ruhen kann, sondern es muß tätig sein, weil das Leben selbst nichts anderes als nur eine Tätigkeit um die andere ist.

16. Darum meine ja niemand von euch, daß er sich einst jenseits in einer ewig untätigen, süßen Ruhe befinden werde; denn das wäre gerade des Geistes oder der Seele wahrster Tod. Je geistiger ein Mensch in seinem Innern wird, desto tätiger wird er auch, und das durch und durch. Wenn aber solches schon gar wohl ersichtlich und klar erkenntlich in dieser Welt der Fall ist, um wieviel mehr wird das erst drüben der Fall sein, wo kein schwerer Leib die Seele in ihrer Tätigkeit hemmen wird! – Nun rede, ob du das wohl verstanden hast!“

227. Kapitel. Nicht Wissen, sondern die Liebestat macht selig. Von Fleiß und Sparsamkeit. Gerechter Reichtum.

1. Sagte der ganz über die Maßen erstaunte Pharisäer: „Herr und Meister, nun erst erkenne ich, daß Du voll des Geistes Gottes sein mußt; denn über solche Dinge kann nur Gott allein dem Menschen ein wahres und vollrechtes Licht geben! Wo bleibt da der Verstand auch des weisesten Menschen dieser Erde, den er sich durch einige Erfahrung und Betrachtung der Außenformen der Dinge angeeignet hat?! Was ist der kleine, beschränkte Mensch gegen Gott?! Also kann der Mensch aus sich Gott auch nie ergründen und also auch nicht Sein ewiges Walten und Wirken und Schaffen!

2. Ich wünschte nun nur, daß der ganze Tempel von diesem Lichte erfüllt wäre! Aber so ist solches bei der allgemeinen Verstocktheit des Tempels gar nicht denkbar! Wir sieben haben doch manchmal über derlei Dinge – freilich mehr kontra als pro – nachgedacht, und wie schwer ging es bei uns, in dieses Licht einzugehen! Wie würde es da dann unseren Kollegen und Mitpriestern ergehen, die über derlei Dinge vielleicht nicht einmal nachgedacht haben – weder pro noch kontra –, sondern nur darauf bedacht waren, wie sie stets mehr ihren Bauch füllen könnten! O Herr und Meister, Du wirst am besten wissen, was Du mit dem Tempel und allen seinen blindesten Priestern machen wirst! Mir steigt nun ein wahres Grauen auf, wenn ich dieses Licht mit der allerkardinalsten Finsternis des Tempels vergleiche. Wie groß und alles zu sein dünkt sich so einer unseresgleichen im Tempel, und wie unendlich klein würde er sich dünken, so er in dieses Licht käme!

3. O David, wie sehr wahr hast du gesprochen, als du sagtest: ,Oh, wie gar nichts sind alle Menschen gegen Dich, o Herr! Verlasset euch nicht auf Menschenhilfe; sie können euch alle nicht helfen!‘ Ja, wieviel uns alle die Gesetze und eigennützigen Lehren des Tempels genützt haben, das sehen wir erst jetzt so recht ein und werden das in der Folge sicher noch besser einsehen! Herr und Meister, verlasse nur Du uns nimmerdar mit Deinem Geiste!“

4. Sagte Ich: „Wer in Meiner Lehre verbleibt, der verbleibt auch in Mir, und Ich verbleibe in ihm; wer aber Meine Lehre verläßt in der Tat nach ihr, der verläßt auch Mich, und das Leben ist nicht in ihm. Ich bin der wahre Tag des Lebens. Wer an diesem Tage fortwandelt, der wird nicht anstoßen, und wer an diesem Tage arbeitet, der wird den wahren Lohn des Lebens ernten.

5. Nun wisset ihr vorderhand das Wichtigste; alles Weitere zu erfahren, werdet ihr noch hinreichend Gelegenheit haben. Doch das Wissen allein macht nicht selig, sondern das Handeln!

6. Es gibt aber ein zweifaches Handeln: ein Handeln für die Welt aus Eigennutz – und ein rechtes Handeln in der Welt aus wahrer Liebe zu Gott und aus Liebe zum Nächsten. Aus dem ersten Handeln gewinnt der Mensch das Gericht und leicht den ewigen Tod, aus dem zweiten Handeln aber die Liebe und Gnade Gottes und das ewige Leben der Seele.

7. Ich sage damit nicht, daß da jemand nicht mit allem Fleiße die Erde bebauen soll, und daß er nicht sparsam sein soll; denn Ich Selbst empfehle jedermann allen Fleiß und eine gerechte Sparsamkeit. Aber das alles tue man darum, um einen gerechten Vorrat zu haben, um zu jeder Zeit der Armut beistehen zu können. Denn was jemand den Armen tut in Meinem Namen, das werde Ich also annehmen, als hätte er es Mir getan, und Ich werde ihn segnen hier und dort; wer aber nur für sich und pur für seine Kinder arbeitet und sorgt und sich auch nicht scheut, ungerechtes Gut an sich zu ziehen, der wird keinen Segen von Mir zu erwarten haben, und jenseits wird er vor Meinem Richterstuhle nicht bestehen, sondern er wird hinausgestoßen werden in die Kerker der äußersten Finsternis. Da wird viel Heulen und Zähneknirschen sein, und solch eine Seele wird schwerlich je zur vollen Anschauung Gottes gelangen.

8. Wer aber von seiner eigennützigen Sparsamkeit in den vollen Geiz übergeht, der ist schon hier ein Teufel in Menschengestalt, der dem Geiste Gottes, der pur Liebe ist, allzeit widerstrebt und darum von der Seligkeit für immer ausgeschlossen bleiben wird. Denn so gewiß es einen Himmel gibt, so gewiß gibt es auch eine Hölle, deren Wurm nimmer stirbt, und deren Feuer nimmer erlischt. Wer da hineinkommt aus seinem höchsteigenen Willen, der wird nimmerdar herauskommen auch aus seinem höchsteigenen Willen, – und das ist der wahre, ewige Tod der Seele. Dieses merket euch auch hinzu, und hütet euch, daß ihr nicht in die Selbstsucht, Eigenliebe, in den Neid, Geiz und in den Hochmut der Welt verfallet! Denn alle anderen Sünden wird ein Mensch eher los als die soeben angeführten.

9. Sehet aber an unsern Lazarus, der nun irdisch wohl einer der reichsten Menschen von ganz Judäa ist; aber er ist jedoch nicht reich für sich, sondern für viele tausend Arme, die bei ihm Arbeit und ein gerecht gutes Unterkommen allzeit finden; darum ist er auch gesegnet, und so er stürbe dem Leibe nach, da will Ich ihn dennoch auferwecken, auf daß er noch lange lebe für die Armen. Und hinfort soll er keinen Tod mehr sehen, fühlen und schmecken, sondern es wird ihm freistehen, seinen Leib zu verlassen und einzugehen in Mein ihm stets offen stehendes Reich. In der Wohnung, wo Ich ewig wohnen werde, da wird auch er wohnen ewiglich!

10. Ihr seht daraus, daß Ich nicht nur ein Freund der Armen, sondern auch ein Freund der Reichen bin, wenn sie ihren Reichtum nach der wahren und rechten Absicht Gottes benutzen und gebrauchen. Wer reich ist, der tue also, und er wird leben!“

11. Sagte hier, ganz zerknirscht vor Liebe, zu Mir Lazarus: „Aber Herr, Du allzu Gütiger, was tue Ich wohl gar so Gutes, daß Ich als ein armer Sünder von Dir so gnädig angesehen werde?“

12. Sagte Ich: „Das weiß schon Ich, wie und was du tust; darum wundere dich nicht, so Ich dir darum Mein rechtes Lob vor vielen Menschen erteile!

13. Zu einem andern Reichen, der Mir auch nachfolgen wollte, aber dabei doch seine Reichtümer sehr liebte, sagte Ich: ,Verkaufe zuvor alle deine Güter, teile den Erlös unter die Armen, dann erst komme und folge Mir nach!‘ – Da aber der Mensch seine Reichtümer sehr liebte, so ward er alsbald traurig und ging von dannen.

14. Dir aber sage Ich: Kaufe noch mehr Güter; denn was du dein nennst, das gehört schon so gut wie den vielen Armen, die das meiste von deinen Gütern verzehren!

15. Einem Reichen, der seine Reichtümer ihret- und seinetwegen zu sehr liebt, aber sage Ich, daß da ein Kamel leichter durch ein Nadelöhr kommt, denn ein solcher Reicher dereinst in den Himmel!

16. Aber es gibt auch der Armen so manche, die da zu dem gutherzigen Reichen kommen und ihn um ein Almosen bitten; und haben sie eins bekommen, so vergeuden sie es und sind obendrauf oft noch höchst undankbar gegen ihren Wohltäter. Allein daraus mache sich kein Wohltäter etwas; denn je weniger Dank ihr auf dieser Welt einernten werdet, desto größer wird euer Lohn jenseits sein; denn dadurch zeigen solche Reichen erst, daß sie Gott ähnlich sind, der auch Seine Sonne über Gute und Böse aufgehen und scheinen läßt.

17. Ja, Ich sage euch noch mehr: Tut euren Feinden Gutes, betet für die, welche euch fluchen, und segnet, die euch hassen und verfolgen, so werdet ihr dadurch am ehesten glühende Kohlen über ihren Häuptern sammeln und ihr arges Gemüt am ehesten zum Besseren und Edleren wenden! Leihet euer überflüssiges Geld denen, die es euch nicht wieder mit Zinsen zurückzahlen können, und ladet solche zu Gaste, die euch nicht wieder zu einem Gegengastmahle laden können, so werdet ihr euch dadurch große Schätze für eure Seele in dem Himmel sammeln!

18. So aber zu dir Reichem einer kommt, dem du schon einige Male Gutes getan hast, der aber deine Güte mißbrauchte, so ermahne ihn mit guter Rede; aber die Liebe enthalte ihm nicht vor! Bessert er sich, so hast du an ihm ein doppelt gutes Werk getan; bessert er sich nicht, so werde ihm darum nicht gram, – denn neben der physischen Armut gibt es auch eine geistige, die stets größer und bedauerlicher ist als die physische.

228. Kapitel. Nächstenliebe. Gotteserkenntnis und Gottesliebe.

1. (Der Herr): „Es steht zwar geschrieben, daß man dem, der einem Arges getan hat, siebenmal völlig vergeben soll; aber Ich sage es euch: siebenundsiebzigmal sieben Male sollt ihr eurem Beleidiger vergeben, bevor ihr ihn vor dem Richter verklaget! Bessert er sich auch dann nicht, so stoßet ihn aus der Gemeinde! Wer aber nicht zählt, wie oft ihn jemand beleidigt hat, dem wird auch im Himmel nicht gerechnet werden, wie oft er Gott gegenüber gesündigt hat.

2. So euch jemand um einen Gefallen bittet, so erweiset ihm mit Freuden noch mehr, als um was er euch gebeten hat! So zum Beispiel jemand zu dir käme im Winter und bäte dich um einen Rock, da du noch mehrere Röcke hast, dem gib auch noch einen Mantel dazu; und so dich jemand ersucht, eine Stunde Weges, dessen er unkundig ist, mit ihm zu gehen, mit dem gehe zwei Stunden, damit du ihm mehr Liebe erweisest, als er von dir verlangt hat! Was du jemandem mehr getan hast, das wird dir zehn-, dreißig- und auch hundertfach vergolten werden im Himmel.

3. Aus je mehr wahrer Nächstenliebe jemand seinem bedürftigen Nebenmenschen etwas tut, desto mehrfach wird ihm das Getane einst vergolten werden. Das merket euch alle wohl, und tut danach, so werdet ihr als wahrhaftige Kinder Gottes das ewige Leben haben und ewig ernten seine unermeßlichen Schätze! Ich sage es euch: Eine Sonne dem, der aus wahrer Nächstenliebe mit seinem Nächsten und armen Bruder auch nur sein Scherflein geteilt hat!“

4. Hier sagte der Pharisäer, der nun schon sehr gläubig war: „Herr, was soll einer mit der Sonne machen?“

5. Sagte Ich: „Ist die Sonne nicht die Leuchte des Tages, und erwärmt sie nicht den ganzen Erdkreis und macht durch ihr Licht und durch ihre Wärme, daß alles wächst und gedeiht auf der Erde? Wenn Ich aber sage: ,Eine Sonne dem, der Meine Lehre in allem befolgt!‘, so meine Ich damit keine materielle Sonne, sondern eine volle geistige Sonne in seinem Herzen, was soviel sagen will als die volle Gottähnlichkeit seiner Seele. – Verstehest du das wohl?

6. Übrigens aber sage Ich dir das hinzu, daß dereinst solche Gott völlig ähnliche Seelengeister auch die natürlichen Sonnen zur Leitung bekommen werden, was da unendlich viel sagen will; denn dadurch bekommen sie auch die oberste Leitung über alle Erden, die um eine Sonne bahnen. Und noch anderen, vollendeteren Kindern Gottes werden die Zentralsonnen zur vollen Leitung übergeben werden, von denen die Leiter der kleineren Planetarsonnen ihre Weisungen bei besonderen Gelegenheiten überkommen werden. Aber um das sein zu können, muß man zuvor eine volle und ganze geistige Sonne in seinem Innern bergen.

7. Denn was du auch immer ansehen magst, das wird alles von den Geistern geleitet, da sie von Gott aus dazu die Befähigung erhalten. Und darin besteht eben jedes Geistes Seligkeit, daß er also, mit aller Kraft und Macht von Gott aus versehen, Gott dienend, tätig sein kann.

8. Ihr alle seid auf dieser Erde nur über ein Kleines gestellt; aber wer in diesem Kleinen treu ist, der wird dereinst über Großes gestellt werden. Aber das sage Ich euch auch, daß da niemand Gott und dem Mammon zugleich dienen kann; mit einem halben Dienste aber begnügt sich weder der eine und noch weniger der andere. – Verstehst du das?“

9. Sagte der Pharisäer: „Herr, das verstehe ich nun schon ganz klar; aber ich habe mir in meiner jetzigen Stellung samt den andern viel des Mammons erworben. Was soll ich mit ihm machen?“

10. Sagte Ich: „Wie du ihn erworben, so sollst du ihn auch wieder verteilen unter die, welche dessen bedürfen! Denn wer wahrhaft Mein Jünger und Nachfolger sein will und auch sein wird, wenn er es ernstlich sein will, der wird nicht zu sorgen haben für den künftigen Tag, was er essen und trinken, und womit er sich bekleiden wird, sondern er suche nur emsigst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit! Alles andere, dessen er zum Leben benötigt, wird ihm hinzugegeben werden; denn der Vater im Himmel weiß allzeit, wessen die Seinen bedürfen. Er, der das Gras auf dem Felde nährt und allen Tieren ihr Futter und ihre Kleidung verschafft, wird für jene Menschen doch wohl noch mehr sorgen, die in Seiner Liebe und in Seinem Wohlgefallen wandeln; denn ein solcher Mensch ist mehr wert denn alle Pflanzen und alle Tiere der ganzen Welt. – Verstehst du das?“

11. Sagte der Pharisäer und auch die andern sechs mit ihm: „Ja, Herr, auch das verstehen wir nun und werden das auch tun, wie Du es uns nun weislichst angeraten hast. Nur hier in Jerusalem können wir solches vorderhand nicht leichtlich tun; aber wir nehmen all das Unsrige mit und werden dann schon noch der Gelegenheiten in Menge finden, wo wir Deinem Rate gemäß handeln werden, – denn die Erde ist überall Gottes, und die Menschen sicher nicht weniger! – Herr, ist es recht also?“

12. Sagte Ich: „Es kommt wahrlich nicht darauf an, ob ihr hier oder anderwärts der Armut gedenket; aber da an dem Tische, wo das Weib sitzt, das Ich heute aus den geilen Klauen des Tempels gerettet habe, wäre ein Wohltun nötig. Das Weib und ihr Mann sind arm, und die anderen Männer am selben Tische auch. Gebet die verlorenen hundert Pfunde aber dem Lazarus, und er als ein Mir rechter Bruder wird dafür sorgen, daß diese Armen dadurch ein erkleckliches Auskommen erhalten!“

13. Sagten die Pharisäer: „Herr, nicht nur die hundert Pfunde, sondern tausend Pfunde Goldes wollen wir darum dem Lazarus übergeben, und er soll damit walten und schalten nach Deinem Willen. Denn das Licht, das wir von Dir erhielten, ist endlos mehr wert, und Deine Geduld mit uns ist ewig unbezahlbar! Es ist nur gut, daß wir alle nicht im Tempel wohnen, weil wir selbst sehr reich sind, und so können wir mit unseren Privatgeldern und – schätzen tun, was wir wollen. Die ziemlich bedeutende Einlage im Tempel ist natürlich sowieso hin. Denn so wir Ehrenpriester auch als Missionare reisen, so haben wir vom Tempel keine Vergütung zu erwarten, – aber der Tempel auch von uns nichts Weiteres, als was er schon hat; und so wollen wir noch in dieser Nacht das Geld dem Lazarus übermitteln. – Ist es recht also?“

14. Da sagte Ich: „Darüber Mich noch weiter zu fragen, ist ganz unnötig; denn das werdet ihr nun schon einsehen, daß sich jeder ein um so größeres Verdienst erwirbt, je opferwilliger er ist, und je mehr er das mit wahrer Liebe zu Gott und zum Nächsten tut. Tut also nach eurem guten Willen, und es wird euch vergolten werden!“

15. Hierauf ersuchten die sieben, daß mehrere starke Männer, die am Tische saßen mit dem Weibe, mitgehen und ihnen das Geld tragen möchten. Da erhoben sich alle, bei zweiundsiebzig an der Zahl und gingen mit den sieben und brachten die tausend Pfunde schweren Goldes, und das schon nach einer Stunde. Als sie alle im Saale waren, legten sie nach Meinem Rate das Gold in hundert schweren Säcken vor die Füße des Lazarus, und Lazarus dankte zuerst Mir, daß Ich ihn der Gnade würdigte, für die Armen also sorgen zu dürfen, und dann erst belobte er auch die zurückgekehrten sieben, daß auch sie Mich in ihrem Herzen erkannt hätten.

16. Also dankten Mir auch die Armen, und einer sagte: „Herr, so auch wir Deine Jünger werden könnten, so verzichteten wir auf diese großartige Unterstützung; denn es ist besser, Dein Jünger zu sein, als alles Gold der ganzen Welt zu besitzen! Denn für die Du o Herr, sorgest, die sind wohlversorgt für die ganze Ewigkeit!“

17. Sagte Ich: „Darüber zu reden, ist in dieser Nacht noch nicht Zeit, aber es kann noch alles geschehen, da Ich erst heute über sieben Tage Jerusalem verlassen werde auf eine Zeit. Beratet euch aber noch zuvor mit Meinen alten Jüngern über den Hauptinhalt Meiner Lehre; was euch abgeht, das wird euch zur Stunde, wenn ihr es benötigen werdet, in den Mund gelegt werden.

18. Für jetzt aber sage Ich euch allen: Da Mir heute eine so gute Ernte ward, so habe Ich auch eine rechte Freude darob, und wir wollen darum diese Nacht hindurch mit Wachen zubringen, und ein jeder von euch soll am Morgen dennoch also gestärkt sein, als hätte er die ganze Nacht bestens geruht. Aber wir werden bis zum Morgen hin noch so manches verhandeln, das euch auf einen höheren Standpunkt der Erkenntnis Gottes setzen wird; denn Gott so vollkommen erkennen wie nur immer möglich, ist das erste für jeden Menschen.

19. Denn wer Gott nicht richtig erkennt, kann nie vollkommen an einen Gott glauben, noch weniger Ihn über alles lieben und somit auch des Geistes Gottes nie völlig teilhaftig werden. Denn aus einer unrichtigen Erkenntnis Gottes kommen mit der Zeit, vermöge des freien Willens der Menschen, allerart Irrtümer unter die Menschen, die dann wie eine tausendköpfige Hydra fortwuchern, die Menschen zu Götzendienern machen und ihnen die Pforte zum wahren, ewigen Leben verrammen, so daß sie dann als Seelen im Jenseits schwer je hineinkommen können; denn was eine Seele hier in einem Tage zu ihrer Lebensvollendung ausrichten kann, das vermag sie jenseits oft in mehreren Tausenden von Erdenjahren nicht. Meine alten Jünger haben von Gott wohl schon viele gedehntere Kenntnisse; doch ihr neueren seid samt und sämtlich darin noch schwach, und Ich will euch darum darin stärken.“

20. Sagten alle: „Herr, tue das und enthalte uns nichts vor; denn wir lechzen danach wie verdorrtes Gras nach einem belebenden Regen!“

21. Sagten auch die Römer: „Auch wir, – um so mehr, da wir noch völlig Neulinge in dieser wichtigsten Erkenntnis aller Erkenntnisse sind!“

22. Sagte auch Petrus: „Auch uns alten wird das von großem Nutzen sein; denn auch wir sind darin noch gar nicht fest!“

23. Sagte Ich: „Und was habt ihr denn darin noch für Anstände?“

229. Kapitel. Gott-Vater, Gott-Sohn und Gott-Heiliger Geist. Dreieinigkeit Gottes.

1. Sagte Petrus: „Als Du Dich im Jordan von Johannes taufen ließest, da öffneten sich die Himmel, und der Geist Gottes schwebte in der Gestalt einer feurigen Taube über Deinem Haupte, und aus den Himmeln vernahm man in klarer Stimme folgende Worte: ,Dieser ist Mein geliebter Sohn, an dem Ich Mein Wohlgefallen haben – Ihn sollet ihr hören!‘ Und auch bei einer andern Gelegenheit vernahm ich ganz dieselben Worte, darüber wir Dich ganz besonders um eine nähere Auskunft zu bitten uns so ganz eigentlich bis jetzt noch nicht getraut haben. Aber da Du nun Selbst uns alle in eine noch richtigere Erkenntnis Gottes leiten willst, so meine ich, daß es nun auch an der Zeit wäre, uns darüber ein größeres Licht zu geben, natürlich nach Deinem göttlichen Wohlgefallen.

2. Denn bis jetzt bist Du für uns nur der wahrhaftige Sohn des Allerhöchsten, wie wir solches sogar aus dem Munde Deiner Leibesmutter wissen, wie der Erzengel Gabriel ihr erschienen ist und sie also angeredet hat: ,Gegrüßet seist du, da du Gnade vor Gott gefunden! Der Heilige Geist wird dich überschatten, und du wirst einen Knaben gebären, den sollst du den Sohn des Allerhöchsten heißen!‘

3. Siehe, Herr, das und noch gar vieles wissen wir und können uns der Ansicht nicht erwehren, daß es einmal einen allerhöchsten Gott-Vater im Himmel gibt. Du bist Sein Sohn, und das unfehlbar, und ein Dritter, sicher auch Gott, dem Vater und Dir gleich, ist doch offenbar der Heilige Geist! – Haben wir unrecht, wenn wir also auch unsern Glauben feststellen?“

4. Sagte Ich: „Dazu, um euch das vollends zu enthüllen, ist die Stunde wohl noch nicht völlig da; aber sie wird auch nicht lange auf sich warten lassen. Ich aber habe es euch ja doch schon mehrere Male gesagt, als ihr Mich darum anginget, daß Ich euch den Vater zeigen sollte: Wer Mich sieht, der sieht auch den Vater; denn Ich und der Vater sind völlig eins. Der Vater ist in Mir und Ich gleichfalls im Vater. – Wie verstandet ihr denn hernach solches?“

5. Sagte Petrus: „Wir verstanden das also, und das einer wie der andere: Dich durchdringt allzeit die volle Kraft des Vaters, insoweit Du ihrer nur immer hier auf dieser Erde benötigst, und so ist der ewige und unendliche Vater auch in Dir. Du bist Sein vollkommenstes Ebenmaß. Da aber der Vater als der unendliche, ewige und allgegenwärtige Gott auch um Dich ist und Dich sicher besonders umgibt, so mußt Du auch im Vater sein!“

6. Sagte Ich: „Gut, – und was ist denn dann mit dem Heiligen Geiste? Was haltet ihr dann von ihm?“

7. Sagte Petrus: „Herr, mit dem wissen wir alle nichts zu machen, obwohl Du Selbst sagtest, daß dem Menschen alle Sünden vergeben werden können, doch eine Sünde wider den Heiligen Geist nimmerdar! Nun bist Du der Heilige Geist offenbar nicht, da Du sagtest, daß Sünden gegen den Sohn vergeben werden können. Der Vater ist das auch nicht, da auch Sünden gegen den Vater noch eher vergeben werden könnten. Nun, wer und was ist denn der Heilige Geist? Wir sahen ihn in der Gestalt einer feurigen Taube. Ist er eine allen Menschen von Adam an verborgen gehaltene dritte göttliche Persönlichkeit, oder ist er eins mit dem Vater oder eins mit Dir? Er kann doch nicht heiliger sein als der Vater und Du? Und dennoch sagtest Du, daß Sünden gegen den Heiligen Geist nie und nimmer vergeben werden! Er muß daher uns noch ganz unbekannterweise offenbar das Heiligste aller Himmel sein.

8. Du siehst daraus, daß sogar uns alten Jüngern in der reinen Erkenntnis Gottes noch sehr vieles mangelt, und wir haben daher auch vollsten Grund, uns auf das zu freuen, so Du auch uns in eine noch reinere Erkenntnis Gottes leiten willst.

9. Bei Moses heißt es gar strenge: Ich, Jehova, bin nur Einer und allein euer Gott! Ihr sollet euch keine fremden Götter neben Mir machen und denken! – Und nun hätten wir nach unseren beschränkten Begriffen drei, und wir sollen dennoch nur an einen Gott glauben! Darüber, o Herr, täte uns allen noch ein näheres und helleres Licht sehr not; denn darin ist noch keiner von uns so ganz im klaren!“

10. Sagte Ich: „Nur an einen einzigen Gott sollet ihr glauben, weil es von Ewigkeit her nie mehrere gegeben hat und auch ewig nie mehrere geben wird!

11. Euer Gedächtnis aber ist eben das Stärkste nicht bei euch, daß ihr Mich nun um solches fragen könnet, was Ich doch schon bei tauglichen Gelegenheiten oft genug erklärt habe, – und dennoch seid ihr noch immer im unklaren über die Hauptsache; denn wie Ich ehedem gesagt habe, daß die vollkommene Gotteserkenntnis des Lebens Hauptsache ist, weil es ohne diese kein wahres, sondern nur ein verwirrtes Maschinenleben gibt, so habe Ich euch gar bald darauf gezeigt, was und wer Gott ist, – aber euer Gedächtnis ist schwach und kurz!“

12. Sagten die Jünger: „Herr, so stärke unser Gedächtnis!“

13. Sagte Ich: „Saget lieber: ,Herr, stärke unser Fleisch und unseren Willen!‘; denn die Stärke des Gedächtnisses hängt allzeit von der Stärke des Willens ab. Zwar ist eure Seele sehr willig; aber euer Fleisch ist schwach, und somit auch euer Gedächtnis, das erst nachher stärker werden wird, wenn Ich den Heiligen Geist über euch senden werde. – Nun aber gebet denn wohl acht, und das mit gespannter Aufmerksamkeit!“

230. Kapitel. Die Dreieinigkeit in Gott und Mensch.

1. (Der Herr:) „Doch was ihr nun vernehmen werdet, das behaltet vorderhand bei euch und machet Mich nicht vor der rechten Zeit ruchbar! Wann aber dazu die rechte Zeit sein wird, das werdet ihr von Meinem Geiste, der der eigentliche Heilige Geist ist, schon in euch selbst erfahren.

2. Der Vater, Ich als Sohn und der Heilige Geist sind unterscheidbar eines und dasselbe von Ewigkeit.

3. Der Vater in Mir ist die ewige Liebe und als solche der Urgrund und die eigentliche Ursubstanz aller Dinge, die da erfüllet die ganze ewige Unendlichkeit.

4. Ich als der Sohn bin das Licht und die Weisheit, die hervorgeht aus dem Feuer der ewigen Liebe. Dieses mächtige Licht ist das ewige vollkommenste Selbstbewußtsein und die hellste Selbsterkenntnis Gottes und das ewige Wort in Gott, durch das alles, was da ist, gemacht worden ist.

5. Damit aber das alles gemacht werden kann, dazu gehört noch der mächtigste Wille Gottes, und das ist eben der Heilige Geist in Gott, durch den die Werke und Wesen ihr volles Dasein bekommen. Der Heilige Geist ist das große ausgesprochene Wort ,Werde!‘ – und es ist da, was die Liebe und die Weisheit in Gott beschlossen haben.

6. Und seht, das alles ist nun da in Mir: die Liebe, die Weisheit und alle Macht! Und somit gibt es nur einen Gott, und der bin Ich, und Ich habe nur darum hier einen Leib angenommen, um Mich euch Menschen dieser Erde, die Ich völlig nach Meinem Ebenmaße erschaffen habe aus der Ursubstanz Meiner Liebe, in eurer Persönlichkeit näher offenbaren zu können, – wie es nun soeben der Fall ist.

7. Daß aber auch ihr dieselbe Mir ganz ebenmäßige Dreiheit in euch habt wie Ich Selbst, das soll euch sogleich ganz klar gezeigt werden.

8. Sehet, ein jeder Mensch hat eine Liebe in sich und infolge solcher Liebe auch einen Willen; denn die Liebe in sich ist ein Begehren und Verlangen, und in dem Begehren und Verlangen liegt ja eben der Wille. Das ist auch allen Pflanzen und Tieren und in gewisser Hinsicht auch der andern Materie eigen.

9. Liebe und Willen hat selbst der roheste und ungebildetste Mensch. Aber was richtet er damit aus? Er geht nur auf die Befriedigung seiner untersten und materiellsten Bedürfnisse aus, die sich instinktmäßig aus seiner rohen Liebe in seinen Willen übersetzen, aus dem sein Verstand nichts als einen finsteren Dunst überkommt. Sehet auf die Wirkungen solcher Menschen, ob sie nicht um vieles schlechter sind als jene, welche die Tiere hervorbringen, deren Liebe und Verlangen durch ein höheres Einfließen geleitet wird!

10. Aber ganz anders verhält es sich mit der Liebe und ihrem Willen bei jenen Menschen, deren Verstand ein helles Licht geworden ist; er durchleuchtet dann die Liebe, ihren Willen und dadurch den ganzen Menschen. Nun erst gibt die Liebe die reinen Mittel, das Licht oder die Weisheit ordnet sie, und der Wille setzt sie ins Werk. Weil aber der Mensch als Ebenmaß Gottes auch solch eine Fähigkeit in sich hat, besteht er darum aus drei Menschen, oder ist er nur ein Mensch?“

11. Sagten alle, und besonders die alten Jünger: „Wir danken Dir, o Herr, daß Du nun einmal wieder ganz klar geredet hast; denn das ist eben nicht immer Deine Art, also zu reden und zu lehren. Nun erst wissen wir ganz, wie es mit der völligen Einheit Gottes steht, und so bist Du denn doch ganz vollkommen Gott, wie es uns schon zu öfteren Malen in den Sinn gekommen ist.“

231. Kapitel. Die Unendlichkeit und Allgegenwart Gottes in Jesus. Die Erscheinung bei der Taufe Jesu.

1. (Die Jünger:) „Aber es ist nun nur noch eine Frage übrig, und wir sind dann schon so ziemlich in der Ordnung!

2. Siehe, Herr, Gott ist nebst allen Seinen Eigenschaften aber auch unendlich und darum allgegenwärtig! Wie ist das nun bei Dir möglich, indem Du Dich doch gleich uns in genau abgegrenzter Person leibhaftig unter uns befindest?“

3. Sagte Ich: „Seht, ihr Meine alten Jünger, da schaut schon wieder ein alter Gedächtnisfehler von eurer Seite heraus! Wisset ihr nimmer, wie ihr Mir, als wir aus Samaria nach Galiläa zogen, dort beinahe mit einer gleichen Frage gekommen seid? Und habe Ich euch nicht durch ein Zeichen an der Sonne bewiesen, wie Ich durch Meinen Willen auch in der Sonne so wie auf der Erde ganz gleich gegenwärtig bin?! Und nun fraget ihr Mich schon wieder beinahe um ganz dasselbe! Also habe Ich euch dasselbe gezeigt bei Cäsarea Philippi, beim Wirte Matthias in Kapernaum, als Ich das äußerst tief eingesunkene Loch augenblicklich ausfüllte, und in Chotinodora mit dem götzenhaften See, und noch fasset ihr das Geheimnis des Reiches Gottes nicht und noch weniger das Geheimnis Gottes?!

4. Ist denn nicht Mein von der ewigen Liebe durchglühter und von ihrem Flammenlichte, welches ist die Weisheit Gottes, durchleuchteter Wille eben der für euch so unbegreifliche Heilige Geist, der ewig fort und fort von Mir aus alle Unendlichkeit erfüllt?! Und durch dieses Mein Ich, Mein ,Ich bin‘, und also auch durch Mein Sein und Dasein bin Ich überall also gegenwärtig, so wie Ich nun in Meiner eigentlichen Wesenheit ohne Vermittlung unter euch gegenwärtig bin. Solches habe Ich euch, Meinen alten Jüngern und Brüdern, so einige Male ganz klar gezeigt, und ihr habt es dennoch vergessen; aber diesmal werdet ihr es etwa wohl behalten?!

5. Ich werde aber nicht stets also unter euch verbleiben mit Meiner ganzen Urwesenheit, und dennoch werde Ich als ganz Derselbe unter euch, das heißt, unter allen, die getreu nach Meinem Worte handeln und leben werden, verbleiben bis ans Ende der Zeiten dieser Erde!

6. Denn Ich werde nun auch dieses Menschliche durch viele Leiden und größte Demütigungen noch auf dieser Welt, wenn die Zeit herankommen wird, ganz in Mein Urgöttliches verkehren und sodann auffahren zu Meinem Gott, der in Mir ist, und zu eurem Gott, der nun unter euch ist und euch solches lehrt mit Seinem Munde.“

7. Sagten mehrere: „Herr, da wäre es uns aber schon lieber, Du bliebest ewig also unter uns; denn wo Du, o Herr, bist, da ist schon auch der höchste Himmel, und wir verlangeten ewig keinen bessern!“

8. Sagte Ich: „Da spricht nicht euer Geist, sondern das Fleisch, in dem eure Seele noch sehr stark vergraben ist!

9. Da euch das rein geistige Leben der Seele in Meinem Reiche noch völlig fremd ist, so möchtet ihr nun freilich wohl lieber gleich hier ewig leben; aber so ihr wüßtet, daß ihr in einem Augenblick in Meinem Reiche mehr und unbeschreibbar größere Seligkeiten erleben werdet denn in tausend Jahren bei gesundestem Leibe auf dieser Erde, so würdet ihr nicht also reden. Euch, Meinen alten Jüngern, habe Ich wohl schon so manchen Vorgeschmack gegeben, – aber wie euer Gedächtnis stets und allzeit ein kurzes ist, so auch in dieser Sache. Aber Ich will euch in dieser Hinsicht nun keine neuen Beweise geben; denn so Mein Geist dereinst über euch kommen wird, so wird Er euch schon ohnehin in alle Weisheit leiten!“

10. Sagte hier einmal der noch stets am meisten schwergläubige Thomas: „Herr, warum sahen wir denn den Heiligen Geist in der Gestalt einer feurigen Taube, und warum hörten wir die Stimme des Vaters aus dem geöffneten Himmel?“

11. Sagte Ich: „Ich wußte es ja, daß auch du noch mit einer Frage kommen wirst, und Ich nehme es von dir auch gar nicht ungünstig auf; denn du gehörst ja auch zu denen, die selten oder beinahe gar nie um etwas fragen.

12. Siehe, das Bild der Taube zeigt für eure beschränkten Sinne fürs erste die große Sanftmut und fürs zweite die große Flugfertigkeit Meines Willens an, der der eigentliche Heilige Geist ist; denn wo Ich mit Meinem Willen wirkend sein will, da bin Ich auch schon in der endlosesten Ferne zugegen und wirke.

13. Was die Stimme wie von oben aus den Himmeln betrifft, so tat das auch nur Mein Geist, die aus Mir gehende und Ihn ganz erfüllende Liebe, die mit Meinem Willen allenthalben also innigst verbunden ist wie in Mir. Daß die Stimme wie aus den Himmeln zu vernehmen war, sollte euch andeuten und belehren, daß alles Wahre und Göttlich-Gute vorerst von oben herabkommt, gleichwie auch der Mensch im Herzen erst dann gut wird, wenn aus dem von Gott erleuchteten Verstande das Menschenherz erleuchtet und dadurch wahrhaft veredelt wird.

14. Ist das Herz aber einmal erleuchtet und in der wahren Liebe entzündet, dann erst wird es ganz licht und lebendig im Menschen. Dann wird auch deine Liebe redend und wird dir sagen: ,Das Licht in mir ist mein lieber Sohn, an dem ich ein Wohlgefallen habe, den sollet ihr – das heißt, alle meine Wünsche, Begierden und Leidenschaften – hören!‘ – Nun, was sagst du, Mein Jünger? Ist es also oder nicht?“

15. Sagte der Jünger: „Oh, wie sollte es da wohl anders sein können? In Dir, o Herr, ist die höchste Liebe und Weisheit! Du kannst unsereinem ja alles ins hellste Licht stellen; aber das wäre ja etwa doch nicht gar zu weit gefehlt, wenn das auch andere Gläubige bald also verstünden wie nun wir?!“

16. Sagte Ich: „Denen es vorderhand nötig ist, diese großen Geheimnisse näher zu verstehen, denen habe Ich nun auch diese Erklärung des Geheimnisses Gottes gegeben. Die andern, die noch lange nicht verstehen, so man von irdischen und diesweltlichen Dingen mit ihnen spricht, wie wollen die solche tiefgeistigen Dinge verstehen und fassen?

17. Für die Kinder gehört eine andere Kost als für reife Männer. Wie wirst du demjenigen etwas tiefer Geistiges begreiflich machen, der die Erde, die ihn trägt und nährt, nicht im geringsten kennt, und noch weniger, was der gestirnte Himmel alles faßt und enthält? Euch aber habe Ich alles das erkennen gelehrt, damit ihr euch vor allem einen lebendigen Begriff von der Größe und von der weisesten Ordnung Gottes habt machen können, und so habt ihr solch Höheres und rein Geistigeres schon auch leichter fassen können; die andern aber, die hier sind, haben schon so manches in der Welt erfahren, und haben also einen Grund, auch etwas Höheres zu fassen, wozu sie aber dennoch ihre große Liebe zu Mir am meisten befähigte. Und so haben nun alle Befähigten dies hohe und tiefe Geheimnis von Mir erklärt bekommen; alle andern sollen warten, bis sie es als Befähigte von Meinem Geiste erhalten.“

232. Kapitel. Das Wesen der Kometen.

1. Sagte nun auch Lazarus: „Herr, Du hattest mir jüngsthin in Bethanien eben auch sehr vieles von dem gestirnten Himmel erklärt; nur hatte ich Dich auch um die Natur der vom Volke so sehr gefürchteten Kometen gefragt, und die Antwort ist sicher aus höchst weisen Gründen noch bis jetzt unterm Wege geblieben. Wirst Du mir wohl noch darüber ein Lichtlein zu geben die Gnade haben?“

2. Sagte Ich: „O ja, und das mit vielem Vergnügen! Sieh, wie nach Meiner alten, das heißt ewigen Ordnung, keine Frucht auf einem Baume auf einmal reif wird, so wird auch keine Zentralsonne, keine Planetarsonne und keine Erde, wie diese da ist, auf einen Schlag, als schon völlig fertig, bewohnt und mit allen möglichen Früchten bewachsen, erschaffen, sondern erst nach und nach; denn Gott hat ja doch wahrlich nicht nötig, Sich in irgend etwas zu übereilen, da Er von einer Ewigkeit zur andern doch Weile zur Übergenüge hat, – obschon es nicht außer der Möglichkeit Gottes steht, eine ganze Sonne, wie eine ganze Erde oder zahllos viele von beiden Weltgattungen in einem Augenblick ins Dasein zu rufen.

3. Ein solcher Komet ist demnach eine langsam werdende Sonne, die sich aus dem im endlosen Raume sich begegnenden Lichtstoffe bildet, der sich im freien Äther stets mehr und mehr verdichtet und also aus der anfänglich geistigen Substanz in materielle überzugehen beginnt und nach für euch undenklich langen Zeitläufen zu einer wirklichen Sonne wird, aus der, wenn sie zu ihrer Vollreife kommt, erst dann Planeten oder Erden, wie diese da ist, gleichsam wie Küchlein aus einem Ei ausgeboren werden, aber anfangs auch nur zumeist als höchst lockere Dunstmassen mit sehr wenig irgend schon festeren Körpermassen. Sie werden von der inneren, großen Naturkraft der Sonne in den weiten freien Raum gleichsam hinausgeschleudert; und haben sie die ihrer Größe und speziellen Schwere hinreichende Entfernung erreicht, so fangen sie an, vermöge der großen und starken Anziehungskraft der Sonne gewisserart wieder in die Sonne zurückzufallen.

4. Ein solcher Rückfall dauert oft Tausende von Jahren dieser Erde. In solcher Zeit hat sich solch ein jüngstes Sonnenkind durch die ihm von zahllosen Seiten her begegnenden Lichtsubstanzen schon mehr und mehr verdichtet. Wenn der Komet nach oft sehr vielen Jahren von irgendeiner Seite her wieder in die Nähe der Sonne kommt, so wird er von den Menschen dieser Erde und auch von den Menschen anderer Erden als ein Stern, gewöhnlich mit einem langen, lichtschimmernden Dunstschweife, gesehen. Vermöge einer gewissen abstoßenden Kraft der Sonne aber kann er dennoch nie wieder in die Sonne zurückfallen, welche abstoßende Kraft – besonders in der größeren Nähe der Sonne – in dem gar sehr heftigen Ausströmen des Lichtes besteht, daher solch ein Komet, so er als ein noch ganz leichter Körper in die Nähe der Sonne gelangt, sich beinahe mit der Schnelligkeit des Lichtes weiterbewegt, weil er dadurch einen neuen, heftigen Stoß bekommt und sich in die großen Raumestiefen verliert, worauf er am äußersten Rande seiner Entfernung wieder zurück in die Sonne zu fallen beginnt.

5. Ihr könnet auf dieser Erde davon ein kleines Beispiel bei einem großen Brande haben. Das Feuer, die Hitze und das starke Licht treiben eine große Menge von glühenden Funken hoch in die Luft empor. Wenn diese einmal so hoch sind, daß die Wurfkraft des Feuers nicht mehr auf sie einwirken kann, dann fallen sie wieder ganz behende zurück; aber sobald sie wieder dem Feuer in die Nähe kommen, so werden sie gleich wieder mit großer Heftigkeit hinweggestoßen und machen den früheren Weg wieder.

6. Das alles aber ist begründet in der urgöttlichen Ordnung, und alles, was nur immer Natur heißt, muß sich diesen Gesetzen fügen. – Nun weißt du auch, was die Kometen sind, und kannst solches auch denkenden Menschen beibringen.

7. Was jedoch jene Kometen betrifft, aus denen Sonnen werden, so kommen sie nie in die Nähe einer andern Planetarsonne, sondern schweben in für euch unermeßlichen Raumestiefen und werden in den späteren Zeiten von den tiefgelehrten Menschen mit gewissen Augenwaffen hin und wieder entdeckt werden. – Verstehst du solches wohl?“

8. Sagte Lazarus: „Herr und Meister von Ewigkeit, daß ich so im allgemeinen diese Deine Worte verstanden habe, das ist ganz gewiß und sicher; aber ich merke dennoch ganz bedeutende Lücken, in denen ich mich noch nicht zurechtfinden kann!“

9. Sagte Ich: „Und diese wären?“

10. Sagte Lazarus: „Herr, was so ein Komet nun ist, das weiß ich jetzt wohl; aber was ist sein Schweif? Was bedeutet der wohl? Und so machtest Du auch eine Erwähnung, daß es in einer späteren Zeit so tiefgelehrte Menschen geben werde, die gewisse Augenwaffen erfinden werden, mittels welcher man in den großen Tiefen Deiner Schöpfung jene großen Kometen entdecken wird, aus denen nach etwa Äonen von Jahren dieser Erde neue Sonnen werden. Was wird es dann mit solchen Augenwaffen für eine gar besondere Bewandtnis haben? Woraus werden sie bestehen? Wie werden sie aussehen, und wie werden sie gebraucht werden? Sieh, es juckt mich nun ganz gewaltig, davon etwas Näheres von Dir zu erfahren, der Du es sicher ganz allergenauest weißt, was die Menschen nach zehntausend Jahren und noch um endlos vieles darüber machen, und was sie alles erfinden werden! Wenn es Dein heiliger Wille wäre, so könntest Du mir und uns allen darüber ein Lichtlein geben!

11. Sagte Ich: „O ja, warum das nicht?! Denn je mehr jemand wahre und rechte Kenntnisse besitzt, desto leichter gelangt er zur reinen Erkenntnis.“

233. Kapitel. Die Wichtigkeit der Erkenntnis.

1. (Der Herr:) „Moses selbst war ein größter Kundiger in allen möglichen Fächern des menschlichen Wissens. Es bestand in Ägypten kein noch so tiefes Mysterium, in das er nicht eingeweiht worden wäre, und die alten Ägypter besaßen auch derlei Augenwaffen, wenn auch nicht in der Vollendung, in der die erwähnten späteren Gelehrten sie besitzen werden, und konnten dadurch gar gut die Planeten entdecken und ihren Lauf auch so ziemlich wohl berechnen, wovon noch heutigestags ihr Tierkreis zu Diadeira (Diathira) der augenscheinlichste Beweis ist. Die reine Wissenschaft und Hauptwissenschaft lag freilich nur in den Händen der Kaste der Priester; das gemeine Volk aber mußte sich mit dem begnügen, was ihm die Priester sagen wollten.

2. Moses aber, als gleichsam ein Prinz am königlichen Hofe, ward in alles eingeweiht, ohne dadurch nur im geringsten im Glauben Israels wankend zu werden, den er von seiner Mutter, die am Hofe seine Amme war, erlernt hatte. Und so konnte Moses denn auch am ehesten zur ganz reinen Erkenntnis Gottes gelangen, weil sein ganzer Verstand schon eine reine und gerechte Vorbildung genossen hatte.

3. Darum sage Ich euch auch, daß eine reine und wohlbegründete Erkenntnis der ganzen Erde – womöglich in allen ihren Teilen – und ihrer Bewegung, samt ihrer wohlgemessenen Größe, und dann des gestirnten Himmels in allen seinen Erscheinungen für ein reines Gemüt vorzüglich dazu dienen kann, um zur wahren, einheitlichen Erkenntnis Gottes zu gelangen, ohne die für den Menschen kein wahres Heil zu erwarten ist. Denn nur jene, die Gott wahrhaft erkennen, kommen zu Gott und sind eigentlich schon bei Gott; die aber Gott nicht erkennen, die können auch nicht zu Gott kommen, weil sie Gott nicht erkennen und somit auch nicht bei Gott sind.

4. Denn zu Gott kommen heißt, schon durch die reine Erkenntnis und Liebe bei Gott sein, weil ohne die reine und wahre Erkenntnis auch niemand Gott wahrhaft lieben kann.

5. Was nützt es deiner Seele: wenn du auch an einen irgendwo hinter allen Sternen seienden Gott glaubst und auch glaubst, daß Er von dort aus, wie von einem ewigen Zentrum, vermöge Seiner Allmacht alles hört und sieht und alles erschafft, erhält und regiert, und daß Er also mit Seiner Macht alles durchdringt und überall gegenwärtig ist, so kennst du Gott dennoch nicht im geringsten und bist in deinem Gemüte noch um vieles weiter von Ihm entfernt, als wie endlos entfernt du dir Ihn vorstellst! Du bist also durch eine solche höchst dunstige Nachterkenntnis Gottes sicher noch sehr ferne von Ihm, kannst Ihn unmöglich lieben, sondern nur so eine halbgläubig dumpfe Ahnung und Ehrfurcht vor Ihm haben. Und in dieser Erkenntnis- und Gemütsstellung kann niemand bei Gott sein, und von einer wahren Liebe kann da schon nie eine Rede sein.

6. Oder was würde ein zum Heiraten reifer junger Mann sagen, dem in der nächsten Nähe so einige Töchter sehr wohl gefielen, von denen er eine aus vollem Herzen lieben könnte, so man zu ihm sagte: ,Du, da ist nichts für dich! Im entferntesten Teile der Welt ist eine Braut für dich, in diese verliebe dich, reise hin und nimm sie zum Weibe!‘? Wird er euch nicht fragen und sagen: ,Ja, wo ist das? Ist es im Aufgange oder im Untergange, im Mittage oder in der Mitternacht?‘? Und ihr werdet ihm unmöglich etwas anderes der Wahrheit getreu sagen können als: ,Ja, das wissen wir selbst nicht, aber sein wird sie schon irgendwo, liebe sie nur und suche sie!‘ Meint ihr wohl, daß der junge Mann sich je in eine so weit von ihm entfernte Jungfrau verlieben wird oder euch den Narren machen und sie in allen vier Weltgegenden suchen gehen wird? Ich sage es euch, daß er das gar fein bleiben lassen wird! – Und um nicht gar vieles besser steht es mit der Liebe zu einem völlig unbekannten und irgend endlos ferne abstehenden Gott.

7. Was ist aber dann die andere schlimme Folge davon? Weil die Menschen einen zu fernen und zu unbekannten Gott weder erkennen und noch weniger lieben können, so machen sie sich selbst nähere Götter, die sie dann ehren, lieben und anbeten, und denen sie allerlei Opfer bringen. Dem einen wahren Gott erbauen sie zwar auch einen leeren Tempel, in den nur sehr wenig Licht dringen darf, – und der ist dem unbekannten Gott geweiht. Die Römer haben daraus ihr blindes Fatum gemacht, das selbst über alle ihre Götter herrscht. Aus dem aber geht doch hinreichend klar hervor, wohin eine schlechte Erkenntnis Gottes mit der Zeit die Menschen bringt.

8. Und weil Ich als der immer so ferne gedachte und geglaubte Jehova nun euch Menschen am allernächsten bin, so erkläre Ich euch ja gerne das, was euch und eure Nachkommen zu der wahren Erkenntnis Gottes und zur treuesten Liebe zu Ihm bringen kann. Und so will Ich dir denn auch deine zwei Fragen ganz kurz beantworten.

9. Siehe, der dir erklärte Komet hat in großer Entfernung von der Sonne gar keinen Schweif, sondern nur einen nebelartigen Dunst um seinen Kern! Erst wenn er in die Nähe der Sonne kommt, bildet sich sein Schweif infolge seiner sehr schnellen Bewegung. Denn durch diese schnelle Bewegung, die bei manchen solchen Kometen so außerordentlich ist, daß sie in der Nähe der Sonne oft in wenigen Augenblicken 80, 90-100000 Stunden Raumweges durchzucken, kann der höchst leichte Lichtätherdunst den Raum nicht so behende durchfliegen wie der offenbar schwerere Kern und der ihn in der nächsten Nähe umgebende dichtere Dunst, und so geschieht dadurch im großen ungefähr dieselbe Erscheinung, als wenn du ein noch stark glühendes und ebenso stark rauchendes Stück Holz nähmest und würfest es auf eine weite Strecke hin durch die Luft; da würdest du sehen, wie der Rauch als ein sehr leichter Körper hinter dem glühend fliegenden Stück Holz eben auch einen förmlichen Kometenschweif darstellt.

10. Diese atmosphärische Luft ist freilich um sehr vieles dichter als der reine Äther; aber für eine so schnelle Bewegung gibt auch schon der Äther einen Ausschlag. Denn auch er ist noch in Zeit und Raum enthalten und ist somit ein materielles Etwas, obschon seine Urgrundstoffe gegen die verdichteten Stoffe einer Erdenwelt beinahe gewichtlos sind, gleichwie auch diese Erdluft, die für sich immerhin schon ein gewichtiger Körper ist – ansonst sie bei einer starken Bewegung nicht oft die mächtigsten Bäume entwurzeln könnte –, unterm Wasser wie vollends gewichtlos ist.

11. Weil aber der Äther für sich auch ein materielles Etwas ist, so kann er den Dunst eines Kometen bei dessen höchst schneller Bewegung schon auch in einen nachziehenden Dunstschweif verwandeln. – Das wirst du nun wohl verstehen?!“

12. Sagten nun Lazarus und alle die andern: „Ja, Herr, Du unsere alleinige Liebe, das ist nun sonnenklar! Wenn diese Dinge so erklärt werden, dann muß sie ja sogar ein Kind verstehen! So war denn sicher auch diese unsere Erde ein solcher Komet?“

13. Sagte Ich: „Allerdings, – wenn auch nicht gerade aus dieser Sonne ausgeboren, sondern von einer andern gar um sehr vieles größeren, so macht das eben gar keinen Unterschied; denn auch aus den Urzentralsonnen werden derlei Erdenbildungskometen mit einer um so größeren Gewalt in den unermeßlichen Raum hinausgeschleudert, kommen dann den kleinen Planetarsonnen in die Nähe und werden von denselben angezogen, erhalten, und ordentlich als eigene Kinder gepflegt und zu ordentlichen Erdkörpern großgezogen.

14. Das wisset ihr nun, und so wollen wir nach des Lazarus Wunsche noch einen Blick in die einst kommenden Augenwaffen tun. Nun, diese Sache euch zu erklären, wird etwas schwerhalten; doch wir wollen sehen, was sich da wird tun lassen!“

234. Kapitel. Erfindungen und ihr Zweck.

1. (Der Herr:) „Seht, die alten Ägypter verstanden es, eine Art Spiegel zu machen, mit denen sie die Sonnenstrahlen auffingen. Alle Strahlen, die auf eine große mathematisch genaue Hohlfläche eines solchen Spiegels auffielen, wurden von diesem Hohlspiegel in einer Entfernung von 50-100 Manneslängen auf einen kopfgroßen, aber unanschaubar hellstrahlenden Punkt zusammengedrängt und entwickelten da einen so hohen Hitzegrad, daß das weißglühende Erz dagegen noch ein kühles Wasser wäre. Die ganz natürliche Folge davon war, daß der Gegenstand, auf den der glühhellste Punkt gerichtet ward, augenblicklich in den verheerendsten Brand überging, wie ihr, besonders aber die Griechen und Römer, schon oft davon werdet reden gehört haben.

2. Nun, wie war denn das also möglich? – Solch ein Spiegel nimmt eine größere Menge Strahlen auf und gibt sie auf einem ganz engen Raum wieder zurück, während ein flacher Spiegel sie nur gerade so wieder von sich gibt, wie sie auf seine Fläche kamen!

3. Wenn sich jemand vor einen flachen Spiegel stellt, so erscheint er darin nur so groß, wie er ist; stellt er sich aber vor einen solchen besprochenen Hohlspiegel, so würde er riesengroß erscheinen.“

4. Sagte ein Römer: „Ja, das weiß ich aus höchsteigener Erfahrung; denn ich habe einen solchen Spiegel in Memphis gesehen. Er war aus einer sehr harten Gattung schwarzen Marmors gemacht und hatte gut zwei Manneslängen im Durchmesser. Die Fläche war teilweise wohl schon etwas matt; aber im ganzen gab er noch einen guten Widerschein, und so man sich vor dem Spiegel aufstellte, da ersah man sich darin in der kolossalsten Riesengröße. Das haben wir mehrere erfahren.

5. Auch gibt es in Rom ein paar Menschen, die Glas machen und es hernach in allerlei Formen gießen, darunter auch in solche, die auf beiden Seiten etwas abgerundet mit denen man dann einen Feuerschwamm, wie er in Illyrien vorkommt, oder auch recht dürres Stroh gar gut anzünden kann. Auch die Vestalinnen pflegen ihre Lampen mit diesem Feuer aus der Sonne anzuzünden, wenn sie ihnen doch dann und wann erloschen sind. Wenn man durch ein solches Glas aber irgendeinen Gegenstand, der natürlich nicht zu groß ist, ansieht, so erscheint er um vieles größer, als er in der Natur ist.“

6. Sagte Ich: „Nun, da haben wir dann die Sache der Augenwaffen schon! Solch ein Spiegel oder solch ein Glas, freilich in der möglichst mathematischen Reinheit, ist dann ja schon zum Teil eine Augenwaffe.

7. Wenn späterhin, durch das Einfließen Meines Geistes, die Menschen es verstehen werden, derlei Spiegel und auch derlei Gläser von verschiedenen Größen und Brennpunktweiten zu machen, dann werden sie auch bald jene vorerwähnten Augenwaffen beisammen haben, mittels derer sie den gestirnten Himmel durchschauen werden, und werden dort vieles entdecken, was bis jetzt namentlich den allermeisten Juden verborgen geblieben ist.

8. Und Ich werde solches und noch vieles andere in der späteren Zeit von den Menschen erfinden lassen, auf daß solches dienen solle und auch dienen wird zur Unterdrückung und zum gänzlichen Verderben der falschen Propheten, die mit großer Macht und weltlicher Herrlichkeit ausrufen werden: ,Siehe, hier ist Christus!‘ oder ,Dort ist Er!‘; aber dann höret sie nicht an, und fliehet sie wie einen Pesthauch! Denn alles, was sie in den Schulen und Tempeln lehren und predigen werden, wird eitel Falsches sein, das die größte Trübsal unter den Menschen bewirken wird, die je in der Welt war. Denn es wird ihnen viel Volk anhängen ob der falschen Zeichen und Wunder, die sie wirken werden gleich den Essäern und indischen Magiern.

9. Darum werde Ich dann zuerst den Geist der rechten Wissenschaft und allerlei Kunst unter den Menschen erwecken und dazu dann erst den ganz reinen Geist der Wahrheiten aus den Himmeln, und alle die falschen Propheten samt ihrem Oberhaupte werden dann zu heulen und zu wehklagen anfangen und alle diejenigen in die Hölle hinein verfluchen und auf alle mögliche Weise bedrängen, die ihnen für ewig den Rücken kehren werden. Aber es wird ihnen das alles nichts nützen; denn das ist allzeit der ewige Untergang der Lüge, daß sie vor der Wahrheit zuschanden wird gleichwie das Eis, das die Festigkeit eines Steines darstellen möchte, an der Sonne aber zu Wasser wird, wonach es mit seiner Härte und seiner Festigkeit ein Ende hat.

10. Im tieferen Norden dieser Erde, wo es sehr kalt ist, bauen sich die Skythen im Winter Wohnhütten aus Eis. Was aber ist mit diesen Hütten, wenn dort der zwar kürzer dauernde, aber äußerst heiße Sommer kommt? Binnen weniger Tage sind alle diese Wohnhütten zerronnen! Und geradeso wird es in jener Zeit den großen Prachthütten der falschen Propheten ergehen: Ehe sie sich ordentlich umgesehen haben, werden ihre herrlichen Wohnstätten auch schon dahin sein! – Versteht ihr solches wohl nun gut?“

235. Kapitel. Von den falschen Propheten.

1. Sagte Lazarus: „Aber Herr, es ist nun denn doch nicht zu glauben und anzunehmen, daß diese Deine Lehre je irgend verfälscht werden könnte! Denn wie wir sie von Dir empfangen haben, so werden wir sie ja auch an unsere Nachkommen weitergeben, und da wird nichts hinzugesetzt und nichts hinweggenommen; wir können auch mit dem Schreiben umgehen und werden das wortgetreu aufzeichnen, was wir von Dir nun gehört und gesehen haben, und alle die Unsrigen werden von Punkt zu Punkt alles das hören und auch befolgen. Da begreife ich dann nicht, wie ein Aufstehen von falschen Propheten möglich wäre!“

2. Sagte Ich: „Geradeso, wie du nun sprichst, haben einst die Hauptanhänger Mosis geredet, als – sage – eben auch Ich auf Sinai die Gesetze gab. Die Gesetzgebung dauerte, euch sicher noch bekannt, sieben volle Jahre und noch eine kleine Zeit und dauerte hernach noch bei dreiunddreißig Jahre mehr geheim und nicht für jedermann augenscheinlich, – und schon in den ersten sieben Jahren ist das goldene Kalb gegossen und angebetet worden! Sieh, also sind die Menschen!

3. Daß sich bei euch und euren wenigen Nachkommen Meine Lehre schon auf lange hin rein erhalten wird, das gebe Ich dir schon zu; aber im allgemeinen wird es ganz anders aussehen!

4. Wo immer etwas Großes und Außergewöhnliches in der Welt geschieht, wird es durch müßige Menschen und durch ihren gewinn- und habgierigen Sinn alsbald irgend ausgebeutet und zu ihrer irdischen Erwerbsquelle umgestaltet, – was so wahr ist wie die Wahrheit selbst. Um solche Umtriebe zu verhüten, müßte Ich nur Würgengel in diese Welt kommen lassen, die schon im voraus all derlei Menschen umbrächten, was denn zufolge des freien Willens der Menschen doch wohl nicht angehen kann, sowenig es angeht, das Unkraut auf einem Weizenacker mit einem Schlage zu zerstören, was sogar für den Weizenacker nicht gut wäre, weil am Ende das Unkraut sogar ein Dünger für den Weizenacker wird.

5. Wie aber das Unkraut auf dem Weizenacker zugelassen wird, so wird auch das zugelassen, jedoch nicht ohne allzeitige früher oder etwas später folgende Strafe. Seht, das ist demnach nicht völlig zu verhindern!

6. Ich sage demnach nur, daß alle die, welche nun das Reine von Mir aus und später von euch aus haben, allzeit wohl auf der Hut sein sollen, auf daß auch sie nicht in Versuchung fallen; denn der böse Geist zieht in aller Welt wie ein brüllender und hungriger Löwe umher und sucht alle edlen und reinen Seelen zu verschlingen. Darum hütet euch vor den falschen Propheten! Das ist alles, was Ich euch nun dagegen sagen und tun kann.“

7. Fragte Petrus: „Herr, wenn sie irgend noch zu unseren Zeiten auftauchen sollten, wie werden sie zu erkennen sein?“

8. Sagte Ich: „An ihren Früchten! Auf den Dornenhecken reifen keine Feigen und auf den Disteln keine Trauben! Ich, in Meiner Lehre, bin allein die Türe zum Schafstalle; wer irgendwo anders in den Stall einbricht, der ist ein Dieb und ein Räuber. Ich allein bin die rechte Türe, der Weg, das Licht, die Wahrheit und das Leben. Wer also zu Mir kommen will, der muß durch Mich und in Mir gehen auf Meinem Wege, in Meinem Lichte, welches ist die ewige, umwandelbare Wahrheit in Gott.

9. Es ist zwar ein jeder rechte Arbeiter seines Lohnes wert; aber ein Mietling, der sich dingen läßt für einen andern, den die Arbeit zu eigen angeht, ist selten seines Mietlohnes wert. Denn er wird nur zum Schein arbeiten seines Mietlohnes wegen; aber dem Arbeitgeber wird damit schlecht gedient sein. Und so und noch schlechter werden alle die falschen Lehrer und Propheten sein. Denn ihr Motiv wird – wie nun bei den Pharisäern – der Mammon sein; um den werden sie lehren, dümmste und falsche Dinge weissagen, die Menschen betrügen physisch und noch mehr geistig, werden der Witwen und Waisen Güter verschlingen und ihnen dafür den Himmel zusichern und endlich jene, die bei der reinen Wahrheit verbleiben werden, als die größten Ketzer mit Schwert und Feuer verfolgen und mit großem Pompe sagen: ,Wir sind die wahren Nachfolger Christi, des Sohnes Gottes!‘ Ich sage euch nun das zum voraus, auf daß dann ihr und eure rechten Nachfolger es wissen könnet, wie ihr euch zu benehmen habt, wenn das eintreffen sollte – und teilweise bereits auch schon eingetreten ist!“

10. Sagte Petrus: „Herr, wie sollte denn das jetzt schon möglich sein?“

11. Sagte Ich: „Ganz leicht; denn wie oft habe Ich schon vor einem großen Volke gelehrt, und da waren nicht immer Leute dabei, die es mit der Sache zum Heile ihrer Seele nahmen, sondern zum Heile ihres Geldsackes. Etwas erlebten sie selbst, etwas ließen sie sich von andern erzählen, und das meiste machten sie selbst dazu, dichteten sogestaltig Lügen über Lügen zusammen, machten darauf Reisen in alle Gegenden hin, gaben sich als von Mir Gesandte aus und gewannen damit viel Geld. – Was sagt ihr denn dazu?“

12. Sagten Petrus und Johannes: „Herr, hast Du denn für solche Frevler keine Blitze mehr und keine Donnerkeile?“

13. Sagte Ich: „Ei, ei, seid ihr denn Kinder des Donners oder Kinder Gottes? Der Blitz zerstört und vernichtet wohl, dahin er schlägt; aber die Kinder Gottes haben eine andere Waffe, und diese heißt: Geduld, Sanftmut und Liebe.

14. Diese Menschen sind dabei dennoch der Meinung, daß sie Gott einen guten und Ihm wohlgefälligen Dienst erweisen. Ihr werdet mit derlei Menschen noch gar oft zusammenkommen, und es werden sich viele bekehren. So wir sie nun gleich mit Blitzen aus den Wolken vertilgen würden, vermöchtet ihr sie dann auch noch zu bekehren? Darum nur nicht gleich zu den Blitzen die Zuflucht nehmen!

15. Die Wahrheit ist der beste Blitz gegen derlei falsche Lehrer und Propheten! Ihr möget eher alle Meere der Erde austrocknen, als dem Strome der Wahrheit je einen Damm setzen. Mit Mir werdet ihr alles vermögen, ohne Mich aber vermag niemand irgend etwas; denn Ich bin die Wahrheit, das Licht und das Leben! – Verstehet ihr das wohl?“

236. Kapitel. Jesu geistige Allgegenwart. Die Ersten werden die Letzten sein! Warnung vor Eifersucht und Hochmut.

1. Sagte Philippus: „Ja, Herr, so Du immer also, wie jetzt, bei uns bliebest, dann ginge es freilich wohl; aber Du wirst nach Deiner oftmaligen Ankündigung also nur noch eine kurze Zeit unter uns verbleiben, und dann wird es nicht so wirksam gehen wie jetzt, wo Du sichtbar unter uns wirkst!“

2. Sagte Ich: „Ich werde euch wohl wesentlich verlassen, das heißt mit dem Wesen dieser Meiner Persönlichkeit, da solches geschehen muß, damit Ich für euch wie für alle, die durch euch an Mich glauben werden, eine ewige, allerseligste Wohnstätte bereite; aber mit Meinem Geiste, der die Unendlichkeit erfüllt, bleibe Ich bei euch bis ans Ende der Welt, und das wirksamer denn jetzt, und ihr werdet dann noch Größeres wirken denn Ich Selbst nun.

3. In wem Meine Lehre, also Mein Licht und somit die ewige Wahrheit, verbleibt, in dem verbleibt auch Meine Kraft und Meine Macht. Was wollt ihr dann noch mehr?“

4. Sagte Philippus: „Herr, Dich Selbst, da wir Dich über alles lieben!“

5. Sagte Ich: „Auch das soll euch völlig gewährt sein; denn wahrlich sage Ich euch: Wo je nur zwei oder drei ernstlich in Meinem Namen versammelt sein werden, da werde auch Ich mitten unter ihnen sein, und das entweder sichtbar oder wahrnehmbar wirkend im Geiste, und das wird etwa doch auch Meine Wesenheit sein?!

6. Seht, in den späteren Zeiten, wenn die Menschen mehr und mehr in allerlei Wissenschaften und Künsten bewanderter sein werden, als sie jetzt sind, da werde Ich sichtbar wohl nur höchst selten unter ihnen erscheinen, aber desto bündiger wirken durch Meinen Geist. Und Ich sage es euch: Diese Menschen werden um so seliger werden, weil sie das, was ihr nun sehet, nicht sehen, aber dennoch ungezweifelt glauben und danach leben werden! Ihr liebt Mich, weil ihr Mich sehet; die in den künftigen Zeiten aber werden Mich lieben, ohne Mich je gesehen zu haben. Wie erst werden sie Mich dann lieben, so sie Mich sehen werden in Meinem Reiche! Darum habe Ich euch schon einmal ein Bild gezeigt, wo es geheißen hat: Und so werden leicht die Ersten die Letzten und die Letzten die Ersten werden! Denn wahrlich, es gehört mehr dazu, nichts zu sehen und doch zu glauben und zu leben nach dem Glauben, als alles zu sehen und dann erst zu glauben und danach zu leben! – Seid ihr alle nicht auch dieser Meinung?“

7. Sagte nun Lazarus: „Das ist ganz sicher; denn nichts zu sehen und dennoch überfest zu glauben, ist offenbar von größerem Verdienste, als alle die vielen Zeichen zu sehen und die vielen Reden und Lehren, die einen mit unwiderstehlicher Gewalt zum Glauben zwingen, aus dem rein-göttlichen Munde zu hören, und darauf erst zu glauben. Und so wird der Schwächste im Glauben an Dich, o Herr, und doch mit dem gewissenhaften Handeln danach offenbar eher den höchsten Himmel verdienen als unsereiner, der den stärksten Glauben hat, den untersten. Oh, das ist mir wenigstens ganz einleuchtend!“

8. Sagte hier der Jünger Andreas: „Mir noch nicht! Können wir denn dafür, daß wir gerade jetzt auf der Welt sind? Wir werden doch in dieser ersten sehr kritischen Zeit Last und Hitze zu tragen haben, und dafür sollen wir dann ohne unser Verschulden die Letzten sein? Das klingt wahrlich etwas sonderbar!“

9. Sagte Ich: „Das klingt nur dem sonderbar, der Meine Worte noch immer nicht versteht! Ist denn das etwas, wenn jene Menschen so angesehen werden wie ihr Ersten und ihr Ersten nicht für mehr denn sie als die Letzten?! Oder wenn du einmal selig in Meinen Himmeln sein wirst, wirst du darum dann etwa weniger selig sein, wenn der Letzte auch so selig sein wird wie du? Siehe, wie sehr blind du noch bist!

10. Ich sage euch: Die Eifersucht findet leider auf der Erde statt, – aber im Himmel wird davon ewig nichts mehr zum Vorscheine kommen; denn ein Eifersüchtiger wird da nicht hineinkommen.

11. Im Himmel wird nur der der Erste und Größte sein, der sich der Geringste und Kleinste dünken wird; denn das werde euer Ruhm, daß ihr alle den Kindlein gleich werdet in eurem Gemüte! Wer in seinem Gemüte nicht wird wie die Kinder, der wird ins Reich Gottes nicht eingehen können; denn der Weg zum Himmel ist ein gar enger und ist belegt mit allerlei Dornen. Das größte Dornenhindernis aber ist und bleibt der Hochmut und die ganze Legion seiner Abarten.

12. Darum hüte sich ein jeder vor dem Ehrgeiz, weil er der Vater des Neides, der Selbstsucht und am Ende, wenn er seine Nahrung findet, des dicksten Hochmuts ist, der in der Hölle seine Urheimat hat! – Hast du, Mein Jünger, das verstanden?“

13. Sagte Andreas: „O ja, und ich danke Dir, o Herr, inbrünstigst für diese Deine gar so heilsame Belehrung!“

14. Sagte Ich: „Es ist schon wieder alles ganz gut. Wer danach handeln wird, der wird das ewige Leben ernten.“

237. Kapitel. Himmel und Hölle.

1. Hier trat der Römer zu Mir hin und sagte: „Herr und Meister, daß Dir alles in der ganzen Unendlichkeit bekannt ist vom Größten bis zum Kleinsten, davon bin ich vollkommen überzeugt, und niemand kann mir mehr diese für mich seligste Überzeugung nehmen! Es ist nun aber schon mehrere Male von der Hölle die Rede gewesen, und ich muß es offen bekennen, daß ich noch immer nicht im geringsten weiß, was ich eigentlich aus ihr machen soll. Ist sie irgendein höchst finsterer und trauriger Ort, an dem die Übeltäter für ihre Sünden ewig gepeinigt oder ohne Unterlaß gemartert werden, oder sind all die großen Martern am Ende, nach Deiner ewigen Liebe und Güte zu urteilen, doch nur die äußersten Mittel, um am Ende selbst die bösesten Geister nach etwa einer undenkbar langen Zeit zur wahren Erkenntnis zurückzuführen? Wo ist der unselige Ort und wie sieht er aus?“

2. Sagte Ich: „Mein sehr werter Freund, davon kannst du dir bei Meinen alten Jüngern die ganz genaue Kunde einholen – denn denen habe Ich alles gezeigt –; aber daneben liegt dennoch so manches in der ewigen Liebe und Weisheit Gottes, das du, so Ich es dir auch sage, nun nimmer verstehen könntest. Im übrigen ist die Hölle für sich sowenig irgend ein bestimmter Ort wie der Himmel selbst, sondern die Hölle wie der Himmel hängen ganz nur von dem inneren Zustande des Menschen ab.

3. So können ein Engel und ein ärgster Teufel knappst nebeneinander sein, stehen oder sitzen, und sie sind geistig dennoch endlos voneinander entfernt, und der Engel befindet sich unbeeinträchtigt von dem ihm naturgemäß höchst nahe stehenden Teufel ganz wohl im Himmel, und also befindet sich auch der Teufel in der Hölle und weiß nicht das allergeringste von dem ihm so überaus nahe stehenden Engel. Allein das kannst du nun so leicht nicht fassen; denn die geistigen Verhältnisse sind ganz andere als die diesirdischen.

4. Doch für einen sehr aufmerksamen Beobachter finden sich auch hier so manche ähnliche Erscheinungen, die mit jenen jenseitigen in der genauen Korrespondenz stehen. So zum Beispiel kannst du einem Menschen, der innerlich dein größter Feind ist und Tag und Nacht studiert, wie er dir auf die allerempfindlichste Weise schaden könnte, physisch nah und geistig fern sein. Er kann dich auf einer so hohen Stelle nicht ausstehen, weil er sie lieber selbst bekleidete; er ist aber weltklug und weiß seine innere Gesinnung vor dir so zu verbergen, daß du sie auf keine denkbare Weise auch nur ahnen kannst. Wenn du also zu ihm kommst, so wird er dich mit der größten Artigkeit empfangen und dir alle Ehren antun, wogegen er in der Wirklichkeit, wenn es keine so strengen Strafgesetze gäbe, dich sogleich hätte vernichten mögen. Aber er dachte sich: ,Du bist nun hoch oben und ich noch tief unten! Du mußt mir noch zuvor in die Höhe helfen, und bin ich einmal hoch oben, dann wird schon gesorgt werden, dich in den Abgrund zu stürzen!‘ Siehe, das ist schon ein vollkommener Teufel, und er befindet sich schon mit Leib und Seele in der Hölle, während du als ein allzeit rechtschaffener und biederer Mann dich also im Himmel befindest.

5. Nun siehe, wenn du und dein arger Nebenmann euch nebeneinander befindet, so sind physisch genommen Himmel und Hölle knapp nebeneinander; aber es kann dir die Hölle dennoch nichts anhaben, weil zwischen euch beiden das Gesetz eine schroffe und unübersteigliche Scheidewand bildet. Aber wie himmelweit ist euer moralischer Zustand verschieden und wie weit voneinander entfernt!

6. Sieh, hier hast du ein Bild des Himmels und der Hölle, wie die beiden voneinander abstehen! Und nun will Ich dir noch ein Beispiel geben, wie die Hölle in sich beschaffen ist; und so habe denn wohl acht!

7. Stelle dir aber nun zwei Menschen vor, etwa zwei benachbarte, höchst stolze und herrschsüchtige Könige! Sie stehen äußerlich in der besten Freundschaft. Wenn einer den andern besucht, so überbieten sie sich an Zuvorkommenheiten und umarmen und küssen sich als die besten und intimsten Freunde; aber heimlich für sich denkt und wünscht ein jeder: ,Oh, wenn ich dich nur schon bald unter meinen Füßen im Staube zertreten sähe!‘ Ein jeder lauert nur auf eine schickliche und ihm günstige Gelegenheit, um seinen ihm über alles verhaßten Nachbar gänzlich vernichten zu können. Wer aber schon höchst begierlich ist, mit seinem Nachbar einen Krieg zu beginnen, der findet auch bald einen Grund dazu. Kurz, die beiden überfallen sich bald mit einem Kriege, und der Stärkere besiegt den irgend Schwächeren, und diesem bleibt nichts übrig als die Flucht.

8. Wenn er also nur seine Haut gerettet hat, so geht er eiligst zu einem dritten noch mächtigeren Nachbar, erzählt ihm sein Unglück, verrät auf das kleinste seinen früheren Freund und macht dem dritten Vorschläge, wie er ganz leicht zu besiegen wäre und bietet sich selbst zum Führer an. Darauf werden bald um guten Sold Reisige geworben, und unversehens wird der frühere Sieger, ehe er sich's versieht, überfallen und aller seiner Güter und Länder beraubt. Wenn der nun zum zweiten Besiegte sich noch durch die Flucht retten kann, so wird er bald einen Vierten finden, der gegen den Dritten zieht und ihn möglicherweise besiegt, und die Geschichte hat dann eine Weile scheinbar Ruhe. Die Besiegten aber ruhen in ihrem Innern gar nicht, sondern ein jeder sucht für sich die Gelegenheit, sich an allen Siegern auf das beispielloseste zu rächen. Und sieh, so treibt ein solches rein höllisches Gemüt sein innerer böser Wurm, der nicht stirbt, immer weiter und weiter!

9. Und wie du nun im Beispiel von den beiden Königen gesehen hast, so ist die ganze Hölle bestellt. Wie willst du in diesen Wesen eine Besserung ihres schwarzen Gemütes bewirken?! – Wie gefällt dir diese Sache?“

238. Kapitel. Die Kämpfe in der Hölle.

1. Sagte der Römer: „Ja, Herr, wenn es in der Hölle so aussieht, da ist an ein Ende dieser gegenseitigen höchsten Anfeindungen freilich wohl in Ewigkeit nicht zu denken, und es sieht die Sache nun ganz anders aus, als wie ich sie mir je vorgestellt habe! Solche Geister sind demnach ihres inneren bösesten Zustandes wegen aus sich selbst nie fähig, wahre Bewohner des Himmels zu werden?“

2. Sagte Ich: „Ganz sicher; wenn sie tausend Ewigkeiten also belassen werden, so werden sie aus sich, statt je einmal besser, nur ewig immer schlechter! Denke dir aber zahllos viele solcher Geister, die von nichts als von der grenzenlosesten Selbstsucht und dem schrankenlosesten Hochmut erfüllt sind, wie diese dann untereinander wirtschaften! Denke dir aber noch, daß sie jenseits ganz frei sind, daß gar kein Gesetz sie auf irgendeine Art bindet, und ein jeder tun kann, was er will! Wenn du dir das so recht vor das Gemüt führst, so wirst du da eine Anarchie sehen, von der die Erde kein Beispiel aufzuweisen hat.

3. Ein jeder will gleich der höchste Herr sein; nur die im gleichen Bösen und Falschen sind, rotten sich gegen andere, die im andern Bösen und Falschen sind, und da gibt es einen ewigen Hader, Zank, Krieg und gegenseitige Verstümmelungen von der grauenhaftesten Art. Und klauben sich die Verstümmelten wieder zusammen, da sind sie dann erst gar rachgierig und versuchen mit ihren Vorstellungen und Trugkünsten sich als allerlei Zauberer und Künstler bemerkbar zu machen. Haben sie sich dadurch nach und nach einen großen Anhang erworben, dann wehe denen, die sie verstümmelt haben!

4. Und so gibt es für jede Art Böses und Falsches ganze große Vereine, die nur eine Weile in einer Scheinharmonie miteinander bestehen. Haben sie irgendeinen andern Verein bestürmt, ihn gesprengt und Beute gemacht, so will dann bei der Teilung ein jeder der Anführer gewesen sein und somit auch den größten Teil der Beute an sich ziehen. Dadurch kommt dann der siegende Verein untereinander in Streit. Zuerst wird gelost. Ist einem durch das Los der größte Teil zugefallen, so werden ihm dann noch allerlei Proben echt höllischer Art vorgestellt, ob er sich getraut, sie zu bestehen. Es werden ihm große Verheißungen gemacht, sogar die Krönung zum König und Gott aller Vereine. So er sich den Proben nicht unterziehen will, wird ihm der kleinste Teil der Beute zugedacht, was ihn natürlich schon in eine geheime Wut versetzt; nimmt er dagegen die Proben an, so wird er fürchterlich gemartert und muß sich alle möglichen Beschimpfungen gefallen lassen und selbst die größten Schmerzen standhaft ertragen.

5. Jetzt gilt dann euer römisches Sprichwort: AUT CAESAR, AUT NIHIL. Er nimmt die Proben an, und hat er diese überstanden, so wird er zwar ein Scheinkönig, – aber diese Ehre dauert nicht lange. Es gibt bald Meutereien, und der gemarterte König wird abgesetzt, und ein Diktator setzt sich an seine Stelle und gibt Konstitution über Konstitution, wobei dann ein jeder für seinen Sack sorgt. Das ist dann wieder denen nicht recht, die dabei zu kurz kommen, und das erzeugt dann auch schon wieder Konspirationen aus denen bald eine Gegenmeuterei von einer gräßlichen Art zum Vorscheine kommt. Und so kann es da niemals zu einer Ordnung kommen.

6. Es werden von Zeit zu Zeit auch bessere Lehrer in solche höchst zerrütteten Vereine gesandt; aber es geht ihnen beinahe nicht besser, als es den Engeln zu Sodom und Gomorra ergangen ist. Die argen Geister möchten sie als starke Wesen gleich dazu gebrauchen, daß sie alle ihre Feinde vernichten sollen. Daraus aber kannst du schon ersehen, wie es mit der Besserung dieser Geister steht.“

239. Kapitel. Die zweite Schöpfung Gottes.

1. (Der Herr:) „Alle die Höllengeister verstehen sich überaus gut aufs Verstellen. Sie erscheinen oft äußerlich den Engeln gleich und innerlich sind und bleiben sie gleich den reißenden Tieren. Ihre Verstellungskunst geht so weit, daß sie sogar die Engel verführen könnten, und Ich bin hauptsächlich darum im Fleische auf diese Erde gekommen, um der Hölle für ewig einen Damm zu setzen, den sie in alle Ewigkeit nimmer wird überwältigen können.

2. Ich, als Gott von Ewigkeit, könnte freilich wohl mit Meinem Willen die Hölle, aber mit ihr auch die ganze Schöpfung zunichte machen. Was aber dann? Etwa eine neue Schöpfung beginnen? Ja, ja, das ginge schon; aber eine neue Schöpfung von materiellen Welten ist in keiner andern Ordnung denkbar, als die gegenwärtige da ist, weil die Materie das gefestete und notwendig gerichtete Medium ist, durch das ein Mir in allem ähnlich werden sollendes Wesen, von Mir ganz abgelöst, die Willensfreiheitsprobe durchmachen muß, um zur wahren Lebensselbständigkeit zu gelangen.

3. Es ist darum besser, alles bestehen zu lassen, aber in einer wohl gesonderten Ordnung. Diese aber konnte von Mir nur dadurch bewerkstelligt werden, daß Ich Selbst Mensch geworden bin, Selbst alle Materie durchdrungen und somit allen ihren noch so alten, gerichteten geistigen Inhalt zur Beseligung fähig gemacht habe.

4. Und das ist eben die zweite Schöpfung, die Ich schon von Ewigkeit her vorgesehen habe, ohne die nie ein Mensch dieser oder auch einer andern Erde vollkommen selig hätte werden können; denn vor dieser Meiner Darniederkunft war Ich ewighin ein unschaubarer Gott, wie es auch im Moses heißt, daß niemand Gott sehen kann und leben. Von nun an aber bin Ich für jedermann ein schaubarer Gott, und jeder, der Mich sieht, lebt und wird ewig leben.

5. Die Erlösung aber besteht erstens in Meiner Lehre, und zweitens in dieser Meiner Menschwerdung, durch welche die so überwiegende Macht der alten Hölle gänzlich gebrochen und besiegt ist.

6. Solches hat schon der Prophet Jesajas angezeigt, als er im 63. Kapitel, Vers 1-9, sagte: ,Wer ist Der, so von Edom kommt, besprengt das Gewand aus Bozra, ehrenwert in Seiner Kleidung, einherschreitend in der Größe Seiner Kraft? –

7. Ich, der Ich rede in der Gerechtigkeit, groß zum Retten!

8. Warum bist Du rötlich in Deinem Gewand und Dein Gewand wie das des Treters einer Kelter?

9. Die Kelter trat Ich allein und vom Volke kein Mann mit Mir! Deshalb zertrat Ich jene (die Hölle) in Meinem Zorn (Gerechtigkeit) und zerstampfte sie in Meinem Grimme (die höchste Ordnung der göttlichen Weisheit). Darum ist gespritzt der Sieg auf Mein Gewand (der Lehre und des Glaubens Wahres); denn der Tag der Rache ist in Meinem Herzen, und das Jahr Meiner Erlösten ist gekommen. Heil brachte Mir Mein Arm (das Menschliche des Herrn); zur Erde niedersteigend machte Ich ihre (der Hölle) Besiegung. Er sprach: Siehe, Mein Volk sind jene Kinder (von der Hölle verführt), darum ward Ich ihnen zum Erlöser, ob Meiner Liebe und ob Meiner Milde habe Ich sie erlöst.‘

10. Und weiter findet ihr bei demselben in seinem 59. Kapitel: ,Er sah, daß niemand da war (d.h. keine Liebe und keine Wahrheit) und staunte, daß kein Vertreter da wäre; darum brachte Ihm Heil Sein Arm (das Menschliche des Herrn), und Gerechtigkeit richtete Ihn auf (die göttliche Ordnung im Menschlichen des Herrn). Darum zog Er die Gerechtigkeit an wie einen Panzer und den Helm des Heils über Sein Haupt und legte an das Gewand der Rache (die Wahrheit) und deckte Sich mit Eifer wie mit einem Mantel. Da kam für Zion ein Erlöser!‘

11. Im Jeremias leset ihr (Kapitel 46): ,Sie sind verzagt; denn ihre (der Hölle) Helden sind zerschlagen. In die Flucht flohen sie und blickten nicht rückwärts. Jener Tag (zur Ehre und zum Lobe) dem Herrn Jehova Zebaoth, ein Tag der Rächung, an dem Er Rache nehme an Seinen Feinden und Sein Schwert fresse und sich sättige.‘

12. Und in dem 45. Psalm, vom 4.-8. Verse, leset ihr folgende gar treffliche Stelle, die also lautet: ,Gürte das Schwert (auch das Menschliche des Herrn) um die Lenden, Mächtiger! Deine Pfeile (die Wahrheit) sind gespitzt. Völker (der Hölle) werden fallen unter Dir, die aus dem Herzen Feinde des Königs (des Guten und Wahren) sind. Dein Thron (die Kirche des Herrn) für die Folgezeit und Ewigkeit! Du liebtest die Gerechtigkeit; darum hat Dich Gott gesalbt.‘

13. Dergleichen Stellen gibt es noch eine Menge, in denen dargetan ist, daß Ich hauptsächlich nur darum im Fleische in diese Welt gekommen bin, um den zu gewaltigen Übergriffen der Hölle für ewig Einhalt zu tun.“

240. Kapitel. Das Verhältnis zwischen Hölle und Welt.

1. (Der Herr:) „Es denke aber von euch ja niemand, als hätte Ich dereinst auch schon die Hölle erschaffen! Das sei ferne von Mir und von euch allen! Auch denket euch nicht, als sei sie ein Ort zur ewigen Bestrafung der Übeltäter dieser Erde! Sie hat sich von selbst gebildet aus jenen gar vielen Menschenseelen, die auf dieser Erde im Fleische jeder göttlichen Offenbarung Hohn sprachen, Gott leugneten, nur taten, was ihrer äußeren Sinnlichkeit behagte, aber sich am Ende göttliche Verehrung erweisen und alles Volk durch ihre Höflinge darin unterweisen ließen, daß sie selbst Götter seien und alles Volk sie anbeten müsse, wie solches Nebukadnezar zu Babylon tat. Wieder erfanden sie Götzen und zwangen die Völker, dieselben anzubeten und ihnen große Opfer zu bringen; aber wer sich weigerte, wurde auf das grausamste gemartert.

2. Aus dem aber könnet ihr wohl ersehen, welche Gewalt die Hölle über die ganze Erde ausübte, und wie sehr es nun an der Zeit war, daß Ich Selbst in die Materie herabkommen mußte, um dieses alte, aber notwendige Gericht mit aller Meiner Fülle zu durchbrechen und dadurch der sich selbst geschaffenen Hölle einen Damm zu setzen, den sie nimmerdar also durchbrechen wird, wie es bis jetzt der Fall war.

3. Ich, der Allerheiligste, mußte Mich mit der Unheiligkeit der menschlichen oder geschöpflichen Schwachheit bekleiden, um Mich der Hölle wegen ihrer Besiegung als ein starker Held nahen zu können. Ich habe Mich ihr nun genaht, bin in ihrer Mitte, und alle Teufel und Satane fliehen vor Mir wie lockere Spreu vor dem Sturmwinde.

4. Und also habe Ich euch nun in einem Beispiel gezeigt, was die Hölle ist, was sie tat, zum Teile noch tut, und was die Erlösung ist. – Habt ihr solches wohl einigermaßen verstanden?“

5. Sagte nun Agrikola ganz erstaunt: „Herr, solch eine Beschreibung der Hölle ist noch nie zu meinen Ohren gekommen! Wir Römer haben sie nach unserer Phantasie unter den Erdboden, besonders an jene Stellen versetzt, wo es, wie bei uns, solche Berge gibt, die immerwährend rauchen und von Zeit zu Zeit große und alles verheerende Feuermassen ausspeien. Ah, so aber sieht die Sache ja ganz anders aus! Da ist ja nun die ganze Erde mit dem losesten Menschengeschlechte eine vollkommene Hölle; denn in dieser Welt geht es nun gerade also zu, wie Du uns das Walten und Treiben der Hölle beschrieben hast!“

6. Sagte Ich: „Ja, Mein Freund, die Welt und die Hölle sind geradeso eins, wie da eins sind Leib und Seele. Die große Höllenseele bedient sich der äußeren Welt geradealso, wie sich da bedient die Seele ihres Leibes. Ist die Seele ein Engel durch ihre Liebe zu Gott und zum Nächsten, so wird auch der Leib nur Gutes tun, weil die Seele, die den Leib belebt, nichts Böses tun will und kann; ist aber die Seele schon völlig ein Teufel, so ist dasselbe auch ihr Leib.

7. Darum aber kam Ich nun in diesen Weltleib, um alle die legionenmal Legionen Teufel aus ihm zu vertreiben. Ich gab dir gestern mit der Maid im Kleinen ein Beispiel dafür, was Ich nun im Großen tue. Ich werde nun das Haus von den alten Teufeln rein ausfegen; aber so die Menschen sich nicht daran halten werden, so werden sie bald mit einer neuen Hölle und ihren Teufeln fertig sein, und diese werden dann bald in das gereinigte Haus einkehren und einen Zustand in der Welt bereiten, der noch ärger sein wird, als da war der erste vor Mir.

8. Denn wie früher, so muß auch jetzt und fürder eine jede Seele im Fleische ihre Willens- und Erkenntnisfreiheitsprobe durchmachen, und die kann ohne zugelassene Anreizungen zum Guten und zum Bösen nie und nimmer stattfinden. Aber nun haben die Menschen durch Mich die Hilfe in ihrer Hand und können die in ihnen anwachsen wollende Hölle allzeit auf das glänzendste besiegen, was eben die Folge Meiner Erlösung ist. Die aber das nicht tun werden, die werden noch mehr Knechte der neuen Hölle sein, als es da waren die Alten bis zu dieser Zeit.“

9. Sagte Agrikola: „Ja, Herr, da wäre es ja besser, solche neuen Höllenseelen nach dem Leibesleben sogleich ganz zu vernichten?!“

10. Sagte Ich: „Ja, Mein Freund, das geht nicht an; denn alle Seelen, gute und böse, sind aus Mir; und wie von Mir ewig nichts vernichtet werden kann, also auch die böseste Seele nicht, sondern eine jede Seele wird fortleben nach ihrer Liebe. – Verstehst du, Mein Freund, dieses wohl so ein wenig?“

11. Sagten nun alle: „Herr und Meister! Diese Sache ist uns nun ganz klar geworden; aber es tritt nun bei uns ein anderer Fall ein, das heißt, ein ganz eigenes, trauriges Gefühl in unserem Gemüte wird laut, und das notwendig aus zwei Gründen: Der erste ist, daß wir mit Leib und Seele offenbar in der allervollkommensten Hölle leben, und der zweite, daß stets die bei weitem größte Zahl der Menschen dieser Erde offenbar nichts anderes als Höllengeister werden, und das auch offenbar für ewig. Ist denn da für solche Höllengeister im Ernste auch bei Dir, o Herr, keine Hilfe mehr denkbar möglich?“

241. Kapitel. Lazarus will den Sündern helfen.

1. Darauf aber sagten die Pharisäer und Schriftgelehrten, die so ganz geheim mit der Erklärung der Hölle nicht sehr zufrieden waren: „Ah, da sorgen wir uns wieder gar nicht und überlassen das Seiner Güte und Weisheit! Haben wir doch gemurrt, da Er die Menge Sünder und Zöllner annahm, die doch auch gerade keine himmlischen Geister waren, so wird Er wohl auch mit den schon wirklichen Höllengeistern einen Ausweg haben! Denn in Seiner Weisheit wird noch gar vieles verborgen liegen, das Er uns nicht offenbaren wird. Was uns not tut, das wird Er uns offenbaren; was uns aber sicher nicht not tut, um das haben wir uns auch nicht zu kümmern. Ist ein Teufel aus seinem eigenen Willen heraus so blind und dumm und will kein Licht annehmen, – nun, so bleibe er ein Teufel in Ewigkeit! So er die stete Gelegenheit hat, sich zu bessern, und es ihm auch an der Vernunft und am Verstande dazu nicht mangelt, wie auch am Willen nicht, er aber dennoch das Gute und Wahre nicht will und gewisserart eine Ehre dareinsetzt, dem Willen Gottes entgegenzustreben, na, so tue der Narr das, solange ihm das wahrscheinlich eine Freude macht, und Gott und alle seligen Geister werden dabei nichts verlieren! – Das ist so unsere ganz nüchterne Ansicht.“

2. Sagte Lazarus: „Ja, ja, eure Ansicht ist ganz richtig, und da haben auch die Römer ganz recht, so sie sagen: ,Dem Selbstwollenden geschieht kein Unrecht!‘, aber ich sage: So spricht dennoch nur die trockene Rechtsphilosophie der Welt. So ich aber einen Menschen sehe, der sich aus Verzweiflung das Leben nehmen will, oder ich sehe einen sicher unerfahrenen Menschen, der giftige Beeren sammelt, um sich damit zu sättigen, so ist es denn doch meine Menschenpflicht, nicht gleich jeden das tun zu lassen, was zu tun er sich vorgenommen hat, sondern ihn davon ganz ernstlich abzuhalten und ihn zu belehren, welche Folgen dieses oder jenes für ihn haben würde.

3. Natürlich, so ich nicht weiß und sehe, wo irgend einem Menschen aus seinen Handlungen eine Gefahr droht, so habe ich auch kein Gefühl für ihn und kann ihm auch nicht helfen; aber wo ich sehe, weiß und fühle, da darf ich einen noch so dummen und eigensinnigen Menschen nicht dem Verderben nach seinem eigenen Willen preisgeben, und es kann einem fühlenden Gemüte nicht einerlei sein, ob unter tausend Menschen neunhundertneunundneunzig verlorengehen oder nicht. Und ich kann darum alle jene nur loben, denen es hart und traurig zumute wird, so sie einsehen, daß gar so ungeheuer viele so gut wie für ewig verloren sind, und ich finde es nun auch ganz natürlich, daß diese edel fühlenden Menschen sich also vor dem Herrn ausgesprochen haben. Denn von Ihm kann man denn doch mit der größten Zuversicht erwarten, daß Er uns auch in dieser Beziehung einen rechten Aufschluß, wenn auch in irgendeinem Bilde, geben wird. – Herr, habe ich recht geurteilt oder nicht?“

4. Sagte Ich: „Mein lieber Bruder Lazarus, du hast ganz recht geurteilt! Mögen da alle Pharisäer und Schriftgelehrten darüber murren, der Herr ganz allein bin dennoch Ich und kann tun, was Ich will, und niemand kann Mich zur Verantwortung ziehen und sagen: ,Herr, warum tust Du dies und jenes?‘

5. Ich will euch aber von der wahren Barmherzigkeit Gottes ein paar Bilder geben, und nach denen möget ihr selber urteilen, wie es mit derselben steht. – Und so höret Mich denn!“

242. Kapitel. Drei Gleichnisse von der Barmherzigkeit Gottes. Das Geheimnis der Liebe.

1. (Der Herr:) „Wo ist unter euch ein Mensch, der da hundert Schafe hat, und so er eines davon verliert, daß er dann nicht alsbald lasse die neunundneunzig in der Wüste und hinginge nach dem verlorenen und es suche so lange, bis er es wiederfinde, und, wenn er es gefunden hat, es auflege auf seine Achseln vor Freude? Und wenn er dann heimkommt, so wird er alle seine Nachbarn zu sich laden und sagen: ,Freuet euch mit mir, denn ich habe mein Schaf, das verloren war, wiedergefunden und gebe ein Gastmahl!‘

2. Und Ich sage es euch: Also wird auch mehr Freude sein über einen Sünder, der verloren war, so er sich ernstlich gebessert hat, denn über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nie bedurft haben! (Luk.15,3-7)

3. Oder welches Weib ist, das zehn Groschen hat und einen davon verliert, das da nicht alsbald ein Licht anzünde, das ganze Haus kehre und suche mit allem Fleiße, bis es finde den verlorenen Groschen? Und so das Weib den verlorenen Groschen wiedergefunden hat, wird es nicht seine Freundinnen und Nachbarinnen zusammenrufen und sagen: ,Freuet euch mit mir; denn ich habe meinen Groschen gefunden, den ich verloren hatte!‘?

4. Und Ich sage es: Also wird auch eine große Freude sein im Himmel bei den Engeln Gottes über einen Sünder, der verloren war, aber durch eine wahre und ernste Buße sich wieder für die Himmel hat finden lassen! (Luk.15,8-11)

5. Und weiter höret noch ein gar vielsagendes Bild! Es war ein gar sehr angesehener und über und über reicher Mensch, der hatte zwei Söhne. Und der jüngste Sohn ging zum Vater und sagte zu ihm: ,Gib mir den Teil oder den Wert meiner Güter, was mir als deinem Erben zukommt; denn ich will von dannen ziehen und in der Welt mein Glück machen!‘ Und der Vater teilte das Gut der Söhne und gab dem Jüngeren seinen Teil heraus.

6. Und bald darauf sammelte der Jüngere all das Seine zusammen und zog ferne von dannen über Land und Land. Und als er einen Ort fand, da es seinen Sinnen gefiel, brachte er daselbst all sein Geld mit Prassen durch. Und als er bald all das Seinige verzehrt hatte, kam eine große Teuerung in dasselbe Land, und er fing an zu darben. Darauf ging er hin und hängte sich an einen Bürger desselben Landes, daß er ihm einen Dienst gäbe, und der sandte ihn auf seinen Acker, seine Säue zu hüten. Als er aber ein paar Tage die Säue hütete, da fing es ihn sehr zu hungern an, und er begehrte seinen Bauch zu füllen mit Trebern, die die Säue aßen, und niemand gab sie ihm.

7. Da er aber also stark darbte und sich zur höchsten Not nur mit Wurzeln und Gras ernährte, so ging er endlich in sich und sagte in seinen Gedanken: ,Wie gar viele Tagelöhner hat daheim mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe vor Hunger! Ich will mich aber aufmachen und zum Vater ziehen und ihm sagen: ,Vater, ich habe gesündigt in dem Himmel und vor dir! (Jeremias 3,12 und Davids Psalm 51,6) Ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße; mache mich aber doch zu einem geringsten deiner Tagelöhner!‘

8. Und also machte sich der Sohn auf und zog zu seinem Vater. Als er aber noch ferne von dannen war, da ersah der Vater den Sohn schon, und es jammerte ihn. Darum lief er ihm mit offenen Armen entgegen, fiel ihm um seinen Hals und küßte ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: ,Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße!‘ Aber der Vater sagte zu seinen Knechten: ,Bringet sogleich das beste Kleid hervor und tut es ihm an, und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand, und ziehet ihm Schuhe an! Und bringet ein gemästetes Kalb her, schlachtet es und lasset uns essen und fröhlich sein! Denn dieser, mein Sohn, war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist gefunden worden! Und so lasset uns nun singen und fröhlich sein!‘

9. Aber der älteste Sohn war auf dem Felde, und als er nach Hause kam, hörte er Gesänge und den Reigen. Und er rief der Knechte einen zu sich und fragte ihn, was das wäre. Der Knecht aber sagte zu ihm: ,Dein Bruder ist gekommen, und der Vater hat ihm ein gemästetes Kalb geschlachtet, da er den verlorenen Sohn gesund wieder hat.‘ Da ward der älteste Sohn zornig und wollte nicht hineingehen. Der Vater aber ging hinaus und bat ihn sogar darum. Der älteste Sohn aber antwortete und sprach zum Vater: ,Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot nie übertreten, und du hast mir nie auch nur einen Bock gegeben, daß ich dabei mit meinen Freunden gar fröhlich hätte sein können! Da nun aber dieser dein Sohn gekommen ist, der sein Gut mit Huren verschlungen hat, so hast du ihm ein gemästetes Kalb geschlachtet!‘ – ,Mein Sohn, du bist allzeit bei mir‘, sprach der Vater, ,und alles, was mein ist, ist auch dein! Darum sollst auch du fröhlich sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, und er war verloren und ist wiedergefunden worden!‘ Da ging auch der älteste Bruder hinein und hatte eine große Freude an dem jüngsten Bruder. (Luk.15,11-32)

10. Sehet, diese Bilder sagen euch alles, dessen diejenigen bedürfen, die in ihrem Herzen in der Liebe dem Vater im Himmel gleichen; welche aber nur in der Weisheit allein stecken, die fühlen das große Bedürfnis der Liebe im Vater nicht.

11. David, der Mann nach dem Herzen Gottes, hatte auch zwei Söhne, die er besonders liebte. Obschon ihn aber Absolam verfolgte und er (David) ihm alle Gewalt entgegenstellte, daß er ihn besiegte, welche Prämie hätte von David derjenige erhalten, der ihm den so heiß geliebten Sohn lebend wiedergebracht hätte! Salomo war wohl die Weisheit selbst und war stets um David; aber Davids Liebe und Neigung war Absalom.

12. O Meine Lieben, dies Bild besagt unendlich viel! Welche Freude wird Davids Herz empfinden, wenn sein verlorener Absalom ihm einmal lebendig wieder zugehen wird!

13. O Meine Lieben, in der Liebe liegt noch gar vieles verborgen, was keine Weisheit ergründet hat; darum ist der Vater als die ewige Liebe auch größer denn der Sohn, der als Ihr Licht hier vor euch ist.

14. Darum sage Ich: Vieles ist selbst bei den weisesten Menschen unmöglich, was bei Gott in Seiner Liebe dennoch alles möglich ist! – Glaubet ihr Mir dieses?“

15. Sagte nun Lazarus voll Freude: „Herr, wir danken Dir allerinbrünstigst für diese Kundgabe; denn wer da nicht mit der siebenfachen Finsternis der Seele und seines ganzen Gemütes geschlagen ist, der muß es ja doch allerhandgreiflichst merken, was Du damit angedeutet hast. Ich wenigstens habe Dich ganz klar verstanden, und es wird das wohl bei vielen der Fall sein.“

16. Sagten auch nahezu alle, die hier zugegen waren, daß sie das Gesagte wohl verstanden hätten.

243. Kapitel. Die Folgen der falschen Vorstellung vom Jenseits.

1. Nur die Pharisäer waren noch nicht einig, und der Schriftgelehrte sagte: „Diese Sache klingt freilich ganz hoffnungsvoll; aber sie stimmt mit dem Begriff einer gegenüberstehenden ewigen Belohnung nicht zusammen. Denn so der gute Mensch für seine guten Handlungen, für seine Geduld in Schmerzen und Leiden aller Art und Gattung mit einer jenseitigen, ewigen Belohnung entschädigt wird, so sollte auch der im steten Wohlleben auf dieser Welt stehende Übeltäter ewig bestraft werden.

2. Und würde man den Menschen verkünden, daß am Ende auch noch aus der Hölle eine Erlösung möglich ist, dann wird es noch mehr Übeltäter auf der Erde geben! Jetzt hält doch noch die Furcht vor den ewigen Strafen in der Hölle gar viele Menschen von bösen Handlungen ab, und die Hoffnung zur Erreichung der ewigen Glückseligkeit treibt die Menschen zum Guten an! Nehmen wir aber das an, daß auch die Verdammten noch eine etwaige Aussicht haben, einmal selig zu werden, dann werden sich auch die Guten mehr und mehr zu ihnen kehren, und das reine Gute wird auf der Erde bald so selten werden wie die Diamanten. Es ist das für ein weiches Herz wohl sehr trostreich, – aber das Gefühl der Gerechtigkeit geht dabei unter! Das ist so meine ganz gerade Meinung.“

3. Sagte Ich: „Für dich mag sie ja sehr gerade sein, für Mich aber ist sie sehr krumm! Wenn du glaubst, daß entweder die Hölle oder der Himmel als Beweggründe dienen sollen, durch die die Menschen vom Bösen abgehalten und zum Guten hingeleitet werden sollen, so bist du noch von einem ganz grundfalschen Glauben erfüllt; denn der ganz schlechte Mensch lacht über deine Hölle und über deinen Himmel, und der ganz Gute ist gut auch ohne deine Hölle und ohne deinen Himmel. Denn die Hölle und der Himmel, also gestellt, wie du dir die Sache vorstellst, sind erst recht geeignet, jeden Menschen so schlecht wie nur immer möglich zu machen.

4. Denn wer das Gute nur des Lohnes wegen tut, der leiht sein Geld auf hohe Zinsen aus, und wer das tut, der hat keine Nächstenliebe, und noch weniger eine Liebe zu Gott. Denn wer seinen Nächsten nicht liebt, den er sieht, wie kann der wohl Gott lieben, den er nicht sieht?

5. Nehmen wir aber den Himmel und die Hölle weg und sehen uns nachher deine frommen Menschen an! Die werden noch ärger zu wüten und zu toben anfangen als ein großgewinnsüchtiger Makler, dem sein Schuldner mit dem dargeliehenen Gelde durchgegangen ist; und weil sie keine Höllenstrafen mehr zu befürchten haben, so werden solche Menschen dann nur durch die sanktionierten Weltgesetze zu bändigen sein.

6. Es ist also schon im Anfange von den Menschen dahin schlecht gehandelt gewesen, daß die Alten ihren Kindern die Hölle so heiß als möglich machten und den Himmel mit allen Farben des Lichtes und mit allen den Menschensinnen frönenden Annehmlichkeiten ausmalten. Dadurch bewirkten sie wohl eine Art Gottesfurcht, die aber wegen der gar zu leicht erreichbaren Hölle und wegen des zu schwer zu gewinnenden Himmels nie in eine wahre Liebe zu Gott und dem Nächsten überging, sondern bei den schwächeren Gemütern in eine stets größere Furcht ausartete und bei den stärkeren Gemütern von mehr inneren Lichtes in eine volle Gleichgültigkeit gegen Gott und gegen die Nebenmenschen überging. Denn diese stärkeren Menschen glaubten für sich gar nichts, doch machten sie die Sache pro forma mit, um das gemeine Volk bei dem Glauben zu erhalten, auf daß es sich nicht wider die empöre, für die es arbeiten mußte, damit sich diese für den verlorenen Glauben an Gott, Himmel und Hölle auf der Welt einen Himmel non plus ultra bereiten konnten.

7. Die weitere Folge davon aber ist die nunmalige beinahe gänzliche Gottlosigkeit unter den Menschen, die schon lange in der größten Wut gegen die Herrenmenschen aufgestanden wären und sie sehr tatsächlich gefragt hätten, aus welchem Grunde sie ihnen dienen und untertänig sein müssen, wenn nicht die weltlichen Gesetze Roms sie mit dem Schwerte davon abgehalten hätten.

8. Siehe, das alles ist eine Folge von solchem Gerechtigkeitsgefühl in der Menschen Seelen, die allzeit gleich dir mit den schärfsten Worten den Menschen predigten, daß Gott zwar die Guten im Himmel ewig belohne, aber infolge Seiner unerbittlichen Gerechtigkeit die Bösen auch ewig in der allerschrecklichsten Hölle mit den unerhörtesten Martern ewig ohne alle Linderung strafe!

9. O ihr Narren! Gibt es wohl einen Vater von nur einiger Liebe zu seinen Kindern, der ein Kind, das gegen sein Gebot einen Fehler beging, auf lebenslänglich in einen Kerker werfen ließe und es dazu noch züchtigen lassen möchte alle Tage, solange es lebte?! Wenn aber das ein menschlicher Vater nicht tun wird, der im Grunde als Mensch doch schlecht ist, um wieviel weniger wird das der Vater im Himmel tun, der die ewige und purste Liebe und Güte Selbst ist!

10. Oder denke dir nur auf der Erde einen wahrhaft weisen und sehr verstandesvollen Menschen! Wird der je eine ewig währende Bestrafung an einem Sünder billigen können, oder wird er jemandem eine solche Strafe zuerkennen? Sicher nicht, – und der höchstweise Gott um so weniger!

11. Ich sage euch aber, daß in der Folge unter Meinen wahren Nachfolgern gar keine auch nur zeitlichen Strafen bestehen sollen, obschon es bisher hieß: Leben um Leben, Auge um Auge und Zahn um Zahn, – sondern so dir jemand einen Backenstreich versetzt, so gib ihm nicht wieder einen zurück, sondern halte ihm noch die andere Wange hin, daß er dir noch einen Streich geben möge, so er sonst mit dir nicht im Frieden sein kann, auf daß dann Friede und Einigkeit zwischen euch sei! So dir jemand ein Auge ausgeschlagen hätte, so tue ihm nicht auch dasselbe, sondern vergib ihm, und du wirst als ein Leidender bessern sein Herz. Vergeltet nimmerdar Böses mit Bösem, so werdet ihr als Meine wahrhaften Jünger Ruhe haben in der Welt und auch eben dadurch zeigen, daß ihr wahrhaft Meine Jünger seid!“

244. Kapitel. Vom Richten und Strafen

1. Sagte nun der Schriftgelehrte: „Herr und Meister, ich sehe nun schon, daß Du allein höchst gut und wahrhaftig bist, und es ist schon am besten, sich also zu verhalten und also zu glauben und zu reden, wie Du nun alles das von unten bis oben gezeigt hast! Nur mit der Aufhebung der Todesstrafe kann ich mich noch nicht ganz zurechtfinden; denn wenn auf das Leben eines Menschen nicht wieder das Leben eines Mörders gesetzt wäre, so wäre ja gar bald kein Mensch mehr seines Lebens sicher. Nur die sichere Todesstrafe hält viele von den allergrößten Greueltaten ab!“

2. Sagte Ich: „Ja, das ist wieder so deine Meinung, doch Meine Meinung ist da eine ganz andere! Ein Tiger gebiert den andern, ebenso ein Löwe, ein Panther und eine Hyäne ihresgleichen.

3. So irgendein roher, ganz tierisch verwahrloster Mensch, von seinen bestialischen Leidenschaften getrieben, einen Menschen erschlägt, so hätte der Erschlagene das eigentliche Recht, seinen Totschläger wieder zu erschlagen; ein Dritter aber, dem der Totschläger nie etwas zuleide getan hat, hat eigentlich gar kein Recht, sich an Stelle des Erschlagenen an dessen Mörder zu rächen. Doch da ein solcher Tiermensch auch für andere Menschen gefährlich werden kann, so kann auf ihn Jagd gemacht werden. Ist man seiner habhaft geworden, dann bringe man ihn entweder in ein gutes Gewahrsam, gebe ihm einen Unterricht und versuche, aus ihm einen Menschen zu machen! Ist das gelungen, so habt ihr aus einem Teufel einen Menschen gemacht, wofür ihr mehr des wahren Lebenslohnes in euch zu erwarten haben werdet, als so ihr den Mörder getötet hättet. Das wäre sonach eines, das allerbestens mit einem Mörder zu tun wäre.

4. Oder in einem andern Falle, wenn der Mörder ein zu berüchtigter und ganz eingefleischter Teufel wäre, so machet auch Jagd auf ihn; und habt ihr ihn gefangen, so fraget ihn um den Grund, warum er solche Greueltaten verübt habe, und ob er solche nicht bereue! Redet er die Wahrheit, so tut, wie Ich ehedem gesagt habe; leugnet er aber die Tat und gibt euch auf eure Reden kein gehöriges Wort, obwohl ihr überzeugt seid, daß er der Bösewicht ist, dann sorget dafür, daß er fürderhin für die menschliche Gesellschaft unschädlich werde, doch nicht durch seinen Tod, sondern entweder durch ein stärkstes Gefängnis, durch die Blendung seiner Augen oder durch eine Verbannung in eine derartige ferne Gegend irgend am Meere, von wo für ihn keine Rückkunft mehr denkbar möglich ist.

5. Das ist so Mein Rat, wie ihr euch auch in solch einem Falle als Meine wahren Jünger zu benehmen haben sollet. Ihr könnet bessern und reinigen eure Gemeinde von Übeltätern; aber kein Gericht sollet ihr halten! Denn wer da richtet, der wird dereinst auch von Mir gerichtet werden. Wer aber nicht richtet, der wird auch von Mir nicht gerichtet werden. So ihr die Sünder an euch verflucht und verdammt, so werdet ihr dereinst von Mir dasselbe zu erwarten haben; so ihr aber wandelt nach Meiner Lehre, so werdet ihr auch nicht verdammt und verflucht werden.

6. Ihr sollet zu euren Brüdern nicht einmal ,Raka‘ sagen; denn dadurch machet ihr euch schon eines Gerichtes schuldig, weil ihr, so ihr das ernst meintet, über einen Bruder ein Urteil gefällt habt. Noch weniger sollet ihr zu einem wenn auch noch so blöden Bruder im Ernste sagen, daß er ein Narr sei; denn seid ihr weiser als er, so seid ihr das aus Gottes Gnade. Seid ihr aber darob stolz geworden, und geschieht es, daß ihr euch des Blöden schämet, nicht mit ihm reden wollet und saget: ,Wer kann mit einem Narren reden?‘, so rührt ein solches Urteil schon aus dem Keime der Hölle in euch her, und ihr machet euch des höllischen Feuers (Eifers) schuldig. Es ist aber nicht fein, wenn in Meinen wahren Jüngern auch nur Fünklein der Hölle durch solchen falschen Eifer angefacht werden; denn auch aus dem kleinsten Funken kann ein großer Brand entstehen.

7. In der Hölle ist der Hochmutsbrand am höchsten, und im Himmel leuchtet nur das Licht der höchsten Demut und Bescheidenheit, und das sanfte Feuer der Liebe erwärmt und belebt alles. – Verstehest du solches?“

245. Kapitel. Der große Schöpfungsmensch im Universum

1. Sagte der Schriftgelehrte: „Ja, Herr und Meister, nun ist auch mir alles klar; doch wir alle zusammen werden nichts vermögen gegen die Macht der Weltherrscher! Und diese werden ihre Strafkodexe darum nicht ändern und werden ihre Todesurteile fällen nach wie zuvor, und Deine Lehre in dieser Hinsicht wird den Sinn der Weltgroßen und Mächtigen nicht beugen!“

2. Sagte Ich: „Was du weißt, das weiß Ich wohl auch, wie es mit den Weltgroßen in aller Welt steht. Zu denen habe Ich auch nicht geredet, sondern nur zu euch! Ihr aber werdet auch zu den Weltgroßen kommen und ihnen Meinen Willen kundtun können. Die es annehmen werden, die werden auch wohl und gut fahren, – die es aber nicht annehmen werden, sondern ihr Gericht halten wie zuvor, die werden auch danach ihren Lohn von dorther erhalten, von woher sie ihr Gericht genommen haben; denn die es nicht von Mir haben und hinfort auch nicht haben wollen, die können es doch von nirgend anderswoher haben als nur aus der Hölle, und so werden sie auch von ihr den Lohn dafür ernten!“

3. Sagte der gelehrte Pharisäer: „Ja, Herr, wenn sie das Bild vom verlorenen Sohne hören und verstehen werden, da werden sie sich aus der Hölle am Ende nicht gar zuviel machen!“

4. Sagte Ich: „Sorge du dich um etwas anderes! Die Zeit, binnen welcher dem verlorenen Sohne die ausgesprochene Hoffnung gegeben ist, ist keine so kurze, wie du sie dir etwa vorstellst. Ich will dir die Dauer der gerichteten Welten zeigen, und so höre!

5. Die Erde ist gewiß kein kleiner Weltkörper, und die Sonne ist gerade um tausendmal tausend Male größer als diese ganze Erde; aber schon die nächste Zentralsonne ist mehr denn zehnmal hunderttausend Male größer als diese Sonne, welche dieser Erde leuchtet und bald aufgehen wird, und hat mehr Körperinhalt als alle die zehnhundertmal tausendmal tausend Planetarsonnen samt allen ihren Erden und Monden und Kometen, die sich alle in für euch undenkbar weit gedehnten Kreisen mit ihrem Angehör um eben solch eine Zentralsonne in großer Schnelle bewegen und dennoch, besonders die entferntesten, oft tausendmal tausend dieser Erde Jahre benötigen, um nur einmal ihre weite Bahn durchzumachen und wieder am alten Flecke anzulangen.

6. Nun gibt es aber noch eine zweite Gattung von Zentralsonnen, um die sich in noch endlos größeren Bahnen ganze Sonnengebiete mit ihren Zentralsonnen bewegen, von denen die entferntesten Gebiete schon eine Äone von diesen Erdenjahren benötigen, um diese zweite Zentralsonne nur einmal zu umkreisen. Eine solche zweite Zentralsonne, um die nun ganze Sonnengebiete mit ihren Zentralsonnen kreisen, wollen wir samt ihren tausendmal tausend Sonnengebieten ein Sonnenweltall nennen.

7. Nun denket euch aber wieder eine ebenso große Anzahl solcher Sonnenweltenalle! Diese haben wieder in einer für keinen Menschenverstand mehr meßbaren Tiefe und Ferne eine gemeinsame Zentralsonne, die in sich als Weltkörper noch um zehnmal tausendmal tausend Male größer ist als die Sonnenweltenalle, die um sie in unermeßlich weiten Kreisen bahnen.

8. Diese Sonnenweltenall-Gesellschaft mit einer Zentralsonne wollen wir ein Sonnen-Allall nennen. Solcher Allalle gibt es wieder eine für euch nicht zählbare Menge, und alle haben in einer endlosen Tiefe wieder eine allerungeheuerst große Urzentralsonne, um die sie ohne Störung ihrer vielen Separatbewegungen wie ein Körper in einer nur für Engel meßbaren weiten Bahn kreisen, und ein solches Sonnen- und Weltensystem um eine Urzentralsonne wollen wir darum, um es als einen faßbaren Begriff zu bezeichnen, eine Sonnen- und Welten-Hülsenglobe nennen, weil alle diese vorbezeichneten Allalle, nach allen Richtungen um die Urzentralsonne kreisend, eine unermeßlich große Kugel darstellen und infolge ihrer notwendig nahezu gedankenschnellen Bewegung und der dadurch bewirkten Wurfkraft nach außen hin in freilich einer für euch nicht meßbaren Tiefe und Ferne eine Art bilden, deren Dichtigkeit der atmosphärischen Luft dieser Erde gleichkommt und von innen bis nach außen hin einen Durchmesser hat, der nach den Weiten dieser Erde zu messen mit tausendmal tausend Äonen noch viel zu gering angenommen wäre.“

9. Sagten der Schriftgelehrte und der Römer und Mein Lazarus: „Herr, uns ergreift ein Schwindel vor dieser allererschrecklichsten Größe Deiner Schöpfung! Kann die ewig je ein Engel übersehen und begreifen in ihrer Wahrheit?“

10. Sagte Ich: „Ganz sicher; denn sonst wäre er kein Engel! Aber laßt von eurem Schwindel nur ab, denn es wird schon dicker kommen; denn jetzt habe Ich euch erst kaum einen Punkt von der Größe Meiner Schöpfung gezeigt!

11. Wir sind bei der großen Hülse als der gemeinsamen Umfassung aller der zahllos vielen Allalle stehengeblieben. Wie sich diese Umhülsung bildet, habe Ich bereits kurz erwähnt. Aber warum wird sie gebildet?

12. Seht, jedes in sich Ganze, vom Größten bis zum Kleinsten, hat zur Deckung und zum Schutze seines kunstvollsten Innern eine Umhäutung! Diese Umhäutung aber hat auch noch den gar wichtigen Zweck, daß sie das Unreine vom innern Mechanismus eines belebten Körpers in sich aufnimmt und als ein zum organischen Leben Untaugliches nach außen hinausleitet, dafür aber dann von außen her geläuterten Lebensnährstoff aufsaugt und zur Lebensstärkung dem innern organischen Körperlebensmechanismus zuführt. Aus dem könnet ihr nun wenigstens euch dahin einen klaren Begriff machen, warum Ich das ganze Sonnen- und Welten-Allall-Kompendium eine Hülsenglobe nenne.

13. Fraget aber ja nicht etwa nach der Größe und Länge des Durchmessers einer solchen Hülsenglobe! Denn für den Menschen dürfte schwerlich je auf dieser Erde eine Zahl ausgedacht werden, durch die man, die Entfernung von dieser Erde bis zur Sonne hin, die doch bei 44mal tausendmal tausend Stunden Ferne beträgt, als Einheitsmaß genommen, einen solchen Hülsengloben-Durchmesser hinreichend bestimmen könnte, denn äonenmal Äonen solcher Entfernungen reichten kaum auf ein Sonnenwelten- Allallgebiet aus, deren es in einer Hülsenglobe, wie schon gezeigt, eine beinahe zahllose Menge gibt. Also habe Ich bei euch aber dennoch den Begriff von der beinahe unendlichen Größe einer Hülsenglobe festgestellt, und auf diesem Grundstein können wir nun schon weiterbauen.

14. Seht, solch eine Hülsenglobe aber ist eigentlich nur ein einziger Punkt in Meinem großen Schöpfungsraume! Wie aber solches zu denken und zu begreifen ist, werde Ich euch allen sogleich zeigen.

15. Denket euch nun ganz außerhalb der ungeheuerst großen Hülse oder äußersten Haut einer vorbeschriebenen Globe einen ungeheuerst weiten Raum als nach allen Seiten hin ganz leer, und das so weit hin, daß jemand, selbst mit dem schärfsten Auge versehen, von der ganzen nahezu endlos großen Hülsenglobe nichts mehr als nur ein matt schimmerndes, allerkleinstes Pünktchen entdecken würde, und in der entgegengesetzten Richtung wieder ein solches, das ganz natürlich dann wieder eine Hülsenglobe ist. Das gäbe dann so ungefähr ein Maß der Raumweite zwischen zwei Hülsengloben, eine so groß wie die andere, und doch schrumpften sie durch die ungeheuerste Entfernung schon auf dem halben Wege zu einem kaum bemerkbaren Schimmerpunkte zusammen, und wir hätten nun also zwei nachbarliche Hülsengloben kennengelernt.

16. Was werdet ihr aber sagen, so Ich euch nun anzeige, daß es solcher Hülsengloben im endlos großen Schöpfungsraume für euren noch so hellen Menschenverstand wahrhaft zahllos viele gibt, die aber alle nach Meiner Ordnung in der Gesamtumfassung ganz genau einen Menschen mit allem und jedem darstellen?

17. Frage: Wie groß muß der Mensch sein, wenn schon eine Hülsenglobe so endlos groß ist und noch äonenmal äonen Male größer die Entfernung von einer Hülsenglobe zur andern!

18. Aber auch dieser Mensch ist in seiner äußersten Umfassung ebenso wie jede einzelne Hülsenglobe mit einer Art Haut umgeben. Freilich ist solch eine Haut noch ums für euch unaussprechliche dicker – um recht verständlich zu reden – als die einer Hülsenglobe und hat doch denselben Zweck im Allgemeinen und für eure Begriffe endlos Großen wie die Haut einer einzelnen Hülsenglobe. Ihr werdet euch nun wohl denken, was es dann außerhalb dieses Menschen gibt, und worauf dieser beinahe endlos große Mensch steht, und was er als Mensch für sich tut.

19. Außerhalb dieses Weltenmenschen geht nach allen Richtungen der freie Ätherraum ewig fort, den dieser Mensch in einem für eure Begriffe wahrhaft endlos großen Kreise, durch Meinen Willen getrieben, mit für euch unbegreiflicher Schnelle durchfliegt, und das wegen des Nährstoffes aus dem endlosesten Äthermeere, das er gewisserart wie ein Fisch durchschwimmt. Da es im freien, großen Ätherraume nirgends oben oder unten gibt und kein Wesen weder auf die eine noch auf die andere Seite irgendwohin fallen kann, so steht dieser Mensch also ganz gut und fest im Ätherraume wie diese Erde, die Sonne und alle die äonenmal äonen Sonnen in einer Hülsenglobe.

20. Seine handelnde Bestimmung ist, alle die in ihm enthaltenen großen Gedanken und Ideen Gottes auszureifen für die einstige freieste und selbständige Geisteslebensbestimmung.“

246. Kapitel. Die Erlösung des Weltenmenschen

1. (Der Herr:) „Gleich wie ihr nun, werden noch zahllos viele aus ihm hervorgehen, und das so lange, bis alles in ihm Gerichtete und Gefangengehaltene in das freieste geistige Leben übergegangen sein wird; und solange dieser ganze Weltenmensch nicht völlig ins freie und selbständige Geistige aufgelöst sein wird, solange wird auch das Gericht und die Hölle fortbestehen. Und so darf sich niemand von euch sorgen, daß etwa die Höllengeister von der ärgsten Gattung in ihren sich selbst bereiteten Leiden und Qualen zu kurz kommen werden.

2. Die Umlaufzeit dieser Sonne um ihre Zentralsonne beträgt einen Zeitraum von ungefähr 28000 Erdenjahren, welcher Zeitraum also für die Sonne selbst ein Jahr ausmacht, das heißt soviel als ein Jahr auf der Sonne.

3. Bevor noch diese Erde war, hatte die Sonne als das, was sie nun ist, diesen Weg schon für euch zahllos oft durchgemacht, aber auch mit dieser Erde schon so oftmals, daß ihr für die Vielheit solcher Sonnenjahre auch gar keine so große Zahl in eurer Rechnung kennet, und noch weniger würde eine Zahl zu ermitteln sein für das, wie oft sie solchen ihren großen Kreislauf bis zu ihrer völligen Auflösung noch durchmachen wird. Ich sage es euch: äonenmal Äonen solcher Sonnenjahre wären als nahe nichts zu betrachten!

4. Was ist aber das Alter einer Planetarsonne gegen das einer Sonnengebiets- Zentralsonne, die endlos lange früher bestand, ehe auch nur eine Planetarsonne ihren um sie kreisenden Planeten leuchtete?! Was ist aber wieder diese Bestanddauer gegen eine Sonnenall-Zentralsonne, was wieder die Dauer dieser gegen eine Allall-Zentralsonne, und wie nahe gar nichts selbst dieser Sonne Dauer gegen die einer Ur-Zentralsonne in einer Hülsenglobe, die im Grunde die urerste Großmutter aller Sonnen und Welten in einer Hülsenglobe ist?!

5. Welcher Rechner kann da bestimmen, wie alt eine solche Urzentralsonne ist, und wie alt sie noch werden wird?! Wie viele Zentralsonnen und wie viele ganze Sonnengebiete sind schon aus ihr hervorgegangen, die schon lange ganz aufgelöst worden sind, und wie viele neue sind schon vor undenkbar langen Zeiten an ihre Stellen getreten, und wie viele werden nach undenklich langen Zeiten noch aufgelöst werden, und wie viele neue werden wieder an ihre Stellen kommen?!

6. Aber auch diese Urzentralsonne wird einst, so zuvor alle anderen Sonnen aus ihr in endlos langen Zeiträumen aufgelöst sein werden, auch aufgelöst werden, aber noch lange nicht sobald der ganze, große Weltenmensch; denn wie das Absterben bei einem Menschen ein allmähliches ist, also ist das auch der gleiche Fall bei dem Großen Weltenmenschen.

7. Warum wird der Leib eines älter gewordenen Menschen nach und nach immer schwächer und schwächer? Weil in ihm gewisse Fibern und Nerven von Zeit zu Zeit absterben und untätig werden, – was das Altern und Schwächerwerden des Leibes bewirkt. Und doch kann dabei der Mensch noch viele Jahre hindurch leben, ohne daß er an seiner geistigen Kraft etwas verliert, besonders so er stets nach dem Willen Gottes gelebt hat. Und so wird das auch einstens mit dem Großen Weltenmenschen der Fall sein. Wenn in ihm auch schon äonen Hülsengloben aufgelöst sein werden, so wird er deshalb doch noch für eure Begriffe endlos lange fortbestehen können; denn die Hülsengloben sind in ihm das, was bei euch Menschen eure Fibern und Nerven sind.

8. Dieser euch nun dargestellte große Weltenmensch ist in der allgemeinsten Umfassung der euch ehedem dargestellte verlorene Sohn, nun auf der Umkehr begriffen, und der Vater, der ihm entgegenkommt, bin Ich nun als Mensch unter euch, und Ich nehme ihn in einem jeden Menschen, der nach Meiner Lehre lebt, wieder in Mein Vaterhaus auf.

9. Wohl dem Sünder, der Buße tut und reuig zu Mir zurückkehrt! Aber darum stelle sich ja keiner vor, daß die ganz allgemeine Umkehr etwa in einem zu kurzen Zeitraum erfolgen werde, und daß die Einwohner der Hölle oder des Gerichtes etwa zu kurze Zeiten für ihre Untaten wegen ihrer selbstgeschaffenen Unordnung werden zu leiden und zu schmachten haben! Die Hartnäckigsten werden natürlich am allerlängsten und die früher in sich Gehenden weniger zu leiden haben. – Hast du Schriftgelehrter das nun wohl verstanden?“

247. Kapitel. Jesus als Heiland des großen Weltenmenschen. Die geistige Größe des Menschen.

1. Sagte ganz verblüfft der Pharisäer: „Herr, Herr, Du mein allmächtiger und ewiger Gott, nach dieser Deiner nur zu klar gegebenen Darstellung sieht für die Verdammten in der Hölle ganz entsetzlich wenig Seligkeitshoffnung heraus; denn solche endlosesten Zeitperioden ohne Zahl und ohne Maß sind ja ebensogut wie die Ewigkeit selbst! Ach, das sind ja Größen, von denen bis jetzt noch keinem Menschen nur von fernhin etwas in den Sinn gekommen ist! Zu welch einem unendlichen Nichts verschwindet da ein Mensch! O Gott, warum bist denn Du gar so unendlich groß, weise und mächtig und wir Menschen gar so endlos nichtig, dumm und schwach?! Herr, wahrlich wahr, nun befällt mich eine große Angst vor Dir, da Du in Deinem Geiste zu ewig, zu endlos groß, zu weise und zu allmächtig bist! Und es ist mir nun das Allerunbegreiflichste, wie Du Dich in dem höchst beschränkten Leibe eines Menschen in Deiner ganzen göttlichen Fülle zu uns auf diese nichtige Erde hast begeben können!“

2. Sagte Ich: „Da kannst du ganz ruhig sein; denn Ich tue von Ewigkeit her nichts ohne den sicher weisesten Grund. Daß aber ein sehr weiser und erfahrungsreicher Arzt, so er zu einem Kranken kommt, vor allem darauf sehen und merken wird, wo im Leibe der Hauptsitz der Krankheit ist, versteht sich von selbst. Hat er das wohl erkannt, so wird er alsbald durch seine Mittel versuchen, den noch so kleinen, am meisten kranken Nerv im Menschen zu heilen und neu zu beleben. Ist dieser Nerv einmal wieder in der gesunden Ordnung, so wird dann alsbald darauf der ganze Mensch gesund.

3. Und sieh, also weiß auch Ich am besten um den kranken Nerv im Großen Weltenmenschen und bin darum eben zu diesem kranken Nerv gekommen, um ihn zuerst zu heilen, auf daß dann der ganze, große Mensch gesund werde! – Ist dir die Sache nun einleuchtender?“

4. Sagte der Schriftgelehrte: „Ja, ja, mein großer Gott und mein Herr, das ist schon alles in der allerschönsten und größten Ordnung; aber ich sinke, alles dessenungeachtet, vor Dir immer mehr und mehr in ein purstes Nichts des Nichtses herab.“

5. Sagte Ich: „Bin Ich denn dem Leibe nach nicht ebenso ein Minimum gegen die Größe der ganzen euch nun gezeigten Schöpfung?! Und dennoch überragt sie Mein Geist ums endloseste!“

6. Sagte der Schriftgelehrte: „Ja, bei Dir schon ganz sicher; aber wo ist da mein Geist?“

7. Sagte Ich: „Nun, hat dein Geist sich nicht mit dem Meinen über alle die nahezu endlos großen Hülsengloben und am Ende sogar über den ganzen großen Menschen noch endlos weit hinaus geschwungen?! Hast du mit Mir nicht die nahezu endlos großen Hülsengloben als matt schimmernde Pünktlein geschaut und selbst den ganzen, großen Menschen ebenalso?! Und hast du dich nicht mit Mir endlos weit über die Haut des Großen Weltenmenschen in den freien Raum hinaus geschwungen, so daß dir sogar der ganze große Mensch im geistigen Bilde deines Gedankens kaum so groß wie eine schimmernde Ameise vorkam?! Wenn du Mir aber in deinem Geiste in diese endlosen Schöpfungstiefen folgen kannst, und zwar so, daß sie vor dir am Ende ordentlich zu nichts werden, wie kannst du da sagen, daß du und auch ein anderer Mensch gar so nichts gegen solche endlos große Schöpfung seiet?!

8. Da sieh zum offenen Fenster hinaus, und du ersiehst soeben den Regulus im großen Löwen! Sieh, das ist eben die Urzentralsonne in dieser Hülsenglobe! Ihre unberechenbar große Entfernung von hier hat sie zu einem Punkte zusammengedrückt. Wie viele solche Regulusse könntest du dir nun wohl nebeneinander denken? Ich sage es dir: eine Unzahl, – wie auch dein Geist neben dem Großen Weltenmenschen im endlosen Raume sich gleich noch mehrere vorzustellen anfing! Und mit solchen rein göttlichen Fähigkeiten im Geiste ausgerüstet, sagst du, daß ein Mensch ein Nichts des Nichtses sei?! Ja, dein Leib als Materie ist freilich ein Nichts; darum soll aber auch der große und unsterbliche Mensch nicht für sein zeitliches und materielles Nichts sorgen, sondern für sein geistiges Alles, und er wird dann fürder nimmer sagen können, daß er ein Nichts des Nichtses sei, sondern in und mit Mir ein Alles des Alles!

9. Sieh, so dich auch der euch enthüllte Anblick der Naturgröße Meiner Schöpfung ins Nichts zusammengedrückt hat, so sage Ich dir aber doch, daß der Kleinste in Meinem Reiche ums unvergleichbare größer sein wird in allem als das, was dir nun gar so endlos groß vorkommt! – Verstehst du das?“

10. Hier atmeten alle wieder freier auf und waren froh, daß Ich ihnen aus ihrem sie alle erdrücken wollenden Nichts durch die Schlußaufklärung wieder zu etwas mehr Sein verholfen hatte.

248. Kapitel. Die Bewegung des Weltenmenschen und seiner Hülsengloben. Die Doppelsonnen.

1. Es trat aber nun Lazarus zu Mir und fragte Mich, sagend: „Herr, hat so eine Hülsenglobe, die ich mir durch Deine Gnade trotz aller ihrer ungeheuren Größe nun recht gut vorstellen kann, keine andere Bewegung als die allgemeine des Großen Weltenmenschen?“

2. Sagte Ich: „O ja, die Bewegung um ihre eigene Achse, und das darum, damit ihre Haut sich fortwährend an dem sie allenthalben umlagernden Äther reibt und dadurch eine gerechte Menge elektrisches Feuer gleich dem der Blitze erzeugt, das dann als Hauptnährstoff für alle in einer solchen Globe seienden Weltkörper dient; denn die allerungeheuerste Masse dieses Stoffes, die bei solch einer Globenreibung mit dem Außenäther erzeugt wird, erfüllt den Ätherraum in der Globe. Durch die Bewegung der zahllos vielen Weltkörper innerhalb einer Globe wird dieser Stoff mittels der Atmosphären, die sie umgeben, wieder erregt, teilt sich zuerst den Atmosphären in reichlichem Maße mit und durch diese den Weltkörpern selbst. Je größer ein Weltkörper – wie etwa eine Sonne oder gar Zentralsonne – und je vehementer seine Bewegung ist, desto mehr dieses Licht- und Nährstoffes wird auf ihm erzeugt. Von den Sonnen aus wird das Überflüssige an die Planeten gespendet.

3. Aus dem kannst du aber dann schon sehen, daß sonach auch eine Hülsenglobe ihre Bewegung haben muß, und ihre Achsendrehung, die eine ungeheuer rasche ist, gibt (reicht) schon für ihren großen Bedarf mehr als hinreichend aus; und noch ausgiebiger ist die Bewegung des Großen Weltenmenschen im großen, ganz freien Ätherraume. Die Schnelle seiner Bewegung in einem unendlich großen Kreise ist so außerordentlich, daß er in einem Augenblick tausend Hülsenglobenweiten vorwärts kommt, aber doch hundertmal tausendmal tausend Sonnenjahre dazu vonnöten hat, um wieder am alten Flecke anzugelangen.

4. Aus dem könnet ihr euch erstens einen Begriff machen, wie groß der Kreis ist, den er stets von neuem zu gehen hat, und da ist für die Ernährung aller seiner Nerven und Fibern schon bestens gesorgt. Und zweitens könnet ihr euch auch von der Macht, Weisheit und Ordnung in Gott einen helleren Begriff machen, als das bis jetzt der Fall war. – Verstehet ihr das wohl?“

5. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr, nun ist mir alles klar geworden! Du sagtest ehedem, daß der Mensch Gott unmöglich der Wahrheit gemäß lieben könne, wenn er Ihn nicht zuvor erkannt habe, und die Wahrheit dieser Deiner Rede sehe ich erst nun so recht ein. Jetzt erkenne ich Gott und liebe Ihn nun denn auch in Dir, o Herr, über die Maßen. Aber hier ist Gott auch leicht zu erkennen, wenn Du als Gott Selbst Dich uns auf so unerhörte Weise zu erkennen gibst, und wir haben dabei freilich gar kein Verdienst, da das alles nur rein Deine Gnade ist. Aber wer von allen Menschen der ganzen Erde hätte je solche Deine unermeßlichen Tiefen ergründen und enthüllen können?! Das ist nur Dem allein möglich, der sie geschaffen und höchst weise und kunstvoll geordnet hat!

6. Wir können hier nichts anderes tun, als Dir, o Herr, aus tiefster Tiefe unseres Herzens unsern liebewärmsten Dank darbringen, aber auch die Bitte hinzufügen, daß Du uns in solcher Deiner Gnade fortwährend erhalten und uns darin stets mehr und mehr stärken möchtest. – Herr, Deine alten Jünger werden von solcher Deiner Größe wohl schon zu öfteren Malen etwas vernommen haben; dürfen wir sie um Mitteilung alles dessen bitten?“

7. Sagte Ich: „O allerdings, – sie wissen davon schon gar vieles! Am bald werdenden Tage werdet ihr dazu Gelegenheiten in Menge finden. Aber nun bringe ein jeder von euch das gehörig unter, was er jetzt vernommen hat, und bewahre es treulich auf für alle, zu denen er in Meinem Namen reden wird!

8. Jetzt aber wollen wir ins Freie hinausgehen und den werdenden Tag und den Aufgang der Sonne betrachten, und ein jedes Gemüt soll erheitert werden! Des Wirtes Leute mögen unterdessen für ein Morgenmahl sorgen!“

9. Der Wirt beorderte sogleich seine Leute, und es ward bald lebendig im Hause; wir aber erhoben uns und gingen hinaus ins Freie.

10. Noch waren im Westen mehrere größere Fixsterne recht wohl sichtbar, und Lazarus fragte Mich, ob sich darunter auch irgendeine Zentralsonne befände.

11. Und Ich sagte zu ihm: „Unter diesen, die bis jetzt noch sichtbar sind, befindet sich keine; aber tief hinter ihnen gibt es deren gar sehr viele, von denen aber für sehr scharfe Augen in einer dunklen Nacht höchstens ein paar als kaum merkbare Schimmerpünktlein sichtbar sind.

12. Es gibt aber noch eine eigene Gattung von Sonnen, die in jedem einzelnen Sonnengebiet mehrfach vorkommt. Das sind die Doppelsonnen, die aber darum dennoch keine Zentralsonnen sind, sondern nur etwas seltenere Planetarsonnen, und eine von beiden ist stets um ein bedeutendes größer als ihre Begleiterin. Beide Sonnen sind voneinander selten mehr als sechstausendmal tausendmal tausend Stunden geraden Weges entfernt. Die kleinere Sonne bahnt um die größere wie ein großer Planet; aber dennoch bewegen sich um jede der beiden Sonnen eine gerechte Anzahl größerer und kleinerer Planeten, auf denen die Bewohner ein gutes Sein haben. Denn erstens haben sie beinahe nie eine volle Nacht und zweitens nie eine besondere Kälte, und das besonders jene kleineren Planeten, die zwischen den beiden Sonnen durchgehen, und zwar zur Zeit, wann solcher Durchgang geschieht.

13. Aber es gibt da auch größere Planeten, die um beide Sonnen eine große elliptische Bahn beschreiben. Die Bewohner dieser größeren Planeten haben es dann nicht so gut wie die der kleineren.

14. Diese Doppelsonnen haben aber in jedem Sonnengebiet eine gar wichtige Bestimmung; denn sie sind die natürlichen Ordner der Bewegungen der anderen einfachen Planetarsonnen und die Austeiler des bekannten Nährstoffes für ein ganzes Sonnengebiet und sind so eingeteilt, daß auf je siebenhundert bis tausend Einsonnen eine solche Doppelsonne kommt. Doch in Meinem Reiche werdet ihr das alles allerklarst kennenlernen; denn hier ist all das Wissen davon nur ein eitles Stückwerk.

15. Aber nun wenden wir unsere Augen wieder dem Aufgange zu; denn in einer kurzen Zeit wird unsere Sonne in aller Pracht und Majestät aufgehen, und den heutigen Aufgang müsset ihr alle recht wohl beobachten!“

— Ende des Bandes 06 —